L 20 B 16/08 SO ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 201/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 16/08 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 28.01.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 30.01.2008), ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat nimmt zunächst nach § 142 Abs.2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des sozialgerichtlichen Beschlusses vom 28.01.2008, die der Senat sich nach eigener Prüfung und Überzeugung zu eigen macht

Auch die Beschwerdebegründung vermag eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen.

Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Können ohne den vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 = NVwZ 2005, 927).

Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Rahmen der Beschwerde des Antragstellers kann derzeit weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund als glaubhaft gemacht angesehen werden.

Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) vorliegen. § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sieht in Abweichung des Grundsatzes, dass die Kosten der Bekleidung aus den gezahlten Regelleistungen zu gewähren sind, vor, dass eine Erstausstattung für Kleidung gesondert erbracht wird. Wie das Sozialgericht auch insoweit zutreffend ausgeführt hat besteht ein Anspruch auf die Erstausstattung aber nur dann, wenn ein solcher Bedarf aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" entstanden ist. Dabei ergibt sich aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung, dass hierzu kein länger zurückliegendes Ereignis herangezogen werden kann, sondern dass es sich um ein zeitnahes Ereignis handeln muss. Denn bei länger zurückliegenden Ereignissen ist davon auszugehen, dass der Bekleidungsbedarf nach und nach aus den Regelsätzen befriedigt bzw. angespart werden konnte. Das im vorliegenden Fall vom Antragsteller als "außergewöhnlicher Umstand" herangezogene Ereignis ist eine ihm angekündigte Wohnungsräumung, die bereits im November 2006 durchgeführt wurde, also zum Zeitpunkt des Antrages bei der Antragsgegnerin im Dezember 2007 bereits über ein Jahr zurücklag. Jedenfalls ein Ereignis, das länger als ein Jahr zurückliegt, kann nicht mehr als außergewöhnlicher Umstand für eine Bekleidungserstausstattung herangezogen werden, weil angesichts der zum Teil zu geringen Preise angebotenen für Textilien davon ausgegangen werden kann, dass ein solcher Zeitraum ausreicht, um aus der Regelleistung einen entsprechenden Bedarf sicherzustellen. So ist etwa gerichtsbekannt, dass beispielsweise eine Jeans-Hose regelmäßig bei einem auch am Wohnort des Antragstellers Niederlassungen betreibenden Discounter für unter 10,00 Euro zu erwerben ist.

Dem Antragsteller stand auch ein Einkommen in Höhe der Regelleistung zur Verfügung, denn er hat neben seiner (anrechenbaren) Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von zuletzt 148,74 Euro von der Antragsgegnerin ergänzende Sozialhilfe mindestens in Höhe der Differenz zum jeweiligen Regelsatz (345,00 Euro, bzw. 347,00 Euro) monatlich erhalten.

Dass die Rentenauszahlung zwischenzeitlich vorübergehend ausblieb, hatte der Antragsteller zu verantworten, weil er dem Rentenversicherungsträger seine neue Anschrift nicht mitgeteilt hatte. Dies hat jedoch die Antragsgegnerin für den Antragsteller nachgeholt, ohne dass sich der Antragsteller auf einen finanziellen Engpass durch die ausgebliebene Rente berufen hätte. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Rente für Februar 2008, wie vom Rentenversicherungsträger offenbar angekündigt, zeitnah nachgezahlt wurde.

Dem Antragsteller steht auch kein Anspruch auf die begehrte Leistung als Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII zu. Hiernach soll auf Antrag eine notwendige Leistung als Darlehen gewährt werden, wenn im Einzelfall ein von den Regelsätzen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden kann. Einen Antrag auf darlehensweise zu gewährende Leistungen hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin jedenfalls vor Einleitung des Eilverfahrens nicht gestellt. Zudem müsste es sich bei dem geltend gemachten Bedarf um einen solchen handeln, der auf keine andere Weise gedeckt werden kann. Die Frage, welche Möglichkeiten der Bedarfsdeckung unter dieses Tatbestandsmerkmal zu fassen sind, wird nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 559/03, 196) so beantwortet, dass darunter auch eine Bedarfsdeckung durch Dritte, insbesondere in Gestalt von Kleiderkammernn zu fassen ist (Armbrost in LPK-SGB XII, 8. Auflage 2007, § 37 Rn. 7, Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 37 Rn. 9 unter Hinweis auf die Möglichkeit, "gebrauchte" Gegenstände zu nutzen, und das § 37 zugrunde liegende "ultima ratio"-Prinzip). Soweit in der Kommentarliteratur einschränkend gefordert wird, dies gelte nur dann, wenn der Sozialhilfeträger einen Anspruch auf die dort erbrachten Leistungen vermittelt (Armbrost a.a.O. unter Berufung auf Münder in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 23 Rn. 12 f.), so vermag sich der Senat dieser Auffassung jedenfalls dann nicht anzuschließen, wenn der Antragsteller selbst einräumt, über das Angebot der Kleiderkammer informiert zu sein und erklärt, dieses Angebot auch grundsätzlich nutzen zu können, wie dies vorliegend mit Schreiben des Antragstellers vom 29.01.2008 geschehen ist.

Hinsichtlich des Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) ist ebenfalls auf diese Einlassung des Antragstellers zu verweisen, die die Eilbedürftigkeit aufgrund der Möglichkeit einer anderweitigen Bedarfsdeckung entfallen lässt. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller wiederholt andeutet, ohne Bewilligung der begehrten Leistung keine ausreichende Kleidung zur Verfügung zu haben, um seinen notwendigen Bedarf zu decken. Zudem hat er in der Vergangenheit zu erkennen gegeben, dass er über ein Jahr nach seiner Wohnungsräumung noch durchgehend seinen Kleidungsbedarf sicherstellen konnte. Es ist daher weder ersichtlich noch vorgetragen, welches aktuelle Ereignis diese Sachlage geändert haben könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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