Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 AS 319/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 946/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. August 2006 geändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 verurteilt, für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 sowie vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 bei der Berechnung der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Klägerin Kindergeld nicht zu berücksichtigen, soweit es den Betrag von monatlich 31,60 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006.
Die 1964 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihren minderjährigen Kindern und , für die sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- EUR je Kind bezieht. Weiterhin erhält sie von den Kindesvätern Unterhaltsleistungen in monatlicher Höhe von zuletzt 408,- EUR (231,- EUR und 177,- EUR). Über weiteres Einkommen oder einzusetzendes Vermögen verfügten in den hier streitbefangenen Zeiträumen weder die Klägerin noch ihre beiden Töchter.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 gewährte der Beklagte der Klägerin für das 2. Halbjahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 426,58 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er bedarfsmindernd das den sozialhilferechtlichen Bedarf ihrer minderjährigen Kinder (297,20 EUR pro Monat pro Kind) übersteigenden monatlichen Betrag von insgesamt 121,60 EUR an Kindergeldleistungen als Einkommen der Klägerin; das Kindergeld im Übrigen sowie die Unterhaltszahlungen der Väter der Töchter wurden als Einkommen der Kinder zu deren Bedarfsdeckung berücksichtigt. Auf den Widerspruch der Klägerin änderte der Beklagte für den zuvor genannten Leistungszeitraum seinen Bescheid mit Bescheid vom 11. April 2006 dahingehend ab, dass er monatlich Leistungen in Höhe von 456,58 EUR gewährte. Insoweit berücksichtigte der Beklagte bedarfserhöhend eine vom Einkommen in Abzug zu bringende Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR monatlich zugunsten der Klägerin, die – ebenso wie ihre beiden Töchter – in den hier streitbefangenen Zeiträumen tatsächlich keine Versicherungs-Aufwendungen tätigte. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006 zurück.
Mit weiterem Bescheid vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des auf den Widerspruch der Klägerin ergangenen Bescheides vom 11. April 2006 gewährte der Beklagte für das 1. Halbjahr 2006 entsprechende Leistungen in gleicher Höhe. Auch insoweit wies er den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2006 zurück.
Die Klägerin hat gegen vorgenannte Bescheide am 18. Mai 2006 Klage zu dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der sie die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Berücksichtigung gezahlten Kindergeldes und etwaigen weiteren Einkommens ihrer minderjährigen Kinder begehrt hat. Mit Urteil vom 11. August 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu. Der Beklagte habe zu Recht das Kindergeld, soweit es zur Bedarfsdeckung bei den Kindern der Klägerin nicht mehr benötigt werde, nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30,- EUR monatlich als Einkommen der Klägerin in Höhe von 91,60 EUR monatlich berücksichtigt.
Gegen das am 20. September 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Oktober 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus: Der Betrag des Kindergeldes, der für den Bedarf der Kinder nicht benötigt werde, könne keine Berücksichtigung als ihr Einkommen finden. Eine derartige Berechnung liefe darauf hinaus, dass minderjährige Kinder ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet wären. Im Übrigen gehörten ihre Kinder angesichts dessen, dass deren Bedarf durch eigene Mittel gedeckt sei, gerade nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Kindergeld habe nicht die Funktion, den Grundsicherungsbedarf der Eltern minderjähriger Kinder abzudecken. Das Kindergeld stehe den Kindern zu. Die von dem Beklagten und dem Sozialgericht hinsichtlich einer Zulässigkeit der Anrechnung als Einkommen der Klägerin in Bezug genommene Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei nicht verfassungsgemäß. Dies sei auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 (Az: B 7b AS 18/06 R) nicht abschließend geklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. August 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 sowie des Bescheides vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 zu verurteilen, für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 sowie vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 bei der Berechnung der Leistungen für die Klägerin das Kindergeld nicht zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Er habe zutreffend das zur Bedarfsdeckung der minderjährigen Kinder nicht benötigte Kindergeld als Einkommen der Klägerin nach Abzug einer Versicherungspauschale zu deren Gunsten gemäß § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) in Höhe von 30,- EUR monatlich berücksichtigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten einschließlich der beigezogenen Akten des vor dem Landessozialgericht geführten weiteren Verfahrens der Klägerin L 10 AS 897/06 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Die Berufung hat Erfolg, soweit bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem SGB II - in der hier maßgeblichen bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung - Kindergeld nicht zu berücksichtigen ist, als es den monatlichen Betrag von 31,60 EUR übersteigt. Insoweit war auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Beklagte zu einer entsprechenden Abänderung ihrer diesbezüglich angefochtenen Bescheide zu verurteilen. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Begehrens war die Berufung indes zurückzuweisen.
1. Die Berufung hat Erfolg, soweit der Beklagte im hier strittigen Bedarfszeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 gezahltes Kindergeld in Höhe von mehr als 31,60 EUR monatlich als Einkommen der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs nach den §§ 19 ff. i. V. m. §§ 11, 12 SGB II berücksichtigt hat.
Entgegen der Auffassung des Beklagten bilden die minderjährigen Kinder der Klägerin mit dieser, wie auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4 i. V. m. § 9 SGB II. Denn deren sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von monatlich jeweils 297,20 EUR, den der Beklagte zutreffend ermittelt hat, ist durch Unterhaltsleistungen der Kindesväter in Höhe von 231,- EUR bzw. 177,- EUR einschließlich anteiliger Kindergeldleistungen in Höhe von 66,20 EUR bzw. 120,20 EUR abgedeckt. Die anteilige Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der minderjährigen Kinder findet insoweit ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Danach ist das Kindergeld als Einkommen dem jeweiligen Kind zu zurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird. Dies ist im vorgenannten Umfang der Fall. Denn die Unterhaltsleistungen reichen zur Bedarfsdeckung der Kinder der Klägerin nicht aus.
Das demgegenüber zur Bedarfsdeckung der Kinder nicht benötigte Kindergeld in Höhe von insgesamt 121,60 EUR monatlich (308,- EUR abzüglich 66,20 EUR und 120,20 EUR) kann bei der dem Grunde nach gemäß § 7 i. V. m. § 9 SGB II hilfsbedürftigen Klägerin jedoch keine Berücksichtigung als deren eigenes Einkommen finden, als es den Betrag von 31,60 EUR übersteigt.
Zutreffend hat der Beklagte von dem überschießenden Betrag von 121,60 EUR im Rahmen einer von ihm vorgenommenen Anrechnung als eine den Bedarf der Klägerin mindernde Einnahmequelle im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 11 SGB II einen Betrag von pauschal 30,- EUR abgezogen. Dies folgt aus § 3 Nr. 1 Alg II-V vom 20. Oktober 2004 (BGBl I, S. 2622 f) in der Fassung der Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl I, S. 2499 f). Danach ist von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II leben, ein Betrag in Höhe von 30,- EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, abzusetzen. Die Absetzung einer Versicherungspauschale nach dieser Vorschrift ist dabei ungeachtet des tatsächlichen Bestehens einer entsprechenden Versicherung möglich (vgl. hierzu auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006 - Az: L 8 AS 290/05 -, zit. nach juris). Denn Ziel der Festsetzung einer entsprechenden Pauschgebühr ist, Hilfebedürftigen ohne Nachweisführung die Absetzung von Versicherungsbeiträgen in geringfügigem Umfang zu ermöglichen, die typischerweise anfallen.
Als fehlerhaft erweist sich indes, dass der Beklagte vor einer Einkommensanrechnung des überschießenden Kindergeldbetrages bei der Klägerin keinen Abzug gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von weiteren 30,- EUR pro Kind, mithin von insgesamt weiteren 60,- EUR, vorgenommen hat. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllen die minderjährigen Kinder der Klägerin, die aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 Alg II-V ebenfalls. Dies aber hat zur Folge, dass das zur Bedarfsdeckung der Kinder nicht benötigte Kindergeld auch um die jeweilige Versicherungspauschale pro Kind zu bereinigen ist, bevor es als Einkommen der Klägerin überhaupt Berücksichtigung finden kann (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006, a. a. O.). Ein anderes Verständnis, insbesondere die Auffassung des Beklagten, dass die minderjährigen Kinder der Klägerin gleichwohl zur Bedarfsgemeinschaft zählen - mithin § 3 Nr. 1 Alg II-V insoweit keine Anwendung findet -, weil die Unterhaltszahlungen als deren einzige Einkommensquelle zu ihrer Bedarfsdeckung nicht genügen würde, führt im Ergebnis zum Leerlaufen der Vorschrift des § 3 Nr. 1 Alg II-V in diesen Fällen.
2. Ergibt sich nach Abzug der auf die Kinder der Klägerin entfallenden Versicherungspauschalen von insgesamt 60,- EUR monatlich und nach Abzug einer zugunsten der Klägerin zu berücksichtigenden eigenen Versicherungspauschale von 30,- EUR monatlich ein den Kindergeldüberhang von monatlich 121,60 EUR bereinigter Betrag von 31,60 EUR, hat der Beklagte in diesem Umfang im Rahmen seiner ansonsten nicht zu beanstandenden Bedarfsberechnung zutreffend eine Anrechung des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin vorgenommen. In diesem Umfang muss die Klägerin eine Berücksichtigung als ihr Einkommen gegen sich gelten lassen und kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Anrechnung des monatlich bereinigten Kindergeldbetrages von 31,60 EUR als den Bedarf der Klägerin minderndes Einkommen folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der im Einzelnen im Gesetz benannten, hier nicht vorliegenden anderweitigen Leistungen. Bei dem bereinigten Kindergeldbetrag handelt es sich um Einkommen in diesem Sinne. Als Mutter ihrer minderjährigen Kinder ist die Klägerin kindergeldberechtigt nach § 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Aufgrund dessen ist es der Klägerin grundsätzlich auch als Einkommen sozialhilferechtlich zuzurechnen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2003 - Az: 5 C 25/02 - zitiert nach juris, sowie dem folgend unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das SGB II auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 - Az: L 5 B 1371/05 AS ER -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. September 2006 - Az: L 8 AS 5071/05 -, sowie zum Grundsicherungsgesetz bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII): LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2006 - Az: L 8 SO 121/05 -, jeweils zit. nach juris). Lediglich die Anrechungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II - vgl. auch 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII - hinsichtlich der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des jeweiligen minderjährigen Kindes bildet hiervon eine Ausnahme. Daraus folgt, dass, soweit eine Bedarfsdeckung bei den minderjährigen Kindern z.B. durch Einkommen und Vermögen, etwa in Form von Unterhaltszahlungen und Kindergeld eingetreten ist, das insoweit nicht aufgezehrte - ggf. um Versicherungspauschalen bereinigte - Kindergeld ganz oder anteilig als Einkommen der Eltern bzw. des sonstigen Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten in diesem Sinne ergeben sich nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 7. November 2006 (Az: B 7b AS 18/06 R -, zitiert nach juris) unter Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und damit gegen die Berücksichtigung des den Bedarf des minderjährigen Kindes übersteigenden Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten gesehen. Dem schließt sich der Senat an. Es verstößt nicht gegen Verfassungsgrundsätze, das als eine andere Sozialleistung anzusehende Kindergeld auf den Bedarf des Kindergeldberechtigten anzurechnen, soweit es für den Lebensunterhalt des Minderjährigen nicht benötigt wird, vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, das Kindergeld von einer Einbeziehung auszunehmen, solange der sozialhilferechtliche Bedarf des jeweiligen Kindes gesichert ist. Das ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006.
Die 1964 geborene Klägerin lebt zusammen mit ihren minderjährigen Kindern und , für die sie Kindergeld in Höhe von monatlich 154,- EUR je Kind bezieht. Weiterhin erhält sie von den Kindesvätern Unterhaltsleistungen in monatlicher Höhe von zuletzt 408,- EUR (231,- EUR und 177,- EUR). Über weiteres Einkommen oder einzusetzendes Vermögen verfügten in den hier streitbefangenen Zeiträumen weder die Klägerin noch ihre beiden Töchter.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2005 gewährte der Beklagte der Klägerin für das 2. Halbjahr 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 426,58 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte er bedarfsmindernd das den sozialhilferechtlichen Bedarf ihrer minderjährigen Kinder (297,20 EUR pro Monat pro Kind) übersteigenden monatlichen Betrag von insgesamt 121,60 EUR an Kindergeldleistungen als Einkommen der Klägerin; das Kindergeld im Übrigen sowie die Unterhaltszahlungen der Väter der Töchter wurden als Einkommen der Kinder zu deren Bedarfsdeckung berücksichtigt. Auf den Widerspruch der Klägerin änderte der Beklagte für den zuvor genannten Leistungszeitraum seinen Bescheid mit Bescheid vom 11. April 2006 dahingehend ab, dass er monatlich Leistungen in Höhe von 456,58 EUR gewährte. Insoweit berücksichtigte der Beklagte bedarfserhöhend eine vom Einkommen in Abzug zu bringende Versicherungspauschale in Höhe von 30,- EUR monatlich zugunsten der Klägerin, die – ebenso wie ihre beiden Töchter – in den hier streitbefangenen Zeiträumen tatsächlich keine Versicherungs-Aufwendungen tätigte. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2006 zurück.
Mit weiterem Bescheid vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des auf den Widerspruch der Klägerin ergangenen Bescheides vom 11. April 2006 gewährte der Beklagte für das 1. Halbjahr 2006 entsprechende Leistungen in gleicher Höhe. Auch insoweit wies er den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2006 zurück.
Die Klägerin hat gegen vorgenannte Bescheide am 18. Mai 2006 Klage zu dem Sozialgericht Neuruppin erhoben, mit der sie die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Berücksichtigung gezahlten Kindergeldes und etwaigen weiteren Einkommens ihrer minderjährigen Kinder begehrt hat. Mit Urteil vom 11. August 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu. Der Beklagte habe zu Recht das Kindergeld, soweit es zur Bedarfsdeckung bei den Kindern der Klägerin nicht mehr benötigt werde, nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30,- EUR monatlich als Einkommen der Klägerin in Höhe von 91,60 EUR monatlich berücksichtigt.
Gegen das am 20. September 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. Oktober 2006 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus: Der Betrag des Kindergeldes, der für den Bedarf der Kinder nicht benötigt werde, könne keine Berücksichtigung als ihr Einkommen finden. Eine derartige Berechnung liefe darauf hinaus, dass minderjährige Kinder ihren Eltern zum Unterhalt verpflichtet wären. Im Übrigen gehörten ihre Kinder angesichts dessen, dass deren Bedarf durch eigene Mittel gedeckt sei, gerade nicht zur Bedarfsgemeinschaft. Kindergeld habe nicht die Funktion, den Grundsicherungsbedarf der Eltern minderjähriger Kinder abzudecken. Das Kindergeld stehe den Kindern zu. Die von dem Beklagten und dem Sozialgericht hinsichtlich einer Zulässigkeit der Anrechnung als Einkommen der Klägerin in Bezug genommene Regelung des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei nicht verfassungsgemäß. Dies sei auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 (Az: B 7b AS 18/06 R) nicht abschließend geklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 11. August 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15. Juni 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2006 sowie des Bescheides vom 17. Dezember 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 11. April 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2006 zu verurteilen, für die Leistungszeiträume vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 sowie vom 1. Januar 2006 bis 30. Juni 2006 bei der Berechnung der Leistungen für die Klägerin das Kindergeld nicht zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Er habe zutreffend das zur Bedarfsdeckung der minderjährigen Kinder nicht benötigte Kindergeld als Einkommen der Klägerin nach Abzug einer Versicherungspauschale zu deren Gunsten gemäß § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung - Alg II-V) in Höhe von 30,- EUR monatlich berücksichtigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten einschließlich der beigezogenen Akten des vor dem Landessozialgericht geführten weiteren Verfahrens der Klägerin L 10 AS 897/06 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und nach Maßgabe des Tenors begründet; im Übrigen ist sie unbegründet. Die Berufung hat Erfolg, soweit bei der Berechnung der der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem SGB II - in der hier maßgeblichen bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung - Kindergeld nicht zu berücksichtigen ist, als es den monatlichen Betrag von 31,60 EUR übersteigt. Insoweit war auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Sozialgerichts zu ändern und die Beklagte zu einer entsprechenden Abänderung ihrer diesbezüglich angefochtenen Bescheide zu verurteilen. Hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Begehrens war die Berufung indes zurückzuweisen.
1. Die Berufung hat Erfolg, soweit der Beklagte im hier strittigen Bedarfszeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 und vom 1. Januar 2006 bis zum 30. Juni 2006 gezahltes Kindergeld in Höhe von mehr als 31,60 EUR monatlich als Einkommen der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres sozialhilferechtlichen Bedarfs nach den §§ 19 ff. i. V. m. §§ 11, 12 SGB II berücksichtigt hat.
Entgegen der Auffassung des Beklagten bilden die minderjährigen Kinder der Klägerin mit dieser, wie auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 4 i. V. m. § 9 SGB II. Denn deren sozialhilferechtlicher Bedarf in Höhe von monatlich jeweils 297,20 EUR, den der Beklagte zutreffend ermittelt hat, ist durch Unterhaltsleistungen der Kindesväter in Höhe von 231,- EUR bzw. 177,- EUR einschließlich anteiliger Kindergeldleistungen in Höhe von 66,20 EUR bzw. 120,20 EUR abgedeckt. Die anteilige Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen der minderjährigen Kinder findet insoweit ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Danach ist das Kindergeld als Einkommen dem jeweiligen Kind zu zurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhaltes benötigt wird. Dies ist im vorgenannten Umfang der Fall. Denn die Unterhaltsleistungen reichen zur Bedarfsdeckung der Kinder der Klägerin nicht aus.
Das demgegenüber zur Bedarfsdeckung der Kinder nicht benötigte Kindergeld in Höhe von insgesamt 121,60 EUR monatlich (308,- EUR abzüglich 66,20 EUR und 120,20 EUR) kann bei der dem Grunde nach gemäß § 7 i. V. m. § 9 SGB II hilfsbedürftigen Klägerin jedoch keine Berücksichtigung als deren eigenes Einkommen finden, als es den Betrag von 31,60 EUR übersteigt.
Zutreffend hat der Beklagte von dem überschießenden Betrag von 121,60 EUR im Rahmen einer von ihm vorgenommenen Anrechnung als eine den Bedarf der Klägerin mindernde Einnahmequelle im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 11 SGB II einen Betrag von pauschal 30,- EUR abgezogen. Dies folgt aus § 3 Nr. 1 Alg II-V vom 20. Oktober 2004 (BGBl I, S. 2622 f) in der Fassung der Verordnung vom 22. August 2005 (BGBl I, S. 2499 f). Danach ist von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II leben, ein Betrag in Höhe von 30,- EUR monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, abzusetzen. Die Absetzung einer Versicherungspauschale nach dieser Vorschrift ist dabei ungeachtet des tatsächlichen Bestehens einer entsprechenden Versicherung möglich (vgl. hierzu auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006 - Az: L 8 AS 290/05 -, zit. nach juris). Denn Ziel der Festsetzung einer entsprechenden Pauschgebühr ist, Hilfebedürftigen ohne Nachweisführung die Absetzung von Versicherungsbeiträgen in geringfügigem Umfang zu ermöglichen, die typischerweise anfallen.
Als fehlerhaft erweist sich indes, dass der Beklagte vor einer Einkommensanrechnung des überschießenden Kindergeldbetrages bei der Klägerin keinen Abzug gemäß § 3 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von weiteren 30,- EUR pro Kind, mithin von insgesamt weiteren 60,- EUR, vorgenommen hat. Denn entgegen der Auffassung des Beklagten erfüllen die minderjährigen Kinder der Klägerin, die aufgrund ihrer Einkommenssituation nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 Alg II-V ebenfalls. Dies aber hat zur Folge, dass das zur Bedarfsdeckung der Kinder nicht benötigte Kindergeld auch um die jeweilige Versicherungspauschale pro Kind zu bereinigen ist, bevor es als Einkommen der Klägerin überhaupt Berücksichtigung finden kann (vgl. hierzu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23. März 2006, a. a. O.). Ein anderes Verständnis, insbesondere die Auffassung des Beklagten, dass die minderjährigen Kinder der Klägerin gleichwohl zur Bedarfsgemeinschaft zählen - mithin § 3 Nr. 1 Alg II-V insoweit keine Anwendung findet -, weil die Unterhaltszahlungen als deren einzige Einkommensquelle zu ihrer Bedarfsdeckung nicht genügen würde, führt im Ergebnis zum Leerlaufen der Vorschrift des § 3 Nr. 1 Alg II-V in diesen Fällen.
2. Ergibt sich nach Abzug der auf die Kinder der Klägerin entfallenden Versicherungspauschalen von insgesamt 60,- EUR monatlich und nach Abzug einer zugunsten der Klägerin zu berücksichtigenden eigenen Versicherungspauschale von 30,- EUR monatlich ein den Kindergeldüberhang von monatlich 121,60 EUR bereinigter Betrag von 31,60 EUR, hat der Beklagte in diesem Umfang im Rahmen seiner ansonsten nicht zu beanstandenden Bedarfsberechnung zutreffend eine Anrechung des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin vorgenommen. In diesem Umfang muss die Klägerin eine Berücksichtigung als ihr Einkommen gegen sich gelten lassen und kann die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Anrechnung des monatlich bereinigten Kindergeldbetrages von 31,60 EUR als den Bedarf der Klägerin minderndes Einkommen folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der im Einzelnen im Gesetz benannten, hier nicht vorliegenden anderweitigen Leistungen. Bei dem bereinigten Kindergeldbetrag handelt es sich um Einkommen in diesem Sinne. Als Mutter ihrer minderjährigen Kinder ist die Klägerin kindergeldberechtigt nach § 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Aufgrund dessen ist es der Klägerin grundsätzlich auch als Einkommen sozialhilferechtlich zuzurechnen (vgl. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2003 - Az: 5 C 25/02 - zitiert nach juris, sowie dem folgend unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das SGB II auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Januar 2006 - Az: L 5 B 1371/05 AS ER -, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. September 2006 - Az: L 8 AS 5071/05 -, sowie zum Grundsicherungsgesetz bzw. Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII): LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. April 2006 - Az: L 8 SO 121/05 -, jeweils zit. nach juris). Lediglich die Anrechungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II - vgl. auch 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII - hinsichtlich der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des jeweiligen minderjährigen Kindes bildet hiervon eine Ausnahme. Daraus folgt, dass, soweit eine Bedarfsdeckung bei den minderjährigen Kindern z.B. durch Einkommen und Vermögen, etwa in Form von Unterhaltszahlungen und Kindergeld eingetreten ist, das insoweit nicht aufgezehrte - ggf. um Versicherungspauschalen bereinigte - Kindergeld ganz oder anteilig als Einkommen der Eltern bzw. des sonstigen Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung des Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten in diesem Sinne ergeben sich nicht. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 7. November 2006 (Az: B 7b AS 18/06 R -, zitiert nach juris) unter Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II und damit gegen die Berücksichtigung des den Bedarf des minderjährigen Kindes übersteigenden Kindergeldes als Einkommen des Kindergeldberechtigten gesehen. Dem schließt sich der Senat an. Es verstößt nicht gegen Verfassungsgrundsätze, das als eine andere Sozialleistung anzusehende Kindergeld auf den Bedarf des Kindergeldberechtigten anzurechnen, soweit es für den Lebensunterhalt des Minderjährigen nicht benötigt wird, vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, das Kindergeld von einer Einbeziehung auszunehmen, solange der sozialhilferechtliche Bedarf des jeweiligen Kindes gesichert ist. Das ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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