Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 U 15/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob die im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers vorliegenden Veränderungen als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sind.
Der 1953 geborene Kläger arbeitet seit 1975 als Telefonist. Unter dem 17.09.2002 zeigte N den Verdacht einer "Quasi-Berufskrankheit" an: Der Kläger leide an einem C 5-Syndrom bei NPP C 3/4, C 4/5, C 5/6 und generalisierter Facettenhypertrophie mit Stenosierung der Neuroforamina. Die dadurch bedingten Schmerzen führe der Kläger auf täglich vielfache Überdrehungen und Überstreckungen der Halswirbelsäule zurück. Die Beklagte zog daraufhin über den Kläger vorliegende medizinische Unterlagen bei und schaltete ihre Präventionsabteilung ein: Unter dem 12.06.2004 kam der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten zu dem Ergebnis, arbeitsplatzbedingt müsse der Kläger ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule ausführen. Dies sei für Telefonisten in dieser Form untypisch. Sodann holte die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von I, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik E ein. Dieser berichtete von degenerativen Bandscheibenveränderungen im Halswirbelsäulenbereich und führte zu deren Ursache aus, die beim Kläger festgestellten besonderen Einwirkungen am Arbeitsplatz, nämlich die wiederholten Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule seien nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nicht geeignet, Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule zu verursachen. Dementsprechend seien solche berufliche Einwirkungen bei der letzten Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung nicht berücksichtigt worden. Lediglich das regelmäßige Tragen von Lastgewichten ab 50 kg auf der Schulter, das gleichzeitig eine verdrehte Kopfhaltung erzwinge, sei nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule zu verursachen. Es lägen auch keine neuen medizinischen Erkenntnisse vor, die erst nach dem Inkrafttreten der letzten Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung gewonnen worden seien. Eine entsprechende Literaturrecherche habe ergeben, dass keine wissenschaftlichen Studien veröffentlicht worden seien, die zu der Erkenntnis geführt hätten, dass wiederholte Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule ohne gleichzeitige Einwirkung von Lasten Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule verursachten. Die - nach Meinung des Klägers - gefährdende Tätigkeit sei im Übrigen bisher auch nicht aufgegeben worden. Auch aus diesem Grunde komme die Anerkennung wie eine Berufskrankheit nicht in Betracht. Hilfsweise sei zu erwähnen, dass auch im Falle der Anerkennung die MdE kein rentenberechtigendes Ausmaß erreiche. Nachdem K, Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW dieser Beurteilung nicht widersprochen hatte, lehnte es die Beklagte ab, die Halswirbelsäulenbeschwerden des Klägers als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen (Bescheid vom 11.07.2005). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005). Mit seiner am 17.01.2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, seine Halswirbelsäule sei durch seine berufliche Tätigkeit höher belastet worden, als es üblicherweise der Fall sei. Die Belastung habe darin bestanden, dass unter dem Tisch ein Schrank gewesen sei, der die Beinfreiheit beeinträchtigt habe und deshalb die Drehbewegungen nicht über den Drehstuhl, sondern nur über Drehbewegungen des Kopfes und des Oberkörpers hätten erfolgen können. Mittlerweile sei der Arbeitsplatz neu eingerichtet. Die vorher belastenden Einschränkungen bestünden nicht mehr.
Der Kläger begehrt schriftsätzlich,
seine Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit oder wie eine Berufs- krankheit festzustellen und zu entschädigen.
Die Beklagte begehrt schriftsätzlich,
die Klageabweisung.
Das Gericht hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingeholt nach der keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, ob ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule zur Halswirbelbeschwerden führen können und auch der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" sich mit diesem Thema nicht befasst hat.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 11.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2005 ist rechtmäßig. Die beim Kläger vorliegenden Halswirbelsäulenveränderungen können weder als noch wie eine Berufskrankheit festgestellt und entschädigt werden. Als Berufskrankheitsfolgen können die Halswirbelsäulenveränderungen nicht festgestellt werden, weil die allein in Betracht kommende Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) das langjährige Tragen schwerer Lasten auf der Schulter voraussetzt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erfüllt. Darüber hinaus können die Halswirbelsäulenveränderungen auch nicht wie eine Berufskrankheit entschädigt werden (vgl. § 9 Abs. 2 SGB VII). Voraussetzung für eine Anerkennung "wie eine Berufskrankheit" ist u. a., dass die Einwirkungen, denen Personen bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sind generell geeignet sind, die geltend gemachten Krankheiten zu verursachen. Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass der Kläger über die Dauer von mehr als 27 Jahren arbeitsplatzbedingt ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule hat ausführen müssen; es lässt sich jedoch nicht wahrscheinlich machen, dass diese Einwirkungen nach gesicherter wissenschaftlicher Auffassung geeignet sind, Halswirbelsäulenschäden zu verursachen. Mit dieser Auffassung stützt sich die Kammer auf die plausiblen Ausführungen vonI. I hat auf die Ergebnisse einer Literaturrecherche hingewiesen, nach der ihm keine wissenschaftlichen Studien bekannt geworden sind, die zu der Erkenntnis geführt hätten, dass wiederholte Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule Schäden an der Halswirbelsäule verursachen können. Neuere Erkenntnisse zu dieser Frage liegen auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht vor. Im Hinblick darauf, dass sich der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" mit der Fortschreibung der Berufskrankheiten-Liste befasst und daher besonders kompetent ist zu der hier streitigen Problematik Auskunft zu geben, geht die Kammer davon aus, dass tatsächlich nach wie vor keine neueren Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, ob häufige Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule Halswirbelsäulenveränderungen verursachen können. Dazu würde es im Übrigen auch nicht reichen, wenn vereinzelt einige Sachverständige einen entsprechenden Zusammenhang bejahen würden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss es sich um gesicherte Erkenntnisse handeln, d. h. die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die hinsichtlich der Problematik über besondere Erfahrungen und Erkenntnisse verfügen, muss zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt sein (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 20/01 R - ). Im vorliegenden Fall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafü&343;, dass nach der herrschenden medizinischen Meinung ein Zusammenhang zwischen häufigen Drehbewegungen der Wirbelsäule und Halswirbelsäulenveränderungen besteht. Solche neueren Erkenntnisse könnten zumindest dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht verborgen geblieben sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob die im Bereich der Halswirbelsäule des Klägers vorliegenden Veränderungen als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sind.
Der 1953 geborene Kläger arbeitet seit 1975 als Telefonist. Unter dem 17.09.2002 zeigte N den Verdacht einer "Quasi-Berufskrankheit" an: Der Kläger leide an einem C 5-Syndrom bei NPP C 3/4, C 4/5, C 5/6 und generalisierter Facettenhypertrophie mit Stenosierung der Neuroforamina. Die dadurch bedingten Schmerzen führe der Kläger auf täglich vielfache Überdrehungen und Überstreckungen der Halswirbelsäule zurück. Die Beklagte zog daraufhin über den Kläger vorliegende medizinische Unterlagen bei und schaltete ihre Präventionsabteilung ein: Unter dem 12.06.2004 kam der Technische Aufsichtsbeamte der Beklagten zu dem Ergebnis, arbeitsplatzbedingt müsse der Kläger ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule ausführen. Dies sei für Telefonisten in dieser Form untypisch. Sodann holte die Beklagte ein Zusammenhangsgutachten von I, Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik E ein. Dieser berichtete von degenerativen Bandscheibenveränderungen im Halswirbelsäulenbereich und führte zu deren Ursache aus, die beim Kläger festgestellten besonderen Einwirkungen am Arbeitsplatz, nämlich die wiederholten Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule seien nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nicht geeignet, Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule zu verursachen. Dementsprechend seien solche berufliche Einwirkungen bei der letzten Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung nicht berücksichtigt worden. Lediglich das regelmäßige Tragen von Lastgewichten ab 50 kg auf der Schulter, das gleichzeitig eine verdrehte Kopfhaltung erzwinge, sei nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule zu verursachen. Es lägen auch keine neuen medizinischen Erkenntnisse vor, die erst nach dem Inkrafttreten der letzten Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung gewonnen worden seien. Eine entsprechende Literaturrecherche habe ergeben, dass keine wissenschaftlichen Studien veröffentlicht worden seien, die zu der Erkenntnis geführt hätten, dass wiederholte Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule ohne gleichzeitige Einwirkung von Lasten Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule verursachten. Die - nach Meinung des Klägers - gefährdende Tätigkeit sei im Übrigen bisher auch nicht aufgegeben worden. Auch aus diesem Grunde komme die Anerkennung wie eine Berufskrankheit nicht in Betracht. Hilfsweise sei zu erwähnen, dass auch im Falle der Anerkennung die MdE kein rentenberechtigendes Ausmaß erreiche. Nachdem K, Landesanstalt für Arbeitsschutz des Landes NRW dieser Beurteilung nicht widersprochen hatte, lehnte es die Beklagte ab, die Halswirbelsäulenbeschwerden des Klägers als oder wie eine Berufskrankheit zu entschädigen (Bescheid vom 11.07.2005). Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005). Mit seiner am 17.01.2006 bei Gericht eingegangenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend, seine Halswirbelsäule sei durch seine berufliche Tätigkeit höher belastet worden, als es üblicherweise der Fall sei. Die Belastung habe darin bestanden, dass unter dem Tisch ein Schrank gewesen sei, der die Beinfreiheit beeinträchtigt habe und deshalb die Drehbewegungen nicht über den Drehstuhl, sondern nur über Drehbewegungen des Kopfes und des Oberkörpers hätten erfolgen können. Mittlerweile sei der Arbeitsplatz neu eingerichtet. Die vorher belastenden Einschränkungen bestünden nicht mehr.
Der Kläger begehrt schriftsätzlich,
seine Halswirbelsäulenbeschwerden als Berufskrankheit oder wie eine Berufs- krankheit festzustellen und zu entschädigen.
Die Beklagte begehrt schriftsätzlich,
die Klageabweisung.
Das Gericht hat eine Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales eingeholt nach der keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, ob ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule zur Halswirbelbeschwerden führen können und auch der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" sich mit diesem Thema nicht befasst hat.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Das Gericht hat die Beteiligten darauf hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 11.07.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2005 ist rechtmäßig. Die beim Kläger vorliegenden Halswirbelsäulenveränderungen können weder als noch wie eine Berufskrankheit festgestellt und entschädigt werden. Als Berufskrankheitsfolgen können die Halswirbelsäulenveränderungen nicht festgestellt werden, weil die allein in Betracht kommende Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) das langjährige Tragen schwerer Lasten auf der Schulter voraussetzt. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erfüllt. Darüber hinaus können die Halswirbelsäulenveränderungen auch nicht wie eine Berufskrankheit entschädigt werden (vgl. § 9 Abs. 2 SGB VII). Voraussetzung für eine Anerkennung "wie eine Berufskrankheit" ist u. a., dass die Einwirkungen, denen Personen bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen sind generell geeignet sind, die geltend gemachten Krankheiten zu verursachen. Im vorliegenden Fall ist zwar unstreitig, dass der Kläger über die Dauer von mehr als 27 Jahren arbeitsplatzbedingt ständig wiederkehrende Drehbewegungen über die Wirbelsäule hat ausführen müssen; es lässt sich jedoch nicht wahrscheinlich machen, dass diese Einwirkungen nach gesicherter wissenschaftlicher Auffassung geeignet sind, Halswirbelsäulenschäden zu verursachen. Mit dieser Auffassung stützt sich die Kammer auf die plausiblen Ausführungen vonI. I hat auf die Ergebnisse einer Literaturrecherche hingewiesen, nach der ihm keine wissenschaftlichen Studien bekannt geworden sind, die zu der Erkenntnis geführt hätten, dass wiederholte Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule Schäden an der Halswirbelsäule verursachen können. Neuere Erkenntnisse zu dieser Frage liegen auch dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht vor. Im Hinblick darauf, dass sich der Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" mit der Fortschreibung der Berufskrankheiten-Liste befasst und daher besonders kompetent ist zu der hier streitigen Problematik Auskunft zu geben, geht die Kammer davon aus, dass tatsächlich nach wie vor keine neueren Erkenntnisse zu der Frage vorliegen, ob häufige Drehbewegungen der Hals- und Brustwirbelsäule Halswirbelsäulenveränderungen verursachen können. Dazu würde es im Übrigen auch nicht reichen, wenn vereinzelt einige Sachverständige einen entsprechenden Zusammenhang bejahen würden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss es sich um gesicherte Erkenntnisse handeln, d. h. die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die hinsichtlich der Problematik über besondere Erfahrungen und Erkenntnisse verfügen, muss zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt sein (vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 20/01 R - ). Im vorliegenden Fall fehlen jegliche Anhaltspunkte dafü&343;, dass nach der herrschenden medizinischen Meinung ein Zusammenhang zwischen häufigen Drehbewegungen der Wirbelsäule und Halswirbelsäulenveränderungen besteht. Solche neueren Erkenntnisse könnten zumindest dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht verborgen geblieben sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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