Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 116 AS 26938/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 345/08 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Dezember 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 438,- EUR monatlich zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen. Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für Leistungszeiträume ab 1. Februar 2008 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind im Verfahren bei dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie - ebenso wie die Beschwerde des Antragstellers - nicht begründet und war zurückzuweisen. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung für Leistungszeiträume ab 1. Februar 2008, über den das Sozialgericht (SG) in dem angefochtenen Beschluss keine Entscheidung getroffen hat und über den daher vom Beschwerdegericht erstinstanzlich zu befinden war, ist bereits unzulässig.
Ein Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung im Sinne von 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch bei Erteilung eines Versagensbescheides gemäß § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) in Betracht kommt, liegt für die Zeit vom "August 2007" (so der Antrag in der Beschwerdeschrift) bis zum Eingang des Rechtsschutzantrags bei dem SG (24. Oktober 2007) schon deshalb nicht vor, weil ein eiliges Regelungsbedürfnis für zurückliegende Zeiträume regelmäßig nicht besteht. Ein besonderer Nachholbedarf oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind weder dargetan noch im Übrigen ersichtlich. Gleiches gilt auch für die Zeit vom Antragseingang bis zur Entscheidung durch das SG (13. Dezember 2007). Denn der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, seinen Lebensunterhalt von darlehensweise gewährten Geldleistungen seines Schwagers und seiner Eltern bestritten zu haben. Schließlich ist auch ein unaufschiebbares Regelungsbedürfnis für die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht dargetan, und zwar auch nicht für den vom SG ausgeworfenen Leistungszeitraum vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008. Denn eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers war in dem letztgenannten Zeitraum nicht zu besorgen; sie ist auch tatsächlich nicht eingetreten. Soweit das SG den Antragsgegner zur Gewährung von Unterkunftskosten in Höhe von 222,- EUR monatlich verpflichtet hat, war der angefochtene Beschluss daher auf die Beschwerde des Antragsgegners zu ändern und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insoweit zurückzuweisen.
Hinsichtlich der für die Zeit vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008 vom SG im Übrigen einstweilen zuerkannten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 438,- EUR monatlich bestehen hingegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller ist - unstreitig - erwerbsfähig und nach der im Ergebnis nicht zu beanstandenden Folgenabwägung des SG auch im tenorierten Umfang als hilfebedürftig (vgl. §§ 7, 8, 9 SGB II) anzusehen. Ob der Antragsteller mit seiner Mitbewohnerin C v H (im Folgenden: H.) eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bildet, hängt davon ab, ob er und H. in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Trotz der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich dies aber derzeit nicht abschließend klären, zumal in der Person des Antragstellers und der B. zur Zeit auch keiner der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a Nrn. 1 bis 4 SGB II erfüllt ist. Eine abschließende Sachaufklärung, die gegebenenfalls auch die vollständige Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der H. umfassen müsste, ist zwar grundsätzlich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, S. 8 m. w. Nachw.). Ist sie aber nicht möglich oder - wie vorliegend - angesichts der Eilbedürftigkeit bzw. des zwischenzeitlich ohnehin abgelaufenen Regelungszeitraums untunlich, hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen. Diese soll einerseits die Existenzsicherung des Antragstellers gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher auch unter Berücksichtigung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme für angemessen, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. Januar 2008 die Leistungen zuzuerkennen, die bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft - ohne dass die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Bedarfsgemeinschaft damit vorweggenommen würde - zu gewähren sind, und zwar ohne Berücksichtigung etwaigen Einkommens oder Vermögens der H. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Leistungsbetrag für den in Betracht kommenden Leistungszeitraum vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008 von 312,- EUR (Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II). Hinzu kommen die Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung (= 126,02 EUR monatlich), so dass sich - gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) - ein Leistungsbetrag von monatlich 438,- EUR errechnet. Soweit der Antragsteller einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Regelleistungen für den genannten Zeitraum geltend macht, ist seine Beschwerde aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass bei der im Falles des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft erforderlich werdenden Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der H. dem Antragsteller aufgrund der §§ 60, 66 SGB I Leistungen nicht versagt werden dürfen, wenn er Auskünfte zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der H. nicht erteilt. Der Antragsgegner ist vielmehr gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von H. einzuholen. Die genannte Vorschrift normiert eine eigenständige öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II).
Soweit der Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (vgl. § 123 SGG) mit seiner Beschwerdeschrift den Erlass einer Regelungsanordnung für den am 1. Februar 2008 beginnenden Bewilligungsabschnitt geltend macht, hat das SG hierüber in dem angefochtenen Bescheid keine Entscheidung verlautbart. Dieser Rechtsschutzantrag ist unzulässig, weil das Landessozialgericht als Berufungs- und Beschwerdegericht funktional nicht zuständig ist, insoweit eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. § 29 SGG). Es bleibt dem Antragsteller aber unbenommen, insoweit bei dem SG um Rechtsschutz nachzusuchen.
Wegen der getroffenen instanzbeendenden Entscheidung hat sich der von dem Antragsgegner gestellte Vollstreckungsaussetzungsantrag nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie - ebenso wie die Beschwerde des Antragstellers - nicht begründet und war zurückzuweisen. Der Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung für Leistungszeiträume ab 1. Februar 2008, über den das Sozialgericht (SG) in dem angefochtenen Beschluss keine Entscheidung getroffen hat und über den daher vom Beschwerdegericht erstinstanzlich zu befinden war, ist bereits unzulässig.
Ein Anordnungsgrund für die begehrte gerichtliche Anordnung im Sinne von 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch bei Erteilung eines Versagensbescheides gemäß § 66 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) in Betracht kommt, liegt für die Zeit vom "August 2007" (so der Antrag in der Beschwerdeschrift) bis zum Eingang des Rechtsschutzantrags bei dem SG (24. Oktober 2007) schon deshalb nicht vor, weil ein eiliges Regelungsbedürfnis für zurückliegende Zeiträume regelmäßig nicht besteht. Ein besonderer Nachholbedarf oder eine Fortwirkung der Nichtgewährung von Leistungen in der Vergangenheit in die Gegenwart sind weder dargetan noch im Übrigen ersichtlich. Gleiches gilt auch für die Zeit vom Antragseingang bis zur Entscheidung durch das SG (13. Dezember 2007). Denn der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, seinen Lebensunterhalt von darlehensweise gewährten Geldleistungen seines Schwagers und seiner Eltern bestritten zu haben. Schließlich ist auch ein unaufschiebbares Regelungsbedürfnis für die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung nicht dargetan, und zwar auch nicht für den vom SG ausgeworfenen Leistungszeitraum vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008. Denn eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit des Antragstellers war in dem letztgenannten Zeitraum nicht zu besorgen; sie ist auch tatsächlich nicht eingetreten. Soweit das SG den Antragsgegner zur Gewährung von Unterkunftskosten in Höhe von 222,- EUR monatlich verpflichtet hat, war der angefochtene Beschluss daher auf die Beschwerde des Antragsgegners zu ändern und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz insoweit zurückzuweisen.
Hinsichtlich der für die Zeit vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008 vom SG im Übrigen einstweilen zuerkannten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von 438,- EUR monatlich bestehen hingegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller ist - unstreitig - erwerbsfähig und nach der im Ergebnis nicht zu beanstandenden Folgenabwägung des SG auch im tenorierten Umfang als hilfebedürftig (vgl. §§ 7, 8, 9 SGB II) anzusehen. Ob der Antragsteller mit seiner Mitbewohnerin C v H (im Folgenden: H.) eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II bildet, hängt davon ab, ob er und H. in eheähnlicher Gemeinschaft leben. Trotz der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme lässt sich dies aber derzeit nicht abschließend klären, zumal in der Person des Antragstellers und der B. zur Zeit auch keiner der Vermutungstatbestände des § 7 Abs. 3a Nrn. 1 bis 4 SGB II erfüllt ist. Eine abschließende Sachaufklärung, die gegebenenfalls auch die vollständige Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der H. umfassen müsste, ist zwar grundsätzlich auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05, S. 8 m. w. Nachw.). Ist sie aber nicht möglich oder - wie vorliegend - angesichts der Eilbedürftigkeit bzw. des zwischenzeitlich ohnehin abgelaufenen Regelungszeitraums untunlich, hat das Gericht eine Folgenabwägung vorzunehmen. Diese soll einerseits die Existenzsicherung des Antragstellers gewährleisten, andererseits aber auch das öffentliche Interesse berücksichtigen, keine Leistungen bei fehlender Bedürftigkeit zu gewähren.
Der Senat hält es daher auch unter Berücksichtigung der vom SG durchgeführten Beweisaufnahme für angemessen, dem Antragsteller vorläufig bis zum 31. Januar 2008 die Leistungen zuzuerkennen, die bei Annahme einer Bedarfsgemeinschaft - ohne dass die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer solchen Bedarfsgemeinschaft damit vorweggenommen würde - zu gewähren sind, und zwar ohne Berücksichtigung etwaigen Einkommens oder Vermögens der H. Hieraus errechnet sich ein monatlicher Leistungsbetrag für den in Betracht kommenden Leistungszeitraum vom 13. Dezember 2007 bis 31. Januar 2008 von 312,- EUR (Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II). Hinzu kommen die Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung (= 126,02 EUR monatlich), so dass sich - gerundet (vgl. § 41 Abs. 2 SGB II) - ein Leistungsbetrag von monatlich 438,- EUR errechnet. Soweit der Antragsteller einen darüber hinausgehenden Anspruch auf Regelleistungen für den genannten Zeitraum geltend macht, ist seine Beschwerde aus den dargelegten Gründen nicht begründet.
Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass bei der im Falles des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft erforderlich werdenden Ermittlung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der H. dem Antragsteller aufgrund der §§ 60, 66 SGB I Leistungen nicht versagt werden dürfen, wenn er Auskünfte zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der H. nicht erteilt. Der Antragsgegner ist vielmehr gehalten, diese Auskünfte nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II unmittelbar von H. einzuholen. Die genannte Vorschrift normiert eine eigenständige öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht des Partners bzw. Dritten, die bußgeldbewehrt ist (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 4 SGB II) und bei deren Verletzung der oder die Auskunftspflichtige schadensersatzpflichtig ist (vgl. § 62 SGB II).
Soweit der Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (vgl. § 123 SGG) mit seiner Beschwerdeschrift den Erlass einer Regelungsanordnung für den am 1. Februar 2008 beginnenden Bewilligungsabschnitt geltend macht, hat das SG hierüber in dem angefochtenen Bescheid keine Entscheidung verlautbart. Dieser Rechtsschutzantrag ist unzulässig, weil das Landessozialgericht als Berufungs- und Beschwerdegericht funktional nicht zuständig ist, insoweit eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. § 29 SGG). Es bleibt dem Antragsteller aber unbenommen, insoweit bei dem SG um Rechtsschutz nachzusuchen.
Wegen der getroffenen instanzbeendenden Entscheidung hat sich der von dem Antragsgegner gestellte Vollstreckungsaussetzungsantrag nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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