L 12 AS 20/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 31 (11) AS 118/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 20/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 34/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Rev. mit Urteil vom 20.08.09 zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.08.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Kosten für die Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Dabei geht es zuletzt allein um die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Leibrentenzahlung beim Kläger als Kosten der Unterkunft in Anrechnung gebracht werden kann.

Der 21-jährige Kläger ist Schüler und lebt mit seiner Mutter sowie zwei Schwestern in einem Haus. Dieses Hausgrundstück haben die Eltern des Klägers im Jahre 1979 gegen Zahlung einer monatlichen Leibrente in Höhe von damals 400,00 DM monatlich von den Großeltern des Klägers erworben. Der Anspruch ist grundbuchrechtlich gesichert. Die Höhe der Leibrente war mittels einer Indexklausel gekoppelt an den Lebenshaltungskostenindex. Gegenwärtig beträgt die an die allein verbliebene Großmutter des Klägers zu zahlende monatliche Leibrente 346,17 EUR. An Nebenkosten fallen für das Haus ohne Heizkosten monatlich 139,67 EUR an. Nach dem Tode seines Vaters erhält der Kläger eine Halbwaisenrente in Höhe von 186,83 EUR im Monat und ist seither mit einem Anteil von 1/12 als Eigentümer am Hausgrundstück eingetragen.

Die Leibrentenzahlung erfolgt in der Weise, dass der Betrag von 346,17 EUR monatlich vom Konto der Mutter abgebucht wird. Eine konkrete oder genau festgelegte Beteiligung des Klägers ist nicht vereinbart. Er zahlt keine Miete an die Mutter, stellt dieser aber seine Waisenrente im Rahmen eines gemeinsamen Wirtschaftens zur Verfügung.

Am 21.03.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hierbei gab er an, dass für das Haus Heizkosten in Höhe von 200,00 EUR für Heizöl anfallen würden. Mit Bescheid vom 21.06.2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 21.03.2005 bis 30.09.2005 in Höhe von 79,81 EUR monatlich. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Nach Änderungsbescheiden vom 04.07.2005 und 26.08.2005 bewilligte die Beklagte dann mit Änderungsbescheid vom 01.09.2005 Leistungen in Höhe von monatlich 244,46 EUR. Den Bedarf des Klägers ermittelte sie mit der Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 56,29 EUR monatlich. Sie ging davon aus, dass außer den Nebenkosten noch Heizkosten nach einer Pauschale von 85,58 EUR pro Monat für das Haus anfielen. Da dieses von 4 Personen bewohnt werde, veranschlagte die Beklagte nur 1/4 der Kosten für den Kläger. Von dem Bedarf zog sie die Halbwaisenrente ab, die sie zuvor um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR bereinigte. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2005 wies sie den weitergehenden Widerspruch zurück. Das anzurechnende Einkommen mindere den Bedarf um 156,83 EUR, so dass ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 244,46 EUR bestehe.

Hiergegen hat der Kläger am 11.10.2005 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben.

Ursprünglich war auch die Höhe der angenommenen Heizkostenpauschale und die Frage strittig, in welcher Höhe ein Erhaltungsaufwand zu berücksichtigen sei. In einem Erörterungstermin des Sozialgerichts hat die Beklagte versichert, bei entsprechenden Nachweisen hinsichtlich der tatsächlichen Heizkosten eine Nachbewilligung zu prüfen. Sie hat weiter versichert, die Übernahme konkret nachgewiesener Instandhaltungsaufwendungen für das Haus bei Vorlage entsprechender Kostenvoranschläge zu prüfen. Mit Bescheid vom 26.04.2006 hat die Beklagte über eine Heizkostennachzahlung für die Zeit vom 21.03.2005 bis 20.03.3006 entschieden. Die Beteiligten sind danach davon ausgegangen, dass die Höhe der dem Kläger zustehenden Leistungen mit einer Ausnahme - Berücksichtigung der Leibrente -zutreffend berechnet seien. Die erlassenen Bescheide wurden insoweit nicht mehr angegriffen.

Streitpunkt ist allerdings noch und war dies auch von Klageerhebung an, inwieweit die Leibrentenzahlungen an die Großmutter des Klägers beim Kläger als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen seien. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, diese Leibrentenzahlungen an seine Großmutter seien mit einem Anteil von 1/4 bei ihm zu berücksichtigen. Seine Mutter könne diese Zahlungen nicht voll übernehmen. Eine Leibrente müsse ebenso wie eine Erbpacht als Kosten der Unterkunft angesehen werden. Sie stelle eine dauernde Last im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII dar. Dem könne auch nicht entgegen gehalten werden, dass es sich um Vermögensbildung handele. Auch bei der Eigenheimzulage, die nicht auf die Leistungen nach dem SGB II angerechnet würden, handele es sich um Vermögensbildung. Zudem werde der Kläger gegenüber Mietern benachteiligt. Denn auch bei Einbeziehung eines Viertels der Leibrente würden sich seine Kosten der Unterkunft und Heizung lediglich auf 168,58 EUR addieren. Dieser Betrag sei auch bei einem Mieter angemessen. Hierauf habe auch schon der VGH Baden-Württemberg in einem Urteil vom 21.03.1996 - 6 S 1342/93 - abgestellt.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 21.06.2005 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.07.2005, 26.08.2005 und 01.09.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2005 zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 21.03.2005 bis 30.09.2005 weitere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 86,54 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass eine Leibrentenzahlung nicht als Kosten der Unterkunft angerechnet werden könne. Es sei eben keine Miete vereinbart.

Mit Urteil vom 29.08.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung bezüglich der Berücksichtigungsfähigkeit der Leibrentenzahlung wörtlich wie folgt ausgeführt:

"Zutreffend ist auch, dass die Beklagte die Leibrentenzahlungen nicht berücksichtigt hat. Denn diese stellen den Kaufpreis für das Kaufgrundstück dar und dienen der Vermögensbildung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24.04.1975, Aktenzeichen 5 C 61/73; VG Münster, Urteil vom 26.01.2006, Aktenzeichen 5 K 3084/04). Dies kann nicht anders behandelt werden als in den Fällen, in denen der Kaufpreis mittels Kredit finanziert wird. In diesen Fällen können lediglich die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Darlehenszinsen, nicht hingegen die Tilgungslasten als Unterkunftskosten anerkannt werden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.09.1992, Aktenzeichen 5 C 25/88). Existenzsichernde Leistungen, die aus Steuermmitteln finanziert werden, dürfen lediglich laufende Kosten decken und nicht zur Vermögensbildung durch Begleichung von Kaufpreisforderungen führen. Der Hilfebedürftige darf es nicht in der Hand haben, durch geschickte Gestaltung seiner Verpflichtungen, auf Kosten der Allgemeinheit schuldenfreies Vermögen zu bilden. Mangels erkennbaren Zinsanteiles ist die Leibrente in voller Höhe als Kaufpreis anzusehen. Die bloß fiktive Ermittlung von Zinsanteilen im Steuerrecht bei Leibrenten, etwa nach §§ 10 und 22 EStG, kann nicht auf die Ermittlung von Unterkunftskosten bei existenzsichernden Leistungen übertragen werden. Hier geht es nicht um die lückenlose Erfassung steuerrechtlicher Sachverhalte, sondern allein um die Deckung tatsächlicher Bedarfe, für deren Vorliegen der Hilfebedürftige die Beweislast trägt.

Vergleiche mit den Höchstmietrichtwerten, die bei Mietern angenommen werden, verbieten sich von vornherein. Nach § 22 Abs. 1 SGB II werden lediglich die tatsächlichen und keine fiktiven Kosten der Unterkunft übernommen. Hieran ändert es auch nichts, dass ein Vermieter von seinem Mieter regelmäßig eine Miete verlangt, die nicht nur seine tatsächlichen Aufwendungen deckt, sondern auch zu einem Gewinn und damit zu einer Vermögensbildung führt. Denn diese Vermögensbildung erfolgt beim Vermieter, der nicht Bezieher von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist, und nicht beim Hilfebedürftigen selbst. Zudem ist sie zur Deckung des Unterkunftsbedarfs unvermeidbar. Auch der VGH Baden-Württemberg hat - entgegen der Auffassung des Klägers - in seinem Urteil vom 21.03.1996, a.a.O., nicht entschieden, dass Eigenheimbesitzern jedenfalls diejenigen Kosten als Kosten der Unterkunft zuzuerkennen seien, die bei einem Mieter noch als angemessen betrachtet würden. Vielmehr hat der VGH Baden-Württemberg in dem genannten Urteil entschieden, dass selbst, wenn ein Eigenheimbesitzer höhere tatsächliche Aufwendungen nachweist, diese nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn sie den angemessenen Mietrichtwert überschreiten. Es handelt sich gerade nicht um einen Mindestbetrag, der bei Eigentümern berücksichtigungsfähig ist, sondern um einen Höchstbetrag.

Die Lage ist auch nicht vergleichbar mit der Nichtanrechnung einer zweckentsprechend verwendeten Eigenheimzulage, die zu einer Vermögensbildung führt. Zum Einen handelt es sich bei dieser Frage um die Frage der Anrechnung von zweckbestimmten Einnahmen und nicht um die Berücksichtigung von Unterkunftskosten. Zum Anderen hat der Verordnungsgeber mit der Ergänzung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 zum 01.10.2005 ausdrücklich eine abweichende Handhabung normiert. Die Leibrente als Kaufpreis ist - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht etwa einer Erbpacht vergleichbar. Der Sachverhalt ist dort nämlich vielmehr der Miete bzw. Pacht vergleichbar. Geht bei der Erbpacht das Eigentum am Grundstück doch gerade nicht über, § 27 Abs. 1 Satz 1 Erbbauverordnung. Bei einer Leibrente handelt es sich auch um keine dauernde Last im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 2. Alternative der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII. Die Anwendbarkeit dieser Verordnung auf die Ermittlung der Unterkunftskosten (s.o.) kann dahinstehen. Denn dauernde Lasten werden im steuerrechtlichen Bereich, aus dem dieser Begriff stammt (§ 10 EStG), gerade insofern von Leibrenten unterschieden, als bei dauernden Lasten die Leistungen zwar stets wiederkehren, in ihrem Umfang jedoch abänderbar sind, während bei Leibrenten keine Anpassung an veränderte Verhältnisse - außerhalb von Anfang an vereinbarter Indexklauseln - möglich ist.

Die bloß kopfanteilige Berücksichtigug der Unterkunftskosten für das Haus mit einem Viertel bei dem Kläger wird von diesem nicht angegriffen. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass, selbst wenn darüber hinausgehend eine Vermögensbildung über die Kosten der Unterkunft finanziert werden sollte, im Fall des Klägers allenfals ein Zwölftel der Leibrente berücksichtigt werden könnte. Denn nur in diesem Umfange ist er Eigentümer des Grundstücks.

Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Beklagte - bei einem entsprechenden Antrag des Klägers - zu prüfen haben wird, ob nicht darlehensweise Leibrentenzahlungen anteilig berücksichtigt werden könnten. Das Bundesverwaltungsgericht ist hiervon stets ausgegangen (vgl. Bundesverwaltungsgericht Urteile vom 10.09.1992 und 24.05.1975 am angegebenen Ort). Die bei den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts maßgebliche Vorschrift für die Gewährung von Darlehn zur Sicherung der Unterkunft war § 15 a BSHG, dessen identischer Regelungsgehalt nunmehr in § 34 SGB XII aufgenommen wurde. Nachdem mit Wirkung zum 01.04.2006 ein Rückgriff auf § 34 SGB XII für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen wurde, wird dies die Beklagte bei der Auslegung des allein maßgeblichen § 22 Abs. 5 SGB II zu berücksichtigen haben. Insbesondere, da der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 22 Abs. 5 SGB II und Streichung der Verweisung auf § 34 SGB XII in § 5 Abs. 2 SGB II keine Schlechterstellung der Bezieher von Leistungen nach dem SGB II beabsichtigte. Vielmehr ging er davon aus, lediglich die Zuständigkeit des Leistungsträgers neu zu regeln, was bei identischem Regelungsgehalt jedweden Rückgriff auf § 34 SGB XII überflüssig gemacht hätte (Bundestagsdrucksache 16/688, Seite 13 ff., B, zu Artikel 1, zu Nr. 1 sowie 6 c und d)."

Gegen dieses ihm am 22.09.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.10.2006 eingegangene Berufung des Klägers, die alleine auf die Frage beschränkt worden ist, ob bei den Kosten der Unterkunft die von der utter des Klägers gezahlte Leibrente in Höhe von 346,17 EUR ganz oder teilweise als Unterkunftskosten beim Kläger zu berücksichtigen sind. Der Kläger trägt vor, er begehre die Erhöhung der monatlichen Leistungen um 86,54 EUR. Dies sei 1/4 der an die Großmutter zu zahlende Leibrente in Höhe von 346,17 EUR. Im streitbefangenen Zeitraum habe der Kläger zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden Schwestern in dem Haus gewohnt, so dass auf ihn 1/4 der Unterkunftskosten entfielen. Zu Unrecht habe das Sozialgericht die Auffassung vertreten, dass die Leibrente nicht als Unterkunftskosten zu berücksichtigen sei. Insbesondere handele es sich nicht um Vermögensbildung.

Die Familie könne in dem Haus nur wohnen, weil das Haus erworben wurde, und zwar gegen Zahlung einer Leibrente. Da diese relativ gering sei, handele es sich mithin um Unterkunftskosten, die recht günstig seien und die eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu einer Mietwohnung darstellten. Würde die Familie in einer Mietwohnung leben, wären die Unterkunftskosten wahrscheinlich höher und es müsste ein höherer Anteil für den Kläger als Unterkunftskosten übernommen werden. Schon aus diesem Gesichtspunkt sei es gerechtfertigt, diesen Betrag als Unterkunftskosten zu betrachten.

Unzutreffend sei aber auch, dass die Zahlung der Vermögensbildung diene, denn das Vermögen sei schon gebildet worden durch den Kauf des Hauses. Das Eigentum sei bereits im Besitz der Mutter. Die Tatsache, dass dem Kläger auch 1/12 des Hauses gehöre, beruhe allein auf einem Erbgang, nicht aber auf dem Erwerb des Hauses durch ihn. Die Zahlungen dienten der Abgeltung einer Schuld, zu der sich die Mutter des Klägers verpflichtet habe. Das Vermögen werde hierdurch jedoch nicht vermehrt.

Die Tatsache, dass durch die Zahlung einer Leibrente das Vermögen nicht vermehrt wird, zeige sich auch daran, dass dann, wenn die Großmutter des Klägers jetzt sterben würde, keine weitere Rate zu zahlen wäre. Wäre die Großmutter bereits vor einem Jahr gestorben, wäre im letzten Jahr keine Rate zu zahlen gewesen. Schon denklogisch könne es sich bei der Leibrentenzahlung nicht um eine Vermögensmehrung handeln. Die Sachlage sei anders bei dem Kauf eines Hauses, welches durch eine Bank finanziert werde. Dort verminderten sich mit jeder Tilgung die Schulden, die auf dem Haus lasten, so dass es in der Tat entsprechend ein weiterer Anteil jeweils des Hauses zuwächst, auch wenn das Eigentum des Hauses in vollem Umfang vorhanden ist. Der Vermögenszuwachs erfolge durch Verringerung der Schulden. Dies sei vorliegend nicht der Fall: Das Haus sei schuldenfrei, der Mutter wachse nichts Weiteres zu.

Der Kläger müsse sich an den Unterkunftskosten beteiligen, ansonsten könne die Mutter des Klägers mit ihren Einkünften ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Für den Kläger stelle sich die Zahlung keineswegs als Tilgung eines Kaufpreises dar, sondern um eine Verpflichtung zur Tragung an anteiligen Unterkunftskosten. Insoweit ähnele seine Situation der eines Untermieters in einem Einfamilienhaus, der an den Vermieter seine Miete zahle, auch wenn der Eigentümer des Hauses dann möglicherweise hiervon Darlehen zahle oder tilge oder sich einen schönen Tag mit den Mieteinkünften mache.

Dabei spiele es im Übrigen überhaupt keine Rolle, dass der Kläger inzwischen durch Erbgang 1/12 Miteigentümer geworden ist. Die Idee des Sozialgerichts, dass im Falle des Klägers allenfalls 1/12 der Leibrente berücksichtigt werden könne, gehe an dem Problem vorbei, denn der Kläger habe keine Verpflichtung aufgrund seines Erbanteils. Diesen Erbanteil habe er von seinem Großvater geerbt. Der Kläger selbst habe auch keinerlei Zahlungsverpflichtungen. Sein Anteil sei nur entsprechend durch die Reallast belastet, eine Zahlungspflicht habe aber allein seine Mutter.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.08.2006 zu ändern und nach dem erstinanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Ferner lag die Vorstreitakte des SG Gelsenkirchen S 20 AS 67/05 ER vor. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn die Streitwertgrenze des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 500,00 EUR wird schon allein durch die streitige Differenz für die vollen Monate April bis September 2005 (6 x 86,54 = 519,24 EUR) erreicht.

Die Berufung ist allerdings nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Leibrentenzahlung an die Großmutter des Klägers als Kosten der Unterkunft des Klägers anzusehen und seinen Bedarf um diesen Betrag zu erhöhen. Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts auf den Seiten 5 bis 7. Der Senat stimmt diesen Ausführungen zu und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer Wiederholung ab.

Die Ausführungen im Berufungsverfahren geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Dabei lässt der Senat offen, ob die Berufung nicht bereits deshalb keinen Erfolg haben kann, weil die Zahlung der Leibrente allein der Mutter des Klägers obliegt, wie der Kläger in seiner Berufungsbegründungsschrift selbst ausdrücklich vorträgt. Die Kosten der Leibrente kann die Mutter nicht dadurch mittelbar auf die Allgemeinheit abwälzen, indem ihr Sohn die Rente oder einen Teil davon als Teil der Unterkunftskosten bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende geltend macht (so wohl im Ergebnis VG Münster vom 26.01.2006 - 5 K 3084/04 -).

Aber selbst wenn man einmal die Leibrentenverpflichtung durch den Erbgang oder nach der Darstellung des Klägers zu 1/4 oder 1/12 ihm zurechnen würde, kann diese Verpflichtung nicht als Kosten der Unterkunft angesehen werden. Es ist seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.04.1995 (VC 61.73) herrschende Meinung, dass Leibrenten, die als Gegenleistung für den Erwerb eines Hausgrundstücks zu entrichten sind, nicht zu den laufenden Kosten für die in diesem Hause genommene Unterkunft gehören (vgl. VG Münster a.a.O., Randnr. 24). In der Literatur werden Leibrentenleistungen Tilgungsleistungen für ein Darlehen beim Eigenheim gleichgesetzt (Berlit in LPK - SGB II, § 22 Randnr. 22 und 23; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Randnr. 27 bis 30; LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.10.2006 - L 20 AS 39/06 -). Dieser herrschenden Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

Der Senat verkennt nicht, dass gegen die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur Kritik geäußert wird. Zwar sei Vermögensbildung und Schuldentilgung nicht Aufgabe der Grundsicherung. Aber bei angemessenen Gesamtkosten überzeuge dies nicht völlig. Wenn Leibrentenleistungen vertraglich geschuldet seien, so müssten diese für den Erhalt der Unterkunft als geboten angesehen werden, wenn sie der Höhe nach angemessen seien (vgl. SG Detmold vom 16.02.2006 - S 8 AS 37/06 - in Info also 2006, 123; Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 Randnr. 28). Diese Auffassung überzeugt nicht, denn sie geht von rechtlich zulässigen alternativen Gestaltungsmöglichkeiten aus, die für den Grundsicherungsträger im Ergebnis teurer geworden wären, aber in konkreten Fall eben nicht gewählt worden sind. Eine Alternativbetrachtung war dem Sozialhilferecht fremd und ist es auch dem SGB II. Hätte der Kläger mit seiner Mutter eine monatliche Miete vereinbart und wäre ein solches Mietverhältnis aufgrund der örtlichen Verhältnisse durchführbar gewesen und auch tatsächlich "gelebt" worden, hätte die Beklagte eine tatsächlich gezahlte Miete bis zur angemessen Höhe übernehmen müssen. Dieser Betrag könnte die geforderten 86,54 EUR sogar überschreiten. Diese Möglichkeit ist aber nicht gewählt worden. Es ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Würde man hier eine Ausnahme zulassen, müsste man dies auch in allen anderen Fällen tun, wo eine rechtlich zulässige alternative Gestaltung der tatsächlichen Verhältnisse (z. B. bei nicht ehelicher Lebensgemeinschaft) zu einer höheren Belastung der Beklagten führen könnte, als die geforderte Leistung. Es verbleibt dabei daher bei dem Grundsatz, dass Schuldentilgung - und bei der Leibrentenverpflichtung handelt es sich ohne Zweifel um eine Schuld - nicht zu den Aufgaben der Sozial-/Grundsicherungsleistung gehört.

Klage und Berufung konnten somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die vorliegende Rechtsfrage zumindestens teilweise umstritten ist und bezüglich der als vergleichbar angesehenen Tilgungsanteile bei Darlehen für ein Eigenheim ein Rechtsstreit beim Bundessozialgericht unter dem Aktenzeichen B 14 /11 b AS 67/06 R anhängig ist und die zugrunde liegende Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts immerhin aus dem Jahre 1975 stammt.
Rechtskraft
Aus
Saved