Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 2/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern 4.791,06 EUR zu zahlen. Im Übrigen - wegen des Zinsbegehrens - wird die Klage abgewiesen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von dem Beklagten die Auszahlung weiterer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe 4.791,06 EUR, die der Beklagte durch bestandskräftige Bescheide bewilligt hat.
Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann J.L.(J.L.)sind beninische Staatsangehörige, die Kläger zu 2) bis 4) ihre minderjährigen Kinder. Die Familie bezog in der Vergangenheit Leistungen nach § 3 AsylbLG. Bis Januar 2006 gehörte auch der Sohn T. zur Haushaltsgemeinschaft; seit Februar 2006 wird er vom Beklagten als eigener Leistungsfall geführt.
Am 27.10.2005 beantragte die Klägerin zu 1) für sich und die Kläger zu 2) bis 4) sowie den Sohn T. Leistungen nach § 2 AsylbLG rückwirkend ab 01.01.2005 und für die Zukunft. Zur Begründung wies sie darauf hin, seit Anfang 2005 die (damals maßgebliche) 36-Monats-Frist des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG erfüllt zu haben.
Durch Bescheid vom 17.07.2006 bewilligte der Beklagte den Klägern für Juli 2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG, für J.L. jedoch weiter nach § 3 AsylbLG. Als Anlage zu dem Bescheid findet sich eine (Neu)-Berechnung der Leistungen für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006, allerdings ohne Berücksichtigung des Sohnes T. hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2005 bis Januar 2006. Ob die Kläger - zeitnah - diesen Bescheid erhalten haben, ist weder geklärt noch klärbar.
Durch Bescheid vom 19.07.2006 berechnete der Beklagte gegenüber T.L. dessen Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2006 neu. Den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag leistete er in 3 Raten per Scheck an den Sohn T.L. Am 19.07.2006 zahlte der Beklagte den Klägern aus dem ihnen zustehenden Nachzahlungsbetrag 799,00 EUR per Kassenkarte aus. Eine Auszahlung mittels Kassenkarte geschieht bei der Beklagten folgendermaßen: Der Leistungsfall wird in den Computer eingegeben; über ein bestimmtes EDV-Programm wird die Berechnung des auszuzahlenden Betrages vorgenommen; sodann wird in einem anderen EDV-Programm unter Eingabe einer bestimmten Kassenkartennummer eine Kassenkarte mit dem Auszahlungsbetrag geladen. Der Höchstbetrag pro Kassenkarte beträgt 800,00 EUR. Es wird ein Protokoll gedruckt, auf dem der Auszahlungsbetrag und der Zahlungsempfänger aufgeführt ist. Der Zahlungsempfänger ist derjenige, dessen Leistungsfall bearbeitet wird; er taucht deshalb automatisch auf dem Protokoll auf. Wenn eine andere Person als beauftragter Geldempfänger erscheint, muss der Zahlungsempfänger manuell abgeändert werden. Der Geldempfänger bekommt die Kassenkarte ausgehändigt und quittiert deren Empfang. Er erhält darüberhinaus ein Papier ausgehändigt, auf dem die Kassenkartennummer und der Auszahlungsbetrag aufgeführt ist. Mit der ausgehändigten Kassenkarte kann im Foyer des Rathauses an einem Geldautomaten der Betrag gezogen werden. Wird die Karte nicht innerhalb von 30 Minuten am Zahlautomat eingelöst, wird sie ungültig.
Bei der Vorsprache anlässlich der Geldauszahlung am 19.07.2006 baten die Klägerin und ihr Ehemann um Überweisung ihrer Leistungen auf ihr Konto bei der Sparkasse. Sie legten hierzu die Bankkarte, die auf den Namen der Klägerin zu 1) lautet, vor; eine Kopie davon befindet sich als Blatt I/163 in Band X der Verwaltungsakte der Beklagten.
Am 03.08.2006 erhielt die Klägerin zu 1) aus dem Nachzahlungsbetrag eine weitere Rate in Höhe von 566,82 EUR, jedoch wiederum per Kassenkarte.
Auf Nachfrage der - inzwischen anwaltlich vertretenen - Kläger vom 16.08.2006 teilte der Beklagten diesen mit Schreiben vom 22.09.2006 mit, er habe bereits mit "Bescheiden vom 17/19.07.2006 eine Umstellung der Leistungen von § 3 AsylbLG auf § 2 AsylbLG rückwirkend ab 01.01.2005" für die Kläger und den Sohn Said vorgenommen. Die entsprechenden Nachzahlungen seien "im Zeitraum vom 20.07. bis 15.08.2006" erfolgt. Daraufhin teilten die Bevollmächtigten dem Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2006 mit, es lägen nach wie vor keine Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG vor, sondern lediglich Bescheinigungen; die Kläger hätten lediglich 2 Nachzahlungen in Höhe von 799,00 EUR und 566,82 EUR erhalten; da sie nicht nachvollziehen könnten, ob damit der komplette Rückstand seit 01.01.2005 ausgeglichen sei, baten sie um Übermittlung einer entsprechenden Aufstellung.
Bei einer Vorsprache der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes beim Beklagten am 21.11.2006 wurden diesen vorgehalten, sie hätten Nachzahlungen in 10 Teilraten mit einer Gesamtsumme von über 6000,00 EUR erhalten; die Angaben ihres Rechtsanwalts, nur 2 Nachzahlungen erhalten zu haben, seien nicht zutreffend. Der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann wurden 10 Auszahlungsverfügungen mit Empfängsbestätigung der entsprechenden Kassenkarten vorgelegt. Die Klägerin zu 1) blieb jedoch dabei, dass sie nur die beiden Nachzahlungen vom 19.07.2006 in Höhe von 799,00 EUR sowie vom 03.08.2006 in Höhe von 566,82 EUR erhalten habe; bei den Unterschriften, die sich auf den weiteren vorgelegten 8 Auszahlungsverfügungen befänden, handele es sich nicht um ihre Unterschrift. Auf Hinweis des Beklagten, der Geldzahlungsautomat werde videoüberwacht, sodass sich genau nachweisen lasse, wer die Zahlungen am Automat in Empfang genommen habe, blieb die Klägerin zu 1) bei ihrer Aussage. Die im Anschluss an das Gespräch mit der Klägerin am 21.11.2006 durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass die Videoaufzeichnungen für den maßgebenden Zeitraum Juli/August 2006 nicht mehr vorhanden sind (vgl. Vermerk vom 21.11.2006, Blatt I/321 von Band X der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 24.11.2006 übersandte der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten einen - korrigierten - Bescheid vom 17.07.2006 nebst Berechnungsanlagen und erklärte hierzu, die dem ursprünglichen Bescheid vom 17.07.2006 beigefügten Bedarfsberechnungen seien für den Zeitraum Januar 2005 bis Januar 2006 fehlerhaft gewesen, da der Sohn T. hierin nicht enthalten gewesen sei, obwohl er zur Bedarfsgemeinschaft gehört und Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten habe. Den Nachzahlungsbetrag für die Kläger betreffend den Zeitraum Januar 2005 bis Juli 2006 bezifferte der Beklagte mit 6.156,88 EUR. Er behauptete, diese Geldsumme sei der Klägerin zu 1) in 10 Teilraten per Kassenkarte ausgezahlt worden, und zwar am 18.07.2006 769,11 EUR am 19.07.2006 799,00 EUR am 20.07.2006 321,00 EUR am 24.07.2006 765,96 EUR am 26.07.2006 597,50 EUR am 28.07.2006 505,46 EUR am 01.08.2006 758,19 EUR am 03.08.2006 566,82 EUR am 07.08.2006 374,76 EUR am 15.08.2006 699,08 EUR insgesamt 6.156,88 EUR Am 14.03.2007 haben die Kläger Klage auf Zahlung weiterer 4.791,06 EUR erhoben. Sie behaupten, von den im Schreiben des Beklagten vom 24.11.2006 aufgelisteten 10 Teilraten nur die beiden am 19.07. und 03.08.2006 ausgezahlten Beträge, nicht aber die weiteren 8 Auszahlungsraten erhalten zu haben. Sie hätten zwischenzeitlich beim Beklagten Akteneinsicht nehmen können. Von den Unterschriften, die sich auf den Auszahlungsverfügungen/-quittungen bzgl. der weiteren 8 Auszahlungsbeträge, von denen der Beklagte behaupte, dass die Kläger diese erhalten hätten, befinden, stammten keine von der Klägerin zu 1). Die Kläger weisen auf verschiedene aus ihrer Sicht bestehende Ungereimtheiten bei der Bearbeitung des Leistungsfalles hin. So sei der Überprüfungsantrag aus dem Oktober 2005 erst 10 Monate später bearbeitet worden. Die Kläger hätten einen Bewilligungs- und Neuberechnungsbescheid vom 17.07.2006 nicht zeitnah, sondern erstmals als Anlage zu dem Erläuterungsschreiben des Beklagten vom 24.11.2006 erhalten. Auf ausdrückliche Bitte, die Videobänder auszuwerten, um festzustellen, wer tatsächlich die Geldbeträge abgehoben habe, sei mitgeteilt worden, dass dies nicht mehr überprüfbar sei, da die Bänder gelöscht worden seien; bei zeitnaher Bearbeitung der ersten Anfragen der Kläger im August 2006 hätten jedenfalls die letzten Auszahlungen anhand der Videobänder noch überprüft werden können. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Nachzahlung derart umständlich mittels Kassenkarten erfolgt sein soll, da sie doch in einer Summe auf das dem Beklagten benannte Girokonto hätte überwiesen werden können. Mehrere der angeblichen Auszahlungstermine seien auf Tage gefallen, an denen das Sozialamt des Beklagten für Publikumsverkehr nicht geöffnet sei oder aber Termine nur nach vorheriger Terminsvergabe wahrgenommen werden könnten; der behauptete Auszahlungstermin vom 28.07.2006 falle auf einen Freitag, an dem das Sozialamt für Publikumsverkehr grundsätzlich nicht geöffnet sei.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 4.791,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 769,11 EUR seit 19.07.2006, 321,00 EUR seit 21.07.2006, 765,96 EUR seit 25.07.2006, 597,50 EUR seit 27.07.2006, 505,46 EUR seit 29.07.2006, 758,19 EUR seit 02.08.2006, 374,76 EUR seit 08.08.2006 sowie 699,08 EUR seit 16.08.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, den gesamten Nachzahlungsbetrag von 6.156,88 EUR in 10 Teilraten ausgezahlt zu haben. Er verweist hierzu auf das Zeugnis der Mitarbeiterin T., die die Auszahlungen veranlasst habe, und die Auszahlungsverfügungen/-quittungen, die sich in Band X der Verwaltungsakte als Blatt I/150, 160, 169, 199, 203, 208, 217, 237, 241 und 247 f. befinden. Der Nachzahlungsbetrag von ca. 6.000,00 EUR sei deshalb nicht auf das angegebene Konto auch nicht per Scheck, sondern per Kassenkarte - also praktisch bar - ausgezahlt worden, um eine zweckwidrige Verwendung der Leistungen zu verhindern.
In einem Erörterungs- und Beweistermin vom 16.10.2007 hat das Gericht der Klägerin in willkürlicher Reihenfolge 43 Originalblätter aus den Bänden IX und X der Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegt, ohne dass sie erkennen konnte, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Zusammenhang das jeweilige Verwaltungsaktenblatt erstellt worden ist. Die Klägerin zu 1) ist vom Kammervorsitzenden befragt worden, ob die auf den vorgelegten Verwaltungsaktblättern befindlichen Unterschriften von ihr gefertigt worden sind. Wegen der Antworten der Klägerin zu 1) wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.10.2007 verwiesen. Sodann ist über die Umstände der Auszahlung von Geldleistungen an die Klägerin zu 1) Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin H.T. Wegen des Ergebnisses wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 16.10.2007 verwiesen.
Die Klägerin hat im Erörterungstermin vom 16.10.2007 im Beisein des Kammervorsitzenden, ihres Bevollmächtigten und Vertretern des Beklagten Proben ihrer Unterschrift abgegeben, die ebenfalls als Anlage der Sitzungsniederschrift beigefügt sind. Das Gericht hat diese Unterschriftsproben an die Gesellschaft für forensische Schriftuntersuchung (GFS) e.V. gesandt und nachgefragt, ob angesichts des vorhandenen Untersuchungs- und Vergleichsmaterials durch ein graphologisches Gutachten geklärt werden könne, ob Unterschriftskürzel, wie sie sich sowohl auf anderen zahlreichen Dokumenten in der Verwaltungsakte als auch auf den streitbefangenen Empfangsbestätigungen befinden, jeweils von der Klägerin geschrieben worden sind. Der GFS Geschäftsführer Dr. C. hat am 20.10.2007 mitgeteilt, dass eine schriftvergleichende Untersuchung des Materials zwar möglich, jedoch wegen der geringen graphischen Ergiebigkeit eine verbindliche Schlussfolgerung im Hinblick auf Urheberidentität oder -verschiedenheit nicht zu erwarten sei; allenfalls seien vage Tendenzaussagen zu vertreten. Die Kläger haben mitgeteilt, dass es nach ihrer Auffassung auf die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens nicht mehr ankommt; der Beklagte hat auf die Einholung eines Schriftsachverständigengut- achtens verzichtet, da dieses nicht zweckmäßig erscheine.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden 11 Bände Verwaltungsakten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da ein Verwaltungsakt nicht (mehr) zu ergehen hatte. Der Beklagte hat bereits durch bestandskräftigen Bescheid vom 17.07.2006 die den Klägern nach dem AsylbLG zustehenden Leistungen neu berechnet und bewilligt.
Die Klage ist auch im Wesentlichen - abgesehen von dem Zinsbegehren - begründet.
Aus dem Neuberechnungsbescheid vom 17.07.2006 ergibt sich ein Nachzahlungsbetrag für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 in Höhe 6.156,88 EUR. Hiervon hat der Beklagte den Klägern - unstreitig - 799,00 EUR am 19.07.2006 und 566,82 EUR am 03.08.2006, zusammen 1.365,82 EUR gezahlt. Die weiteren 4.791,06 EUR muss er ihnen noch auszahlen, da er den sich aus der Neuberechnung ergebenden Anspruch in dieser Höhe nicht erfüllt hat. Der Beklagte hat weder durch die in den Verwaltungsakten befindlichen Auszahlungsverfügungen/-quittungen, die die weiteren 8 Teilauszahlungen belegen sollen, noch durch die Zeugin T. den Nachweis erbringen können, dass die Kläger die behaupteten Ratenbeträge erhalten haben.
In Band X der Verwaltungsakten des Beklagten befinden sich auf den Blättern I/150, 169, 199, 203, 208, 217, 241 und 247 zwar Unterschriften, durch die jeweils der Empfang einer Kassenkarte für 8 Auszahlungsbeträge im Gesamtwert von 4.791.06 EUR quittiert worden ist. Diese Unterschriften weisen aber Abweichungen von der typischen Unterschrift der Klägerin zu 1) auf, wie diese sie als Unterschriftsprobe im gerichtlichen Erörterungstermin am 16.10.2007 geleistet hat und wie sie sich auf zahlreichen anderen Dokumenten in den Verwaltungsakten der Beklagten findet. Während die Unterschriftskürzel der Klägerin zu 1) rund und wie in einem Zug geschrieben erscheinen, wirken die auf den streitbefangenen Quittungen befindlichen Unterschriften verkrampft und in mehreren Ansätzen geschrieben (vgl. insbesondere Band X, Bl. I/169, 199, 203, 208, 241, 247). Um die Erkennungsfähigkeit bezüglich der eigenen Unterschrift zu prüfen, hat das Gericht der Klägerin zu 1) 43 Blätter - darunter auch die 8 streitbefangenen Quittungen - aus verschiedenen Bänden der Verwaltungsakte in willkürlicher Reihenfolge vorgelegt und zwar derart, dass die Klägerin zu 1) nicht erkennen konnte, wann und in welchem Zusammenhang die dort befindlichen Unterschriften geleistet worden sind. Die Klägerin zu 1) hat die Unterschriften auf 7 (Bl. I/ 150, 169, 199, 203, 208, 241, 247) der 8 streitigen Quittungen als nicht von ihr stammend bezeichnet, bei einer Unterschrift (Bl. I/217) war sie sich nicht sicher. Auf den übrigen 35 vorgelegten Blättern hat sie 26 Unterschriften als sicher von ihr stammend und nur 4 Unterschriften als nicht von ihr stammend bezeichnet; bei 5 Unterschriften war sie sich nicht sicher, ob diese von ihr stammten. Dieses Ergebnis hat sicherlich nicht keinen förmlichen Beweiswert. Es begründet aber erhebliche Zweifel der Kammer an der Aussagekraft und dem Beweiswert der Unterschriften auf den streitigen 8 Quittungen für eine Auszahlung der 8 Teilbeträge an die Klägerin zu 1).
Diese Zweifel werden durch eine Vielzahl von Ungereimtheiten verstärkt, die die Kläger aufgezählt haben und die der Beklagte nicht zur Zufriedenheit der Kammer ausräumen konnte:
Der Beklagte hat im Schreiben vom 22.09.2006 behauptet, die Nachzahlungen an die Kläger seien "im Zeitraum vom 20.07. bis 15.08.2006" erfolgt. Ausweislich der streitigen Quittungen (und der danach erstellen Auflistung vom 24.11.2006) soll aber schon am 18.07.2006 die erste Auszahlung vorgenommen worden sein und ist - unstreitig - am 19.07.2006 die Auszahlung von 799,00 EUR erfolgt; dann wäre die Auszahlung vom 20.07.2006 nicht die erste, sondern bereits die dritte Zahlung gewesen!
die Klägerin zu 1) hat am 19.07.2006 ihre Bankkarte vorgelegt und um Aus- zahlung auf ihr Konto gebeten. Trotzdem hat der Beklagte danach weitere acht Auszahlungen veranlasst, von den nur eine unstreitig an die Klägerin zu 1) bewirkt wurde. Die dafür gegebene Begründung, es sollte dadurch "eine zweckwidrige Verwendung der Leistungen verhindert werden", ist wenig substanziiert und noch weniger überzeugend angesichts des mit dieser Vorgehensweise erzielten Ergebnisses! Die weitere Erklärung der Zeugin Stolz, man habe vermeiden wollen, dass der Ehemann der Klägerin eventuell Zugriff auf das Geld nehmen könnte, verwundert angesichts der Tatsache, dass der Ehemann in der Folgezeit (vgl. Band X I/233, 263, 264, 288, 289) den Empfang von Kassenkarten über Geldbeträge von insgesamt 2.377,00 EUR quittiert hat
Auf den Auszahlungsverfügungen/-quittungen ist einleitend vermerkt, welchem Zahlungsempfänger eine Kassenkarte über einen bestimmten Betrag gegen Quittung auszuhändigen ist. Gleichwohl ist zahlreichen Quittungen zu ent- nehmen, dass der unterschreibende Empfänger offensichtlich nicht der eingangs vermerkte Zahlungsempfänger ist (vgl. nur beispielhaft Band X Bl. I/36, 64, 69, 77, 233, 263, 264, 288, 289). Wie mit derartigen Quittungen die Auszahlung der Leistungen an die anspruchsberechtigten Hilfeempfänger nachgewiesen werden soll, erschließt sich der Kammer nicht.
Auf Vorlage der 10 Verwaltungsaktsblätter, die die Auszahlung des Nach- zahlungsbetrags von 6.156,88 EUR betreffen, konnte die Zeugin Stolz nicht sagen, wer durch Unterschrift den Empfang der jeweiligen Kassenkarten quittiert hat. Insbesondere konnte die Zeugin Stolz nicht bestätigen, dass die Klägerin zu 1) diese Kassenkarten erhalten hat. Die Zeugin konnte auch nicht ausschließen, dass ein anderer als die Klägerin zu 1) die fraglichen Quittungen unterschrieben hat!
Zuletzt weist die Bearbeitung des Antrags auf die Umstellung von §2- auf §3-AsylbLG- Leistungen erhebliche Ungereimtheiten auf. So ist zunächst eine Bearbeitungs- dauer von ca. 10 Monaten für die bloße Neuberechnung von Leistungen völlig unver- ständlich. Ebenso unverständlich ist, warum ein errechneter Nachzahlungsbetrag von mehr als 6.000,00 EUR in 10 Teilbeträgen über einen Zeitraum von 4 Wochen - praktisch bar - ausgezahlt werden muss. Immerhin haben die Kläger auf dieses Geld einen Anspruch, und zwar sukzessive seit Januar 2005! Gänzlich aber un- verständlich aber ist, dass den Klägern der Gesamtnachzahlungsgetrag von 6.156,88 EUR nicht zeitnah mitgeteilt, sondern erst auf Nachfrage und nach Ein- schaltung eines Anwalts 4 Monate später aufgelistet und erläutert worden ist und dabei der - angeblich schon im Juli bekannt gegebene - Neuberechnungsbe- scheid vom 17.07.2006 beigefügt wurde, allerdings nicht als Abschrift des Ursprungsbescheides, sondern als korrigierte Neufassung mit erheblich anderen Beträgen!
Bei Abwägung und Würdigung all dieser Umstände konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass die Kläger von dem errechneten Nachzahlungsbetrag für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 mehr als die 2 Teilbeträge vom 19.07.2006 (799,00 EUR) und 03.08.2006 (566,82 EUR) erhalten haben. Die Kammer will nicht spekulieren, ob der Rest- betrag möglicherweise unterschlagen worden ist und - ggf. - wer dies begangen haben kann. Der Beklagte hat im Zweifel den Beweis zu erbringen, dass die Kläger das ihnen zustehende Geld vollständig erhalten haben. Er hat diesen Beweis durch die in den Akten befindlichen Quittungen und die Aussagen der Zeugin T. nicht geführt. Eine weitere Beweisführung - insbesondere durch ein Schriftsachverständigengutachten - ist im Hinblick auf die Erklärungen des GFS-Geschäftsführers Dr. C. nicht erfolgversprechend. Eine schriftvergleichende Untersuchung des Materials ist zwar möglich; jedoch ist wegen der geringen graphischen Ergiebigkeit eine verbindliche Schlussfolgerung im Hinblick auf Urheberidentität oder -Verschiedenheit nicht zu erwarten. Allenfalls vage Tendenzaussagen ersetzen keinen Beweis. Dementsprechend hat der Beklagte auch auf ein solches Gutachten verzichtet. Da er bei Unaufklärbarkeit des streitigen Sachverhalts die Beweislast trägt, ist er zur Zahlung der mit der Klage geltend gemachten 4.791,06 EUR zu verurteilen.
Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsbegehrens ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben weder Anspruch auf Verzugszinsen noch Anspruch auf Prozesszinsen. Insbesondere können sich die Kläger nicht auf die §§ 288, 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) enthält eine abschließende Regelung für die Verzinsung von Ansprüchen auf Geldleistungen. Danach sind solche Ansprüche mit 4 v.H. zu verzinsen (§ 44 Abs. 1 SGB I). Die Vorschrift ist jedoch nur auf solche Geldleistungen anwendbar, die sich aus einem besonderen Teil des Sozialgesetzbuchs oder einem Gesetz ergeben, das in § 68 SGB I aufgeführt ist. Das AsylbLG gehört nicht dazu. Dies führt jedoch nicht dazu, dass deshalb die allgemeinen Bestimmungen der §§ 288, 291 BGB Anwendung fänden. Anderenfalls würden Leistungsempfänger nach dem AsylbLG zinsrechtlich besser gestellt, als die übrigen Sozialleistungsempfänger (vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 51 Rn. 39 "Zinsansprüche"; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.05.2006 - S 2 AY 20/05). Da das AsylbLG keine spezielle und ausdrückliche Anordnung eines Zinsanspruchs enthält, war die Klage hinsichtlich des Zinsbegehrens abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Kläger begehren von dem Beklagten die Auszahlung weiterer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Höhe 4.791,06 EUR, die der Beklagte durch bestandskräftige Bescheide bewilligt hat.
Die Klägerin zu 1) und ihr Ehemann J.L.(J.L.)sind beninische Staatsangehörige, die Kläger zu 2) bis 4) ihre minderjährigen Kinder. Die Familie bezog in der Vergangenheit Leistungen nach § 3 AsylbLG. Bis Januar 2006 gehörte auch der Sohn T. zur Haushaltsgemeinschaft; seit Februar 2006 wird er vom Beklagten als eigener Leistungsfall geführt.
Am 27.10.2005 beantragte die Klägerin zu 1) für sich und die Kläger zu 2) bis 4) sowie den Sohn T. Leistungen nach § 2 AsylbLG rückwirkend ab 01.01.2005 und für die Zukunft. Zur Begründung wies sie darauf hin, seit Anfang 2005 die (damals maßgebliche) 36-Monats-Frist des Bezugs von Leistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG erfüllt zu haben.
Durch Bescheid vom 17.07.2006 bewilligte der Beklagte den Klägern für Juli 2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG, für J.L. jedoch weiter nach § 3 AsylbLG. Als Anlage zu dem Bescheid findet sich eine (Neu)-Berechnung der Leistungen für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006, allerdings ohne Berücksichtigung des Sohnes T. hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2005 bis Januar 2006. Ob die Kläger - zeitnah - diesen Bescheid erhalten haben, ist weder geklärt noch klärbar.
Durch Bescheid vom 19.07.2006 berechnete der Beklagte gegenüber T.L. dessen Leistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2006 neu. Den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag leistete er in 3 Raten per Scheck an den Sohn T.L. Am 19.07.2006 zahlte der Beklagte den Klägern aus dem ihnen zustehenden Nachzahlungsbetrag 799,00 EUR per Kassenkarte aus. Eine Auszahlung mittels Kassenkarte geschieht bei der Beklagten folgendermaßen: Der Leistungsfall wird in den Computer eingegeben; über ein bestimmtes EDV-Programm wird die Berechnung des auszuzahlenden Betrages vorgenommen; sodann wird in einem anderen EDV-Programm unter Eingabe einer bestimmten Kassenkartennummer eine Kassenkarte mit dem Auszahlungsbetrag geladen. Der Höchstbetrag pro Kassenkarte beträgt 800,00 EUR. Es wird ein Protokoll gedruckt, auf dem der Auszahlungsbetrag und der Zahlungsempfänger aufgeführt ist. Der Zahlungsempfänger ist derjenige, dessen Leistungsfall bearbeitet wird; er taucht deshalb automatisch auf dem Protokoll auf. Wenn eine andere Person als beauftragter Geldempfänger erscheint, muss der Zahlungsempfänger manuell abgeändert werden. Der Geldempfänger bekommt die Kassenkarte ausgehändigt und quittiert deren Empfang. Er erhält darüberhinaus ein Papier ausgehändigt, auf dem die Kassenkartennummer und der Auszahlungsbetrag aufgeführt ist. Mit der ausgehändigten Kassenkarte kann im Foyer des Rathauses an einem Geldautomaten der Betrag gezogen werden. Wird die Karte nicht innerhalb von 30 Minuten am Zahlautomat eingelöst, wird sie ungültig.
Bei der Vorsprache anlässlich der Geldauszahlung am 19.07.2006 baten die Klägerin und ihr Ehemann um Überweisung ihrer Leistungen auf ihr Konto bei der Sparkasse. Sie legten hierzu die Bankkarte, die auf den Namen der Klägerin zu 1) lautet, vor; eine Kopie davon befindet sich als Blatt I/163 in Band X der Verwaltungsakte der Beklagten.
Am 03.08.2006 erhielt die Klägerin zu 1) aus dem Nachzahlungsbetrag eine weitere Rate in Höhe von 566,82 EUR, jedoch wiederum per Kassenkarte.
Auf Nachfrage der - inzwischen anwaltlich vertretenen - Kläger vom 16.08.2006 teilte der Beklagten diesen mit Schreiben vom 22.09.2006 mit, er habe bereits mit "Bescheiden vom 17/19.07.2006 eine Umstellung der Leistungen von § 3 AsylbLG auf § 2 AsylbLG rückwirkend ab 01.01.2005" für die Kläger und den Sohn Said vorgenommen. Die entsprechenden Nachzahlungen seien "im Zeitraum vom 20.07. bis 15.08.2006" erfolgt. Daraufhin teilten die Bevollmächtigten dem Beklagten mit Schreiben vom 20.10.2006 mit, es lägen nach wie vor keine Bescheide über die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG vor, sondern lediglich Bescheinigungen; die Kläger hätten lediglich 2 Nachzahlungen in Höhe von 799,00 EUR und 566,82 EUR erhalten; da sie nicht nachvollziehen könnten, ob damit der komplette Rückstand seit 01.01.2005 ausgeglichen sei, baten sie um Übermittlung einer entsprechenden Aufstellung.
Bei einer Vorsprache der Klägerin zu 1) und ihres Ehemannes beim Beklagten am 21.11.2006 wurden diesen vorgehalten, sie hätten Nachzahlungen in 10 Teilraten mit einer Gesamtsumme von über 6000,00 EUR erhalten; die Angaben ihres Rechtsanwalts, nur 2 Nachzahlungen erhalten zu haben, seien nicht zutreffend. Der Klägerin zu 1) und ihrem Ehemann wurden 10 Auszahlungsverfügungen mit Empfängsbestätigung der entsprechenden Kassenkarten vorgelegt. Die Klägerin zu 1) blieb jedoch dabei, dass sie nur die beiden Nachzahlungen vom 19.07.2006 in Höhe von 799,00 EUR sowie vom 03.08.2006 in Höhe von 566,82 EUR erhalten habe; bei den Unterschriften, die sich auf den weiteren vorgelegten 8 Auszahlungsverfügungen befänden, handele es sich nicht um ihre Unterschrift. Auf Hinweis des Beklagten, der Geldzahlungsautomat werde videoüberwacht, sodass sich genau nachweisen lasse, wer die Zahlungen am Automat in Empfang genommen habe, blieb die Klägerin zu 1) bei ihrer Aussage. Die im Anschluss an das Gespräch mit der Klägerin am 21.11.2006 durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass die Videoaufzeichnungen für den maßgebenden Zeitraum Juli/August 2006 nicht mehr vorhanden sind (vgl. Vermerk vom 21.11.2006, Blatt I/321 von Band X der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 24.11.2006 übersandte der Beklagte dem Klägerbevollmächtigten einen - korrigierten - Bescheid vom 17.07.2006 nebst Berechnungsanlagen und erklärte hierzu, die dem ursprünglichen Bescheid vom 17.07.2006 beigefügten Bedarfsberechnungen seien für den Zeitraum Januar 2005 bis Januar 2006 fehlerhaft gewesen, da der Sohn T. hierin nicht enthalten gewesen sei, obwohl er zur Bedarfsgemeinschaft gehört und Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten habe. Den Nachzahlungsbetrag für die Kläger betreffend den Zeitraum Januar 2005 bis Juli 2006 bezifferte der Beklagte mit 6.156,88 EUR. Er behauptete, diese Geldsumme sei der Klägerin zu 1) in 10 Teilraten per Kassenkarte ausgezahlt worden, und zwar am 18.07.2006 769,11 EUR am 19.07.2006 799,00 EUR am 20.07.2006 321,00 EUR am 24.07.2006 765,96 EUR am 26.07.2006 597,50 EUR am 28.07.2006 505,46 EUR am 01.08.2006 758,19 EUR am 03.08.2006 566,82 EUR am 07.08.2006 374,76 EUR am 15.08.2006 699,08 EUR insgesamt 6.156,88 EUR Am 14.03.2007 haben die Kläger Klage auf Zahlung weiterer 4.791,06 EUR erhoben. Sie behaupten, von den im Schreiben des Beklagten vom 24.11.2006 aufgelisteten 10 Teilraten nur die beiden am 19.07. und 03.08.2006 ausgezahlten Beträge, nicht aber die weiteren 8 Auszahlungsraten erhalten zu haben. Sie hätten zwischenzeitlich beim Beklagten Akteneinsicht nehmen können. Von den Unterschriften, die sich auf den Auszahlungsverfügungen/-quittungen bzgl. der weiteren 8 Auszahlungsbeträge, von denen der Beklagte behaupte, dass die Kläger diese erhalten hätten, befinden, stammten keine von der Klägerin zu 1). Die Kläger weisen auf verschiedene aus ihrer Sicht bestehende Ungereimtheiten bei der Bearbeitung des Leistungsfalles hin. So sei der Überprüfungsantrag aus dem Oktober 2005 erst 10 Monate später bearbeitet worden. Die Kläger hätten einen Bewilligungs- und Neuberechnungsbescheid vom 17.07.2006 nicht zeitnah, sondern erstmals als Anlage zu dem Erläuterungsschreiben des Beklagten vom 24.11.2006 erhalten. Auf ausdrückliche Bitte, die Videobänder auszuwerten, um festzustellen, wer tatsächlich die Geldbeträge abgehoben habe, sei mitgeteilt worden, dass dies nicht mehr überprüfbar sei, da die Bänder gelöscht worden seien; bei zeitnaher Bearbeitung der ersten Anfragen der Kläger im August 2006 hätten jedenfalls die letzten Auszahlungen anhand der Videobänder noch überprüft werden können. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum die Nachzahlung derart umständlich mittels Kassenkarten erfolgt sein soll, da sie doch in einer Summe auf das dem Beklagten benannte Girokonto hätte überwiesen werden können. Mehrere der angeblichen Auszahlungstermine seien auf Tage gefallen, an denen das Sozialamt des Beklagten für Publikumsverkehr nicht geöffnet sei oder aber Termine nur nach vorheriger Terminsvergabe wahrgenommen werden könnten; der behauptete Auszahlungstermin vom 28.07.2006 falle auf einen Freitag, an dem das Sozialamt für Publikumsverkehr grundsätzlich nicht geöffnet sei.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger 4.791,06 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 769,11 EUR seit 19.07.2006, 321,00 EUR seit 21.07.2006, 765,96 EUR seit 25.07.2006, 597,50 EUR seit 27.07.2006, 505,46 EUR seit 29.07.2006, 758,19 EUR seit 02.08.2006, 374,76 EUR seit 08.08.2006 sowie 699,08 EUR seit 16.08.2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er behauptet, den gesamten Nachzahlungsbetrag von 6.156,88 EUR in 10 Teilraten ausgezahlt zu haben. Er verweist hierzu auf das Zeugnis der Mitarbeiterin T., die die Auszahlungen veranlasst habe, und die Auszahlungsverfügungen/-quittungen, die sich in Band X der Verwaltungsakte als Blatt I/150, 160, 169, 199, 203, 208, 217, 237, 241 und 247 f. befinden. Der Nachzahlungsbetrag von ca. 6.000,00 EUR sei deshalb nicht auf das angegebene Konto auch nicht per Scheck, sondern per Kassenkarte - also praktisch bar - ausgezahlt worden, um eine zweckwidrige Verwendung der Leistungen zu verhindern.
In einem Erörterungs- und Beweistermin vom 16.10.2007 hat das Gericht der Klägerin in willkürlicher Reihenfolge 43 Originalblätter aus den Bänden IX und X der Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegt, ohne dass sie erkennen konnte, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Zusammenhang das jeweilige Verwaltungsaktenblatt erstellt worden ist. Die Klägerin zu 1) ist vom Kammervorsitzenden befragt worden, ob die auf den vorgelegten Verwaltungsaktblättern befindlichen Unterschriften von ihr gefertigt worden sind. Wegen der Antworten der Klägerin zu 1) wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.10.2007 verwiesen. Sodann ist über die Umstände der Auszahlung von Geldleistungen an die Klägerin zu 1) Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugin H.T. Wegen des Ergebnisses wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 16.10.2007 verwiesen.
Die Klägerin hat im Erörterungstermin vom 16.10.2007 im Beisein des Kammervorsitzenden, ihres Bevollmächtigten und Vertretern des Beklagten Proben ihrer Unterschrift abgegeben, die ebenfalls als Anlage der Sitzungsniederschrift beigefügt sind. Das Gericht hat diese Unterschriftsproben an die Gesellschaft für forensische Schriftuntersuchung (GFS) e.V. gesandt und nachgefragt, ob angesichts des vorhandenen Untersuchungs- und Vergleichsmaterials durch ein graphologisches Gutachten geklärt werden könne, ob Unterschriftskürzel, wie sie sich sowohl auf anderen zahlreichen Dokumenten in der Verwaltungsakte als auch auf den streitbefangenen Empfangsbestätigungen befinden, jeweils von der Klägerin geschrieben worden sind. Der GFS Geschäftsführer Dr. C. hat am 20.10.2007 mitgeteilt, dass eine schriftvergleichende Untersuchung des Materials zwar möglich, jedoch wegen der geringen graphischen Ergiebigkeit eine verbindliche Schlussfolgerung im Hinblick auf Urheberidentität oder -verschiedenheit nicht zu erwarten sei; allenfalls seien vage Tendenzaussagen zu vertreten. Die Kläger haben mitgeteilt, dass es nach ihrer Auffassung auf die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens nicht mehr ankommt; der Beklagte hat auf die Einholung eines Schriftsachverständigengut- achtens verzichtet, da dieses nicht zweckmäßig erscheine.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden 11 Bände Verwaltungsakten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die Klage ist als echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da ein Verwaltungsakt nicht (mehr) zu ergehen hatte. Der Beklagte hat bereits durch bestandskräftigen Bescheid vom 17.07.2006 die den Klägern nach dem AsylbLG zustehenden Leistungen neu berechnet und bewilligt.
Die Klage ist auch im Wesentlichen - abgesehen von dem Zinsbegehren - begründet.
Aus dem Neuberechnungsbescheid vom 17.07.2006 ergibt sich ein Nachzahlungsbetrag für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 in Höhe 6.156,88 EUR. Hiervon hat der Beklagte den Klägern - unstreitig - 799,00 EUR am 19.07.2006 und 566,82 EUR am 03.08.2006, zusammen 1.365,82 EUR gezahlt. Die weiteren 4.791,06 EUR muss er ihnen noch auszahlen, da er den sich aus der Neuberechnung ergebenden Anspruch in dieser Höhe nicht erfüllt hat. Der Beklagte hat weder durch die in den Verwaltungsakten befindlichen Auszahlungsverfügungen/-quittungen, die die weiteren 8 Teilauszahlungen belegen sollen, noch durch die Zeugin T. den Nachweis erbringen können, dass die Kläger die behaupteten Ratenbeträge erhalten haben.
In Band X der Verwaltungsakten des Beklagten befinden sich auf den Blättern I/150, 169, 199, 203, 208, 217, 241 und 247 zwar Unterschriften, durch die jeweils der Empfang einer Kassenkarte für 8 Auszahlungsbeträge im Gesamtwert von 4.791.06 EUR quittiert worden ist. Diese Unterschriften weisen aber Abweichungen von der typischen Unterschrift der Klägerin zu 1) auf, wie diese sie als Unterschriftsprobe im gerichtlichen Erörterungstermin am 16.10.2007 geleistet hat und wie sie sich auf zahlreichen anderen Dokumenten in den Verwaltungsakten der Beklagten findet. Während die Unterschriftskürzel der Klägerin zu 1) rund und wie in einem Zug geschrieben erscheinen, wirken die auf den streitbefangenen Quittungen befindlichen Unterschriften verkrampft und in mehreren Ansätzen geschrieben (vgl. insbesondere Band X, Bl. I/169, 199, 203, 208, 241, 247). Um die Erkennungsfähigkeit bezüglich der eigenen Unterschrift zu prüfen, hat das Gericht der Klägerin zu 1) 43 Blätter - darunter auch die 8 streitbefangenen Quittungen - aus verschiedenen Bänden der Verwaltungsakte in willkürlicher Reihenfolge vorgelegt und zwar derart, dass die Klägerin zu 1) nicht erkennen konnte, wann und in welchem Zusammenhang die dort befindlichen Unterschriften geleistet worden sind. Die Klägerin zu 1) hat die Unterschriften auf 7 (Bl. I/ 150, 169, 199, 203, 208, 241, 247) der 8 streitigen Quittungen als nicht von ihr stammend bezeichnet, bei einer Unterschrift (Bl. I/217) war sie sich nicht sicher. Auf den übrigen 35 vorgelegten Blättern hat sie 26 Unterschriften als sicher von ihr stammend und nur 4 Unterschriften als nicht von ihr stammend bezeichnet; bei 5 Unterschriften war sie sich nicht sicher, ob diese von ihr stammten. Dieses Ergebnis hat sicherlich nicht keinen förmlichen Beweiswert. Es begründet aber erhebliche Zweifel der Kammer an der Aussagekraft und dem Beweiswert der Unterschriften auf den streitigen 8 Quittungen für eine Auszahlung der 8 Teilbeträge an die Klägerin zu 1).
Diese Zweifel werden durch eine Vielzahl von Ungereimtheiten verstärkt, die die Kläger aufgezählt haben und die der Beklagte nicht zur Zufriedenheit der Kammer ausräumen konnte:
Der Beklagte hat im Schreiben vom 22.09.2006 behauptet, die Nachzahlungen an die Kläger seien "im Zeitraum vom 20.07. bis 15.08.2006" erfolgt. Ausweislich der streitigen Quittungen (und der danach erstellen Auflistung vom 24.11.2006) soll aber schon am 18.07.2006 die erste Auszahlung vorgenommen worden sein und ist - unstreitig - am 19.07.2006 die Auszahlung von 799,00 EUR erfolgt; dann wäre die Auszahlung vom 20.07.2006 nicht die erste, sondern bereits die dritte Zahlung gewesen!
die Klägerin zu 1) hat am 19.07.2006 ihre Bankkarte vorgelegt und um Aus- zahlung auf ihr Konto gebeten. Trotzdem hat der Beklagte danach weitere acht Auszahlungen veranlasst, von den nur eine unstreitig an die Klägerin zu 1) bewirkt wurde. Die dafür gegebene Begründung, es sollte dadurch "eine zweckwidrige Verwendung der Leistungen verhindert werden", ist wenig substanziiert und noch weniger überzeugend angesichts des mit dieser Vorgehensweise erzielten Ergebnisses! Die weitere Erklärung der Zeugin Stolz, man habe vermeiden wollen, dass der Ehemann der Klägerin eventuell Zugriff auf das Geld nehmen könnte, verwundert angesichts der Tatsache, dass der Ehemann in der Folgezeit (vgl. Band X I/233, 263, 264, 288, 289) den Empfang von Kassenkarten über Geldbeträge von insgesamt 2.377,00 EUR quittiert hat
Auf den Auszahlungsverfügungen/-quittungen ist einleitend vermerkt, welchem Zahlungsempfänger eine Kassenkarte über einen bestimmten Betrag gegen Quittung auszuhändigen ist. Gleichwohl ist zahlreichen Quittungen zu ent- nehmen, dass der unterschreibende Empfänger offensichtlich nicht der eingangs vermerkte Zahlungsempfänger ist (vgl. nur beispielhaft Band X Bl. I/36, 64, 69, 77, 233, 263, 264, 288, 289). Wie mit derartigen Quittungen die Auszahlung der Leistungen an die anspruchsberechtigten Hilfeempfänger nachgewiesen werden soll, erschließt sich der Kammer nicht.
Auf Vorlage der 10 Verwaltungsaktsblätter, die die Auszahlung des Nach- zahlungsbetrags von 6.156,88 EUR betreffen, konnte die Zeugin Stolz nicht sagen, wer durch Unterschrift den Empfang der jeweiligen Kassenkarten quittiert hat. Insbesondere konnte die Zeugin Stolz nicht bestätigen, dass die Klägerin zu 1) diese Kassenkarten erhalten hat. Die Zeugin konnte auch nicht ausschließen, dass ein anderer als die Klägerin zu 1) die fraglichen Quittungen unterschrieben hat!
Zuletzt weist die Bearbeitung des Antrags auf die Umstellung von §2- auf §3-AsylbLG- Leistungen erhebliche Ungereimtheiten auf. So ist zunächst eine Bearbeitungs- dauer von ca. 10 Monaten für die bloße Neuberechnung von Leistungen völlig unver- ständlich. Ebenso unverständlich ist, warum ein errechneter Nachzahlungsbetrag von mehr als 6.000,00 EUR in 10 Teilbeträgen über einen Zeitraum von 4 Wochen - praktisch bar - ausgezahlt werden muss. Immerhin haben die Kläger auf dieses Geld einen Anspruch, und zwar sukzessive seit Januar 2005! Gänzlich aber un- verständlich aber ist, dass den Klägern der Gesamtnachzahlungsgetrag von 6.156,88 EUR nicht zeitnah mitgeteilt, sondern erst auf Nachfrage und nach Ein- schaltung eines Anwalts 4 Monate später aufgelistet und erläutert worden ist und dabei der - angeblich schon im Juli bekannt gegebene - Neuberechnungsbe- scheid vom 17.07.2006 beigefügt wurde, allerdings nicht als Abschrift des Ursprungsbescheides, sondern als korrigierte Neufassung mit erheblich anderen Beträgen!
Bei Abwägung und Würdigung all dieser Umstände konnte sich die Kammer nicht davon überzeugen, dass die Kläger von dem errechneten Nachzahlungsbetrag für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 mehr als die 2 Teilbeträge vom 19.07.2006 (799,00 EUR) und 03.08.2006 (566,82 EUR) erhalten haben. Die Kammer will nicht spekulieren, ob der Rest- betrag möglicherweise unterschlagen worden ist und - ggf. - wer dies begangen haben kann. Der Beklagte hat im Zweifel den Beweis zu erbringen, dass die Kläger das ihnen zustehende Geld vollständig erhalten haben. Er hat diesen Beweis durch die in den Akten befindlichen Quittungen und die Aussagen der Zeugin T. nicht geführt. Eine weitere Beweisführung - insbesondere durch ein Schriftsachverständigengutachten - ist im Hinblick auf die Erklärungen des GFS-Geschäftsführers Dr. C. nicht erfolgversprechend. Eine schriftvergleichende Untersuchung des Materials ist zwar möglich; jedoch ist wegen der geringen graphischen Ergiebigkeit eine verbindliche Schlussfolgerung im Hinblick auf Urheberidentität oder -Verschiedenheit nicht zu erwarten. Allenfalls vage Tendenzaussagen ersetzen keinen Beweis. Dementsprechend hat der Beklagte auch auf ein solches Gutachten verzichtet. Da er bei Unaufklärbarkeit des streitigen Sachverhalts die Beweislast trägt, ist er zur Zahlung der mit der Klage geltend gemachten 4.791,06 EUR zu verurteilen.
Hinsichtlich des geltend gemachten Zinsbegehrens ist die Klage unbegründet. Die Kläger haben weder Anspruch auf Verzugszinsen noch Anspruch auf Prozesszinsen. Insbesondere können sich die Kläger nicht auf die §§ 288, 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen. § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) enthält eine abschließende Regelung für die Verzinsung von Ansprüchen auf Geldleistungen. Danach sind solche Ansprüche mit 4 v.H. zu verzinsen (§ 44 Abs. 1 SGB I). Die Vorschrift ist jedoch nur auf solche Geldleistungen anwendbar, die sich aus einem besonderen Teil des Sozialgesetzbuchs oder einem Gesetz ergeben, das in § 68 SGB I aufgeführt ist. Das AsylbLG gehört nicht dazu. Dies führt jedoch nicht dazu, dass deshalb die allgemeinen Bestimmungen der §§ 288, 291 BGB Anwendung fänden. Anderenfalls würden Leistungsempfänger nach dem AsylbLG zinsrechtlich besser gestellt, als die übrigen Sozialleistungsempfänger (vgl. dazu auch Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 51 Rn. 39 "Zinsansprüche"; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29.05.2006 - S 2 AY 20/05). Da das AsylbLG keine spezielle und ausdrückliche Anordnung eines Zinsanspruchs enthält, war die Klage hinsichtlich des Zinsbegehrens abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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