L 14/1 P 732/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 P 954/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14/1 P 732/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hilfebedarf „rund um die Uhr, auch nachts” im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI liegt vor, wenn im Einzelfall eine Pflegeperson den Pflegebedürftigen auch nachts wegen der Art und Schwere der Erkrankung und des Umfangs des hieraus sich ergebenden Pflegebedarfs nicht allein lassen darf.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. April 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist in der sozialen Pflegeversicherung die Gewährung von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III ab dem 1. April 1995 im Streit.

Die 1926 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten – Pflegekasse –. Es besteht bei ihr der Zustand nach zwei Schlaganfällen mit linksseitiger Hemiparese sowie einer erheblichen Geh- und Stehbewegungseinschränkung. Weiterhin liegen eine Hypertonie, Nierenschäden durch eine chronische Polynephritis und eine psychische Labilität vor.

Die Klägerin lebt im Erdgeschoß eines Zweifamilienwohnhauses. Sie wird von der Zeugin C. gepflegt, die im ersten Stock desselben Hauses wohnt. Die Pflegeperson ist für die Klägerin durch "Rufen” jederzeit erreichbar. Einmal in der Woche wird die Klägerin von den Mitarbeitern einer Pflegeinstitution (Sozialstation) mit einer Sitzvorrichtung geduscht.

Seit dem 1. April 1991 bezog die Klägerin Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit gemäß § 53 ff. (a.F.) des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V –). Mit Einführung der Pflegeversicherung wurde sie ohne gesonderte Antragstellung der Pflegestufe II zugeordnet. Im Dezember 1994 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Pflegeleistungen nach der Stufe III des Elften Buches des Sozialgesetzbuches (Soziale Pflegeversicherung – SGB XI) ab dem 1. April 1995. Die Beklagte ließ die Klägerin durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) in deren häuslicher Umgebung durch Dr. M. begutachten. Dieser Arzt schätzte in seinem Gutachten vom 1. April 1995 den täglichen Zeitaufwand für notwendige Hilfe im Rahmen der Grundpflege (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) mit 135 Minuten ein und stellte eine Pflegebedürftigkeit der Klägerin nach der Pflegestufe II fest. Die Beklagte hörte die Klägerin zu diesem Gutachten an (Anhörungsschreiben vom 28. April 1995) und veranlaßte eine weitere Begutachtung durch den MDK in deren häuslicher Umgebung durch die Pflegefachkraft im MDK R. In diesem zweiten Gutachten vom 14. Juni 1995 wird festgestellt, daß bei der Klägerin ein sehr hoher Pflegebedarf bestehe, jedoch kein nächtlicher Hilfebedarf. Aus diesem Grund seien die Kriterien der Pflegestufe III nicht erfüllt.

Mit Bescheid vom 24. August 1995 lehnte die Beklagte Leistungen der Pflegestufe III aufgrund der Ergebnisse der beiden Gutachten ab. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Pflegestufe III seien in ihrem Fall gegeben. Sie bedürfe in allen Bereichen der Mobilität, der Ernährung und der Körperpflege der Hilfe, und zwar rund um die Uhr, auch nachts. Die Pflegekraft müsse im Notfall ständig erreichbar sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996, dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 15. Mai 1996, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, weder im Erstgutachten vom 1. April 1995 noch im Zweitgutachten vom 14. Juni 1995 seien regelmäßig erforderliche, nächtliche Pflegeeinsätze beschrieben. Schwerstpflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes liege daher bei der Klägerin nicht vor. Vielmehr sei die Einstufung zutreffend in die Pflegestufe II erfolgt.

Die Klägerin hat dagegen die am 7. Juni 1996 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Klage erhoben und geltend gemacht, die Beklagte lege die für eine Zuordnung in die Pflegestufe III erforderliche Voraussetzung der Betreuung "rund um die Uhr, auch nachts” falsch aus. Diese Voraussetzung erfordere nicht, daß die zu pflegende Person regelmäßig nachts aufgesucht werden müsse und tatsächlich Hilfe geleistet werde. Erforderlich sei nur, daß die Pflegeperson für diese Anforderung jederzeit erreichbar sei.

Das Sozialgericht hat einen Befundbericht von der behandelnden Ärztin E. vom 22. August 1996 eingeholt. Weiterhin hat das Sozialgericht von der Pflegeperson der Klägerin, C., ein Pflegetagebuch über den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Mai erstellen lassen und die Pflegeperson im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10. April 1997 zur Pflegebedürftigkeit der Klägerin als Zeugin vernommen.

Mit Urteil vom 10. April 1997 hat das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid der Beklagten vom 28. April 1995 in der Gestalt des Bescheides vom 24. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III ab dem 1. April 1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, der pflegerische Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege betrage täglich mindestens 255 Minuten zuzüglich der Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich, wofür ein Bedarf von mindestens einer Stunde pro Tag anzusetzen sei. Dabei hat das Gericht im einzelnen festgestellt, daß für das Waschen des Körpers und des Gesichts täglich ein Hilfebedarf von 30 Minuten notwendig sei, da die Klägerin morgens und meistens abends am gesamten Körper gewaschen werde, welches schon aufgrund der Inkontinenzproblematik der Klägerin notwendig sei. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin aufgrund ihrer Funktionsstörungen allenfalls in geringem Umfang zur Mithilfe in der Lage sei und eine zeitliche Entlastung für die Pflegekraft nicht eintrete. Für das Duschen hat das Sozialgericht umgerechnet kalendertäglich den zeitlichen Aufwand mit zehn Minuten bewertet unter Berücksichtigung, daß die Klägerin neben dem wöchentlichen regelmäßigen Duschen, das bislang von Mitarbeitern der Sozialstation vorgenommen wurde, nach den glaubhaften Angaben der Zeugin C. wegen der Inkontinenz zusätzlich von dieser geduscht werde. Für die Zahnpflege einschließlich der Reinigung der Prothesen hat das Sozialgericht ebenfalls einen täglichen Zeitaufwand von mindestens zehn Minuten angesetzt. Für das Kämmen (dreimal täglich) hat das Gericht einen täglichen Zeitaufwand von mindestens fünf Minuten angenommen. Für die Darm- und Blasenentleerung einschließlich des An- und Ausziehens, dem Reinigen, dem Entleeren des Toilettenstuhls ohne den jeweiligen Transfer der Klägerin hat das Gericht einen kalendertäglichen Hilfebedarf von mindestens 100 Minuten angenommen, wobei es aufgrund des Pflegetagebuches der Pflegeperson davon ausgegangen ist, daß die Klägerin zehnmal pro Tag zur Ausscheidung auf den Toilettenstuhl gesetzt wird. Dies – so das Sozialgericht – bedeute einschließlich der Begleithandlungen einen Zeitaufwand von mindestens zehn Minuten bei jedem Ausscheidungsvorgang. Im Bereich der Ernährung hat das Sozialgericht einen täglichen notwendigen Zeitaufwand von etwa 30 Minuten angenommen, wobei es davon ausgegangen ist, daß die Klägerin in weitem Umfange Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung benötigt. Sie sei nicht mehr in der Lage, mit Messer und Gabel zu essen und könne weder für feste Mahlzeiten noch für Getränke Vorbereitungshandlungen durchführen. Für das Aufstehen und Zubettgehen hat das Gericht einen Zeitaufwand von täglich mindestens zehn Minuten aufgrund von massiven Einschränkungen in der Mobilität der Klägerin angenommen, die gänzlich außerstande sei, das Bett aufzusuchen bzw. zu verlassen. Für das An- und Auskleiden hat die Kammer den notwendigen täglichen Hilfebedarf auf 30 Minuten geschätzt. Für Transfers der Klägerin in der Wohnung, die den Verrichtungen Gehen und Stehen zuzuordnen sind, hat das Gericht einen täglichen Zeitaufwand von mindestens 30 Minuten für erforderlich gehalten, da die Klägerin praktisch nicht mehr in der Lage sei, zu gehen und zu stehen. Für die hauswirtschaftliche Versorgung sei ein Hilfebedarf von täglich mindestens einer Stunde anzusetzen, da die Klägerin in diesem Bereich keinerlei sinnvolle Tätigkeit mehr vornehmen könne und neben dem üblicherweise anfallenden Aufwand im Rahmen der hauswirtschaftlichen Versorgung der erhöhte Wäschebedarf zu berücksichtigen sei, zumal aufgrund nächtlicher Inkontinenz Wäsche und Bettwäsche besonders häufig gewechselt werden müßten. Für die Schätzung des zeitlichen Hilfebedarfs hat sich das Gericht auf den Befundbericht der Ärztin E. die Zeugenaussage der Pflegeperson C. sowie auf deren Pflegetagebuch und auf die Feststellungen der MDK-Gutachter Dr. M. und P. gestützt. Das Gericht hat eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Klägerin bejaht und ausgeführt, daß die Klägerin regelmäßiger Hilfe auch nachts bedürfe. Der Begriff der Nacht, deren Beginn und Ende, sei individuell nach den Schlafgewohnheiten des Pflegebedürftigen zu bestimmen. Vorliegend beginne die Nachtruhe der Klägerin üblicherweise um 22:30 Uhr und ende um sechs Uhr morgens. In dieser Zeit sei nach dem Pflegetagebuch in zwölf Fällen ein konkreter Hilfebedarf aufgetreten, wenn die Klägerin nochmals auf den Nachtstuhl gesetzt worden oder eine Inkontinenz aufgetreten sei. Hiergegen könne nicht eingewandt werden, daß man die Klägerin im Zweifel durchschlafen lassen könnte, so daß ein Hilfebedarf nicht auftreten würde. Die Zeugin C. habe dazu glaubhaft ausgeführt, daß die Vorlagen und Windeln in solchen Fällen noch häufiger nicht dicht halten würden und die Klägerin dann in ihrem eigenen Urin oder Kot bzw. in nasser Körper- oder Bettwäsche liegen würde. Wenn aber pro Woche ein Hilfebedarf von zwei- bis dreimal pro Nacht anfalle, sei von einer regelmäßigen Rund-um-die-Uhr-Versorgung auszugehen.

Gegen dieses ihr mit Empfangsbekenntnis am 26. Mai 1997 zugestellte Urteil des Sozialgerichts vom 10. April 1997 hat die Beklagte per Telefax am 5. Juni 1997 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt und vorgetragen, das Sozialgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines regelmäßigen nächtlichen Hilfebedarfs der Klägerin bejaht. Von regelmäßig notwendiger Hilfe nachts sei erst dann auszugehen, wenn der beschriebene Hilfebedarf jedenfalls jede zweite Nacht und oftmals jede Nacht anfalle. Aus dem Pflegetagebuch der Pflegeperson der Klägerin ergebe sich indes, daß die Klägerin während des Berichtzeitraumes Mai 1996 in vier Zeitabschnitten von jeweils drei bis zu fünf Nächten hintereinander nicht auf die Benutzung des Toilettenstuhles angewiesen gewesen sei. Unabhängig davon werde aus dem Pflegetagebuch nicht ausreichend deutlich, ob die Klägerin nachts auf ein entsprechendes Bedürfnis hin auf den Toilettenstuhl verbracht worden oder dies lediglich zur Vermeidung späteren Einnässens geschehen sei. Auch aus der Vernehmung der Pflegeperson C. als Zeugin ergebe sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Darmstadt keine Rund-um-die-Uhr-Pflege. Das Pflegetagebuch schildere für die Nächte, in denen die Klägerin von der Pflegeperson nicht auf den Toilettenstuhl gesetzt werde, daß sie durchschlafe. Von einem zusätzlichen inkontinenzbedingten Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege sei nicht die Rede. Insoweit sei anzunehmen, daß ein zusätzlicher nächtlicher Pflegebedarf nicht bestehe. Aus der Gesetzesbegründung zu Artikel 1 § 13 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfes zum Pflegeversicherungsgesetz ergebe sich, daß für die Zuordnung zu der Pflegestufe III erforderlich sei, daß der Hilfebedarf regelmäßig auch in der Nacht bestehe, wobei mindestens jede zweite Nacht Hilfeleistungen nachweisbar erbracht worden sein müßten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. April 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt für zutreffend und macht geltend, der Gesetzgeber wolle mit der Formulierung der Rund-um-die-Uhr-Pflege, auch nachts, dem Faktor der Länge der Pflegezeit noch den Faktor der Anwesenheitsverpflichtung und der damit verbundenen Belastung hinzufügen. Dadurch solle der Tatsache Rechnung getragen werden, daß eine erhebliche Belastung daraus resultiere, daß die Pflege in diesen Fällen nicht auf bestimmte Tageszeiten und damit planbar gestaltet werden könnte. Die Formulierung "auch nachts” könne nicht bedeuten, daß regelmäßig mindestens jede zweite Nacht Hilfebedarf bestehen müsse. Dann hätte die Formulierung im Gesetz beispielsweise "regelmäßig nachts” lauten müssen. Die Formulierung "auch nachts” könne im Zusammenhang mit der Formulierung "täglich rund um die Uhr” nur so verstanden werden, daß Hilfebedarf auch nachts bestehe und es der Pflegeperson in diesem Fall möglich sein muß zu helfen. Mit der Formulierung "auch nachts” werde der Tatsache Rechnung getragen, daß insbesondere auch die Möglichkeit der nächtlichen Anforderung eine erhebliche Belastung der Pflegeperson darstelle. Die Klägerin benötige die ständige Betreuung; sie könne nicht alleine bleiben; es müsse Tag und Nacht jemand erreichbar sein, um in den häufig auftretenden Notlagen zu helfen.

Für den Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 10. April 1997 mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin C. sowie auf das von der Zeugin C. angefertigte Pflegetagebuch in der Anlage zur Gerichtsakte. Weiterhin wird verwiesen auf die Aktenvorgänge der Beklagten, die zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Das Sozialgericht Darmstadt hat zutreffend entschieden, daß der Klägerin Leistungen für häusliche Pflege nach dem Pflegeversicherungsgesetz (§§ 36, 37, 38 SGB XI) nach der Pflegestufe III zu gewähren sind. Die Klägerin gehört zu den Pflegebedürftigen der Pflegestufe III (§ 14, § 15 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 SGB XI).

Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßigen wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Nach § 14 Abs. 4 SGB XI sind dabei gewöhnliche und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen im Sinne des Abs. 1 der Vorschrift im Bereich der Körperpflege das Waschen, Duschen, Baden, die Zahnpflege, das Kämmen, Rasieren, die Darm- oder Blasenentleerung (Nr. 1), im Bereich der Ernährung das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung (Nr. 2) sowie im Bereich der Mobilität das selbständige Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen oder das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Nr. 3). Neben diesen drei Bereichen der sogenannten Grundpflege gehören zu den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung oder Beheizen (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI). Für die Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege nach den §§ 36, 37, 38 sind pflegebedürftige Personen im Sinne des § 14 SGB XI einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Dabei unterscheidet § 15 SGB XI Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI) sowie Pflegebedürftige der Pflegestufe II (Schwerpflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB XI) und Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige), die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI).

Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (1. SGB XI – Änderungsgesetz) vom 14. Juni 1996 (BGBl. I, Seite 830) sind nunmehr auch Zeitparameter für die Zuordnung zu den unterschiedlichen Stufen der Pflegebedürftigkeit aufgestellt worden, wobei die Zeitvorgaben in § 15 Abs. 3 SGB XI in der Fassung durch das 1. SGB XI-Änderungsgesetz den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vom 7. November 1994 (siehe dort Ziff. 4.1) entnommen wurden. Nach § 15 Abs. 3 SGB XI n.F. muß der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen, wobei auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI), in der Pflegestufe II mindestens drei Stunden betragen mit einem Anteil der Grundpflege von mindestens zwei Stunden (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI) und in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen mit einem Anteil der Grundpflege von mindestens vier Stunden (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI).

Der Zeitaufwand, der für die Pflege der Klägerin erforderlich ist, erfüllt den für eine Zuordnung in die Pflegestufe III nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI geforderten Mindestaufwand. Das Sozialgericht hat insoweit zutreffend festgestellt, daß der pflegerische Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege täglich mindestens 255 Minuten beträgt, zuzüglich der Hilfe im hauswirtschaftlichen Bereich, wofür ein Bedarf von mindestens einer Stunde anzusetzen sei. Diese durch das Sozialgericht vorgenommene Schätzung des erforderlichen zeitlichen Pflegebedarfs, die entsprechend den Rechtsgedanken der §§ 286 und 287 der Zivilprozeßordnung – ZPO – von den Gerichten vorzunehmen ist (vgl. dazu LSG Mainz, Beschluss vom 3. September 1997 – L 5 P 12/96; Wilde in Hauck/Wilde, Sozialgesetzbuch, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, Stand: 1. August 1997, § 15 Rdnr. 20), ist unter Zugrundelegung von nachvollziehbaren, sachgerechten Kriterien erfolgt. Das Sozialgericht hat sämtliche in Betracht kommenden Bewertungsgrundlagen ermittelt und sowohl die Gutachten der MDK-Gutachter Dr. M. und F. als auch die Zeugenaussage der Pflegeperson C. sowie das von dieser angefertigte Pflegetagebuch ausführlich und zutreffend gewürdigt. Der Senat sieht daher aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab und nimmt bezüglich der Schätzung des zeitlichen Aufwandes der Pflege Bezug auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts.

Die Beteiligten streiten vorliegend auch nicht (mehr) darüber, ob der zeitliche Mindestaufwand der Pflege für eine Zuordnung zur Pflegestufe III nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllt ist. Streitig ist indessen, ob die in § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI genannte Voraussetzung des Hilfebedarfs "rund um die Uhr, auch nachts” vorliegt. Nach Auffassung des Senats erfüllt der hier vorliegende Hilfebedarf auch diese gesetzliche Voraussetzung.

In § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI selbst ist nicht definiert, wann die Voraussetzung "rund um die Uhr, auch nachts” anzunehmen ist. In der betreffenden Vorschrift ist weder erläutert, wann der Begriff der Nacht erfüllt ist, das heißt, wann die Nachtpflege beginnt und endet, noch enthält die Vorschrift Vorgaben, ob in dieser Zeit überhaupt Hilfebedarf anfallen muß oder aber bereits die Möglichkeit eines Hilfebedarfs ausreichend sein kann. Ungeklärt ist zudem, ob sich der erforderliche Hilfebedarf einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI genannten Verrichtungen zuordnen lassen muß.

Die Begutachtungsanleitung "Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI” des MDK vom 29. Mai 1995, gültig bis zum 31. Mai 1997 (siehe dort 1.4) und die diese ersetzenden Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien) vom 21. März 1997 (in Kraft seit dem 1. Juni 1997) sehen eine generelle Zeitbegrenzung der Nacht auf die Zeit von 22:00 bis 6:00 Uhr vor. Zudem bestimmen die Begutachtungsrichtlinien (siehe D 1.4), daß eine Rund-um-die-Uhr-Pflege nur bei einem nächtlichen Grundpflegebedarf anzunehmen ist, bei dem eine oder mehrere Verrichtungen jede Nacht anfällt/anfallen, die die Nachtruhe der/des Pflegenden unterbricht/unterbrechen oder unterbrechen würde (bei defizitärer Pflege oder Nachtwache). Nach den Begutachtungsrichtlinien kann im Rahmen dieser Regel ausnahmsweise nächtlicher Grundpflegebedarf auch dann anerkannt werden, wenn in den letzten vier Wochen einmal oder höchstens zweimal in der Woche nächtliche Hilfeleistungen nicht anfielen und Hilfebedarf mindestens in diesem Umfang voraussichtlich auf Dauer bestehen wird.

Nach Auffassung des Senats ist weder die generelle Zeitbegrenzung hinsichtlich des Begriffs "Nacht” in der Begutachtungsanleitung und in den Begutachtungsrichtlinien zutreffend noch ist der Auslegung des Begriffs der Rund-um-die-Uhr-Pflege – den Anforderungen an den nächtlichen Hilfebedarf – in den Begutachtungsrichtlinien zu folgen.

Es kann dabei dahinstehen, ob die Begutachtungsrichtlinien in einem Fall wie dem vorliegenden – auch rückwirkend – als Maßstab überhaupt herangezogen werden können, in dem der Antrag auf die Leistungen sowie die (ablehnenden) Bescheide vor ihrem Inkrafttreten am 1. Juni 1997 erfolgt sind. Eine Bindung des Senats bzw. der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit besteht jedenfalls weder an die Begutachtungsrichtlinien noch an die Begutachtungsanleitung. Bei der Begutachtungsanleitung (Richtlinien nach § 282 Satz 3 SGB V) handelt es sich nur um eine Arbeitshilfe für die Ärzte des MDK (SG Speyer, Urteil vom 9. April 1996 – S 3 P 23/95 in: Breithaupt 1996, S. 521). Die Begutachtungsrichtlinien, die von den Spitzenverbänden der Pflegekassen aufgrund der §§ 17, 53 a Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB XI i.V.m. § 213 SGB V beschlossen wurden, besitzen zwar eine höhere Rechtsqualität als die Begutachtungsanleitung; die Richtlinien bedurften der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung sowie des Bundesministeriums für Gesundheit. Auch bei diesen Richtlinien handelt es sich aber nur um allgemeine Verwaltungsvorschriften, die keinen Rechtsnormcharakter haben (anders als die Rechtsverordnung nach § 16 SGB XI; siehe zur Rechtsqualität der Richtlinien: Trenk-Hinterberger, in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, Kommentar, 1997, § 17 Rdnr. 5 ff.; Wilde in Hauck/Wilde a.a.O. § 17 Rdnr. 4 ff.). § 17 SGB XI verleiht den Spitzenverbänden der Pflegekassen keine Rechtssetzungsmacht kraft Autonomie. Eine solche Ermächtigung enthält auch § 53 a SGB XI nicht, der mit dem Ersten SGB XI – Änderungsgesetz in Ergänzung der Richtlinienkompetenz nach § 17 SGB XI aufgenommen wurde mit der Zielsetzung, bundesweit eine Begutachtung nach einheitlichen Kriterien zu gewährleisten. Verbindlich sind die Begutachtungsrichtlinien somit als verwaltungsinterne Gesetzeskonkretisierung zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen nur für die Pflegekassen und den MDK. Sie sind jedoch nicht geeignet, den im Gesetz gewährleisteten Rechtsanspruch des Versicherten einzuschränken. Die Gerichte haben die auf den Richtlinien nach § 17 SGB XI (und § 53 a SGB XI) beruhenden Bescheide uneingeschränkt auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gesetz und ihre sachliche Vertretbarkeit zu überprüfen (so schon SG Speyer a.a.O., zur "Bindung” an die Pflegebedürftigkeitsrichtlinien und Lachwitz, Probleme bei den Feststellungen von Pflegebedürftigkeit (SGB XI), MED SACH 1997, Seite 51; Udsching, Rechtsfragen bei der Bemessung des Pflegebedarfs, VSSR 1996, Seite 274; BSGE 73, 146, 150 ff. zu den Schwerpflegebedürftigkeitsrichtlinien zu § 53 Abs. 1 SGB V a.F.).

Nach Auffassung des Senats hat das Sozialgericht in den Gründen zutreffend bei dem Begriff der Nacht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI nicht auf eine generelle Zeitbegrenzung, sondern auf die Schlafgewohnheiten der Klägerin abgestellt. Das in § 2 SGB XI normierte Selbstbestimmungsrecht gibt zu erkennen, daß nach den Zielsetzungen des SGB XI die individuellen Bedürfnisse des Pflegebedürftigen maßgeblich sind (Sattler, Pflegebedarf in der Nacht, SGb 1996, Seiten 530, 531). So wird auch das Tatbestandsmerkmal des zeitlichen Umfangs der Hilfe bei der Grundpflege, das für die Abgrenzung der Pflegestufen wesentlich ist, von den individuellen Bedürfnissen und Gewohnheiten des Pflegebedürftigen bestimmt. Beim mobilen Pflegebedürftigen ist daher als Schnittpunkt beider Tageszeiten regelmäßig das Aufstehen und Zu-Bett-Gehen anzusehen. Bei Bettlägerigen, auf Pflege angewiesene Personen, ist auf die zur Vorbereitung auf den Tag oder die Nacht typischen Pflegemaßnahmen (z.B. die Abend- oder Morgentoilette) abzustellen (Sattler a.a.O.; Thüringer LSG, Beschluss vom 30. Januar 1997 – L 3 B 27/96). Im vorliegenden Fall beginnt die Nachtruhe der Klägerin nach den Angaben im Pflegetagebuch um 22:30 Uhr, wenn die Klägerin von der Pflegeperson, der Zeugin zu Bett gebracht wird und endet um 6:00 Uhr morgens, wenn die Klägerin von der Pflegeperson auf die Toilette gesetzt wird.

Der während dieser Zeit der üblichen Nachtruhe der Klägerin anfallende Hilfebedarf erfüllt nach Auffassung des Senats die in § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI für die Pflegestufe III geforderte Voraussetzung des Hilfebedarfs "rund um die Uhr, auch nachts”. Die Definition der Versorgung rund um die Uhr in den Begutachtungsrichtlinien, wonach ein konkreter Hilfebedarf nachts mindestens fünf- bis sechsmal in der Woche erforderlich sein soll, hält der Senat für zu restriktiv. Bei einer solchen Auslegung kommt der Rund-um-die-Uhr-Pflege der Pflegestufe III – insbesondere bei häuslicher Pflege – kaum noch nennenswerte Bedeutung zu, obgleich § 3 SGB XI gerade den Vorrang der häuslichen Pflege fordert. Denn in diesem Falle, d.h. ohne die Möglichkeit der Nachtruhe der Pflegeperson, wäre regelmäßig die Pflege durch eine Pflegeperson nicht möglich und es müßten mehrere Pflegepersonen tätig werden (siehe auch Dalichau, Grüner, Müller-Alten, Sozialgesetzbuch, Elftes Buch, Stand: 1. Dezember 1997, Band I, § 15 Anm. 3, Seite 219). Die Tatsache, daß auch ein Pflegebedürftiger nachts aufgrund des natürlichen Lebensrhythmusses schläft, spricht dafür, an den nächtlichen Hilfebedarf keine übertriebenen Anforderungen zu stellen (Wilde in Hauck/Wilde a.a.O. § 15 Rdnr. 14). Kennzeichnend für die Pflegestufe III ist nach Auffassung des Senats ein so hoher Pflegebedarf, daß die ununterbrochene Bereitschaft der Pflegeperson zur Hilfeleistung erforderlich ist, und zwar in etwa vergleichbar dem Bereitschaftsdienst des Pflegepersonals zur Hilfeleistung auf einer Intensivstation im Krankenhaus, das nicht fortlaufend die Wache am Bett übernimmt. Diese Auslegung der Rund-um-die-Uhr-Pflege deckt sich sowohl mit der Systematik der Vorschriften des Pflegeversicherungsgesetzes als auch mit den Gesetzesmaterialien.

§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI ist im Zusammenhang mit § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI zu sehen. Das Erfordernis der fünfstündigen Mindestpflegezeit nach § 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI verdeutlicht aber, daß der konkrete Pflegebedarf nicht ununterbrochen bestehen muß, sondern lediglich zu bestimmten Zeiten, dies jedoch kontinuierlich über den ganzen Tag ("rund um die Uhr”).

Auch eine Abgrenzung des Pflegefalles der Pflegestufe III, der Schwerstpflegebedürftigkeit, von der Feststellung eines Härtefalles (im Sinne von § 36 Abs. 4, § 43 Abs. 3 SGB XI) spricht dafür, bei der Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III bereits die Möglichkeit eines nächtlichen Hilfebedarfes ausreichend sein zu lassen (Sattler a.a.O., Seite 531). Die Feststellung eines Härtefalles, der sich graduell, d.h. quantitativ von der Schwerstpflegebedürftigkeit unterscheidet, verlangt nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 36 Abs. 4, § 43 Abs. 3 SGB XI), daß ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand vorliegt, der das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt. Hier reicht ein fiktiver Bedarf zur Begründung der Anspruchsvoraussetzungen nicht aus. Der Pflegebedarf muß bei einem Härtefall tatsächlich in außergewöhnlichem Ausmaß gegeben sein; nach § 36 Abs. 4 SGB XI "beispielsweise wenn im Endstadium von Krebserkrankungen regelmäßig mehrfach auch in der Nacht Hilfe geleistet wird.”

Das Verständnis der Rund-um-die-Uhr-Pflege im Sinne der Notwendigkeit einer ununterbrochenen Bereitschaft der Pflegeperson zur Hilfeleistung entspricht auch im wesentlichen dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Dort heißt es zur Pflegestufe III (BT-Drucksache 12/5262, Seite 98, zu Nr. 3 zu § 13 des Entwurfs zum Pflegeversicherungsgesetz): "Der Hilfebedarf besteht regelmäßig auch in der Nacht. Die Zuordnung erfolgt auch dann, wenn eine ununterbrochene Bereitschaft der Pflegeperson zur Hilfeleistung erforderlich ist.”

"Erforderlich” ist dabei nach Auffassung des Senats die ununterbrochene Bereitschaft, wenn eine verantwortungsbewußte Pflegeperson den Pflegebedürftigen nachts wegen des zu erwartenden Pflegebedarfs nicht allein lassen kann (so Sattler a.a.O., Seite 532; Dalichau, Grüner, Müller-Alten a.a.O.). Dies hängt wiederum von der Art des in der Nacht anfallenden Hilfebedarfs ab als auch davon, ob tatsächlich aufgrund der bisherigen Pflege von einem regelmäßigen – und nicht nur seltenen oder gelegentlichen – nächtlichen Hilfebedarf ausgegangen werden kann.

Die Klägerin hat in diesem Sinne Hilfebedarf auch nachts. Im Vordergrund steht bei der Pflege der Klägerin ihre Inkontinenzproblematik, die auch tagsüber den Schwerpunkt der Pflege bildet. Diese Inkontinenzproblematik erfordert eine ununterbrochene Bereitschaft der Pflegeperson zur nächtlichen Hilfeleistung, d.h. während der hier üblichen Nachtruhe der Klägerin (von 22:30 Uhr bis 6:00 Uhr). Nach den Angaben im Pflegebericht fiel in den Dokumentationszeitraum vom 1. bis zum 31. Mai 1996 Hilfebedarf bei der Klägerin in drei Fällen nachts an (und zwar am 4. Mai, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai und in der Nacht vom 12. auf den 13. Mai 1996), indem die Klägerin sich durch Klopfen bzw. Rufen bei der Pflegeperson bemerkbar machte, um auf die Toilette gebracht zu werden. In einem dieser Fälle (in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai) fand die Pflegeperson die Klägerin vor dem Bett liegend vor, das Bettlaken war naß. In weiteren neun Nächten leistete die Pflegeperson der Klägerin Hilfe, indem sie diese von sich aus auf den Nachtstuhl setzte. Bei diesen nächtlichen Hilfeleistungen handelte es sich nicht um durch die Pflegeperson aufgedrängten Hilfebedarf, der nicht erforderlich ist und daher nicht zu berücksichtigen wäre. Die Pflegeperson, die Zeugin C. hat in den genannten Fällen vielmehr so gehandelt, wie dies von einer verantwortungsbewußten Pflegeperson erwartet werden muß. Nach den glaubhaften Angaben der Zeugin C. sowohl in der Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht Darmstadt am 10. April 1997 als auch in ihrem einleitenden Schreiben zum Pflegebericht an die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin vom 24. Juli 1996 würden ohne diese nächtlichen Hilfeleistungen die Inkontinenzvorlagen noch öfter durchgeweicht sein und die Klägerin in nasser Körper- oder Bettwäsche liegen. Aus diesem Grund geht die Zeugin C. auch jeden Abend in der Zeit zwischen 23:30 und 24:00 Uhr (nach dem Pflegetagebuch im Dokumentationszeitraum mit Ausnahme von drei Nächten) noch einmal zu der Klägerin, um sie auf den Nachtstuhl zu setzen. Nach den Angaben der Zeugin unterläßt sie dies nur dann, wenn die Klägerin fest schläft. Schon diese "Kontrollmaßnahme” könnte man als Hilfebedarf ansehen, da sie nach den glaubhaften Angaben der Zeugin wegen der Inkontinenz der Klägerin und den Erfahrungen mit der Pflege in der Vergangenheit erforderlich ist. Der hier notwendige Hilfebedarf erfüllt jedenfalls die Voraussetzungen der Versorgung "rund um die Uhr, auch nachts” im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, da die Voraussetzung der "Rund-um-die-Uhr-Pflege”, die für die Zuordnung zur Pflegestufe III maßgeblich ist, im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Rechtskraft
Aus
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