L 11 KR 5657/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 5413/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5657/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Beitragseinstufung als Selbständiger in den Monaten März bis August 2003 streitig.

Der Kläger ist seit dem 01.01.1999 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Zunächst war er bis 28.02.2003 im Anstellungsverhältnis anwaltlich tätig und machte sich mit Wirkung zum 01.03.2003 in eigener Kanzlei selbständig. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihm mit Bescheid vom 04.06.2003 Überbrückungsgeld für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2003 in Höhe von monatlich 2.129,67 EUR.

Seit dem 01.03.2003 ist der Kläger als Selbständiger freiwilliges Mitglied der Beklagten (Beitragsklasse 676, Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag einer Arbeitsunfähigkeit), wobei er angab, seine voraussichtlichen Einnahmen betrügen monatlich 1.785,- EUR. Mit Bescheid vom 03.04.2003 setzte die Beklagte daraufhin unter Vorbehalt die Beiträge auf insgesamt 307,03 EUR (Krankenversicherung 276,68 EUR, Pflegeversicherung 30,35 EUR) zunächst nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme für Selbständige fest. Bei Vorlage des Einkommensteuerbescheids oder wenn Überbrückungsgeld bewilligt werde, würden die vorläufigen Beiträge berichtigt.

Nach Vorlage des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 30.06.2003 Beiträge ab 01.03.2003, vorbehaltlich einer späteren Korrektur, neu, wobei die Beiträge unter Berücksichtigung des Überbrückungsgeldes auf insgesamt 366,30 EUR festgesetzt wurden (Krankenversicherung 330,10 EUR; Pflegeversicherung 36,20 EUR). Mit weiterem Bescheid vom 03.11.2003 erfolgte die Beitragsbemessung dann - weiter unter Vorbehalt - ab 01.09.2003 wieder nach der beitragspflichtigen Mindesteinnahme.

Nach Vorlage des Steuerbescheides vom 19.04.2005 für 2003 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 18.10.2005 Beiträge für die Zeit vom 01.03. bis 31.12.2003 endgültig fest. Dabei legte sie für die Monate März bis August 2003 die im Steuerbescheid ausgewiesenen Einkünfte (selbständige Tätigkeit 13.243,- EUR; Kapitalerträge 3.134,- EUR) zzgl. des Überbrückungsgeldes anteilig zugrunde. Die Beitragseinstufung erfolge dabei, da die monatlichen Einkünfte bei 3.714,67 EUR lägen, auf der Grundlage der Beitragsbemessungsgrenze. Deshalb seien 1.363,- EUR nachzuzahlen. Nachdem der Kläger telefonisch vorab die Berücksichtigung von Überbrückungsgeld als Einnahme beim Lebensunterhalt bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen rügte, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.2005 die Beiträge ab 01.09.2005 und ab 01.01.2006 neu fest und führte aus, dass für den Zeitraum von März bis August 2003 noch Beiträge in Höhe von 1.362,72 EUR nachzuzahlen wären.

Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass nach höchstrichterlicher finanzgerichtlicher Rechtsprechung Leistungen auf Überbrückungsgeld seit 2003 nicht mehr einkommenssteuerpflichtig wären, somit steuerrechtlich ausdrücklich dem sogenannten Ich-AG-Existenzgründerzuschuss gleichgestellt würden. Demgemäß sei das von ihm bezogene Überbrückungsgeld folgerichtig in dem Einkommensteuerbescheid für 2003 nicht als Einkommen berücksichtigt worden. Es sei damit in keiner Weise nachvollziehbar, warum der Einkommensbegriff in steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht verschieden ausgelegt werden solle, zumal ja gerade auf den steuerrechtlichen Gewinn abgestellt werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2006 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, Überbrückungsgeld stelle eine Einnahme dar, die zum Lebensunterhalt verbraucht werde oder verbraucht werden könne, ohne Rücksicht auf die steuerrechtliche Behandlung. Der Existenzgründerzuschuss diene - entsprechend der Gesetzesbegründung - der Bekämpfung von Schwarzarbeit und der Förderung einer selbständigen Tätigkeit. Demgegenüber folge der Zweck des Überbrückungsgeldes, nämlich die Sicherung des Lebensunterhalts, bereits aus dem Gesetzestext des § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in der bis zum 31.07.2006 gültigen Fassung. Allerdings sei das Überbrückungsgeld nicht für sechs Monate, sondern für den gesamten Zeitraum von März bis Dezember 2003 zu berücksichtigen, folglich mit einem Betrag von 1.277,80 EUR monatlich. Daraus folgten beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von monatlich 2.862,80 EUR, die der Beitragsbemessung dem Grunde nach von März bis Dezember 2003 zugrunde zu legen wären. Mit dem angefochtenen Bescheid sei nur eine Nachforderung ausschließlich für die Monate März bis August 2003 geltend gemacht worden. Aus Vertrauensschutzgründen verbleibe es bei dieser Nachforderung.

Mit seiner dagegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage machte der Kläger geltend, nach dem Informationsblatt über die Kranken- und Pflegeversicherung des Selbständigen für das Jahr 2003 unterscheide die Beklagte gerade nicht zwischen Überbrückungsgeldern und Existenzgründerzuschüssen. Beide würden gleichermaßen als beitragspflichtig aufgeführt. Die Existenzgründerförderungen sollten den Betroffenen in die Lage versetzen, eine nachhaltige berufliche Existenz aufzubauen und sollten daher nicht zum Lebensunterhalt verbraucht werden. Deswegen würden solche Fördermittel zu Recht nicht zur Beitragsfestsetzung herangezogen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Überbrückungsgeld oder Existenzgründerzuschüsse im Rahmen der sogenannten Ich-AG handele. Dies habe auch die Finanzgerichtsbarkeit nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung so gehandhabt.

Mit Bescheid vom 11.01.2006 stellte die Beklagte in Umsetzung ihrer rechtlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17.10.2006 fest, dass sich aus dem festgestellten Einkommen von 2.862,80 EUR und den schon gezahlten Beiträgen ein Beitragsrest von 756,60 EUR ergäbe.

Mit Urteil vom 23.08.2007, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 31.10.2007, wies das SG die Klage mit der Begründung ab, nach § 240 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Diesen Grundsatz forme § 12 Abs. 2 Satz 2 der Satzung der Beklagten dahingehend aus, dass als beitragspflichtige Einnahme alle Einnahmen und Geldmittel gelten würden, die zum Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Eine solche Leistung zum Lebensunterhalt stelle das Überbrückungsgeld im Gegensatz zum Existenzgründungszuschuss dar. Die unterschiedliche Behandlung beider Förderungsinstrumente rechtfertige sich aus deren unterschiedlicher Zweckrichtung. Während der Existenzgründungszuschuss eine Leistung eigener Art darstelle, die die mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit oftmals verbundenen Verluste in den ersten Jahren - teilweise - auffangen solle, um die Folgen der in der Gründungsphase - noch verringerten Umsatzerlöse zu mildern und damit die Bereitschaft zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit zu erleichtern, sei das Überbrückungsgeld allein nach Wortlaut und Gesetzesbegründung ausdrücklich darauf gerichtet, im ersten halben Jahr den Lebensunterhalt zu sichern (vgl. BT-Drucks. 13/4941, S. 163). Überdies sei die Förderung nach dem Existenzgründungszuschuss im Gegensatz zum Überbrückungsgeld degressiv ausgestaltet und könne selbst für bis zu drei Jahre gewährt werden, wenn mit der selbständigen Tätigkeit ein Arbeitseinkommen nach § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bis unter 25.000,- EUR erzielt werde - eine Höhe, bei der es regelmäßig einer Sicherung des Lebensunterhaltes nicht bedürfe. Das Überbrückungsgeld sehe hingegen, wenn auch in pauschalierter Form ohne Bedürftigkeitsprüfung, gleichbleibende Leistungen nur für die kurze Anschubphase von höchstens sechs Monaten vor. Dass der Gesetzgeber gerade diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form von Überbrückungsgeld als Einnahme im Sinne von § 240 SGB V habe berücksichtigen wollen, erschließe sich auch aus der Neuregelung der Vorschrift, gültig ab 01.04.2007 im Zuge der Einführung des Gründungszuschusses. Der Gründungszuschuss sei quasi die nachfolgende Förderung der Existenzgründung, in der der Existenzgründungszuschuss und das Überbrückungsgeld aufgegangen wären. Nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V n.F. würden der in Abs. 4 Satz 2 genannte Existenzgründungszuschuss und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 57 SGB III in Höhe von 300,- EUR nicht berücksichtigt. Nur der für die soziale Absicherung, also für die zu leistenden Versicherungsbeiträge pauschalierte Betrag von 300,- EUR, solle nicht herangezogen werden, jedoch nicht die eigentlichen Leistungen, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes dienten.

Mit seiner dagegen am 29.11.2007 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, der Gesetzgeber habe im Zuge der Einführung des Gründungszuschusses entsprechend reagiert und wieder ein einheitliches Förderinstrumentarium geschaffen, so dass eine differenzierte Behandlung zwischen Leistungen im Rahmen des sogenannten Überbrückungsgeldes und der sogenannten Ich-AG nicht mehr gerechtfertigt wäre. Auch Überbrückungsgeld sei nicht ausschließlich zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestimmt. Zumindest müsse Überbrückungsgeld nicht in vollem Umfang, sondern wie es die Neuregelung vorsehe, erst ab einem pauschalierten Betrag von mehr als 300,- EUR als Bemessungsgrundlage herangezogen werden.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 sowie des Änderungsbescheides vom 11. Januar 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass zwischenzeitlich auch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mit rechtskräftigem Urteil vom 20.06.2007 - L 11 KR 98/06 - die Beitragspflicht des Überbrückungsgeldes bestätigt habe.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da durch die streitige Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von nunmehr noch 756,60 EUR die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird.

Die damit insgesamt zulässige Berufung ist indessen unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beitragsnachforderung zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, die mit Bescheid vom 11.01.2007 vorgenommen und nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens wurde, ist zu Recht erfolgt. Die Beklagte hat der Beitragsbemessung zutreffend das gesamte Überbrückungsgeld zugrunde gelegt.

Die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder richtet sich nach § 240 SGB V. Nach dieser Vorschrift wird sie durch die Satzung der Krankenkasse geregelt (Abs. 1 Satz 1), wobei sicherzustellen ist, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds berücksichtigt (Abs. 1 Satz 2). Die Satzung muss mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtigen Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (Abs. 2 Satz 1). Nach § 240 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB V gelten für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der dreißigste Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V), bei Nachweis niedrigerer Einnahmen jedoch mindestens der vierzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Satz 2). Für die Beitragsberechnung in der Pflegeversicherung sind die Grundsätze der Krankenversicherung entsprechend anzuwenden (§ 57 Abs. 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI).

Die Beklagte hat auf dieser Grundlage i.V.m. § 12 ihrer Satzung die Beiträge zutreffend festgesetzt. An die mit Bescheid vom 03.04.2003 erfolgte Beitragseinstufung war sie dabei nicht gebunden. Auch hinsichtlich der Beitragshöhe sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden. Denn der Bescheid vom 03.04.2003 regelte nur vorläufig die Beitragshöhe, so dass es dessen Rücknahme, Widerruf oder Abänderung nach den §§ 44 f. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht bedurfte. Dies ist dem Wortlaut des Bescheides vom 03.04.2003 zweifelsfrei zu entnehmen. Die Beklagte hat darüber hinaus angekündigt, dass nach Vorlage eines aktuellen Einkommenssteuerbescheides wie eines entsprechenden Bewilligungsbescheides über Überbrückungsgeld eine Überprüfung der Einstufung erfolge und ggfs. Beiträge nacherhoben würden. Der Kläger konnte deshalb erkennen, dass eine Einstufung aufgrund der Berücksichtigung niedrigerer Einnahmen in Höhe der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V erfolgt war, obwohl kein Nachweis über die voraussichtlichen Einkünfte vorgelegen hatte und deshalb eine Überprüfung und endgültige Beitragsfestsetzung noch erfolgen musste. Deswegen wurde ihm hinreichend bestimmt Inhalt und Umfang sowie der Grund der Vorläufigkeit mitgeteilt (vgl. auch BSG SozR 4 - 2500 § 240 Nr. 5).

Die Beitragsfestsetzung durch einstweiligen Verwaltungsakt ist bei hauptberuflich selbständig erwerbstätigen freiwilligen Versicherten auch zulässig, wenn diese - wie hier der Kläger - mit Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft ihre selbständige Tätigkeit aufgenommen haben und deshalb der Nachweis über die Einnahmen im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für die endgültige Beitragsfestsetzung noch nicht erbracht werden kann. Zwar ist die einstweilige Beitragsfestsetzung im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht geregelt, Beitragsbescheide müssen daher in der Regel die Beiträge endgültig festsetzen (BSG SozR 2200 § 180 Nr. 20). Die Rechtsprechung hat die vorläufige Beitragsfestsetzung aber im Hinblick auf § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V für zulässig erachtet, da eine Schätzung der voraussichtlichen Einnahmen mit zumutbarem Verwaltungsaufwand nicht möglich ist, damit vergangenheitsbezogene Einkommensnachweise wie der Steuerbescheid bzw. der Bewilligungsbescheid über Überbrückungsgeld Grundlage nur für eine zukunftsbezogene Beitragsfestsetzung sind und somit die tatsächlichen Einnahmen der hauptberuflich Selbständigen lediglich zeitversetzt berücksichtigt werden können. Auf einen längeren Zeitraum gesehen, wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dann zutreffend berücksichtigt, denn es erfolgt ein Ausgleich der wechselnden Einnahmen, in dem sowohl die nachgewiesene Erhöhung der Einnahmen als auch deren nachgewiesene Verringerung (hier der Wegfall von Überbrückungsgeld ab September 2003) für die zukünftige Beitragsfestsetzung jeweils bis zum Nachweis einer Änderung berücksichtigt werden (vgl. zuletzt BSG, Beschluss vom 01.08.2007 - B 12 KR 34/07 B).

Die Beklagte hat weiter zutreffend, wie bereits das SG ausführlich begründet in Auswertung insbesondere der Gesetzesbegründung bzw. der Neuregelung des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V dargelegt hat, das Überbrückungsgeld nach § 57 SGB III a.F. in voller Höhe als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt. Nach § 57 SGB III in der vom 01.01.2003 bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung durch das erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. I 4607) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Überbrückungsgeld soll für eine Übergangs- und Anfangszeit, in der aus der neu aufgenommenen selbständigen Tätigkeit keine vollen Einnahmen zu erwarten sind, den Lebensunterhalt des vorher Arbeitslosen sichern (so Stratmann, in Niesel, Kommentar zum SGB III, 2. Auflage 2002, § 57 Rdnr. 1). Demgemäß wird in der Rechtsprechung dem Überbrückungsgeld sogar eine Lohnersatzfunktion zugebilligt (vgl. Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 04.01.2005 - 8 Sa 50/04; bestätigt durch Urteil vom BAG vom 16.11.2005 10 AZR 152/05). Überbrückungsgeld stellt daher auch zur Überzeugung des Senats eindeutig eine Einnahme zum Lebensunterhalt dar (so auch BSG Urteil vom 10.05.2007, B 10 LW 7/05 R). Die Richtigkeit dessen wird auch dadurch bestätigt, dass nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V n.F. der Gründungszuschuss mit dem übersteigenden Betrag grundsätzlich als beitragspflichtige Einnahme berücksichtigt werden darf.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass ihm ein "Freibetrag" entsprechend § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB V n.F. eingeräumt wird. Zwar wurde auch das Überbrückungsgeld zur sozialen Sicherung gezahlt und hat sich deswegen nach Abs. 5 aus einem Betrag, den der Arbeitnehmer als Arbeitslosengeld erhalten hatte oder erhalten haben würde und den darauf entfallenden pauschalierten Sozialversicherungsbeiträgen zusammengesetzt (§ 57 Abs. 1, Abs. 5 SGB III a.F.). Gleichwohl ist nach altem Recht das gesamte Überbrückungsgeld als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen (vgl. zum Folgenden auch Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.06.2007 - L 11 KR 98/06). Denn der Gesetzgeber hat, wie sich der Begründung der Änderung (BT-Drucks. 16/1696, S. 30, 32) entnehmen lässt, ausdrücklich zur Sicherstellung der sozialen Absicherung für Selbständige einen "Freibetrag" eingeführt, der an für sich systemwidrig ist (kritisch insoweit auch Peters, in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB V Rdnr. 35). In Ermangelung einer danach erforderlichen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung für die Zeit vor dem 01.08.2006 kann deswegen nicht angenommen werden, dass nur ein Teilbetrag des Überbrückungsgeldes als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen ist.

Die Beklagte hat deswegen aus den Einnahmen des Klägers aus selbständiger Tätigkeit, Kapitaleinnahmen sowie dem Überbrückungsgeld zutreffend den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag berechnet, woraus die streitige Beitragsnachforderung in Höhe von 756,60 EUR resultiert.

Auf einen Vertrauensschutz oder eine unzumutbare Härte kann sich der Kläger schließlich nicht mit Erfolg berufen, denn er hat sehr zeitnah mit der Vorlage des Bewilligungsbescheides über Überbrückungsgeld einen ersten Nachforderungsbescheid vom 30.07.2003 erhalten.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers daher keinen Erfolg haben, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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