L 8 R 2190/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 318/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 2190/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zusteht.

Die 1967 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie wurde in Kasachstan geboren und reiste am 25.02.1990 in das Bundesgebiet ein. Sie ist im Besitz eines am 05.07.1990 vom Landratsamt H. ausgestellten Vertriebenenausweises A der Bundesrepublik Deutschland sowie eines Schwerbehindertenausweises des Versorgungsamtes H. vom 22.10.1992 (Grad der Behinderung 100). In der Zeit vom 01.09.1985 bis 18.07.1986 absolvierte sie erfolgreich eine Ausbildung zur Telegrafistin. Anschließend war sie bis 22.01.1990 in diesem Beruf tätig. Von 01.01.1993 bis 31.12.1993 bezog sie Krankengeld und in der Zeit vom 01.01.2001 bis 06.01.2002 übte sie eine geringfügige Beschäftigung aus.

Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen bei der Klägerin vom 01.07.1984 bis 05.08.1985 (FRG), vom 20.08.1986 bis 22.01.1990 (FRG), 01.01.1992 bis 26.6.1992 (AFG) und vom 27.06.1992 bis 25.10.1994 (Sozl.).

Im April 1990 wurde bei einem stationären Aufenthalt der Klägerin in der Medizinischen Universitätsklinik H. eine Erkrankung der Nieren (terminale Niereninsuffizienz unklarer Genese) festgestellt. Im Juli 1992 wurde mit einer Dialysebehandlung begonnen und im Dezember 2000 wurde eine Nierentransplantation durchgeführt.

Mit Bescheid vom 08.11.1993 lehnte die Beklagte einen Antrag der Klägerin vom 27.05.1993 auf medizinische Leistungen zur Rehabilitation (Blatt 309) ab, da ihre Erwerbsfähigkeit durch medizinische Leistungen zur Rehabilitation nicht wesentlich gebessert und nicht wiederhergestellt werden könne. Nach § 116 Abs. 2 SGB VI gelte der Antrag auf Rehabilitation als Antrag auf Rente. Ein Rentenverfahren wurde nicht durchgeführt.

Am 30.11.2001 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Sie machte eine (dialysepflichtige) Niereninsuffizienz geltend.

Die Beklagte holte das Gutachten der ärztlichen Dienststelle H., Dr. D., vom 21.02.2002 ein. Die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin diagnostiziert in ihrem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchungen der Klägerin und Auswertung zahlreicher Befundberichte ab dem Jahr 2000 einen Zustand nach erfolgreicher Nierentransplantation 12/00 nach Dialysepflichtigkeit seit 7/92 bei terminaler Niereninsuffizienz unklarer Genese (Verdacht auf Refluxnephropathie), eine arterielle Hypertonie, ein kombiniertes Aortenvitium (mittelgradig ohne Progression) bei bikuspidaler Aortenklappe, eine mittelschwere konzentrische links ventrikuläre Hypertrophie und an sonstigen Diagnosen ein sekundärer Hyperparathyreoidismus sowie einen Zustand nach Lungentuberkulose linkes Mittelfeld 5/94. Sie gelangte zu der Leistungsbewertung, die Klägerin könne ihre letzte berufliche Tätigkeit sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen jeweils noch sechs Stunden und mehr ausüben.

Mit Bescheid vom 05.03.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil in den letzten fünf Jahren keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden seien. Im maßgeblichen Zeitraum vom 30.11.1996 bis 29.11.2001 seien nur 0 Kalendermonate mit entsprechenden Beiträgen belegt. Ein Ausnahmetatbestand wonach Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht erforderlich seien, liege nicht vor. Die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe auch weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung. In diesem Bescheid wurden bei der Klägerin Pflichtbeitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 01.07.1984 bis 05.08.1985 und vom 20.08.1986 bis 22.01.1990 anerkannt.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 12.03.2002 Widerspruch ein. Sie machte zur Begründung geltend, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Rente lägen vor, da der Versicherungsfall bereits spätestens 1993 eingetreten sei. Sie berief sich hierzu auf den Bescheid der Beklagten vom 08.11.1993. Weiter machte sie geltend, mit den bestehenden Gesundheitsstörungen sei sie weiterhin nicht in der Lage, eine Tätigkeit vollschichtig verrichten zu können. Die Beklagte zog weitere zahlreiche medizinische Befundberichte insbesondere aus den Jahren 1991 und 1992 bei und holte die sozialmedizinische Stellungnahme der Dr. D. vom 08.11.2002 ein. Sie gelangte zu der Bewertung, in den nachgereichten medizinischen Befundunterlagen ab 4/91 fänden sich insgesamt keine medizinischen Sachverhalte, die eine länger anhaltende quantitative Leistungsbeeinträchtigungen sicher begründeten. Wesentliche neue medizinische Sachverhalte würden keine mitgeteilt. Es verbleibe bei der Leistungsbeurteilung des Gutachtens. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird verwiesen (Blätter 431 bis 439 der Verwaltungsakte der Beklagten).

Hiergegen erhob die Klägerin am 14.02.2003 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Sie führte zur Begründung aus, nach dem Bescheid vom 08.11.1993 habe sie keinen formellen Rentenantrag gestellt, da sie irrtümlich davon ausgegangen sei, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Der Versicherungsfall sei bereits im Jahre 1993 eingetreten. Wegen ihrer Gesundheitsstörungen sei sie nicht in der Lage, eine Tätigkeit vollschichtig verrichten zu können. Die im Dezember 2000 durchgeführte Nierentransplantation habe ihre Leistungsfähigkeit nicht wesentlich gebessert.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wären erfüllt, wenn die Klägerin seit dem Beginn der Dialysebehandlung durchgehend erwerbsgemindert sei. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Das SG zog weitere medizinische Befundunterlagen (Gutachten des MDK vom 25.2.1993 und 25.6.1992, dem K. Krankenhaus H. - SRH - vorliegende Unterlagen der Klägerin aus den Jahren 1994 und 1996 sowie des Deutschen Krebsforschungszentrums aus den Jahren 1994,1995 und 1997) bei.

Außerdem holte das SG das internistische Gutachten des Arztes für Innere Medizin B., L., vom 26.10.2004 ein. Der Sachverständige diagnostizierte nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin und unter Auswertung des vorhandenen Aktenmaterials einen Zustand nach Nierentransplantation 12/00 nach zehnjähriger chronischer Hämodialysebehandlung bei Schrumpfnieren unklarer Genese, eine Niereninsuffizienz im Stadium der kompensierten Retention bei Funktionseinschränkung der Transplantatniere, eine renale Anämie, eine schwere renale Hypertonie mit hypertensiver Herzerkrankung und sekundärer pulmonaler Hypertonie, eine Aortenstenose III, ein Lymphödem beider Unterschenkel, eine depressive Anpassungsstörung sowie einen Zustand nach Lungentuberkulose 1994. Er gelangte zu der Bewertung, im Vordergrund des Krankheitsbildes stehe bei der Klägerin eine schwere chronische Nierenerkrankung. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheine die Leistungsfähigkeit der Klägerin insbesondere auf Grund der völlig unzureichend eingestellten arteriellen Hypertonie in Verbindung mit der pulmonalen Hypertonie und der Aortenstenose so stark eingeschränkt, dass sie nicht in der Lage sei, einer regelmäßigen vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, auch nicht bei leichter körperlicher Arbeit. Unter der Voraussetzung einer adäquaten und stabilen Blutdruckeinstellung, möglichst in Verbindung mit einem ansteigenden körperlichen Training, sollte es möglich sein, einen Zustand zu erreichen, in welchem die Klägerin eine leichte körperliche Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten in der Lage sei. Schwierig und letztlich nicht eindeutig zu beantworten sei die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Klägerin im Zeitraum der Dialysebehandlung von 6/92 bis 12/00, insbesondere da sich in den vorhandenen Unterlagen praktisch keine verwertbaren Informationen über den gesundheitlichen Zustand während der Dialysebehandlung fänden. Auf Grund der glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben der Klägerin sei allerdings davon auszugehen, dass ihr in den ersten drei Jahren der Dialysebehandlung eine regelmäßige vollschichtige Erwerbstätigkeit höchstwahrscheinlich nicht zumutbar gewesen sei. In den Jahren danach dürfte die Ausübung einer Erwerbstätigkeit grundsätzlich möglich gewesen sein. Dass dies allerdings regelmäßig und vollschichtig möglich gewesen wäre, werde für eher unwahrscheinlich gehalten. Besondere Einschränkungen hinsichtlich des Arbeitsweges bestünden nicht. Der jetzt festgestellte Gesundheitszustand und die langfristig daraus resultierenden Leistungseinschränkungen bestünden im Wesentlichen seit der Nierentransplantation 12/00. Eine wesentliche Besserung der Leistungsfähigkeit durch die vorgeschlagenen Therapiemaßnahmen werde für wahrscheinlich gehalten.

Die Klägerin sowie die Beklagte (unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des MDir. L. vom 14.12.2004) äußerten sich schriftlich zum Gutachten vom 26.10.2004. Die Klägerin trug vor, aufgrund der ständigen Dialysebehandlung sei sie in der Zeit von Juni 1992 bis Dezember 2000 keinesfalls vollschichtig erwerbsfähig gewesen. Die Beklagte ging in der sozialmedizinischen Stellungnahme ab 04/01 von einem höchstens vier- bis fünfstündigen täglichen Leistungsvermögen der Klägerin aus.

Mit Urteil vom 08.04.2005 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seien bei der Klägerin unstreitig nur für einen Leistungsfall erfüllt, der bis zum 30.11.1996 eingetreten sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das am 26.04.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 25.05.2005 beim SG eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, sie sei sowohl während ihrer Dialysebehandlung als auch danach als durchgehend erwerbsgemindert anzusehen. Ihr behandelnder Arzt stütze ihr Klagebegehren.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2003 sowie den Bescheid vom 07.12.2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 1. November 2001 Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat das internistische Gutachten des Prof. Dr. B., H., eingeholt, das am 24.07.2006 vorgelegt worden ist. Der Sachverständige diagnostizierte nach einer ambulanten Untersuchung der Klägerin und unter Auswertung des Aktenmaterials eine Aortenstenose seit Kindheit, migräneartige Kopfschmerzen seit der Jugend, eine begrenzte Analgetikaeinnahme, eine terminale Niereninsuffizienz unklarer Genese 1992, einen Zustand nach Lungentuberkulose 1994, eine chronische Hämodialysebehandlung von Juni 1992 bis Dezember 2000, Nierentransplantation in die linke Fossa iliaca Dezember 2000, eine verzögerte Transplantatfunktionsaufnahme, eine schwer einstellbare Hypertonie nach Transplantation, eine seit 2002 progrediente Abnahme der Nierentransplantatfunktion, eine signifikant seit 2003 zunehmende renale Anämie, eine Verschlechterung der Aortenstenose 2004, eine seit 2004 nachweisbare Cholelithiasis, ein Lymphödem an beiden Unterschenkeln, eine Verschlechterung des kardialen Befundes 2006, sehr wahrscheinlich eine KHK bei zunehmender Verkalkung der Aortenklappen sowie eine praeterminale Niereninsuffizienz infolge weitgehendem Transplantatversagen seit 2006. Er gelangte zu der Beurteilung, in Anbetracht der jetzt vorliegenden praeterminalen Niereninsuffizienz mit zunehmender renaler Anämie und schwerem Aortenvitium sei die Klägerin derzeit als nicht arbeitsfähig zu beurteilen. Von ihr könnten auch leichtere Arbeiten nicht regelmäßig abverlangt werden. Es sei auch nicht zumutbar, dass die Klägerin derzeit als Telefonistin oder in einer anderen leichten Tätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig acht Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche arbeite. Zu der Frage, wie weit bei der Klägerin am 30.11.1996 und danach Leistungseinschränkungen bestanden, sei es schwierig, Stellung zu nehmen. Auf Grund der Akten einschließlich der Arztberichte bestünden Hinweise darauf, dass sich das Befinden der Klägerin unter der chronischen Hämodialyse 1994/1995 und anschließend stabilisiert habe, sodass die Klägerin an dialysefreien Tagen, d. h. drei Tagen in der Woche, einer leichten Tätigkeit hätte nachgehen können. Auch die kardialen Befunde seien keine Kontraindikation gegen eine solche regelmäßige leichte Arbeit. Bei Dialysepatienten bestehe laut Gesetz eine MdE von 100. Dies schließe nicht aus, dass laut Literatur ein relevanter Prozentsatz Dialysepatienten regelmäßig berufstätig sei, wobei nicht angegeben sei, wie dabei die körperlichen Belastungen gewesen seien. Es könne daher nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass nach Adaptation an die Dialyse in der zweiten Hälfte der 90er Jahre keine leichte körperliche Arbeiten im Sitzen möglich gewesen wären, wobei deutliche Einschränkungen bestanden hätten (überwiegendes Stehen, gleichförmige Körperhaltung, Heben und Tagen von Lasten von mehr als 1 bis 2 Kilogramm, häufiges Bücken, Treppen steigen, Arbeiten auf Leitern und an gefährdenden Maschinen, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, Arbeiten in Kälte, unter Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, Arbeiten im Freien, besondere geistige Beanspruchung, hohe oder erhöhte Verantwortung bzw. Konzentrationsfähigkeit). Die Dialysezeit und die Arbeitszeit müsse aufeinander abgestimmt werden. Weiterhin könnten bei Dialysepatienten generell auch akute Krankheiten und spezielle Komplikationen zu vorübergehender Arbeitsunfähigkeit führen. An dialysefreien Tagen hätte auch eine vollschichtige Tätigkeit erfolgen können. Es sei anzunehmen, dass sich der Zustand der Klägerin in der Zeit nach der Transplantation Ende 2001 und Anfang 2002 so weit gebessert habe, dass die Klägerin fähig gewesen sei, auch einer leichten Vollzeittätigkeit oder zumindest sechs Stunden unter den genannten Einschränkungen nachzugehen.

Die Klägerin und die Beklagte haben zu dem Gutachten des Prof. Dr. B. Stellung genommen.

Der Senat hat die Beklagte mit Schreiben vom 20.09.2007 darauf hingewiesen, dass der Antrag der Klägerin auf Leistungen zur Rehabilitation vom 27.05.1993 als Rentenantrag gelte, über den noch nicht entschieden sei, dass ab 01.06.1993 eine Rentenbezugszeit vorliegen dürfte und dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den streitgegenständlichen Rentenanspruch erfüllt sein könnten, wenn eine Rentenbezugszeit bis spätestens 30.11.1996 (Beginn des Fünf-Jahres-Zeitraums) anzunehmen wäre. Auf eine entsprechende Anregung des Senats ist der Rechtsstreit im Einverständnis mit den Beteiligten durch Beschluss vom 18.10.2007 bis zur (bestandskräftigen) Entscheidung über den Rentenantrag der Klägerin vom 27.05.1993 ausgesetzt worden.

Mit Bescheid vom 07.12.2007 entsprach die Beklagte dem Antrag der Klägerin vom 27.05.1993 auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI nicht, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Telegrafistin vollschichtig ausüben. Die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren anrechenbaren Zeiten sei dagegen erfüllt. Auch die weitere Anspruchsvoraussetzung von drei Jahre Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren sei zum 27.05.1993 erfüllt. Der Bescheid werde in entsprechender Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des "Klageverfahrens". In der mündlichen Verhandlung am 15.02.2008 hat der Senatsvorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Bescheid vom 07.12.2007 wohl nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, ein Band Akten der Beklagten und ein Bündel medizinischer Befundunterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist nur der Bescheid vom 05.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2003. Nicht Gegenstand der Berufung ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - dagegen der im Berufungsverfahren ergangene Bescheid vom 07.12.2007. Die genannten Bescheide sind Entscheidungen über die voneinander nicht abhängigen Rentenanträge der Klägerin vom 30.11.2001 (Bescheid vom 05.03.2002) und vom 27.05.1993 (Bescheid vom 07.12.2007). Über diese Rentenanträge hat die Beklagte jeweils unter gesonderter Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu entscheiden. Eine "Überschneidung", die eine Anwendung des § 96 SGG - analog - rechtfertigt, liegt nicht vor. Allenfalls ist an eine weitere Aussetzung der vorliegenden Berufung bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 07.12.2007 wegen Vorgreiflichkeit zu denken, wovon der Senat jedoch mit Blick auf die im Bescheid vom 07.12.2007 getroffene Entscheidung der Beklagten absieht.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Rente wegen Erwerbsminderung, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen solchen Anspruch bei ihr nicht vorliegen.

Das SG hat in seinem angefochtenen Urteil die für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

Der Senat ist nach eigener Überprüfung mit dem SG der Überzeugung, dass die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung hat. Denn sie hat in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit keine drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Im Zeitraum vom 30.11.1996 bis 29.11.2001 sind 0 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der letzte Pflichtbeitrag ist für den Monat Oktober 1994 (bis 25.10.1994) erfolgt. Damit sind bei der Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur erfüllt, wenn sie seit dem 30.11.1996, durchgehend bis zur Rentenantragstellung erwerbsgemindert wäre. Dies ist bei der Klägerin aber nicht erwiesen, wie das SG in seinem angefochtenen Urteil zutreffend und eingehend ausgeführt hat. Der Senat folgt den Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, die er teilt und auf die er zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:

Das vom Senat im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Prof. Dr. B. hat im Ergebnis das vom SG eingeholte Gutachten des Arztes für Innere Medizin B. bestätigt. Nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. B. kann bei der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass sie durch ihre Niereninsuffizienz im gesamten Zeitraum der Dialyse in ihrem Leistungsvermögen soweit herabgesetzt war, dass sie zu einer vollschichtigen Tätigkeit mit qualitativen Einschränkungen nicht mehr der Lage war. Er hat vielmehr ausgeführt, dass Hinweise darauf bestünden, dass sich das Befinden der Klägerin unter der chronischen Hämodialyse 1994/1995 und anschließend so stabilisiert hat, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Klägerin nach Adaptation an die Dialyse in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einer leichten Tätigkeit hätte nachgehen können. Dafür sprechen auch die weiteren Ausführungen, dass nach der Literatur ein relevanter Prozentsatz der Dialysepatienten regelmäßig berufstätig ist. Soweit er eine Einschränkung auf dialysefreie Tage (drei Tage in der Woche) vorgenommen hat, rechtfertigt dies nicht die Annahme einer Erwerbsminderung der Klägerin. Denn dies bedingt keine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung, sondern die Notwendigkeit, Dialysezeit und Arbeitszeit aufeinander abzustimmen. Dass eine solche Abstimmung nicht möglich ist, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist auch Prof. Dr. B. in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass eine solche Abstimmung erforderlich ist. Dies gilt auch, soweit Prof. Dr. B. in seinem Gutachten davon ausgegangen ist, dass insbesondere spezielle Komplikationen zu vorübergehender Arbeitsunfähigkeit bei Dialysepatienten führen. Denn etwaige Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23). Weiter ist Prof. Dr. B. in seinem Gutachten davon ausgegangen, dass sich der Zustand der Klägerin in der Zeit nach der Nierentransplantationen (Ende 2001 oder Anfang 2002) so weit gebessert hat, dass die Klägerin fähig war, auch einer leichten Vollzeittätigkeit oder mindestens sechs Stunden unter den von ihm genannten qualitativen Einschränkungen nachzugehen. Damit ist für den Senat auch auf Grund des Gutachtens von Prof. Dr. B. nicht erwiesen, dass die Klägerin durchgehend seit dem 30.11.1996 ganz oder teilweise erwerbsgemindert war. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast geht die Nichterweislichkeit von Tatsachen zu Lasten desjenigen, der sich hierauf beruft, hier also zu Lasten der Klägerin.

Dem Vorbringen der Klägerin zum Gutachten des Prof. Dr. B., der Sachverständige erwähne eine Leistungsfähigkeit nur bis zur Vollschichtigkeit, weshalb nicht belegt sei, dass zeitweise vollschichtiges Leistungsvermögen vorliege, schließt sich der Senat nicht an. Dieses Vorbringen der Klägerin trifft nicht zu. Prof. Dr. B. ist vielmehr in seinem Gutachten ausdrücklich zu der Leistungsbewertung gelangt, dass an dialysefreien Tagen auch eine vollschichtige Tätigkeit der Klägerin hätte erfolgen können. Im Übrigen spricht auch das Verhalten der Klägerin, dass sie bei der Untersuchung gegenüber Prof. Dr. B. geschildert hat, für die Richtigkeit der Leistungsbewertung durch Prof. Dr. B ... So hat die Klägerin angegeben, jegliche Bemühungen, als Sekretärin oder Telefonistin zu arbeiten, was ihrer beruflichen Ausbildung am ehesten entsprochen habe, seien erfolglos geblieben, da sie die notwendigen Kenntnisse in deutscher Sprache und Schrift nicht habe vorweisen können. Dies deutet darauf hin, dass sich die Klägerin selbst für vollschichtig leistungsfähig gehalten hat. Dem Umstand, ob die Klägerin ausreichende Sprachkenntnisse hat, kommt keine relevante Bedeutung zu. Es handelt sich dabei um eine Einschränkung ihrer beruflichen Qualifikation, die für die Frage der Erwerbsminderung keine Rolle spielt.

Soweit sich die Klägerin auf die Bescheinigung ihres behandelnden Arztes Dr. G. beruft, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Nach dem Vorbringen der Klägerin befindet sie sich dort erst sei 01.07.1998 in Behandlung, weshalb aus seiner Bescheinigung für den vorliegend relevanten Zeitpunkt 30.11.1996 nichts abgeleitet werden kann.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen werden auch nicht durch Aufschubtatbestände gemäß § 43 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 SGB VI erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte zu Recht den Antrag der Klägerin vom 27.03.1993 mit Bescheid vom 07.12.2007 abgelehnt hat. Denn selbst wenn zugunsten der Klägerin Zeiten des Bezugs von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit angenommen würden, vermag dies bei dem Versicherungsverlauf der Klägerin nichts daran zu ändern, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bei ihr nur erfüllt sind, wenn sie spätestens am 30.11.1996 (durchgehend) ganz oder teilweise erwerbsunfähig gewesen wäre. Hiervon ist der Senat aber, wie ausgeführt, nicht überzeugt. Das Vorliegen einer der sonstigen Voraussetzungen des § 43 Abs. 4 Nr. 1 bis 4 SGB VI ist jedenfalls nach dem 25.10.1994 nicht ersichtlich und wird im Übrigen von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Entsprechendes gilt für die sonstigen Aufschubtatbestände und Befreiungstatbestände vom Erfordernis einer Pflichtbeitragszeit von drei Jahren. Dies alles hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 29.01.2003 zutreffend ausgeführt, auf die der Senat insoweit verweist. Hiergegen hat die Klägerin im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben.

Nach alledem steht der Klägerin kein Rentenanspruch gegen die Beklagte zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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