L 14 KR 1101/96

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 Kr 771/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 1101/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Juli 1996 sowie der Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1993 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides der Beklagten vom 25. Januar 1993, mit dem diese vom Kläger, als (Mit-)Gesellschafter der Firma "C. W. GmbH”, deren Eintragung in das Handelsregister gescheitert ist, den Gesamtbetrag von 9.756,– DM (einschließlich Nebenkosten) an rückständigen Beiträgen für die von der GmbH i.Gr. beschäftigten Arbeitnehmer W. H., W. S. und M. W. gefordert hat.

C. W. (in anderer Schreibweise: K.) betrieb in B. eine Einzelfirma der Baubranche. Am 11. August 1992 schloß der Kläger, der u.a. als Steuerberater für Herrn W. tätig war, mit diesem vor dem Notar W. in F. einen Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Firma "C. W. GmbH”. Vom Stammkapital in Höhe von 50.000,– DM (50 TDM) übernahm C. W., der zum Geschäftsführer bestellt wurde, 37 TDM, der Kläger 13 TDM (26 %). Nach dem Gesellschaftsvertrag (§§ 2, 4) waren die Einlagen zur Hälfte in bar erbracht. Der Gesellschaftsvertrag sah u.a. für wichtige Entscheidungen in § 6 eine Mehrheit von 3/4 der Gesellschaftsanteile vor.

Zu der am 13. August 1992 beantragten Eintragung in das Handelsregister bei dem Amtsgericht D. kam es nicht. Die Handwerkskammer Rhein-Main verweigerte am 25. Januar 1993 eine positive Stellungnahme, weil Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern ungeklärt waren; die Firma befand sich überdies bereits ab der Jahreswende 1992/1993 in Liquiditätsschwierigkeiten. Durch Beschluss vom 6. April 1993 (Abt. 8 – AR 126/92 –) hat das Amtsgericht D. die Eintragung abgelehnt.

Nach dem Antrag der Beklagten vom 4. März 1993 auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH i.Gr. bestellte das Amtsgericht D. zunächst durch Beschluss vom 10. März 1993 Rechtsanwalt K. L., F. als Sequester. Dieser bestätigte u.a. am 5. April 1993, daß der Kläger, der 50 % seines Anteils am Stammkapital am 1. Oktober 1992 eingezahlt hatte, weitere 4.500,– DM auf diesen Gesellschaftsanteil gezahlt und im übrigen in Höhe von 2.000,– DM mit Forderungen für erbrachte Dienstleistungen gegenüber der Gesellschaft aus dem Dezember 1992 aufgerechnet habe.

Mit Beschluss vom 6. April 1993 eröffnete sodann das Amtsgericht D. das Konkursverfahren und bestellte Rechtsanwalt L. zum Konkursverwalter. Nachdem dieser u.a. in seinem Bericht an die Gläubigerversammlung vom 28. Mai 1993 festgestellt hatte, daß eine Trennung von Verbindlichkeiten zwischen der Einzelfirma und der GmbH i.Gr. nicht möglich gewesen und die für eine Feststellung der bestehenden Verbindlichkeiten erforderliche Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer W. nicht zustande gekommen sei, stellte das Amtsgericht D. durch Beschluss vom 8. Dezember 1993 das Konkursverfahren gemäß § 204 der Konkursordnung (KO) mit der Begründung ein, daß eine den Kosten des Verfahrens entsprechende Konkursmasse nicht vorhanden sei.

Die Beklagte hatte anläßlich einer Prüfung am 3. Dezember 1992 bei dem Kläger festgestellt, daß die Einzelhandelsfirma mit Wirkung vom 1. Oktober 1992 in die GmbH i.Gr. überführt worden war und damit die Beschäftigung der Arbeitnehmer H. S. und M. W. der GmbH zuzurechnen sei. Für den Arbeitnehmer S. habe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Arbeiter bestanden, für die Arbeitnehmer H. und M. W. waren Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten abzuführen. Die Beklagte errechnete die rückständigen Beiträge anhand der ihr vorliegenden Kontounterlagen für die Zeit von Oktober bis Ende November 1992 im Gesamtbetrag von 9.448,60 DM und versuchte den Gesamtbetrag (einschließlich Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie Säumniszuschläge) von 9.687,40 DM am 12. Januar 1993 vergeblich am Wohnsitz des Geschäftsführers der GmbH i.Gr., C. W. beizutreiben.

Durch weitgehend wortgleiche Haftungsbescheide vom 25. Januar 1993 forderte die Beklagte den Gesamtbetrag von nunmehr 9.756,– DM (erhöht um – weitere – Vollstreckungskosten) als Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer S. H. und M. W. für die Zeit vom 1. Oktober bis 30. November 1992 sowohl von C. W. als auch vom Kläger an. Zur Begründung für die Haftung des Klägers berief sich die Beklagte auf § 11 Abs. 2 des GmbH-Gesetzes, wonach er für die vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister entstandenen Verbindlichkeiten der Gesellschaft oder der Vorgesellschaft persönlich, uneingeschränkt und unmittelbar gesamtschuldnerisch zu haften hätte.

Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, daß eine Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz ausgeschlossen sei, weil er weder Geschäftsführer gewesen sei noch irgendwelche Rechtsgeschäfte namens und im Auftrag oder im Interesse der GmbH i.Gr. durchgeführt habe. Die Beklagte gab dem Kläger im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Äußerung gemäß § 24 des 10. Buches – Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) und wies den Widerspruch nach Beteiligung des bei ihr bestehenden Ausschusses durch Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1993 u.a. mit der Begründung zurück, die Eintragung der GmbH sei u.a. daran gescheitert, daß die Firma bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung stark überschuldet war. Die nicht eingetragene GmbH sei wie eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) zu behandeln. Für deren Schulden müßten die einzelnen Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern gegenüber uneingeschränkt und solidarisch haften, wie das Bundessozialgericht (BSG) am 28. Februar 1986 (Az.: 2 RU 21/85) entschieden habe. Aus § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz ergäbe sich insoweit keine Beschränkung der Haftung.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 7. Juni 1993 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 5. Juli 1993 Klage beim Sozialgericht Darmstadt erhoben. Der Kläger machte u.a. geltend, daß die von der Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) nicht übereinstimme. Nach dieser Rechtsprechung des BGH sei die Vorgesellschaft der GmbH i.Gr. keine BGB-Gesellschaft, sondern wie eine GmbH besonderer Art zu behandeln, woraus sich eine Beschränkung der Haftung der Gesellschafter der Vor-Gesellschaft auch gegenüber den Gläubigern der GmbH auf die Einlage ergebe, soweit diese gezahlt worden sei. Nachdem der Kläger seine Einlage in vollem Umfang – unter Aufrechnung von Forderungen für Dienstleistungen gegenüber der GmbH – gegenüber dem Konkursverwalter erbracht habe, sei er von einer weiteren Haftung frei. Das Sozialgericht hat eine Auskunft des Konkursverwalters Rechtsanwalt K. L. eingeholt, der bestätigt hat, die restliche Stammeinlage in Höhe von 6.500,– DM vom Kläger angefordert zu haben, woraufhin der Kläger 4.500,– DM gezahlt und 2.000,– DM für durchgeführte Buchhaltungsarbeiten im Dezember 1992 abgezogen habe. Die Berechtigung dieses Abzuges habe vom Konkursverwalter nicht mehr geklärt werden können.

Das Sozialgericht hat sodann durch Beschluss vom 13. Februar 1996 die Beigeladenen zu 1) bis 3) gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – notwendig – beigeladen. Durch Urteil vom 18. Juli 1996 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, daß die Bescheide der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden seien, weil der Kläger verpflichtet sei, den in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Betrag in Höhe von 9.756,– DM an die Beklagte zu entrichten. Nach § 28 e des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei der Arbeitgeber der Arbeitnehmer H. S. und M. W. für die Beitragspflicht zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestanden habe, verpflichtet gewesen, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Beklagte als Einzugsstelle zu entrichten. Unstreitig seien die genannten Arbeitnehmer im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse gegen Entgelt beschäftigt gewesen, wobei Arbeitgeber die C. W. GmbH gewesen sei, die jedoch in Ermangelung der Eintragung in das Handelsregister nicht als eigene Rechtspersönlichkeit entstanden sei. Die Haftung des Klägers ergebe sich zwar nicht schon aus § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz, weil kein rechtsgeschäftliches und rechtsgeschäftsähnliches Handeln des Klägers vorgelegen habe. Hingegen hafte der Kläger, wie das Bundessozialgericht in seinen Entscheidungen vom 28. Februar 1986 (2 RU 21/85 und 2 RU 22/85) festgestellt habe, als Gesellschafter der Vor-GmbH für die Beitragsforderungen der Beklagten, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zwingend entstanden seien. Für diese Verbindlichkeiten greife die Beschränkung der Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH nach § 11 GmbH-Gesetz nicht.

Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 5. August 1996 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. August 1996 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Kläger macht vor allem geltend, daß die vom Sozialgericht zitierte Rechtsprechung des BSG durch den Vorlagebeschluß des Bundesarbeitsgerichts an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes und durch den entsprechenden Beschluss des BSG vom 31. Mai 1996 (2 S (U) 3/96) überholt sei. Maßgeblich sei nunmehr der Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 1. Juli 1996, mit dem das durch den Vorlagebeschluß des Bundesarbeitsgerichts eingeleitete Verfahren abgeschlossen worden sei, und das Urteil des BGH vom 21. Januar 1997 (– II ZR 123/94 – = NJW 1997, 1507 ff.), durch das neue Maßstäbe für die Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Vorgesellschaft formuliert worden seien. Nach dieser neueren Rechtsprechung, die auch für die Sozialgerichte maßgeblich sei, entfalle eine unmittelbare Inanspruchnahme des Klägers, weil er seine Einlage in vollem Umfange erbracht habe und eine völlige Vermögenslosigkeit zum Zeitpunkt der Gründung der GmbH und der Antragstellung auf Eintragung nicht vorgelegen habe.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Juli 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 1993 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie berufen sich auf das Urteil des Sozialgerichts, das sie weiterhin für zutreffend halten. Eine derart weitgehende Haftungsbeschränkung, wie sie der Kläger den neueren Entscheidungen des BGH zu entnehmen meint, sei aus dieser Rechtsprechung nicht zu entwickeln. Im übrigen zeige der Ablauf des Konkursverfahrens und der Beschluss des Amtsgerichts nach § 204 KO, daß die Vorgesellschaft vermögenslos gewesen sei.

Die Beigeladenen zu 1) und 3) haben sich den Anträgen der Beklagten angeschlossen.

Für den Sach- und Rechtsstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Akten des Amtsgerichts Dieburg (Abt. 3 – 3 N 25/93 – und Abt. 8 – AR 126/92 + Sonderbd. –) und auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der Beratungen und der mündlichen Verhandlung des Senats am 29. Januar 1998 gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 1) und 3) im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, weil diese mit der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen worden waren, daß auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch an sich statthaft und somit insgesamt zulässig (§§ 151 Abs. 1, 143, 144 SGG).

Der Senat konnte entscheiden, ohne die Arbeitnehmer W. H., W. S. und M. W. beizuladen. Nach § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte, die an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann – notwendig – beizuladen. Dies gilt aber grundsätzlich nur, wenn über die Versicherungspflicht gestritten wird für die Arbeitnehmer (Mayer-Ladewig, SGG, 5. Aufl., § 75 Rdz. 10 a) und für die Träger der Renten- und Arbeitslosenversicherung, wenn der Bescheid der Krankenkasse angefochten wird, der die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung betrifft (Mayer-Ladewig, a.a.O.). Bei Beitragsstreitigkeiten hingegen besteht die Verpflichtung zur Beiladung nur, wenn aus der Entscheidung die Verpflichtung oder Entlastung eines Dritten folgt oder aber wenn zugleich über die Versicherungspflicht entschieden wird. Vorliegend ist die Versicherungspflicht der Arbeitnehmer H., S. und M. W. jedoch nicht im Streit. Daß diese Versicherungspflichtige Arbeitnehmer der "C. W. GmbH” (i.Gr.) waren und Beitragspflicht zur Beigeladenen zu 1) bzw. 2) und zur Beigeladenen zu 3) bestand, ist nicht in Zweifel gezogen und zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Streitgegenstand ist allein der Haftungsbescheid, mit dem die Beklagte – als Einzugsstelle – Gesamtsozialversicherungsbeiträge bei dem Kläger beitreiben will. Auch die Beiladung der Arbeitgeberin, der Vor-GmbH, die als Rechtsperson nicht existent geworden ist, konnte ebenso entfallen, wie die ihres (ehemaligen) Geschäftsführers.

Die Berufung des Klägers ist sachlich begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Juli 1996 konnte unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Haftung der Gründungs-Gesellschafter der Vor-GmbH keinen Bestand haben. Die Bescheide der Beklagten, mit denen diese den Kläger unmittelbar als Gesellschafter einer Vor-GmbH für die Beitragsschulden der GmbH i.Gr. in Anspruch nimmt, sind nicht rechtens und mußten deshalb aufgehoben werden.

Der Beklagten stand als Einzugsstelle eine Beitragsforderung gegenüber der "GmbH i.Gr.” auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer H. S. und M. W. für Oktober und November 1992 zu. Nach § 28 d des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (– SGB IV – eingefügt durch das Melderecht- und Beitragseinzug-Einordnungsgesetz vom 20. Dezember 1988 – BGBl. I, S. 2330) werden die Beiträge in der Kranken- und Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten sowie die Beiträge der Arbeitnehmer und anteilige Beiträge der Arbeitgeber zur Bundesanstalt für Arbeit als Gesamtsozialversicherungsbeitrag erhoben. Nach § 28 e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat den Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Arbeitgeber zu zahlen. Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und wem die Verfügung über die Arbeitskraft, die Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht. Arbeitgeber kann eine natürliche Person, aber auch eine Personengesellschaft oder eine juristische Person, z.B. die GmbH sein (Hauck, SGB IV, Kommentar, Loseblatt, Stand Oktober 1997, K § 28 e, Rdz. 4 und § 28 a, Rdz. 8). Auch die sogenannte Vor-GmbH kann Arbeitgeber und damit zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet sein. Von einer solchen "Vor-GmbH” spricht man für den Zeitraum zwischen Abschluß des Gesellschaftsvertrages beim Notar und der Eintragung in das Handelsregister, wie dies auf die "C. W. GmbH” zutrifft. Der Arbeitgeber hat der Einzugsstelle einen Beitragsnachweis zu übermitteln (was auch durch Fernkopie oder Datenträger erfolgen kann – § 28 f Abs. 3 SGB IV – n.F.) sowie Lohnunterlagen für jeden Beschäftigten zu führen. Soweit diese Auskunfts-, Melde- und Dokumentationspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt werden, kann die Einzugsstelle Beiträge auch von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (so schon das BSG, Urteile vom 17. Dezember 1985 – 12 RK 30/83 – und vom 6. März 1986 – 12 RK 26/85 – zwischenzeitlich differenziert geregelt in § 28 f Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB IV, eingefügt durch Art. 2 Nr. 10 des II. SGB ÄndG vom 13. Juni 1994, BGBl. I, S. 1229). Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag war an die Krankenkasse als Einzugsstelle, also an die Beklagte, zu zahlen. Sie konnte die Beitragsforderung gemäß § 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV sowohl durch einen auf einzelne Arbeitnehmer und Versicherungszweige bezogenen Bescheid geltend machen (vgl. BSGE 37, 141) als auch aufgrund von abgegebenen Beitragsnachweisen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Juli 1997 – L 4 Kr 1317/96 – in: ZIP 1997, 1651 f.).

Die Beklagte hat anläßlich der Betriebsprüfung am 3. Dezember 1992 die Personen, für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab dem 1. Oktober 1992 durch die neue Firma "C. W. GmbH” (i.Gr.) zu zahlen waren und die Höhe der Gesamtsozialversicherungsbeiträge konkret festgestellt. Diese Beitragsfestsetzung ist vollstreckbar geworden; die Beklagte hat auch zunächst – fruchtlos – versucht, diese Forderungen gegenüber der "GmbH” am Sitz der Gesellschaft und Wohnsitz des Geschäftsführer-Gesellschafters C. W. zu vollstrecken. Der diesem gegenüber zeitgleich mit dem gegenüber dem Kläger erlassene Bescheid vom 28. Januar 1993 ist gegenüber C. W. K auch bestandskräftig geworden.

Damit liegt zwar eine ausreichend bestimmte Beitragsforderung gegenüber der Firma "C. W. GmbH” vor, die als Beitragsschuld dieser Firma als Arbeitgeberin entstanden ist. Eine hinlänglich konkrete, bestimmte Forderung macht die Beklagte aber auch gegenüber dem Kläger als (Mit-)Gesellschafter der Vor-GmbH geltend. Das Bestehen der Beitragspflicht und der Beitragsschuld ist vom Kläger auch weder im Verwaltungs- noch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in Zweifel gezogen worden. Der Kläger wendet sich ausdrücklich nur gegen seine unmittelbare Inanspruchnahme als Gesellschafter der Vor-GmbH.

Anders als das Sozialgericht entschieden hat, kann die Beklagte diese Beitragsforderungen gegenüber der nicht eingetragenen Vor-GmbH mit Haftungsbescheid vom 28. Januar 1993 aber nicht unmittelbar gegenüber dem Kläger geltend machen. Die Haftung des Klägers für Schulden der Vor-GmbH ist auf eine sogenannte "Innenhaftung” beschränkt.

Über die Frage der Art und des Umfangs der Haftung von Gesellschaftern einer Vor-GmbH, deren Eintragung in das Handelsregister scheitert, sind in der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes unterschiedliche Auffassungen vertreten worden. Das BSG hat in zwei Entscheidungen vom 28. Februar 1986 (– 2 RU 21/85 – und – 2 RU 22/85 –) seinerzeit auch in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHZ 65, 378 ff., 381) entschieden, die gesamtschuldnerische Haftung des Gesellschafters einer Vor-GmbH könne nicht auf das Einlagekapital beschränkt sein, und zur Begründung u.a. ausgeführt, daß die Haftungsbegrenzung, wie sie der BGH zum Teil vorgenommen habe, in dessen Rechtsprechung davon abhängig gemacht worden sei, ob für die Gläubiger ein entsprechender Erklärungswille der für die Gesellschaft Handelnden erkennbar gewesen sei, wonach die Gründer nur bis zur Höhe ihrer Einlage sich verpflichten wollten. Diese Rechtsprechung könne nach dieser Auffassung des BSG, genauso wie die zu § 11 Abs. 2 GmbH-Gesetz, nur den rechtsgeschäftlichen Verkehr betreffen, wenn nämlich im Namen der – zukünftigen – Gesellschaft gehandelt werde. Die Haftungsbeschränkung sei deshalb nur insoweit gerechtfertigt, als es um solche rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen gehe. Für Beitragsforderungen, die unabhängig von einem solchen Tun kraft Gesetzes zur Entstehung gelangen, komme es jedoch nicht auf ein rechtsgeschäftlich bestimmtes Gläubigerinteresse an. Deshalb müßten Gesellschafter einer Vor-Gesellschaft für Beitragsforderungen eines Sozialversicherungsträgers als Gesamtschuldner auch unbegrenzt haften.

Diese Rechtsprechung, die das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat der 2. Senat des BSG aufgrund der Anfrage des Vorsitzenden des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß Beschluss vom 31. Mai 1996 (2 S (U) 3/96) nicht aufrechterhalten. Auf Vorlagebeschluß des BAG vom 23. August 1995 (– 10 AZR 908/94 – A – vgl. u.a. NZA 1996, 95 ff.) war ein Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes eingeleitet worden, weil das BAG beabsichtigte, im Falle einer Beitragsschuld für die Sozialkassen des Baugewerbes, die Haftung eines Gründungsgesellschafters auf die Einlage zu beschränken. Nachdem auch der zweite Zivilsenat des BGH (Beschluss vom 4. März 1996 – II ZR 123/94 –; vgl. z.B. NJW 1996, 1210 ff.) eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichthöfe beschlossen hatte, hat der Zweite Senat des BSG auf Anfrage des Gemeinsamen Senats mitgeteilt, daß er an seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 1988 nicht festhalten wolle und sich dem Haftungskonzept im Vorlagebeschluß des Zweiten Zivilsenats des BGH anzuschließen gedenke (Beschluss vom 31. Mai 1996 – 2 S (U) 3/96 – in: KTS 1996, 599 – im übrigen unveröffentlicht). Daraufhin hat auch das Bundesarbeitsgericht entschieden, sich der neueren Rechtsprechung des BGH anzuschließen, weshalb das Verfahren vor dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes für erledigt erklärt worden ist (BAG, Beschluss vom 10. Juli 1996 – 10 AZR 908/94(B), in: NZA 1996, 1101).

Wie im Vorlagebeschluß vom 4. März 1996 angekündigt, hat sodann in seiner Entscheidung vom 27. Januar 1997 (– II ZR 123/94 – vgl. z.B. NJW 1997, 1507 ff.) der zweite Zivilsenat des BGH entschieden, daß die Gesellschafter der Vor-GmbH für Schulden derselben zwar unbeschränkt haften, diese Haftung aber zugleich auf eine sogenannte Innenhaftung beschränkt, und zur Begründung ausgeführt, daß nach allgemeinen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts derjenige, der zusammen mit anderen Geschäfte betreibe, für die daraus entstehenden Verpflichtungen hafte. Die bei der GmbH in § 13 Abs. 2 GmbH-Gesetz vorgesehene Haftungsbeschränkung greife erst dann nur ein, wenn die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen werde. Gemäß § 11 Abs. 1 GmbH-Gesetz bestehe die GmbH vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft als solche nicht.

Der BGH geht in seinem Beschluss vom 26. März 1986 und in dem Urteil vom 27. Januar 1997 auf der Grundlage einer neueren Konzeption der Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH davon aus, daß die Gesellschafter zwar für alle Verbindlichkeiten der Vor-Gesellschaft grundsätzlich unbeschränkt haften. Allerdings soll es sich insoweit um eine Innenhaftung gegenüber der Vor-Gesellschaft selbst, nicht aber um eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gesellschafts-Gläubigern handeln. Diese müssen sich vielmehr an die Vor-GmbH halten und können ggf. deren Ausgleichsansprüche gegen die Gesellschafter pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen.

Diese Entscheidungen haben in Literatur und Rechtsprechung neben Unterstützung auch vielfältigen Widerspruch gefunden (vgl. Raiser/Veil, BB 1996, 1344; Carsten Schmidt, ZIP 1996, 353 ff., 356 ff.; Altmeppen, NJW 1997, 1509 und ders., ZIP 1997, 1653 f. sowie die weiteren Nachweise im Urteil des BAG vom 22. Januar 1997 – 10 AR 908/94 – = NJW 1997, 331 ff. – hier nur bezogen auf den Vorlagebeschluß des BGH – sowie im Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25. Juli 1997 – L 4/Kr 1317/96 – in: ZIP 1997, 1651 f. mit Anmerkung von Altmeppen). Hauptsächlich ist eingewandt worden, daß der BGH insoweit nicht konsequent sei, als er einerseits fordere, jede Ausnahme von der grundsätzlich bestehenden Haftung der Gesellschafter bedürfe der Rechtfertigung und Regelung, andererseits aber ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage gerade eine solche Haftungsbeschränkung wiederum postuliere. Weiter ist eingewandt worden, daß die Abwicklungslast für Verbindlichkeiten der Vor-GmbH, wenn es nicht zur Eintragung ins Handelsregister komme, einseitig den Gläubigern auferlegt werde.

Der Senat schließt sich, wie auch das BAG in seinem Urteil vom 22. Januar 1997 (a.a.O.) und anders als das LSG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 25. Juli 1997 (a.a.O.), dem Haftungskonzept in der neueren Rechtsprechung des für das Gesellschaftsrecht zuständigen Zivilsenats des BGH an. Maßgeblich ist dafür die Erwägung, daß für diese Ausgestaltung des Haftungsrechts der Vor-GmbH auch sachliche Argumente sprechen. Ungeachtet der Tatsache, daß es sich bei den – auch hier von der Beklagten geltend gemachten – Beitragsschulden um Verbindlichkeiten handelt, die nicht durch rechtsgeschäftliches Handeln, sondern Kraft öffentlich-rechtlicher, hoheitlicher Verpflichtung entstanden sind, können die Einzugsstellen, wenn sich die neue Rechtsprechung erst einmal durchgesetzt haben wird, durch eine entsprechende Umstellung ihrer Beitreibungs- und Vollstreckungspraxis unter Umständen doch auf das Vermögen der Gründungs-Gesellschafter "durchgreifen”. Zum anderen hat – worauf auch das BAG (a.a.O.) hingewiesen hat – der BGH offen gelassen, ob nicht in besonders begründeten Fällen, jedenfalls dann, wenn die Einlage nicht erbracht wurde oder aber wenn die Vor-Gesellschaft von Anfang an vermögenslos war, ein "Durchgriff” nach dem Konzept der "Außenhaftung” möglich bleibt.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsgrundsätze des BGH, die sich der Senat zu Eigen macht, konnte die Beklagte zur Überzeugung des Senats die gegenüber der Vor-GmbH begründete Beitragsschuld nicht unmittelbar gegenüber dem Kläger geltend machen. Der Kläger hat – unwiderlegt – dargetan, daß er seine Einlage, wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart, zunächst zur Hälfte in bar und, nach Aufforderung durch den Liquidator bzw. Konkursverwalter, Rechtsanwalt L., den Rest unter Aufrechnung mit einer Forderung für Dienstleistungen gezahlt hat. Dies ist von Rechtsanwalt L. auf Anfrage des Sozialgerichts auch ausdrücklich bestätigt worden. Die Berechtigung der Aufrechnung ist vom Konkursverwalter nicht (mehr) abschließend geprüft worden. Im Hinblick auf die Tatsache, daß der Kläger auch als Steuerberater für die Gesellschaft tätig war, sind sowohl die erhobene Forderung als auch die notwendige Aufrechnungslage als hinreichend substantiiert dargelegt anzusehen.

Entsprechendes gilt für die Frage, ob – ausnahmsweise – doch eine "Außenhaftung” in Betracht kommen könnte. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, daß jedenfalls zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft keine Überschuldung der Vor-GmbH vorgelegen hat. Diese ist erst nach Stellung des Konkursantrags von Seiten der Beklagten offenbar geworden, wobei – mangels Mitwirkung durch den Gesellschafter-Geschäftsführer Ch./K. W. – nach den Feststellungen des Konkursverwalters L. eine ordnungsgemäße Aufstellung der Forderungen und Verbindlichkeiten nicht durchgeführt werden konnte. Allein die Einstellung des Konkursverfahrens gegen Ende des Jahres 1993 "mangels Masse” nach § 204 KO rechtfertigt jedenfalls nicht zwingend den Schluß, daß auch bei der ein Jahr zuvor erfolgten Gesellschaftsgründung bereits eine vollständige Vermögenslosigkeit vorgelegen hat. Aus diesem Grund sieht der Senat auch keine Möglichkeit, hier – in Abweichung von den Grundsätzen der neueren Rechtsprechung des BGH zur Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH – ausnahmsweise von der Zulässigkeit des (unmittelbaren) "Durchgriffs” auszugehen.

Der Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 1993 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1993 sind deshalb rechtswidrig und mußten aufgehoben werden, weshalb auch das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt keinen Bestand haben konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Im Hinblick auf die Tatsache, daß die vom BGH entwickelte Haftungskonzeption umstritten geblieben ist und hierzu noch keine Entscheidung des BSG vorliegt, mißt der Senat der hier zur Entscheidung anstehenden Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, weshalb gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen werden mußte.
Rechtskraft
Aus
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