Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 33417/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 343/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2008 wird zurückgewiesen. Die weiteren im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2007 werden zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Desgleichen haben auch die im Beschwerdeverfahren im Rahmen einer Antragserweiterung gemäß § 99 SGG analog gestellten Anträge keinen Erfolg.
1. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –).
Hiervon ausgehend fehlt es für alle im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an den Voraussetzungen für deren Erlass.
a) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners zur Beratung und Auskunftserteilung gemäß §§ 13 ff Sozialgesetzbuch/Erstes Buch begehrt, fehlt es derzeit an einem Anordnungsanspruch, denn ein konkretes Beratungsbegehren ist durch den Antragsteller noch nicht formuliert worden. Die von ihm an den Antragsgegner gerichteten zahlreichen Fragen sind abstrakter und allgemeiner Natur, ein konkreter Beratungsbedarf besteht derzeit nicht. Der Antragsteller hat es bislang versäumt, sich um konkrete Wohnungsangebote zu bemühen. Erst dann, wenn der Antragsteller dem Antragsgegner ein konkretes Mietangebot vorlegt, ergibt sich für den Antragsgegner eine Beratungsverpflichtung über die Frage, ob insoweit eine Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung, der Umzugskosten und gegebenenfalls weiterer Kosten in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund kann dem Antragsteller nur dringend angeraten werden, sich baldmöglichst um konkrete Mietangebote zu bemühen und diese dann ebenfalls baldmöglichst dem Antragsgegner vorzulegen, der dann die anfallenden Fragen, insbesondere hinsichtlich einer Kostenübernahme, zu klären hat. Derzeit hingegen bestehen weder ein Beratungsbedarf noch ein Beratungsanspruch des Antragstellers. b) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft und Heizung rückwirkend ab dem 01. Oktober 2007 begehrt, fehlt es vor dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats (11. März 2008) jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Beschlüsse vom 28. Februar 2008, Az: L 25 B 838/07 AS ER, vom 19. Februar 2008, Az: L 25 B 238/08 AS ER, vom 05. Februar 2008, Az: L 25 B 146/08 AS ER, vom 23. Januar 2008, Az: L 25 B 43/08 AS ER, und vom 16. Januar 2008, Az: L 25 B 2274/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen dem Antragsteller keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn seinem Begehren auf Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen für vergangene Zeiträume nicht sofort entsprochen wird. Weder aufgrund des Vortrags des Antragstellers noch sonst sind schwerwiegende Nachteile ersichtlich, die ausnahmsweise in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Sachprüfung eines Anspruchs auch für vergangene Zeiträume rechtfertigen könnten, zumal er bislang auch nicht in Zahlungsrückstand mit seinen bisherigen Mietleistungen geraten ist.
Im Übrigen fehlt es aber hinsichtlich der Übernahme höherer Kosten der Unterkunft auch an einem Anordnungsanspruch. Wie bereits das Sozialgericht Berlin in seinem Beschluss vom 31. August 2007 (S 129 AS 17154/07 ER) im Einzelnen ausgeführt hat, sind die Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 526 EUR nach Maßgabe des aktuellen Mietspiegels deutlich unangemessen hoch. Hieran hat sich auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Änderung ergeben. Insbesondere kann der Antragsteller auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer persönlichen Härte eine Übernahme höherer Unterkunftskosten verlangen. Zwar hat der Antragsteller mittlerweile das 63. Lebensjahr vollendet, doch wohnt er in seiner derzeitigen Wohnung erst etwa seit der Jahresmitte 2004. Die Anmietung der jetzigen Wohnung des Antragstellers erfolgte nur wenige Monate vor der erstmaligen Antragstellung für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II). Vor diesem Hintergrund ist kein schutzwürdiges Vertrauen oder geschützter Besitzstand entstanden, der ausnahmsweise die Übernahme überhöhter Unterkunftskosten rechtfertigen könnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller bei Vollendung des 65. Lebensjahres nach eigenen Angaben die Gewährung einer Rente wegen Alters erwarten kann, die dann möglicherweise ausreicht, um die bisherigen Unterkunftskosten bestreiten zu können. Abgesehen davon, dass der Antragsteller bislang weder den zukünftigen Rentenanspruch noch seine ausreichende Höhe glaubhaft gemacht hat, ist gegenwärtig der zeitliche Abstand bis zu einer etwaigen Rentenzahlung noch so groß, dass nicht übergangshalber die überhöhten Kosten der Unterkunft zu leisten sind.
c) Soweit der Antragsteller zumindest für die Zeit der Kündigungsfrist seines bisherigen Mietverhältnisses die Übernahme der bisherigen Kosten der Unterkunft begehrt, besteht gleichfalls kein Anordnungsanspruch nach § 22 SGB II, denn der Antragsteller hat sein Mietverhältnis weder gekündigt noch hat er gegenüber dem Antragsgegner ein konkretes neues Mietverhältnis mitgeteilt, welches er eingehen möchte. Vor diesem Hintergrund ist selbst unter dem Gesichtspunkt einer übergangsweisen Regelung kein Raum für eine weitere Übernahme der überhöhten Unterkunftskosten; im Übrigen hatte der Antragsgegner gerade durch die Einräumung einer sechsmonatigen Übergangsfrist unter anderem der Beachtung einer Kündigungsfrist für das bisherige Mietverhältnis Rechung getragen.
d) Des Weiteren fehlt jedenfalls ein Anordnungsgrund hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers, wenigstens eine 10-prozentige Erhöhung der ihm von dem Antragsgegner zugestandenen Kosten der Unterkunft von 360 EUR zu erhalten. Selbst wenn insoweit ein materiell-rechtlicher Anspruch in Betracht kommen sollte – zu klären wäre hierbei, ob der in der Verwaltungspraxis des Antragsgegners begründete, aber nicht auf den Mietspiegel bezogene Zuschlag in allen Fällen beansprucht werden kann – , muss diese Klärung gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Antragsteller insoweit einer Entscheidung in der Sache in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf.
2. Soweit sich der Antragsteller schließlich darauf beruft, der Antragsgegner habe ihm mit Bescheid vom 05. Dezember 2006 die Kosten der Unterkunft in früherer Höhe bis zum 31. Dezember 2007 zugestanden, versteht der Senat dieses Begehren als sinngemäßen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2007 anzuordnen. Denn mit dem Bescheid vom 19. Juli 2007 hatte der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 05. Dezember 2006 mit Wirkung vom 01. Oktober 2007 in Höhe von 166 EUR aufgehoben. Der Antragsteller hatte in seinem Schreiben vom 26. Juli 2007 hiergegen Einwendungen erhoben, die als Widerspruch zu qualifizieren sein dürften, über den nach Aktenlage aber noch kein Widerspruchsbescheid erteilt wurde.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. Juli 2007 stellt zwar nach § 99 SGG analog eine zulässige Antragserweiterung dar, er ist indessen gemäß § 86 b Abs. 1 SGG nicht begründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Juli 2007 bestehen. Vielmehr hat der Antragsgegner zu Recht gemäß § 48 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch den Bescheid vom 05. Dezember 2006 mit Wirkung vom 01. Oktober 2007 aufgehoben, weil ab diesem Zeitpunkt die sechsmonatige Übergangsfrist abgelaufen war und ab diesem Zeitpunkt kein Rechtsgrund mehr für die Übernahme der überhöhten Kosten der Unterkunft bestanden hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil aus den vorgenannten Gründen die Beschwerde von vornherein keine hinreichende Erfolgsaussicht besaß gemäß §§ 73a SGG, 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Gründe:
Die Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet. Desgleichen haben auch die im Beschwerdeverfahren im Rahmen einer Antragserweiterung gemäß § 99 SGG analog gestellten Anträge keinen Erfolg.
1. Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierzu hat der betreffende Antragsteller das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –).
Hiervon ausgehend fehlt es für alle im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an den Voraussetzungen für deren Erlass.
a) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners zur Beratung und Auskunftserteilung gemäß §§ 13 ff Sozialgesetzbuch/Erstes Buch begehrt, fehlt es derzeit an einem Anordnungsanspruch, denn ein konkretes Beratungsbegehren ist durch den Antragsteller noch nicht formuliert worden. Die von ihm an den Antragsgegner gerichteten zahlreichen Fragen sind abstrakter und allgemeiner Natur, ein konkreter Beratungsbedarf besteht derzeit nicht. Der Antragsteller hat es bislang versäumt, sich um konkrete Wohnungsangebote zu bemühen. Erst dann, wenn der Antragsteller dem Antragsgegner ein konkretes Mietangebot vorlegt, ergibt sich für den Antragsgegner eine Beratungsverpflichtung über die Frage, ob insoweit eine Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung, der Umzugskosten und gegebenenfalls weiterer Kosten in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund kann dem Antragsteller nur dringend angeraten werden, sich baldmöglichst um konkrete Mietangebote zu bemühen und diese dann ebenfalls baldmöglichst dem Antragsgegner vorzulegen, der dann die anfallenden Fragen, insbesondere hinsichtlich einer Kostenübernahme, zu klären hat. Derzeit hingegen bestehen weder ein Beratungsbedarf noch ein Beratungsanspruch des Antragstellers. b) Soweit der Antragsteller die (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft und Heizung rückwirkend ab dem 01. Oktober 2007 begehrt, fehlt es vor dem Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung des Senats (11. März 2008) jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. u. a. Beschlüsse vom 28. Februar 2008, Az: L 25 B 838/07 AS ER, vom 19. Februar 2008, Az: L 25 B 238/08 AS ER, vom 05. Februar 2008, Az: L 25 B 146/08 AS ER, vom 23. Januar 2008, Az: L 25 B 43/08 AS ER, und vom 16. Januar 2008, Az: L 25 B 2274/07 AS ER) beurteilt sich in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann.
Die rückwirkende Feststellung einer – einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden – besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen kann, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
Dies zugrunde gelegt, drohen dem Antragsteller keine schweren und unzumutbaren Nachteile, wenn seinem Begehren auf Gewährung von höheren Grundsicherungsleistungen für vergangene Zeiträume nicht sofort entsprochen wird. Weder aufgrund des Vortrags des Antragstellers noch sonst sind schwerwiegende Nachteile ersichtlich, die ausnahmsweise in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine Sachprüfung eines Anspruchs auch für vergangene Zeiträume rechtfertigen könnten, zumal er bislang auch nicht in Zahlungsrückstand mit seinen bisherigen Mietleistungen geraten ist.
Im Übrigen fehlt es aber hinsichtlich der Übernahme höherer Kosten der Unterkunft auch an einem Anordnungsanspruch. Wie bereits das Sozialgericht Berlin in seinem Beschluss vom 31. August 2007 (S 129 AS 17154/07 ER) im Einzelnen ausgeführt hat, sind die Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 526 EUR nach Maßgabe des aktuellen Mietspiegels deutlich unangemessen hoch. Hieran hat sich auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Änderung ergeben. Insbesondere kann der Antragsteller auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer persönlichen Härte eine Übernahme höherer Unterkunftskosten verlangen. Zwar hat der Antragsteller mittlerweile das 63. Lebensjahr vollendet, doch wohnt er in seiner derzeitigen Wohnung erst etwa seit der Jahresmitte 2004. Die Anmietung der jetzigen Wohnung des Antragstellers erfolgte nur wenige Monate vor der erstmaligen Antragstellung für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II). Vor diesem Hintergrund ist kein schutzwürdiges Vertrauen oder geschützter Besitzstand entstanden, der ausnahmsweise die Übernahme überhöhter Unterkunftskosten rechtfertigen könnte. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Antragsteller bei Vollendung des 65. Lebensjahres nach eigenen Angaben die Gewährung einer Rente wegen Alters erwarten kann, die dann möglicherweise ausreicht, um die bisherigen Unterkunftskosten bestreiten zu können. Abgesehen davon, dass der Antragsteller bislang weder den zukünftigen Rentenanspruch noch seine ausreichende Höhe glaubhaft gemacht hat, ist gegenwärtig der zeitliche Abstand bis zu einer etwaigen Rentenzahlung noch so groß, dass nicht übergangshalber die überhöhten Kosten der Unterkunft zu leisten sind.
c) Soweit der Antragsteller zumindest für die Zeit der Kündigungsfrist seines bisherigen Mietverhältnisses die Übernahme der bisherigen Kosten der Unterkunft begehrt, besteht gleichfalls kein Anordnungsanspruch nach § 22 SGB II, denn der Antragsteller hat sein Mietverhältnis weder gekündigt noch hat er gegenüber dem Antragsgegner ein konkretes neues Mietverhältnis mitgeteilt, welches er eingehen möchte. Vor diesem Hintergrund ist selbst unter dem Gesichtspunkt einer übergangsweisen Regelung kein Raum für eine weitere Übernahme der überhöhten Unterkunftskosten; im Übrigen hatte der Antragsgegner gerade durch die Einräumung einer sechsmonatigen Übergangsfrist unter anderem der Beachtung einer Kündigungsfrist für das bisherige Mietverhältnis Rechung getragen.
d) Des Weiteren fehlt jedenfalls ein Anordnungsgrund hinsichtlich des Begehrens des Antragstellers, wenigstens eine 10-prozentige Erhöhung der ihm von dem Antragsgegner zugestandenen Kosten der Unterkunft von 360 EUR zu erhalten. Selbst wenn insoweit ein materiell-rechtlicher Anspruch in Betracht kommen sollte – zu klären wäre hierbei, ob der in der Verwaltungspraxis des Antragsgegners begründete, aber nicht auf den Mietspiegel bezogene Zuschlag in allen Fällen beansprucht werden kann – , muss diese Klärung gegebenenfalls einem Verfahren der Hauptsache vorbehalten bleiben. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Antragsteller insoweit einer Entscheidung in der Sache in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf.
2. Soweit sich der Antragsteller schließlich darauf beruft, der Antragsgegner habe ihm mit Bescheid vom 05. Dezember 2006 die Kosten der Unterkunft in früherer Höhe bis zum 31. Dezember 2007 zugestanden, versteht der Senat dieses Begehren als sinngemäßen Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juli 2007 anzuordnen. Denn mit dem Bescheid vom 19. Juli 2007 hatte der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 05. Dezember 2006 mit Wirkung vom 01. Oktober 2007 in Höhe von 166 EUR aufgehoben. Der Antragsteller hatte in seinem Schreiben vom 26. Juli 2007 hiergegen Einwendungen erhoben, die als Widerspruch zu qualifizieren sein dürften, über den nach Aktenlage aber noch kein Widerspruchsbescheid erteilt wurde.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid vom 19. Juli 2007 stellt zwar nach § 99 SGG analog eine zulässige Antragserweiterung dar, er ist indessen gemäß § 86 b Abs. 1 SGG nicht begründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Juli 2007 bestehen. Vielmehr hat der Antragsgegner zu Recht gemäß § 48 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch den Bescheid vom 05. Dezember 2006 mit Wirkung vom 01. Oktober 2007 aufgehoben, weil ab diesem Zeitpunkt die sechsmonatige Übergangsfrist abgelaufen war und ab diesem Zeitpunkt kein Rechtsgrund mehr für die Übernahme der überhöhten Kosten der Unterkunft bestanden hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, weil aus den vorgenannten Gründen die Beschwerde von vornherein keine hinreichende Erfolgsaussicht besaß gemäß §§ 73a SGG, 114 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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