Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 72/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 sowie über einen Anspruch auf Beitragserstattung für diesen Zeitraum.
Der am 00.00.1950 geborene Kläger ist ausgebildeter Kaufmann. Vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 war er in dem Busunternehmen X. T. OHG, E., als Werkstattleiter bzw. Leiter Disposition tätig. Gesellschafter dieses Unternehmens waren im streitgegenständlichen Zeitraum der Vater sowie der Onkel des Klägers. Der Kläger war in diesem Zeitraum nicht an dem Unternehmen beteiligt. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit betrug 50 bis 80 Wochenstunden an 5 bis 6 Arbeitstagen. Er erhielt hierfür ein monatliches Bruttogehalt zwischen 3.500,00 und 4.500,00 DM. Eine schriftliche arbeitsvertragliche Vereinbarung lag dieser Tätigkeit nicht zugrunde. Das Gehalt des Klägers wurde auf dessen privates Bankkonto überwiesen. Von der erhaltenen Vergütung wurde Lohnsteuer entrichtet, die Vergütung wurde als Betriebsausgabe gebucht. Der Kläger leistete ab dem 00.00.1973 bis 00.00.1991 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die AOK S ... Ab Januar 1992 wurde er selbst Gesellschafter der X. T. OHG. Am 00.00.1994 sowie am 00.00.1996 führte die AOK S. bei der Firma X. T. OHG Betriebsprüfungen durch, bei denen die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Klägers nicht beanstandet wurde.
Unter dem 00.00.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Zur Begründung verwies er auf schriftliche Angaben der Firma X. T. OHG im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 00.00.2005. Danach war der Kläger im Betrieb nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und es hätte ohne die Mitarbeit des Klägers keine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Weiter war der Kläger nach dieser Auskunft an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden und ein Weisungsrecht wurde auch tatsächlich nicht ausgeübt. Der Kläger konnte nach dieser Auskunft seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, seine Mitarbeit war auf Grund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt.
Mit Bescheid vom 00.00.2006 lehnte die Beklagte eine Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 ab. Zur Begründung führte sie aus, die vom Kläger für die X. T. OHG ausgeübte Tätigkeit in diesem Zeitraum sei weder als versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen, noch als selbstständige, sondern als abhängige Beschäftigung einzustufen, weil der Kläger ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt erhalten habe. Zudem habe er im fraglichen Zeitraum Krankengeldzahlungen zu Lasten der AOK T. in Anspruch genommen. Schließlich spreche auch der Umstand, dass die sozialversicherungsrechtliche Einstufung des Klägers im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen nicht gerügt wurde, für die Richtigkeit der Einstufung als abhängig Beschäftigter.
Der Kläger legte am 00.00.2006 Widerspruch ein und führte aus, er habe seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer und Umfang im Wesentlichen weisungsfrei ausgeübt, weshalb es an der Ausübung eines Direktionsrechtes der Arbeitgeberin fehle. Auch das für seine Tätigkeit gezahlte Gehalt von 3.500,00 bis 4.500,00 DM sei nicht ortsüblich gewesen, für eine fremde Arbeitskraft hätte ein deutlich höheres Gehalt gezahlt werden müssen. In wirtschaftlichen Notsituationen schließlich hätte er vollständig oder teilweise auf sein Gehalt verzichtet und wäre auch zur Gewährung eines Darlehens an die X. T. OHG bereit gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf § 26 Abs. 1 SGB IV und führte aus, dass die Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen beanstandet worden sei. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV seien diese Beiträge daher als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge anzusehen. Unabhängig hiervon sei ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge jedenfalls nach § 27 Abs. 2 und 3 SGB IV verjährt.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.2006 erhobene Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, die Ausübung der Verjährungseinrede durch die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, weil im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Klägers nicht beanstandet worden ist. Angesichts dieses fehlerhaften Verwaltungshandelns stelle es eine unzulässige Rechtsausübung dar, sich auf die Verjährung des Erstattungsanspruchs zu berufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 00.00.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2006 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Wilhelm Schumacher OHG vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 keine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm die für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an der Einrede der Verjährung fest und führt hierzu aus, ein treuwidriges Verhalten sei nicht ersichtlich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der für den Zeitraum vom 00.00.1973 an bis 00.00.1991 entrichteten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Ein solcher Anspruch setzt nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) voraus, dass Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil der Kläger in der Zeit vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 bei der Firma X. T. OHG eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat.
Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach § 1 Satz 1 Nr.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist die Legaldefinition in § 7 Abs.1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Zentrales Merkmal einer nichtselbständigen Tätigkeit ist die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber. Persönlich abhängig ist, wer in einen Betrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere im Hinblick auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.1988, 10 RAr 10/87 – juris, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Ein Beschäftigungsverhältnis kann auch unter Angehörigen bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Angehörige, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, gegenüber familienfremden Beschäftigten häufig gewisse Privilegien genießen. Der Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses unter Angehörigen steht es jedoch grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Verwandten im allgemeinen weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 30.01.1990, 11 Rar 47/88). In derartigen Fällen aber ist zumindest zu fordern, dass zwischen den Angehörigen ein in etwa leistungsgerechtes Entgelt (für die Verrichtung abhängiger Arbeit) gezahlt wird. Es braucht zwar die Höhe des Entgelts für einen vergleichbaren fremden Beschäftigten nicht zu erreichen, muss andererseits aber über bloße Unterhaltsleistungen (wie freie Kost und Wohnung, Taschengeld) deutlich hinausgehen (Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 55. Ergänzungslieferung 2007, § 7 SGB IV Rdnr. 102 ff.). Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als Betriebsausgabe gebucht und der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 31.03.2004, L 9 KR 8/02). Fehlt es hingegen an diesen Anforderungen, handelt es sich regelmässig um eine bloße familienhafte Mithilfe unter Angehörigen, die einer Versicherungspflicht nicht unterliegt.
Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber ein eigenes Unternehmerrisiko, das vorliegt, wenn der Betreffende seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann und damit über Arbeitskraft, Arbeitsort und Arbbeitszeit eigenständig verfügen kann (vgl. BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl für Abhängigkeit als auch für Unabhängigkeit sprechen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalles in die Bewertung miteinzubeziehen sind (vgl. BSG, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben stellt sich die Tätigkeit des Klägers bei der Firma X. T. OHG als abhängige Beschäftigung dar. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nämlich überwiegen die Faktoren, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. So hat der Kläger typische Aufgaben eines abhängig Beschäftigten verrichtet. Er war nämlich als Werkstattleiter bzw. Leiter Disposition bei der Firma X. T. OHG tätig. Überdies hat er für diese Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt zwischen 3.500,00 und 4.500,00 DM erhalten, das zudem auf sein privates Konto überwiesen worden ist. Insbesondere aber hat er kein eigenes Unternehmerrisiko getragen. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an der Firma X. T. OHG beteiligt und es ist auch nicht ersichtlich, dass er in diesem Zeitraum eigenes Vermögen zur Verfügung gestellt hat bzw. finazielle Verpflichtungen zu Gunsten der Firma X. T. OHG eingegangen ist. Soweit der Kläger ausführt, in wirtschaftlichen Notsituationen wäre er bereit gewesen, auf sein Gehalt teilweise oder sogar zur Gänze zu verzichten bzw. dem Unternehmen Darlehen zu gewähren, so spielen diese bloßen Absichtserklärungen für die vorzunehmende Abwägung keine Rolle. Entscheidend ist allein, ob der Kläger ein finanzielles Risiko zu Gunsten der Firma X. T. OHHG eingegangen ist. bzw. ein sonstiges Unternehmerrisiko getragen hat, was – wie dargelegt – nicht der Fall ist.
Soweit der Kläger demgegenüber auf die Auskunft der Firma X. T. OHG im Feststellungsbogen vom 00.00.2005 verweist, so stehen diese Angaben nach Auffassung der Kammer einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. So hat die X. T. OHG im Feststellungsbogen vom 00.00.2005 ausgeführt, der Kläger habe seine Arbeit frei einteilen können und ein Weisungsrecht sei ihm gegenüber nicht ausgeübt worden. Indessen ist zu berücksichtigen, dass bei Tätigkeiten von Familienangehörigen die verwandschaftliche Verbundenheit zu einer Abschwächung des Unterordnungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt. Aus diesem Grund kann die fehlende Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Rahmen der zu treffenden Gesamtbewertung sämtlicher Umstände lediglich eine untergeordnete Rolle beanspruchen. Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass vom Gehalt des Klägers Lohnsteuer abgeführt wurde, für eine abhängige Beschäftigung. Zudem sind die Ausgaben für die Vergütung der Tätigkeit des Klägers als Betriebsausgabe gebucht worden.
Selbst wenn man abweichend hiervon davon ausgehen wollte, dass die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers nicht die Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung erfüllt, wäre ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen.
Allerdings hat die Kammer Zweifel, ob sich die Beklagte auf die Fiktion des § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV berufen kann, mit der Folge, dass die vom Kläger entrichteten Beiträge – selbst wenn sie zu Unrecht entrichtet worden sein sollten – als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge zu gelten hätten. Die Vorschrift des § 26 Abs. 1 SGB IV gewährt Vertrauensschutz in die Wirksamkeit zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung. Mit ihr wird gewährleistet, dass der Versicherte Sicherheit über die Wirksamkeit der Beitragszahlung erhält (vgl. hierzu nur Mette, in: Rolfs/Giesen/Krei-kebohm/Udsching (Hrsg.), Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.12.2007, § 26 SGB IV Rdnr. 2). Die Vorschrift ist damit nach Auffassung der Kammer – gleichsam entgegen ihrer Schutzrichtung – nicht in dem Sinne anwendbar, dass die Rentenversicherungsträger die Fiktionswirkung des § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einem Erstattungsanspruch eines Versicherten entgegenhalten können.
Letztendlich aber kann es dahin stehen, ob § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu Gunsten der Beklagten eingreifen kann. Denn selbst im Falle des Bestehens eines Beitragserstattungs-anspruchs wäre dieser Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt. Denn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die streitgegenständlichen Beiträge entrichtet worden sind, bis zur Stellung des Erstattungsantrags durch den Kläger im Jahre 2005 sind weit mehr als 4 Jahre vergangen.
Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich die Ausübung des Verjährungsrechts im vorliegenden Fall auch nicht als unzulässige Rechtsausübung. Die Kammer gibt insoweit zu bedenken, dass Sinn und Zweck von Verjährungsvorschriften die Herstellung des Rechtsfriedens ist. Bereits aus diesem Grund ist nach ihrer Auffassung eine restriktive Handhabung des Grundsatzes von Treu und Glauben geboten. Anderenfalls könnte die Herstellung des Rechtsfriedens, die mit den Verjährungsvorschriften bezweckt wird, durch den Grundsatz von Treu und Glauben unterlaufen werden. Sie verkennt hierbei nicht, dass auch das Berufen auf die Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann. Die Ausübung der Verjährungseinrede verstößt insbesondere gegen den – auch im Sozialrecht analog § 242 BGB anwendbaren – Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Beitragsentrichtung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Rentenversicherungsträger oder der Einzugsstelle beruht (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, 7 RAr 121/84; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 14. Februar 2002, Az.: L 8 AL 48/01 – juris, m.w.N.). Ein solches fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Rentenversicherungsträger bzw. der Einzugsstelle folgt jedoch nicht ohne Weiteres aus einer im Rahmen von Betriebsprüfungen unbeanstandet gebliebenen sozialversicherungsrechtlichen Einordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nämlich können Arbeitgeber ebensowenig wie Arbeitnehmer aus Betriebsprüfungen, bei dem die unzutreffende Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten nicht aufgefallen war, weitergehende Rechte herleiten. Betriebsprüfungen verfolgen danach insbesondere im Interesse der Versicherungsträger den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt ihnen nicht zu, sie bezwecken insbesondere nicht, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer als Beitragsschuldner zu schützen (BSG, Urteil vom 30. November 1978, Az.: 12 Rk 6/76, BSGE 47, 194, 198; LSG Berlin, Urteil vom 14. Februar 2002, Az.: L 8 AL 48/01 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09. August 2007, L 7 AL 1337/07 – juris m.w.N.).
Aus diesen Gründen stellt die Ausübung der Verjährungseinrede nach § 27 Abs. 2 SGB IV selbst dann keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn bei Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger bzw. der Einzugsstellen unzutreffende Beurteilungen der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht von Beschäftigten nicht aufgefallen sind (so ausdrücklich LSG Berlin, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 sowie über einen Anspruch auf Beitragserstattung für diesen Zeitraum.
Der am 00.00.1950 geborene Kläger ist ausgebildeter Kaufmann. Vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 war er in dem Busunternehmen X. T. OHG, E., als Werkstattleiter bzw. Leiter Disposition tätig. Gesellschafter dieses Unternehmens waren im streitgegenständlichen Zeitraum der Vater sowie der Onkel des Klägers. Der Kläger war in diesem Zeitraum nicht an dem Unternehmen beteiligt. Der zeitliche Umfang seiner Tätigkeit betrug 50 bis 80 Wochenstunden an 5 bis 6 Arbeitstagen. Er erhielt hierfür ein monatliches Bruttogehalt zwischen 3.500,00 und 4.500,00 DM. Eine schriftliche arbeitsvertragliche Vereinbarung lag dieser Tätigkeit nicht zugrunde. Das Gehalt des Klägers wurde auf dessen privates Bankkonto überwiesen. Von der erhaltenen Vergütung wurde Lohnsteuer entrichtet, die Vergütung wurde als Betriebsausgabe gebucht. Der Kläger leistete ab dem 00.00.1973 bis 00.00.1991 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung an die AOK S ... Ab Januar 1992 wurde er selbst Gesellschafter der X. T. OHG. Am 00.00.1994 sowie am 00.00.1996 führte die AOK S. bei der Firma X. T. OHG Betriebsprüfungen durch, bei denen die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Klägers nicht beanstandet wurde.
Unter dem 00.00.2005 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Zur Begründung verwies er auf schriftliche Angaben der Firma X. T. OHG im Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 00.00.2005. Danach war der Kläger im Betrieb nicht wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert und es hätte ohne die Mitarbeit des Klägers keine andere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Weiter war der Kläger nach dieser Auskunft an Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nicht gebunden und ein Weisungsrecht wurde auch tatsächlich nicht ausgeübt. Der Kläger konnte nach dieser Auskunft seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten, seine Mitarbeit war auf Grund familienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt.
Mit Bescheid vom 00.00.2006 lehnte die Beklagte eine Erstattung der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 ab. Zur Begründung führte sie aus, die vom Kläger für die X. T. OHG ausgeübte Tätigkeit in diesem Zeitraum sei weder als versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen, noch als selbstständige, sondern als abhängige Beschäftigung einzustufen, weil der Kläger ein regelmäßiges monatliches Arbeitsentgelt erhalten habe. Zudem habe er im fraglichen Zeitraum Krankengeldzahlungen zu Lasten der AOK T. in Anspruch genommen. Schließlich spreche auch der Umstand, dass die sozialversicherungsrechtliche Einstufung des Klägers im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen nicht gerügt wurde, für die Richtigkeit der Einstufung als abhängig Beschäftigter.
Der Kläger legte am 00.00.2006 Widerspruch ein und führte aus, er habe seine Tätigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer und Umfang im Wesentlichen weisungsfrei ausgeübt, weshalb es an der Ausübung eines Direktionsrechtes der Arbeitgeberin fehle. Auch das für seine Tätigkeit gezahlte Gehalt von 3.500,00 bis 4.500,00 DM sei nicht ortsüblich gewesen, für eine fremde Arbeitskraft hätte ein deutlich höheres Gehalt gezahlt werden müssen. In wirtschaftlichen Notsituationen schließlich hätte er vollständig oder teilweise auf sein Gehalt verzichtet und wäre auch zur Gewährung eines Darlehens an die X. T. OHG bereit gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 00.00.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf § 26 Abs. 1 SGB IV und führte aus, dass die Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen beanstandet worden sei. Nach § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV seien diese Beiträge daher als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge anzusehen. Unabhängig hiervon sei ein Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge jedenfalls nach § 27 Abs. 2 und 3 SGB IV verjährt.
Hiergegen richtet sich die am 00.00.2006 erhobene Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, die Ausübung der Verjährungseinrede durch die Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, weil im Rahmen der bei der Firma X. T. OHG durchgeführten Betriebsprüfungen die sozialversicherungsrechtliche Einordnung des Klägers nicht beanstandet worden ist. Angesichts dieses fehlerhaften Verwaltungshandelns stelle es eine unzulässige Rechtsausübung dar, sich auf die Verjährung des Erstattungsanspruchs zu berufen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 00.00.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 00.00.2006 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für die Wilhelm Schumacher OHG vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 keine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat, sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm die für den Zeitraum vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an der Einrede der Verjährung fest und führt hierzu aus, ein treuwidriges Verhalten sei nicht ersichtlich.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der für den Zeitraum vom 00.00.1973 an bis 00.00.1991 entrichteten Arbeitnehmeranteile zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Ein solcher Anspruch setzt nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) voraus, dass Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil der Kläger in der Zeit vom 00.00.1973 bis 00.00.1991 bei der Firma X. T. OHG eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat.
Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach § 1 Satz 1 Nr.1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist die Legaldefinition in § 7 Abs.1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Zentrales Merkmal einer nichtselbständigen Tätigkeit ist die persönliche Abhängigkeit von einem Arbeitgeber. Persönlich abhängig ist, wer in einen Betrieb eingegliedert und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers untergeordnet ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV), insbesondere im Hinblick auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung (vgl. BSG, Urteil vom 07.09.1988, 10 RAr 10/87 – juris, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Ein Beschäftigungsverhältnis kann auch unter Angehörigen bestehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Angehörige, die in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, gegenüber familienfremden Beschäftigten häufig gewisse Privilegien genießen. Der Annahme eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses unter Angehörigen steht es jedoch grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Verwandten im allgemeinen weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 30.01.1990, 11 Rar 47/88). In derartigen Fällen aber ist zumindest zu fordern, dass zwischen den Angehörigen ein in etwa leistungsgerechtes Entgelt (für die Verrichtung abhängiger Arbeit) gezahlt wird. Es braucht zwar die Höhe des Entgelts für einen vergleichbaren fremden Beschäftigten nicht zu erreichen, muss andererseits aber über bloße Unterhaltsleistungen (wie freie Kost und Wohnung, Taschengeld) deutlich hinausgehen (Seewald, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 55. Ergänzungslieferung 2007, § 7 SGB IV Rdnr. 102 ff.). Weitere Abgrenzungskriterien sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt, als Betriebsausgabe gebucht und der Angehörige eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. LSG Berlin, Urteil vom 31.03.2004, L 9 KR 8/02). Fehlt es hingegen an diesen Anforderungen, handelt es sich regelmässig um eine bloße familienhafte Mithilfe unter Angehörigen, die einer Versicherungspflicht nicht unterliegt.
Kennzeichnend für eine selbständige Tätigkeit ist demgegenüber ein eigenes Unternehmerrisiko, das vorliegt, wenn der Betreffende seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten kann und damit über Arbeitskraft, Arbeitsort und Arbbeitszeit eigenständig verfügen kann (vgl. BSG, a.a.O.). Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl für Abhängigkeit als auch für Unabhängigkeit sprechen, ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen, wobei sämtliche Umstände des Einzelfalles in die Bewertung miteinzubeziehen sind (vgl. BSG, a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben stellt sich die Tätigkeit des Klägers bei der Firma X. T. OHG als abhängige Beschäftigung dar. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung nämlich überwiegen die Faktoren, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. So hat der Kläger typische Aufgaben eines abhängig Beschäftigten verrichtet. Er war nämlich als Werkstattleiter bzw. Leiter Disposition bei der Firma X. T. OHG tätig. Überdies hat er für diese Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt zwischen 3.500,00 und 4.500,00 DM erhalten, das zudem auf sein privates Konto überwiesen worden ist. Insbesondere aber hat er kein eigenes Unternehmerrisiko getragen. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum nicht an der Firma X. T. OHG beteiligt und es ist auch nicht ersichtlich, dass er in diesem Zeitraum eigenes Vermögen zur Verfügung gestellt hat bzw. finazielle Verpflichtungen zu Gunsten der Firma X. T. OHG eingegangen ist. Soweit der Kläger ausführt, in wirtschaftlichen Notsituationen wäre er bereit gewesen, auf sein Gehalt teilweise oder sogar zur Gänze zu verzichten bzw. dem Unternehmen Darlehen zu gewähren, so spielen diese bloßen Absichtserklärungen für die vorzunehmende Abwägung keine Rolle. Entscheidend ist allein, ob der Kläger ein finanzielles Risiko zu Gunsten der Firma X. T. OHHG eingegangen ist. bzw. ein sonstiges Unternehmerrisiko getragen hat, was – wie dargelegt – nicht der Fall ist.
Soweit der Kläger demgegenüber auf die Auskunft der Firma X. T. OHG im Feststellungsbogen vom 00.00.2005 verweist, so stehen diese Angaben nach Auffassung der Kammer einer abhängigen Beschäftigung nicht entgegen. So hat die X. T. OHG im Feststellungsbogen vom 00.00.2005 ausgeführt, der Kläger habe seine Arbeit frei einteilen können und ein Weisungsrecht sei ihm gegenüber nicht ausgeübt worden. Indessen ist zu berücksichtigen, dass bei Tätigkeiten von Familienangehörigen die verwandschaftliche Verbundenheit zu einer Abschwächung des Unterordnungsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer führt. Aus diesem Grund kann die fehlende Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Rahmen der zu treffenden Gesamtbewertung sämtlicher Umstände lediglich eine untergeordnete Rolle beanspruchen. Im Übrigen spricht auch der Umstand, dass vom Gehalt des Klägers Lohnsteuer abgeführt wurde, für eine abhängige Beschäftigung. Zudem sind die Ausgaben für die Vergütung der Tätigkeit des Klägers als Betriebsausgabe gebucht worden.
Selbst wenn man abweichend hiervon davon ausgehen wollte, dass die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers nicht die Voraussetzungen einer abhängigen Beschäftigung erfüllt, wäre ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen.
Allerdings hat die Kammer Zweifel, ob sich die Beklagte auf die Fiktion des § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV berufen kann, mit der Folge, dass die vom Kläger entrichteten Beiträge – selbst wenn sie zu Unrecht entrichtet worden sein sollten – als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge zu gelten hätten. Die Vorschrift des § 26 Abs. 1 SGB IV gewährt Vertrauensschutz in die Wirksamkeit zu Unrecht gezahlter Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung. Mit ihr wird gewährleistet, dass der Versicherte Sicherheit über die Wirksamkeit der Beitragszahlung erhält (vgl. hierzu nur Mette, in: Rolfs/Giesen/Krei-kebohm/Udsching (Hrsg.), Beck scher Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 01.12.2007, § 26 SGB IV Rdnr. 2). Die Vorschrift ist damit nach Auffassung der Kammer – gleichsam entgegen ihrer Schutzrichtung – nicht in dem Sinne anwendbar, dass die Rentenversicherungsträger die Fiktionswirkung des § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV einem Erstattungsanspruch eines Versicherten entgegenhalten können.
Letztendlich aber kann es dahin stehen, ob § 26 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zu Gunsten der Beklagten eingreifen kann. Denn selbst im Falle des Bestehens eines Beitragserstattungs-anspruchs wäre dieser Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV verjährt. Denn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die streitgegenständlichen Beiträge entrichtet worden sind, bis zur Stellung des Erstattungsantrags durch den Kläger im Jahre 2005 sind weit mehr als 4 Jahre vergangen.
Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich die Ausübung des Verjährungsrechts im vorliegenden Fall auch nicht als unzulässige Rechtsausübung. Die Kammer gibt insoweit zu bedenken, dass Sinn und Zweck von Verjährungsvorschriften die Herstellung des Rechtsfriedens ist. Bereits aus diesem Grund ist nach ihrer Auffassung eine restriktive Handhabung des Grundsatzes von Treu und Glauben geboten. Anderenfalls könnte die Herstellung des Rechtsfriedens, die mit den Verjährungsvorschriften bezweckt wird, durch den Grundsatz von Treu und Glauben unterlaufen werden. Sie verkennt hierbei nicht, dass auch das Berufen auf die Verjährung eine unzulässige Rechtsausübung darstellen kann. Die Ausübung der Verjährungseinrede verstößt insbesondere gegen den – auch im Sozialrecht analog § 242 BGB anwendbaren – Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Beitragsentrichtung deshalb zu Unrecht erfolgt ist, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln der Rentenversicherungsträger oder der Einzugsstelle beruht (vgl. BSG, Urteil vom 26. Juni 1986, 7 RAr 121/84; Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 14. Februar 2002, Az.: L 8 AL 48/01 – juris, m.w.N.). Ein solches fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Rentenversicherungsträger bzw. der Einzugsstelle folgt jedoch nicht ohne Weiteres aus einer im Rahmen von Betriebsprüfungen unbeanstandet gebliebenen sozialversicherungsrechtlichen Einordnung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nämlich können Arbeitgeber ebensowenig wie Arbeitnehmer aus Betriebsprüfungen, bei dem die unzutreffende Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten nicht aufgefallen war, weitergehende Rechte herleiten. Betriebsprüfungen verfolgen danach insbesondere im Interesse der Versicherungsträger den Zweck, die Beitragsentrichtung zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu sichern. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern helfen, andererseits die Versicherungsträger in der Rentenversicherung davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Eine über diese Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung kommt ihnen nicht zu, sie bezwecken insbesondere nicht, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer als Beitragsschuldner zu schützen (BSG, Urteil vom 30. November 1978, Az.: 12 Rk 6/76, BSGE 47, 194, 198; LSG Berlin, Urteil vom 14. Februar 2002, Az.: L 8 AL 48/01 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09. August 2007, L 7 AL 1337/07 – juris m.w.N.).
Aus diesen Gründen stellt die Ausübung der Verjährungseinrede nach § 27 Abs. 2 SGB IV selbst dann keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn bei Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger bzw. der Einzugsstellen unzutreffende Beurteilungen der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht von Beschäftigten nicht aufgefallen sind (so ausdrücklich LSG Berlin, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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