Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 R 1108/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1780/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2006 und der Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufgehoben. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht und die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung wegen seiner selbständigen Tätigkeit.
Der 1966 geborene Kläger nahm zum 01. September 2004 eine selbständige Tätigkeit als Visagist und Einzelhändler mit Kosmetikprodukten mit Betriebssitz im K (K) auf. Er beschäftigt keine Mitarbeiter.
Im November 2004 bat er um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid über die Befreiung in der Rentenversicherung. Der Aufforderung der Beklagten, den entsprechenden Vordruck ausgefüllt zurück zu senden, kam er nicht nach. Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab, weil die Informationen nicht ausreichten, dem Antrag stattzugeben.
Mit Bescheid vom 23. März 2005 stellte die Beklagte Versicherungspflicht ab 01. September 2004 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Sie forderte außerdem für die Zeit vom 01. September 2004 bis 31. März 2005 Pflichtbeiträge von insgesamt 1.648,22 Euro auf der Grundlage eines Monatsbeitrages von 235,46 Euro. Der Beitrag entspreche dem halben Regelbeitrag, dem ein Arbeitseinkommen in Höhe von 1.207,50 Euro monatlich zugrunde liege. Die künftigen Beiträge in Höhe von 235,46 Euro monatlich seien bis zum 15. des folgenden Kalendermonats zu zahlen.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27. Februar 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09. November 2006 abgewiesen: Der Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 sei rechtmäßig, denn der Kläger sei als selbständig Tätiger versicherungspflichtig. Weder Widerspruch noch Klage seien begründet worden. Das Gericht folge der Begründung in den angegriffenen Bescheiden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 17. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. Dezember 2006, einem Montag, eingelegte Berufung des Klägers.
Er ist der Auffassung, nicht versicherungspflichtig zu sein, da er für mehr als einen Auftraggeber tätig werde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2006 zu ändern und den Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die vorgelegte Gewerbeanmeldung spreche zwar eher für eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber. Allerdings könnte die Tätigkeit auch für einen großen Kosmetikhersteller erfolgen, der ggf. als Auftraggeber anzusehen sein könnte. Außerdem käme das Kals Auftraggeber in Betracht. Die Beweispflicht könne nicht dazu führen, dass die Beklagte die Tätigkeit für nur überwiegend einen Auftraggeber nachweisen müsse, wenn der Kläger seinen Mitwirkungspflichten aus § 196 Abs. 1 SGB VI nicht nachkomme.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dass der Kläger wegen seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig ist und deswegen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung schuldet, wird durch keinerlei Tatsachenvorbringen seitens der Beklagten gestützt, so dass sich eine Beweiserhebung verbietet, denn Ausforschungsbeweise sind unzulässig.
Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (bis 30. April 2007; vgl. Art 1 Nr. 2 Buchstabe b Gesetz vom 20. April 2007 - BGBBl I 2007, 554: , dessen Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 400 Euro im Monat übersteigt), und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, wobei ab 01. Juli 2006 (vgl. Art. 11 Nr. 1 Buchstabe a Gesetz vom 29. Juni 2006, BGBl I 2006, 1402) bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten.
Diese Voraussetzungen sind nicht einmal dargetan.
Die Beklagte trägt für das Vorliegen dieser Voraussetzungen die Darlegungslast und die objektive Beweislast, denn sie macht das Bestehen von Versicherungspflicht mit der daran anknüpfenden Beitragspflicht des Klägers geltend.
Schon nach dem Vorbringen der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass der von ihr behauptete Anspruch bestehen könnte. Sie macht keine Tatsachen geltend, sondern weist lediglich auf verschiedene Möglichkeiten der selbständigen Tätigkeit hin, die nicht notwendigerweise zur Versicherungspflicht führen. Fehlt mithin insoweit ein ausreichender Tatsachenvortrag, kommt eine Beweiserhebung nach solchen Tatsachen, also im Sinne eines Ausforschungsbeweises oder einer Beweiserhebung "ins Blaue hinein", nicht in Betracht. Erst recht sind keinerlei Beweismittel ersichtlich oder benannt, mit denen insoweit wesentliche Tatsachen bewiesen werden könnten.
Aus der Vorschrift des § 103 Satz 1 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, folgt nichts anderes. Der Umfang der Amtsermittlungspflicht richtet sich nach dem Streitgegenstand. Er bestimmt sich nach dem Einzelfall und dem Vortrag der Beteiligten. Das Gericht muss nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten. Nachforschungen sind nur erforderlich, soweit sie der Sachverhalt oder Vortrag der Beteiligten nahe legen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 103 Rdnrn. 4 und 7).
Voraussetzung ist damit, dass derjenige, der ein Recht geltend macht, ein Minimum an Tatsachen vorträgt, die sein Begehren schlüssig werden lassen. Das Gericht prüft, welche Tatsachen vorliegen müssen, damit es die begehrte Rechtsfolge aussprechen kann. Ist undenkbar, dass das in Anspruch genommene Recht besteht, auch wenn der Vortrag als richtig unterstellt wird, und können auch weitere tatsächliche Elemente, die vom Gericht zu ergänzen und festzustellen wären, an diesem Ergebnis nichts ändern, bedarf es keiner Beweisaufnahme, denn der behauptete Anspruch ist bereits nicht schlüssig dargetan. Sind die Tatsachen ausreichend, um den Anspruch zu begründen, muss das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforschen, also zu den Tatsachen Beweis erheben, die weder offenkundig noch gerichtsbekannt sind (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 128 Rdnr. 2). Das Ausmaß der Ermittlungen steht hierbei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103 Rdnr. 4).
An dem erforderlichen Tatsachenvorbringen der Beklagten fehlt es.
Die Beklagte erteilte den Bescheid vom 23. März 2005, ohne dass ihr irgendwelche Tatsachen zur selbständigen Tätigkeit bekannt waren. Dementsprechend enthält weder dieser Bescheid noch der Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 eine Begründung für die festgestellte Versicherungspflicht. Welcher diesbezüglichen Begründung das Sozialgericht nach seinem Gerichtsbescheid gefolgt sein will, erschließt sich dem Senat nicht.
Nach der Gewerbeanmeldung vom 30. September 2004 besteht eine selbständige Tätigkeit als Visagist und Einzelhändler mit Kosmetikprodukten. Diese Tätigkeitsbezeichnung bietet nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Kläger seine Dienstleistung im Wesentlichen gegenüber einem Kunden (Auftraggeber) erbringt. Die Beklagte selbst hat dies eingeräumt. Sie meint jedoch, als Auftraggeber könnten das Kund ein großer Kosmetikhersteller in Betracht kommen. Das Vorbringen der Beklagten erschöpft sich insoweit allerdings in Vermutungen, ohne dass es dafür irgendwelche konkreten Tatsachen gibt. Die einzige weitere Tatsache, die bekannt ist, ist diejenige, dass der Kläger seine Betriebsstätte im Khat. Daraus ist jedoch allenfalls ein Mietverhältnis mit dem K oder möglicherweise auch eine abhängige Beschäftigung im Verhältnis zum K abzuleiten.
Es ist nicht Aufgabe des zur Neutralität verpflichteten Gerichts, nach den zutreffenden und insbesondere rechtserheblichen Tatsachen zu suchen, also Ausforschungsbeweis zu betreiben, sondern zu vorgetragenen Tatsachen des Beteiligten, dem die Darlegungslast obliegt, Sachverhaltsaufklärung durch Erhebung der erforderlichen Beweise zu betreiben. Da die Beklagte solche Tatsachen nicht vorgetragen hat, kommt eine Beweiserhebung nicht in Betracht.
Unabhängig davon hat die Beklagte trotz Aufforderung des Senats auch keine Beweismittel benannt, mit denen Beweis zu welchen Tatsachen auch immer erhoben werden könnte.
Die Unkenntnis der Beklagten von den Tatsachen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erforderlich sind, berechtigt nicht, Bescheide über die Feststellung der Versicherungspflicht und die zu zahlenden Beiträge "ins Blaue hinein" zu erlassen. Soweit der Rentenversicherungsträger Anhaltspunkte dafür hat, nach denen die Möglichkeit besteht, dass Versicherungspflicht vorliegen kann, kann er die infrage kommende Person um Auskunft über die insoweit maßgeblichen Tatsachen ersuchen, dem diese unverzüglich nachzukommen hat (§ 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Solche Personen haben dem Träger der Rentenversicherung auf dessen Verlangen auch unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die maßgebenden Tatsachen hervorgehen (§ 196 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Kommt der Betroffene seiner Auskunfts- und Vorlagepflicht nicht nach, ist der Rentenversicherungsträger berechtigt und verpflichtet, die Vornahme der entsprechenden Handlungen im Wege der Vollstreckung durchzusetzen. Wenn der Rentenversicherungsträger - wie hier die Beklagte - davon keinen Gebrauch macht und deswegen keine Tatsachen für das Bestehen von Versicherungspflicht benennen kann, geht dies zu seinen Lasten, denn er trägt insoweit die Darlegungslast und die objektive Beweislast.
Die Berufung hat somit Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung von Versicherungspflicht und die Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Rentenversicherung wegen seiner selbständigen Tätigkeit.
Der 1966 geborene Kläger nahm zum 01. September 2004 eine selbständige Tätigkeit als Visagist und Einzelhändler mit Kosmetikprodukten mit Betriebssitz im K (K) auf. Er beschäftigt keine Mitarbeiter.
Im November 2004 bat er um einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid über die Befreiung in der Rentenversicherung. Der Aufforderung der Beklagten, den entsprechenden Vordruck ausgefüllt zurück zu senden, kam er nicht nach. Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 a Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab, weil die Informationen nicht ausreichten, dem Antrag stattzugeben.
Mit Bescheid vom 23. März 2005 stellte die Beklagte Versicherungspflicht ab 01. September 2004 nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI fest. Sie forderte außerdem für die Zeit vom 01. September 2004 bis 31. März 2005 Pflichtbeiträge von insgesamt 1.648,22 Euro auf der Grundlage eines Monatsbeitrages von 235,46 Euro. Der Beitrag entspreche dem halben Regelbeitrag, dem ein Arbeitseinkommen in Höhe von 1.207,50 Euro monatlich zugrunde liege. Die künftigen Beiträge in Höhe von 235,46 Euro monatlich seien bis zum 15. des folgenden Kalendermonats zu zahlen.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 27. Februar 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09. November 2006 abgewiesen: Der Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 sei rechtmäßig, denn der Kläger sei als selbständig Tätiger versicherungspflichtig. Weder Widerspruch noch Klage seien begründet worden. Das Gericht folge der Begründung in den angegriffenen Bescheiden.
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 17. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 18. Dezember 2006, einem Montag, eingelegte Berufung des Klägers.
Er ist der Auffassung, nicht versicherungspflichtig zu sein, da er für mehr als einen Auftraggeber tätig werde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 09. November 2006 zu ändern und den Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die vorgelegte Gewerbeanmeldung spreche zwar eher für eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber. Allerdings könnte die Tätigkeit auch für einen großen Kosmetikhersteller erfolgen, der ggf. als Auftraggeber anzusehen sein könnte. Außerdem käme das Kals Auftraggeber in Betracht. Die Beweispflicht könne nicht dazu führen, dass die Beklagte die Tätigkeit für nur überwiegend einen Auftraggeber nachweisen müsse, wenn der Kläger seinen Mitwirkungspflichten aus § 196 Abs. 1 SGB VI nicht nachkomme.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 23. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dass der Kläger wegen seiner selbständigen Tätigkeit versicherungspflichtig ist und deswegen Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung schuldet, wird durch keinerlei Tatsachenvorbringen seitens der Beklagten gestützt, so dass sich eine Beweiserhebung verbietet, denn Ausforschungsbeweise sind unzulässig.
Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen (bis 30. April 2007; vgl. Art 1 Nr. 2 Buchstabe b Gesetz vom 20. April 2007 - BGBBl I 2007, 554: , dessen Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 400 Euro im Monat übersteigt), und b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, wobei ab 01. Juli 2006 (vgl. Art. 11 Nr. 1 Buchstabe a Gesetz vom 29. Juni 2006, BGBl I 2006, 1402) bei Gesellschaftern als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft gelten.
Diese Voraussetzungen sind nicht einmal dargetan.
Die Beklagte trägt für das Vorliegen dieser Voraussetzungen die Darlegungslast und die objektive Beweislast, denn sie macht das Bestehen von Versicherungspflicht mit der daran anknüpfenden Beitragspflicht des Klägers geltend.
Schon nach dem Vorbringen der Beklagten ist nicht ersichtlich, dass der von ihr behauptete Anspruch bestehen könnte. Sie macht keine Tatsachen geltend, sondern weist lediglich auf verschiedene Möglichkeiten der selbständigen Tätigkeit hin, die nicht notwendigerweise zur Versicherungspflicht führen. Fehlt mithin insoweit ein ausreichender Tatsachenvortrag, kommt eine Beweiserhebung nach solchen Tatsachen, also im Sinne eines Ausforschungsbeweises oder einer Beweiserhebung "ins Blaue hinein", nicht in Betracht. Erst recht sind keinerlei Beweismittel ersichtlich oder benannt, mit denen insoweit wesentliche Tatsachen bewiesen werden könnten.
Aus der Vorschrift des § 103 Satz 1 SGG, wonach das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, folgt nichts anderes. Der Umfang der Amtsermittlungspflicht richtet sich nach dem Streitgegenstand. Er bestimmt sich nach dem Einzelfall und dem Vortrag der Beteiligten. Das Gericht muss nicht nach Tatsachen forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalles keine Anhaltspunkte bieten. Nachforschungen sind nur erforderlich, soweit sie der Sachverhalt oder Vortrag der Beteiligten nahe legen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 103 Rdnrn. 4 und 7).
Voraussetzung ist damit, dass derjenige, der ein Recht geltend macht, ein Minimum an Tatsachen vorträgt, die sein Begehren schlüssig werden lassen. Das Gericht prüft, welche Tatsachen vorliegen müssen, damit es die begehrte Rechtsfolge aussprechen kann. Ist undenkbar, dass das in Anspruch genommene Recht besteht, auch wenn der Vortrag als richtig unterstellt wird, und können auch weitere tatsächliche Elemente, die vom Gericht zu ergänzen und festzustellen wären, an diesem Ergebnis nichts ändern, bedarf es keiner Beweisaufnahme, denn der behauptete Anspruch ist bereits nicht schlüssig dargetan. Sind die Tatsachen ausreichend, um den Anspruch zu begründen, muss das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforschen, also zu den Tatsachen Beweis erheben, die weder offenkundig noch gerichtsbekannt sind (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 128 Rdnr. 2). Das Ausmaß der Ermittlungen steht hierbei im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 103 Rdnr. 4).
An dem erforderlichen Tatsachenvorbringen der Beklagten fehlt es.
Die Beklagte erteilte den Bescheid vom 23. März 2005, ohne dass ihr irgendwelche Tatsachen zur selbständigen Tätigkeit bekannt waren. Dementsprechend enthält weder dieser Bescheid noch der Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 eine Begründung für die festgestellte Versicherungspflicht. Welcher diesbezüglichen Begründung das Sozialgericht nach seinem Gerichtsbescheid gefolgt sein will, erschließt sich dem Senat nicht.
Nach der Gewerbeanmeldung vom 30. September 2004 besteht eine selbständige Tätigkeit als Visagist und Einzelhändler mit Kosmetikprodukten. Diese Tätigkeitsbezeichnung bietet nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Kläger seine Dienstleistung im Wesentlichen gegenüber einem Kunden (Auftraggeber) erbringt. Die Beklagte selbst hat dies eingeräumt. Sie meint jedoch, als Auftraggeber könnten das Kund ein großer Kosmetikhersteller in Betracht kommen. Das Vorbringen der Beklagten erschöpft sich insoweit allerdings in Vermutungen, ohne dass es dafür irgendwelche konkreten Tatsachen gibt. Die einzige weitere Tatsache, die bekannt ist, ist diejenige, dass der Kläger seine Betriebsstätte im Khat. Daraus ist jedoch allenfalls ein Mietverhältnis mit dem K oder möglicherweise auch eine abhängige Beschäftigung im Verhältnis zum K abzuleiten.
Es ist nicht Aufgabe des zur Neutralität verpflichteten Gerichts, nach den zutreffenden und insbesondere rechtserheblichen Tatsachen zu suchen, also Ausforschungsbeweis zu betreiben, sondern zu vorgetragenen Tatsachen des Beteiligten, dem die Darlegungslast obliegt, Sachverhaltsaufklärung durch Erhebung der erforderlichen Beweise zu betreiben. Da die Beklagte solche Tatsachen nicht vorgetragen hat, kommt eine Beweiserhebung nicht in Betracht.
Unabhängig davon hat die Beklagte trotz Aufforderung des Senats auch keine Beweismittel benannt, mit denen Beweis zu welchen Tatsachen auch immer erhoben werden könnte.
Die Unkenntnis der Beklagten von den Tatsachen, die für die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht erforderlich sind, berechtigt nicht, Bescheide über die Feststellung der Versicherungspflicht und die zu zahlenden Beiträge "ins Blaue hinein" zu erlassen. Soweit der Rentenversicherungsträger Anhaltspunkte dafür hat, nach denen die Möglichkeit besteht, dass Versicherungspflicht vorliegen kann, kann er die infrage kommende Person um Auskunft über die insoweit maßgeblichen Tatsachen ersuchen, dem diese unverzüglich nachzukommen hat (§ 196 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Solche Personen haben dem Träger der Rentenversicherung auf dessen Verlangen auch unverzüglich die Unterlagen vorzulegen, aus denen die maßgebenden Tatsachen hervorgehen (§ 196 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Kommt der Betroffene seiner Auskunfts- und Vorlagepflicht nicht nach, ist der Rentenversicherungsträger berechtigt und verpflichtet, die Vornahme der entsprechenden Handlungen im Wege der Vollstreckung durchzusetzen. Wenn der Rentenversicherungsträger - wie hier die Beklagte - davon keinen Gebrauch macht und deswegen keine Tatsachen für das Bestehen von Versicherungspflicht benennen kann, geht dies zu seinen Lasten, denn er trägt insoweit die Darlegungslast und die objektive Beweislast.
Die Berufung hat somit Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
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