L 20 R 60/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 4488/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 60/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.10.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1958 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige; sie ist nach ihren Angaben im Jahre 1978 aus Algerien nach Deutschland zugezogen. Sie war versicherungspflichtig beschäftigt als (angelernte) Verkäuferin bis 2001.

Am 17.09.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Vom 09.07. bis 20.08.2002 unterzog sie sich einer stationären Heilmaßnahme in Bad O ... Nach Auswertung des Entlassungsberichts lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 02.10.2002 ab, da die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beklagte ließ sie untersuchen durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.J. (Gutachten vom 07.04.2003) und den Orthopäden Dr.R. (Gutachten vom 22.04.2003). Die Sachverständigen erachteten die Klägerin für fähig, noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 06.08.2003 zurück und verwies die Klägerin auf Angestelltentätigkeiten in Büro oder Verwaltung.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 02.09.2003 Klage beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Es seien keine Tätigkeiten ersichtlich, die sie im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben könne. Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr.D. , des Internisten Dr.K. und des Allgemeinarztes Dr.V. sowie eine Auskunft der Firma M. eingeholt. Aus letzterer ergibt sich, dass die Klägerin dort als angelernte Verkäuferin tätig gewesen ist bei einer Anlernzeit von ca. einem halben Jahr. Auf Veranlassung des SG hat der Orthopäde Dr.M. das Gutachten vom 19.04.2004 und der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.H. das Gutachten vom 28.05.2004 erstattet. Beide Sachverständigen erachteten die Klägerin für fähig, zumindest noch leichte Tätigkeiten allgemeiner Art in Vollschicht bzw. im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu leisten. Auf Antrag der Klägerin erstattete der Nervenarzt Dr.L. das Gutachten vom 30.03.2005. Dieser hielt die Klägerin nur noch für fähig, Arbeiten allgemeiner Art im Umfang von drei bis sechs Stunden täglich zu verrichten. Der ärztliche Sachverständige Dr.H. hat zum Gutachten von Dr.L. am 01.07.2005 Stellung genommen und ist bei der von ihm vorgenommenen Leistungsbeurteilung verblieben. Mit Urteil vom 11.10.2005 hat das SG die Klage - gerichtet auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung - abgewiesen. Bei der Klägerin liege weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vor; sie könne vielmehr weiterhin leichte Tätigkeiten ohne besondere nervliche Belastungen und ohne besondere Belastung der Hände im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Die Klägerin sei auch nicht als berufsunfähig anzusehen. Sie sei als angelernte Verkäuferin (nach dem Mehrstufen-Schema des BSG im unteren Bereich) tätig gewesen und müsse sich auf alle gesundheitlich verträglichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 25.01.2006 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangene Berufung der Klägerin. Diese verlangt weiterhin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und geht davon aus, dass sie aufgrund ihrer psychischen und orthopädischen Beeinträchtigungen keinesfalls mehr als drei Stunden arbeiten könne. Die Beklagte hat mitgeteilt, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente letztmalig im September 2004 erfüllt wurden; für einen später anzunehmenden Leistungsfall bestehe kein Rentenanspruch mehr. Der Senat hat Befundberichte des Nervenarztes Dr.F. vom 06.11.2006, des HNO-Arztes Dr.K. vom 14.11.2006 und des Allgemeinarztes Dr.A. vom 27.11.2006, jeweils mit weiteren ärztlichen Unterlagen, eingeholt. Auf Veranlassung des Senats hat der Internist und Arzt für Arbeitsmedizin Dr.M. das Gutachten vom 12.03.2007 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin erstattet. Er hat als Diagnosen genannt: 1. Somatisierungsstörung, Fibromyalgiesyndrom, 2. Ganglien- und Zystenbildung im Bereich der Handgelenke, 3. Fehlhaltung und Verschleiß der Wirbelsäule, 4. Gelenksverschleiß allgemein, 5. Bauch- und Verdauungsbeschwerden, 6. Stimmbandlähmung, 7. Funktionsstörung der Schilddrüse, Hypophysengeschwulst, 8. Sehstörung, 9. Atembeschwerden. Er hat die Klägerin für fähig erachtet, bei Beachtung einiger qualitativer Einschränkungen weiterhin regelmäßig einer körperlich leichten Tätigkeit von mindestens sechs Stunden oder mehr täglich unter üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes nachzugehen. Die Klägerin hat sich zur Begutachtung geäußert und die Auffassung vertreten, dass dieses Gutachten einer gerichtlichen Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden könne.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 11.10.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 02.10.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund des Antrags vom 17.09.2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg sowie die ärztlichen Unterlagen des Allgemeinarztes Dr.A. vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel der Klägerin erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit iSd § 43 SGB VI zusteht. Es hat sich dabei auf die Gutachten der von Amts wegen beauftragten Sachverständigen Dr.M. und Dr.H. gestützt und hat auch ausführlich und überzeugend dargelegt, warum der Leistungseinschätzung durch Dr.L. nicht zu folgen war.

Dieses Ergebnis ist im Berufungsverfahren durch das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.M. im vollen Umfang bestätigt worden. Auch Dr.M. hat sämtliche Gesundheitsstörungen der Klägerin beschrieben und bewertet und hat festgestellt, dass die tägliche Arbeitszeit für die Klägerin keiner Beschränkung bedarf. Die Klägerin ist lediglich gehindert, körperlich schwere und anhaltend mittelschwere Arbeiten sowie solche in länger andauernden Zwangshaltungen oder unter besonderen nerv- lichen Belastungen zu verrichten. Dies steht jedoch einem Einsatz unter betriebsüblichen Bedingungen nicht entgegen. Dieses vom ärztlichen Sachverständigen beschriebene Leistungsvermögen der Klägerin ist für den Senat überzeugend. Es stimmt mit den vorausgegangenen Begutachtungen durch Dr.M. vom April 2004 und Dr.H. vom Mai 2004 überein; eine bedeutsame Verschlechterung des Gesamtbefindens der Klägerin seit Rentenantragstellung war nicht festzustellen.

Unabhängig davon hat die Klägerin bereits seit Oktober 2004, mithin auch bei Erlass des Ersturteils, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht mehr erfüllt. Ihr Versicherungsverlauf endet mit Leistungen (Pflichtbeiträgen) zum 20.08.2002. Sowohl durch die Gutachten von Dr.M. und von Dr.H. (mit ergänzender Stellungnahme vom 01.07.2005) wie auch durch das Gutachten von Dr.M. ist für den Senat überzeugend belegt, dass eine Leistungsminderung von rentenerheblicher Bedeutung bei der Klägerin bis Oktober 2004 nicht vorgelegen hat.

Die Klägerin war und ist demnach nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 SGB VI. Ihre Berufung war zurückzuweisen.

Da die Berufung ohne Erfolg blieb, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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