L 7 AY 363/08 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AY 4169/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 363/08 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 20. Dezember 2007 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren werden abgelehnt.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegten Beschwerden der Antragsteller, denen das Sozialgericht Mannheim (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), sind zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Der Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG ist schon vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).

Vorliegend kommt für die im Beschwerdeverfahren allein noch umstrittene Kürzung der Leistungen um den Taschengeldbetrag (Bescheide vom 4. Oktober und 15. November 2007) nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht; dies hat das SG zutreffend erkannt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 16. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.; Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2007 - L 7 AS 5125/07 ER-B - (juris); Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rdnrn. 165 ff.; Funke-Kaiser in Bader u.a., VwGO, 4. Auflage, § 123 Rdnr. 62; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 1245).

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Denn die Auslegung der Bescheide vom 4. Oktober 2007 im vorliegenden Verfahren ergibt, dass den Antragstellern Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) lediglich begrenzt auf die Monate Oktober, November und Dezember 2007 bewilligt worden sind; an diesen Bewilligungszeiträumen haben auch die Änderungsbescheide vom 15. November 2007 festgehalten. Demgemäß haben die Antragsteller zu 1 und 3 am 16. Januar 2008 und die Antragstellerin zu 2 am 25. Januar 2008 für die Zeiträume ab 1. Januar 2008 auch neue Leistungsanträge nach dem AsylbLG gestellt. Wegen der Befristung in den vorgenannten Bescheiden kommt aber eine Eilentscheidung jetzt nicht mehr in Betracht.

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt es nunmehr an dem nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG erforderlichen Gegenwartsbezug und damit auch am Anordnungsgrund, nämlich der besonderen Dringlichkeit des Rechtsschutzbegehrens; dies darf der Senat nicht unbeachtet lassen. Denn die Regelungsanordnung dient zur "Abwendung" wesentlicher Nachteile mit dem Ziel, dem Betroffenen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller - noch bestehender - Notlagen notwendig sind (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 28. März 2007 - L 7 AS 1214/07 ER-B - (juris)). Einen Ausgleich für Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit herbeizuführen ist deshalb grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes; eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - a.a.O.; ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 (m.w.N. aus der Rechtsprechung) ). Einen derartigen Nachholbedarf haben die Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht; er ist auch sonst nicht ersichtlich.

Nach alledem ist der Beschluss des SG - soweit hier noch angefochten - im Ergebnis zu bestätigen, weil jedenfalls eine Eilbedürftigkeit des Begehrens der Antragsteller nicht mehr erkennbar ist. Die Prüfung, ob die in den Bescheiden vom 4. Oktober und 15. November 2007 verfügte Kürzung der nach § 3 Abs. 1 AsylbLG gewährten Grundleistungen um den Taschengeldbetrag über die Bestimmung des § 1a AsylbLG rechtmäßig ist, hat deshalb dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten bleiben. Das Widerspruchsverfahren haben die Antragsteller bereits eingeleitet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. Bundessozialgericht SozR 3-1500 § 193 Nr. 6)

Aus den oben genannten Gründen haben auch die Prozesskostenhilfegesuche der Antragsteller keinen Erfolg (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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