Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 EG 16/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 EG 20/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 30.05.2007 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 für das Kind Axel (geb. 15.10.2004) Erziehungsgeld (Regelbetrag) zu gewähren. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erziehungsgeld vom 02.02. bis 14.10.2006.
Die 1978 geborene Klägerin ist togoische Staatsangehörige, verheiratet und hat 4 Kinder. Das jüngste Kind B. wurde am 15.10.2004 geboren und ist körperbehindert. Die Klägerin reiste im August 2000 nach Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Der Asylantrag wurde am 01.06.2005 (bestandskräftig) abgelehnt. Während des Asylverfahrens war die Klägerin im Besitz einer "Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens", danach im Besitz einer "Duldung". Jegliche Erwerbstätigkeit war ihr ausdrücklich untersagt. In der Person des Kindes B. bestehen Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Axel ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Klägerin ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, verbunden mit der Gestattung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Die Klägerin war und ist nicht erwerbstätig, bezieht keine Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und nimmt auch keine Elternzeit in Anspruch. Die Familie bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Anrechnung von Einkommen des Ehemanns der Klägerin, das dieser aus einer erlaubten Erwerbstätigkeit erzielt.
Am 31.07.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das 1. und das 2. Lebensjahr von B. in Höhe des Regelbetrages.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2006 ab mit der Begründung, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.); sie sei weder im Besitz einer Niederlassungserlaubnis noch einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 BErzGG (a.F.)
Dagegen legte die Klägerin am 22.08.2006 Widerspruch ein. Sie verwies auf den Entwurf eines Gesetzes, durch das u.a. § 1 Abs. 6 BErzGG geändert werden solle, und bat um Aussetzung der Entscheidung über den Widerspruch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.
Nachdem dieses Gesetz erlassen war, wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 zurück mit der Begründung, die Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen des neu geregelten § 1 Abs. 6 BErzGG, der rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft getreten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 25.06.2007 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass weder die Neuregelung, noch die bis 31.12.2005 geltende Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG verfassungsgemäß sei. Beide Regelungen entsprächen nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95), mit dem es die ab 27.06.1993 geltende Regelung der Voraussetzungen des Erziehungsgeldanspruchs für Ausländer für verfassungswidrig erklärt habe. Die Klägerin meint, dass weder die Nachfolge- noch die Neuregelungen dazu mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar seien. Auch wenn sie seit 02.02.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitze, sei ihr Aufenthalt in Deutschland doch auf Dauer ausgerichtet. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG entspreche der früheren Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz (AuslG). Die Versagung von Erziehungsgeld für Personen, die im Besitz (nur) einer Aufenthaltsbefugnis gewesen seien, habe das BVerfG im Beschluss vom 06.07.2004 für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 für das Kind B. in ge- setzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei der seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie rechtswidrig sind. Die Klägerin hat Anspruch auf Erziehungsgeld für das am 15.10.2004 geborene Kind B. in Höhe des Regelbetrages für den Zeitraum vom 02.02. bis 14.10.2006, auf den die Klage zuletzt in der mündlichen Verhandlung beschränkt worden ist.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bestimmt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nach § 1 Abs. 6 BErzGG in der Fassung durch Art. 3 Nr. 1 des "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" vom 13.12.2006 (BGBl. S. 2915), sondern nach § 1 Abs. 6 BErzGG in der zuvor geltenden Fassung (a.F.). Dies ergibt sich aus der Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG, neu gefasst durch Art. 3 Nr. 2.b) des Gesetzes vom 13.12.2006.
Hintergrund dieses Gesetzes ist (u.a.) der Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95 (BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 = NVwZ 2005, 319 = InfAuslR 2005, 116). Darin hat das BVerfG die für ausländische Staatsangehörige geltenden besonderen Regelungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG in der Fassung des "Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms" - FKPG - vom 23.06.1993 (BGBl. I S. 944) für verfassungswidrig erklärt, soweit dadurch Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, generell von der Gewährung von Erziehungsgeld ausgeschlossen wurden. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber anheimgestellt, diese Vorschriften bis spätestens 01.01.2006 durch verfassungskonforme Neuregelungen zu ersetzen. Um dieser Vorgabe Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung - allerdings erst im Mai 2006 - einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT-Drucksache 16/1368) vorgelegt. Das "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" ist nach Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens schließlich (erst) am 13.12.2006 erlassen worden. Die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG ist rückwirkend am 01.01.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 6 des Gesetzes vom 13.12.2006). Da diese Rückwirkung jedoch die vom BVerfG angeordnete Frist für noch nicht bestandskräftige Fälle missachtet hätte, weil sie bei Erlass des Gesetzes bereits abgelaufen war, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 3 BErzGG eine Günstigkeitsregelung getroffen. Diese ist für die Klägerin einschlägig, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erziehungsgeld "für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27. Juni 1993 und dem 18. Dezember 2006", nämlich die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 gilt und die Entscheidung über diesen Anspruch, die vom 10.08.2006 datiert, bei Inkrafttreten dieser Vorschrift am 19.12.2006 (vgl. Art. 6 des Gesetzes vom 13.12.2006) noch nicht bestandskräftig geworden war.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bestimmt sich nach § 1 Abs. 6 BErzGG a.F., weil die Neuregelung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13.12.2006 für sie ungünstiger gewesen wäre. Die Klägerin erfüllt nämlich die Voraussetzungen in der Neufassung nicht. Sie besitzt zwar seit 02.02.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und hat sich auch zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens 3 Jahre rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten (§ 1 Abs. 6 Nr. 2.c) i.V.m. Nr. 3.a)); jedoch ist sie seitdem weder erwerbstätig, noch bezieht sie Leistungen nach dem SGB III, noch hat sie Elternzeit in Anspruch genommen. Demgegenüber erfüllt die Klägerin - bei verfassungskonformer Auslegung - die Voraussetzungen der zuvor geltenden Regelung des § 1 Abs. 6 BErzGG in der Fassung durch Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I. S. 1950). Satz 2 dieser Vorschrift lautete: "Ein anderer Ausländer ist anspruchsberechtigt, wenn er im Besitz 1.einer Niederlassungserlaubnis, 2.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, 3.einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2, den §§ 31, 37, 38 des Aufenthaltsgesetzes oder 4.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem deutschen oder zu einer von Nr. 1 bis 3 erfassten Person ist."
Bei wörtlicher Anwendung dieser Vorschrift wäre allerdings auch hiernach der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin zu verneinen. Denn sie verfügte im streitbefangenen Zeitraum über keinen der aufgezählten Aufenthaltstitel. Die ihr bewilligte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gehört nicht dazu. Eine wörtliche Anwendung der Vorgängervor- schrift stünde jedoch nicht im Einklang mit der Verfassung, wie sich aus dem Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 (a.a.O.) ergibt.
Das BVerfG hat es im Beschluss vom 06.07.2004 grundsätzlich für legitim gehalten, dass der Gesetzgeber das Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen lassen will, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Es hat es aber für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, diesen Personenkreis allein dadurch zu erfassen, dass formal an die Art eines Aufenthaltstitels angeknüpft wird. Es hat es konkret für verfassungswidrig angesehen, Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, ohne nähere Differenzierung von der Leistung des Erziehungsgeldes auszuschließen. Die Fassung des Gesetzes, über die das BVerfG seinerzeit zu entscheiden hatte, galt ab 27.06.1993 und ging auf Art. 4 Nr. 1 FKPG zurück. Waren nach dem bis 26.06.1993 geltenden Recht noch Ausländer, die (nur) eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, grundsätzlich erziehungsgeldberechtigt, so schloss der Gesetzgeber nunmehr die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen vom Erziehungsgeldbezug aus. Dies hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig gehalten und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis 01.01.2006 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, anderenfalls auf nicht abgeschlossene Verfahren das bis 26.06.1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Das knapp 4 Wochen nach dem BVerfG-Beschluss erlassene Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) enthielt in seinem Art. 10 Nr. 4 noch nicht diese den Vorgaben des BVerfG entsprechende Neuregelung. Der Gesetzgeber konnte bei Erlass des Zuwandungsgesetzes zwar möglicherweise schon die Gründe des BVerfG-Beschlusses kennen, jedoch seine Vorgaben nicht umsetzen, da das Gesetzgebungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits im Wesentlichen abgeschlossen war. Die vom BVerfG geforderte Neuregelung erfolgte erst durch das Gesetz vom 13.12.2006, allerdings außerhalb der vom BVerfG gesetzten Frist. Das BVerfG hat im Beschluss vom 06.07.2004 (vgl. dort Abschnitt C. I. 2, letzter Satz) dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung auch die Nachfolgeregelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Gesetzgeber selbst hat erkannt, dass die Nachfolgeregelungen bzgl. der Erziehungsgeldanspruchsvoraussetzungen für Ausländer nach 1993 nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen haben und die Rechtsgedanken des BVerfG auch auf spätere Fassungen des BErzGG zutreffen (vgl. BT-Drucksache 16/1368, S. 1,8). Da - wie dargelegt - das am 30.07.2004 erlassene Zuwanderungsgesetz mit der für die Klägerin einschlägigen Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG die Vorgaben des BVerfG noch nicht umsetzen konnte, ist die einschlägige Bestimmung verfassungskonform im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 auszulegen, ohne dass es insoweit einer erneuten Vorlage an das BVerfG bedarf.
Zwar kennt das durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 neugeregelte Aufent- haltsrecht und ihm folgend die für die Klägerin einschlägige Fassung des § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG (a.F.) den Aufenthaltstitel einer "Aufenthaltsbefugnis" nicht mehr, wohl aber andere Aufenthaltstitel, die dieser entsprechen. § 1 Abs. 2 AufenthG, auf den die Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG Bezug nimmt, bestimmt ausdrücklich die Fortgeltung der bis dahin gelten Aufenthaltsgenehmigungen als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Die der Klägerin am 02.02.2006 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist der früheren Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG vergleichbar (so: FG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2007 - 10 K 2661/04 Kg); § 25 Abs. 5 AufenthG entspricht inhaltlich § 30 Abs. 3 AuslG. Um dem Rechtsgedanken des BVerfG und der Anwendungsregel im zweiten Entscheidungssatz des Beschlusses vom 06.07.2004 (a.a.O.) gerecht zu werden, ist daher der Personenkreis des § 1 Abs. 6 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes verfassungskonform (jedenfalls) auch auf Ausländer anzuwenden, die - wie die Klägerin - im Besitz (der früheren Aufenthaltsbefugnis vergleichbaren) Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG sind (vgl. ebenso, wenn auch mit anderer Begründung: SG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2007 - S 32 EG 6/05).
Da die Klägerin der Zeit vom 02.02 bis 14.10.2006 auch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Erziehungsgeld erfüllt hat, ist der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erziehungsgeld vom 02.02. bis 14.10.2006.
Die 1978 geborene Klägerin ist togoische Staatsangehörige, verheiratet und hat 4 Kinder. Das jüngste Kind B. wurde am 15.10.2004 geboren und ist körperbehindert. Die Klägerin reiste im August 2000 nach Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Der Asylantrag wurde am 01.06.2005 (bestandskräftig) abgelehnt. Während des Asylverfahrens war die Klägerin im Besitz einer "Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens", danach im Besitz einer "Duldung". Jegliche Erwerbstätigkeit war ihr ausdrücklich untersagt. In der Person des Kindes B. bestehen Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Axel ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Klägerin ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, verbunden mit der Gestattung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Die Klägerin war und ist nicht erwerbstätig, bezieht keine Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und nimmt auch keine Elternzeit in Anspruch. Die Familie bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Anrechnung von Einkommen des Ehemanns der Klägerin, das dieser aus einer erlaubten Erwerbstätigkeit erzielt.
Am 31.07.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das 1. und das 2. Lebensjahr von B. in Höhe des Regelbetrages.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2006 ab mit der Begründung, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.); sie sei weder im Besitz einer Niederlassungserlaubnis noch einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 BErzGG (a.F.)
Dagegen legte die Klägerin am 22.08.2006 Widerspruch ein. Sie verwies auf den Entwurf eines Gesetzes, durch das u.a. § 1 Abs. 6 BErzGG geändert werden solle, und bat um Aussetzung der Entscheidung über den Widerspruch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.
Nachdem dieses Gesetz erlassen war, wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 zurück mit der Begründung, die Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen des neu geregelten § 1 Abs. 6 BErzGG, der rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft getreten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 25.06.2007 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass weder die Neuregelung, noch die bis 31.12.2005 geltende Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG verfassungsgemäß sei. Beide Regelungen entsprächen nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95), mit dem es die ab 27.06.1993 geltende Regelung der Voraussetzungen des Erziehungsgeldanspruchs für Ausländer für verfassungswidrig erklärt habe. Die Klägerin meint, dass weder die Nachfolge- noch die Neuregelungen dazu mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar seien. Auch wenn sie seit 02.02.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitze, sei ihr Aufenthalt in Deutschland doch auf Dauer ausgerichtet. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG entspreche der früheren Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz (AuslG). Die Versagung von Erziehungsgeld für Personen, die im Besitz (nur) einer Aufenthaltsbefugnis gewesen seien, habe das BVerfG im Beschluss vom 06.07.2004 für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 für das Kind B. in ge- setzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei der seiner in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, sowie der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie rechtswidrig sind. Die Klägerin hat Anspruch auf Erziehungsgeld für das am 15.10.2004 geborene Kind B. in Höhe des Regelbetrages für den Zeitraum vom 02.02. bis 14.10.2006, auf den die Klage zuletzt in der mündlichen Verhandlung beschränkt worden ist.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bestimmt sich - entgegen der Auffassung des Beklagten - nicht nach § 1 Abs. 6 BErzGG in der Fassung durch Art. 3 Nr. 1 des "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" vom 13.12.2006 (BGBl. S. 2915), sondern nach § 1 Abs. 6 BErzGG in der zuvor geltenden Fassung (a.F.). Dies ergibt sich aus der Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG, neu gefasst durch Art. 3 Nr. 2.b) des Gesetzes vom 13.12.2006.
Hintergrund dieses Gesetzes ist (u.a.) der Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 - 1 BvR 2515/95 (BVerfGE 111, 176 = SozR 4-7833 § 1 Nr. 4 = NVwZ 2005, 319 = InfAuslR 2005, 116). Darin hat das BVerfG die für ausländische Staatsangehörige geltenden besonderen Regelungen des § 1 Abs. 1a Satz 1 BErzGG in der Fassung des "Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms" - FKPG - vom 23.06.1993 (BGBl. I S. 944) für verfassungswidrig erklärt, soweit dadurch Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, generell von der Gewährung von Erziehungsgeld ausgeschlossen wurden. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber anheimgestellt, diese Vorschriften bis spätestens 01.01.2006 durch verfassungskonforme Neuregelungen zu ersetzen. Um dieser Vorgabe Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung - allerdings erst im Mai 2006 - einen entsprechenden Gesetzentwurf (BT-Drucksache 16/1368) vorgelegt. Das "Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss" ist nach Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens schließlich (erst) am 13.12.2006 erlassen worden. Die Neufassung des § 1 Abs. 6 BErzGG ist rückwirkend am 01.01.2006 in Kraft getreten (vgl. Art. 6 des Gesetzes vom 13.12.2006). Da diese Rückwirkung jedoch die vom BVerfG angeordnete Frist für noch nicht bestandskräftige Fälle missachtet hätte, weil sie bei Erlass des Gesetzes bereits abgelaufen war, hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 3 BErzGG eine Günstigkeitsregelung getroffen. Diese ist für die Klägerin einschlägig, weil der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Erziehungsgeld "für einen Bezugszeitraum zwischen dem 27. Juni 1993 und dem 18. Dezember 2006", nämlich die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 gilt und die Entscheidung über diesen Anspruch, die vom 10.08.2006 datiert, bei Inkrafttreten dieser Vorschrift am 19.12.2006 (vgl. Art. 6 des Gesetzes vom 13.12.2006) noch nicht bestandskräftig geworden war.
Der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin bestimmt sich nach § 1 Abs. 6 BErzGG a.F., weil die Neuregelung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13.12.2006 für sie ungünstiger gewesen wäre. Die Klägerin erfüllt nämlich die Voraussetzungen in der Neufassung nicht. Sie besitzt zwar seit 02.02.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG und hat sich auch zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens 3 Jahre rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufgehalten (§ 1 Abs. 6 Nr. 2.c) i.V.m. Nr. 3.a)); jedoch ist sie seitdem weder erwerbstätig, noch bezieht sie Leistungen nach dem SGB III, noch hat sie Elternzeit in Anspruch genommen. Demgegenüber erfüllt die Klägerin - bei verfassungskonformer Auslegung - die Voraussetzungen der zuvor geltenden Regelung des § 1 Abs. 6 BErzGG in der Fassung durch Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I. S. 1950). Satz 2 dieser Vorschrift lautete: "Ein anderer Ausländer ist anspruchsberechtigt, wenn er im Besitz 1.einer Niederlassungserlaubnis, 2.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit, 3.einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 und 2, den §§ 31, 37, 38 des Aufenthaltsgesetzes oder 4.einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem deutschen oder zu einer von Nr. 1 bis 3 erfassten Person ist."
Bei wörtlicher Anwendung dieser Vorschrift wäre allerdings auch hiernach der Erziehungsgeldanspruch der Klägerin zu verneinen. Denn sie verfügte im streitbefangenen Zeitraum über keinen der aufgezählten Aufenthaltstitel. Die ihr bewilligte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG gehört nicht dazu. Eine wörtliche Anwendung der Vorgängervor- schrift stünde jedoch nicht im Einklang mit der Verfassung, wie sich aus dem Beschluss des BVerfG vom 06.07.2004 (a.a.O.) ergibt.
Das BVerfG hat es im Beschluss vom 06.07.2004 grundsätzlich für legitim gehalten, dass der Gesetzgeber das Erziehungsgeld nur denjenigen Ausländern zukommen lassen will, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Es hat es aber für nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar angesehen, diesen Personenkreis allein dadurch zu erfassen, dass formal an die Art eines Aufenthaltstitels angeknüpft wird. Es hat es konkret für verfassungswidrig angesehen, Ausländer, die lediglich eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, ohne nähere Differenzierung von der Leistung des Erziehungsgeldes auszuschließen. Die Fassung des Gesetzes, über die das BVerfG seinerzeit zu entscheiden hatte, galt ab 27.06.1993 und ging auf Art. 4 Nr. 1 FKPG zurück. Waren nach dem bis 26.06.1993 geltenden Recht noch Ausländer, die (nur) eine Aufenthaltsbefugnis besaßen, grundsätzlich erziehungsgeldberechtigt, so schloss der Gesetzgeber nunmehr die Inhaber von Aufenthaltsbefugnissen vom Erziehungsgeldbezug aus. Dies hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig gehalten und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis 01.01.2006 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, anderenfalls auf nicht abgeschlossene Verfahren das bis 26.06.1993 geltende Recht anzuwenden sei.
Das knapp 4 Wochen nach dem BVerfG-Beschluss erlassene Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) enthielt in seinem Art. 10 Nr. 4 noch nicht diese den Vorgaben des BVerfG entsprechende Neuregelung. Der Gesetzgeber konnte bei Erlass des Zuwandungsgesetzes zwar möglicherweise schon die Gründe des BVerfG-Beschlusses kennen, jedoch seine Vorgaben nicht umsetzen, da das Gesetzgebungsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits im Wesentlichen abgeschlossen war. Die vom BVerfG geforderte Neuregelung erfolgte erst durch das Gesetz vom 13.12.2006, allerdings außerhalb der vom BVerfG gesetzten Frist. Das BVerfG hat im Beschluss vom 06.07.2004 (vgl. dort Abschnitt C. I. 2, letzter Satz) dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, im Hinblick auf die vorliegende Entscheidung auch die Nachfolgeregelungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu überprüfen. Der Gesetzgeber selbst hat erkannt, dass die Nachfolgeregelungen bzgl. der Erziehungsgeldanspruchsvoraussetzungen für Ausländer nach 1993 nicht den Vorgaben des BVerfG entsprochen haben und die Rechtsgedanken des BVerfG auch auf spätere Fassungen des BErzGG zutreffen (vgl. BT-Drucksache 16/1368, S. 1,8). Da - wie dargelegt - das am 30.07.2004 erlassene Zuwanderungsgesetz mit der für die Klägerin einschlägigen Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG die Vorgaben des BVerfG noch nicht umsetzen konnte, ist die einschlägige Bestimmung verfassungskonform im Sinne der Entscheidung des BVerfG vom 06.07.2004 auszulegen, ohne dass es insoweit einer erneuten Vorlage an das BVerfG bedarf.
Zwar kennt das durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 neugeregelte Aufent- haltsrecht und ihm folgend die für die Klägerin einschlägige Fassung des § 1 Abs. 6 Satz 2 BErzGG (a.F.) den Aufenthaltstitel einer "Aufenthaltsbefugnis" nicht mehr, wohl aber andere Aufenthaltstitel, die dieser entsprechen. § 1 Abs. 2 AufenthG, auf den die Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG Bezug nimmt, bestimmt ausdrücklich die Fortgeltung der bis dahin gelten Aufenthaltsgenehmigungen als Aufenthaltserlaubnisse entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Aufenthaltszweck und Sachverhalt. Die der Klägerin am 02.02.2006 erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist der früheren Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG vergleichbar (so: FG Düsseldorf, Urteil vom 23.01.2007 - 10 K 2661/04 Kg); § 25 Abs. 5 AufenthG entspricht inhaltlich § 30 Abs. 3 AuslG. Um dem Rechtsgedanken des BVerfG und der Anwendungsregel im zweiten Entscheidungssatz des Beschlusses vom 06.07.2004 (a.a.O.) gerecht zu werden, ist daher der Personenkreis des § 1 Abs. 6 BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung des Art. 10 Nr. 4 des Zuwanderungsgesetzes verfassungskonform (jedenfalls) auch auf Ausländer anzuwenden, die - wie die Klägerin - im Besitz (der früheren Aufenthaltsbefugnis vergleichbaren) Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG sind (vgl. ebenso, wenn auch mit anderer Begründung: SG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.2007 - S 32 EG 6/05).
Da die Klägerin der Zeit vom 02.02 bis 14.10.2006 auch die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Erziehungsgeld erfüllt hat, ist der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved