Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 3567/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehnsweisen Übernahme von Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung im Rahmen des Besuchs der Heimsonderschule P. W.
Der 1990 geborene Antragsteller war von klein auf sprachgestört. Er litt an multiplem Stammeln, unverständlicher Sprache, Dysgrammatismus und den hieraus resultierenden Lernschwierigkeiten. Nach einer Untersuchung durch die Pädauiologische Beratungsstelle R. im März 1997 und einer Standortbestimmung durch das Staatliche Schulamt S. kam der Antragsteller von der Regelschule in die Heimsonderschule für Hör- und Sprachbehinderte Kinder in W ... Die genaue Ursache der Sprachbehinderung wurde nicht festgestellt.
Der Antragsteller stellte mit Vordruck vom 26.03.2007 den Antrag auf Eingliederungshilfe für Behinderte. Die Aufnahmebereitschaft der P. W. liege vor. Außerdem übergab er einen Abschlussbericht des Hör-Sprachzentrums W. vom 15.02.2007. Danach erledige er die ihm aufgetragenen Arbeiten und Aufgaben schnell, ordentlich, präzise und gewissenhaft. Er habe sich während der Schulzeit in der Einrichtung positiv entwickelt. Sprachauffälligkeiten könnten kaum herausgehört werden. Einzig, wenn er nervös sei, falle er kurzzeitig in sein altes Sprachmuster zurück. Er besitze einen außergewöhnlich großen Wortschatz und könne teilweise zu jedem Wort direkt auf zwei bis drei Synonyme verweisen. Texte schreibe er flüssig mit wenigen Fehlern in Grammatik und Rechtschreibung. Er erlese und verstehe Texte ohne Probleme.
Mit Schreiben vom 18.07.2007 teilte die P. W. dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller eine vorläufige Zusage erhalten habe. Bis Ende Juli werde mitgeteilt, ob der Antragsteller die Aufnahmevoraussetzungen erfülle.
Am 02.08.2007 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die dreijährige Berufssonderfachschule in der P. W ... Der Antragsteller erzielte gemäß dem vorgelegten Abschlusszeugnis der Schule Hör-Sprachzentrum W. im Fach Deutsch die Note "gut". Am Englischkurs habe er teilgenommen und die Note befriedigend erzielt.
Am 20.08.2007 wurde der Antragsteller von Dr. L., Fachbereich Gesundheit, untersucht. Diese diagnostizierte Poltern und gelegentlich Dyslalie in Stresssituationen und bei Unsicherheiten. Beim Antragsteller liege eine Sprachbehinderung vor. Die Ärztin kreuzte weder an, dass eine wesentliche Behinderung noch dass eine andere Behinderung vorliege. Zwar bestehe eine Sprachbehinderung in Stress- und Unsicherheitssituationen, jedoch nicht mehr in für den Antragsteller alltäglichen Situationen, so dass hier keine wesentliche Behinderung erkennbar sei. Der Antragsteller wolle den Realschulabschluss machen und Koch werden, was ihm sicher in der P W. besser gelinge als in der Regelschule. Eine vollstationäre Unterbringung in der P. W. könne zudem seine Selbständigkeit und Selbstsicherheit fördern. Die Ärztin kreuzte Hilfebedarfsgruppe 1 an. Ergänzend gab die Ärztin an, dass, auch wenn keine wesentliche Behinderung vorliege, die Sprachprobleme des Antragstellers durchaus Grund genug seien, sich für einen vollstationären Aufenthalt in der P. W. auszusprechen.
Zum 10.09.2007 wurde der Antragsteller vorläufig in die Berufsfachschule für Gehörlose, Schwerhörige und Sprachbehinderte P. W. aufgenommen.
Mit Schreiben vom 14.09.2007 teilte das Hör- und Sprachzentrum W. dem Antragsgegner mit, wie schon im Februar beschrieben, habe sich die Sprachstörung des Antragstellers im Laufe der Schulzeit wesentlich verbessert. Momentan bestünden noch Probleme in der Rechtschreibung (Groß- und Kleinschreibung). Der Antragsteller habe noch Schwierigkeiten, selbständig Texte zu verfassen. Diese seien noch sehr eintönig und monoton. Auf grammatikalischer Ebene bereiteten ihm der Satzbau und die Bildung von Nebensatzkonstruktionen Schwierigkeiten. Der Antragsteller spreche und lese sehr schnell und überhastet und verschlucke oft Endungen. Dies geschehe vor allem dann, wenn er in Stress gerate. Eine Aufnahme in die eigene Realschule in A. sei nicht möglich, da dort bereits ab der 5. Klasse Englisch unterrichtet und in einem Jahr auf Realschulniveau geprüft werde. Dies stelle für den Antragsteller eine zu große Hürde dar. Der Antragsteller wolle Koch werden. Die Agentur für Arbeit habe ihm bescheinigt, dass dies realistisch sei und er gute Voraussetzunge dafür mitbringe. Dafür benötige er aber einen Realschulabschluss. Diesen möchte der Antragsteller in der P. W. erwerben.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 18.09.2007 eine Kostenübernahme ab. Beim Antragsteller lägen keine wesentlichen Einschränkungen der Teilhabefähigkeit vor.
Mit Schreiben vom 04.10.2007 teilte die P. W. dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, der Antragsteller wirke von seiner Persönlichkeitsstruktur zunächst, auch bedingt durch seine Größe, stabil und selbstbewusst. Ihm fehle es jedoch an Sicherheit im Auftreten. Sein Selbstwertgefühl sei nicht sehr ausgeprägt. Seine auditive Aufmerksamkeit, im Sinne einer Fähigkeit sich auf wechselnde Sprachangebote einzustellen, sei teilweise beeinträchtigt. Ebenso sei es mit dem auditiven Gedächtnis. Er sei oftmals nicht in der Lage, die sprachlichen Informationen in ausreichendem Maße für eine Weiterverarbeitung zu speichern. Trotzdem verfüge er über das Potential, die Fachschulreife zu erreichen. Die Hilfe, die der Antragsteller benötige, liege zwar einerseits in der Förderung im sprachlichen Bereich, jedoch sei sie ebenfalls im seelisch-psychischen Bereich anzusiedeln. Es bestehe die Gefahr einer Überforderung bei einer Beschulung in einer Regelschule.
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 17.10.2007, eingegangen am 18.10.2007, Widerspruch. Er sei einerseits in der Lage, einen Berufsfachschulabschluss mit Fachhochschulreife zu erlangen, der ihm insbesondere auch die notwendigen Einstiegschancen in eine berufliche Ausbildung ermögliche. Er benötige hierfür aber andererseits die schulische Förderung einer Sonderberufsfachschule.
Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007 zurück. Beim Antragsteller sei eine gelegentliche Dyslalie in Stresssituationen und bei Unsicherheiten sowie ein Poltern diagnostiziert worden. Dies stelle jedoch keine wesentliche Behinderung dar. Die ärztlichen Feststellungen deckten sich mit dem Bericht des Hör- und Sprachzentrum W. vom 15.02.2007. Auch habe der Antragsteller einen sehr guten Hauptschulabschluss erlangen können. Eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit liege nicht mehr vor.
Mit Schreiben vom 24.12.2007, eingegangen am 27.12.2007, stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim Sozialgericht Konstanz.
Der Antragsteller erklärte, er leide an einer multiplen Behinderung, die ihm vor allem erschwerte, Gehörtes zu speichern und zu verarbeiten. Dies führe einerseits zu einer sehr ausgeprägten Sprechbehinderung, andererseits aber auch zu allgemeinen Sprach- und Textverarbeitungsproblemen. Die Behinderung sei insoweit ausgeglichen, als die Sprechstörung habe weitgehend überwunden werden können. Dies ändere jedoch nichts an der Ausgangsbehinderung. Auch heute noch habe er bei Gesprochenem Verarbeitungsstörungen, vor allem, wenn es sich um größere Gruppen oder Unterricht in größeren Klassen handle. Er gerate dann in Stress und sei nicht in der Lage, dem Kommunikationsfluss zu folgen, mit der Folge, dass wieder Sprechstörungen aufträten. Um den Realschulabschluss zu erreichen benötige er die Betreuung und Förderung in einer speziellen Berufsfachschule für kommunikationsbehinderte Schüler, wie sie die Heimsonderberufsfachschule der P. biete. Er glaube nicht, dass er in einer allgemeinen Schule und einer allgemeinen Berufsschule mit größeren Gruppen weiterkäme. Dort werde er "untergehen". Auch habe die Agentur für Arbeit mitgeteilt, dass er einen Berufsfachschulabschluss benötige, um auf dem freien Markt die Ausbildung als Koch absolvieren zu können. Dort würden inzwischen qualifizierte schulische Vorkenntnisse erlangt. Er sei jedoch sicher, dass er den Berufsschulabschluss von seinen Leistungen her schaffen könne. Ein Besuch der Berufssonderfachschule sei die geeignete und notwendige Maßnahme, um seine schulische Entwicklung weiter zu fördern und zu entwickeln. Dort würde in einem dreijährigen, statt wie sonst zweijährigem Zug mit Kleingruppenklassen und einer an der jeweiligen Behinderung ausgerichteten Förderung bestehende Bildungsrückstände ausgeglichen. Der Antragsgegner bestreite den dargestellten Sachverhalt nicht. Er stelle jedoch darauf ab, das Sprachauffälligkeiten "kaum noch herausgehört" werden könnten. Er beschäftigte sich jedoch nicht mit der Lern- bzw. Sprachaufnahmeproblematik. Behinderte Menschen hätten einen Anspruch, zumindest im pflichtgemäßen Ermessen, auf diejenigen Leistungen, die notwendig seien, um die Teilhabe am sozialen Leben entsprechend ihren persönlichen Fähigkeiten und Wünschen angemessen verwirklichen zu können. Außerdem habe auch die amtsärztliche Begutachtung ergeben, dass eine Sprachbehinderung in Stress- und Unsicherheitssituationen vorliege. Auch habe der Amtsarzt die P. für besser geeignet gehalten. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich bislang in einem vergleichsweise beschützten Rahmen aufgehalten habe. Deshalb entstünden in einer Regelrealschule auch soziale Probleme, da er in seiner sozialen Verselbständigung verzögert sei. Auch die P. habe auf die Notwendigkeit einer dortigen Beschulung hingewiesen. Die P. habe schon gedroht, dass ein Abbruch der Maßnahme aus finanziellen Gründen drohe. Nur in der P. könne er den Realschulabschluss machen, der Voraussetzung für die Ausbildung zum Koch sei. Er wolle nicht nur einfach "Koch" werden, sondern im Küchen- bzw. Hotelgewerbe eine Position erreichen, die seinen Fähigkeiten entspreche. Dabei stehe er sowohl auf dem Ausbildungs- wie auch auf dem Berufsmarkt anders da, wenn er einen Realschulabschluss vorweisen könne. Herr S. von der Heimsonderschule P. W. habe darauf hingewiesen, dass mit einem ordentlichen Realschulabschluss zu rechnen sei. Dies werde auch durch das Halbjahreszeugnis bestätigt. Wegen der Hörbehinderung befinde er sich seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Jedoch liege dem Gericht ja das amtsärztliche Gutachten vor. Auch die Agentur für Arbeit halte eine Ausbildung an der dreijährigen Sonderberufsfachschule für notwendig. Eine zweijährige "normale" Sonderberufsfachschule sei aufgrund der Defizite in Englisch nicht ausreichend. Das Sozialgericht Stuttgart habe in seinem Beschluss in einem vergleichbaren Fall richtigerweise darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die mutmaßliche Rechtswidrigkeit der Bescheide und der sonst in Frage kommenden Ermessenskriterien sich das Ermessen möglicherweise auf Null reduziert habe. In einem derartigen Fall müsse im Rahmen einer vorläufigen Interessenabwägung das Interesse des Schülers an der Fortführung der Maßnahme überwiegen.
Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung im Rahmen des Besuchs der Heimsonderschule P. W. vorläufig und darlehnsweise für die Dauer von drei Monaten ab Antragstellung zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner erklärte, Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ausbildungs- und Berufswahl fielen in den Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit. Der Antragsteller habe das Berufsziel Koch. Dabei wäre es Aufgabe der Agentur für Arbeit für Arbeit gewesen, den Antragsteller zu informieren, dass für eine solche Ausbildung kein mittlerer Berufsabschluss erforderlich sei. Vielmehr sei es sogar so, dass der Antragsteller bei einem Hauptschulabschluss mit Englischbenotung mindestens befriedigend, einem Berufsschulabschluss mit mindestens befriedigend und dem erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung auf Antrag den mittleren Bildungsabschluss zuerkannt bekomme. Dies lasse die Notwendigkeit der vorherigen Erlangung eines mittleren Bildungsabschlusses entfallen. Beim Leistungskatalog der Agentur für Arbeit käme es nicht auf eine wesentliche Behinderung an. Menschen mit Behinderungen könnten z.B. über ein Berufsbildungswerk eine Ausbildung absolvieren. In Berufsbildungswerken wären junge Menschen entsprechend ihrer Behinderung nach individuellen Förderplänen ausgebildet.
Der Antragsteller legte ein Halbjahreszeugnis vor, wonach er in Deutsch, Englisch und Mathematik die Note gut erzielt hat. Des Weiteren legte der Antragsteller einen Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vor, in dem im Wege des vorläufigen Rechtschutzes Kostenübernahme angeordnet worden war.
Wegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 27). Das bedeutet, ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, info also 2005 S. 166). Weiterhin gilt es zu beachten, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich nicht erfolgen darf (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 31).
In der Hauptsache kann der Antragsteller lediglich eine Verurteilung zur Neubescheidung erreichen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller nicht an einer wesentlichen Behinderung leidet. Dies ergibt sich dies aus dem amtsärztlichen Gutachten von Dr. L. im Verwaltungsverfahren. Tatsachen, die trotzdem für eine wesentliche Behinderung sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Folglich hat der Antragsteller keinen Anspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, da Voraussetzung hierfür das Vorhandensein einer wesentlichen Behinderung (nach §§ 1-3 EinglH-VO) ist.
Dem Antragsteller sind jedoch möglicherweise Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu gewähren. Danach können Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Bei der Frage, ob eine andere Behinderung vorliegt, kann sich das Gericht an den §§ 1-3 EinglH-VO orientieren. Weitere Voraussetzung ist, dass die Behinderung länger als sechs Monate vorliegt (Schmeller, in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand August 2007, § 53 SGB XII, Rdnr. 31). Eine andere Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII liegt somit nur vor, wenn die betreffende Person auch in ihrer Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dies ergibt sich aus einer rechtlichen Gesamtschau unter Einschluss der in § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm den §§ 1 bis 3 EinglH-VO geregelten wesentlichen Behinderung einerseits und der in § 53 Abs. 3 SGB XII definierten Aufgabe der Eingliederungshilfe andererseits. Danach unterscheidet sich die andere Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGBXII von der wesentlichen Behinderung im Sinne des Satzes 1 der Bestimmung dadurch, dass sie quantitativ/qualitativ insofern weniger schwerwiegend ist, als sie auch vorübergehender und nicht wesentlicher Natur sein kann (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.1996, Az. 6 S 1350/94 zum gleichlautenden § 39 BSHG, unter Verweis auf LPK-BSHG, 4. Auflage § 39 Rdnrn 25; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Auflage, § 39 RdNr 17). Bei den Sprachproblemen und den möglicherweise vorliegenden Hörproblemen des Antragstellers handelt sich eine Beeinträchtigung, die der in § 1 Nr. 6 EinglH-VO genannten ähnelt (Personen, die nicht sprechen können, Seelentauben und Hörstummen, Personen mit erheblichen Stimmstörungen sowie Personen, die stark stammeln, stark stottern oder deren Sprache stark unartikuliert ist), jedoch weniger schwerwiegend ist. Folglich liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor. Allerdings liegen die Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen hat der Antragsgegner nicht ausgeübt. Da der Antragsteller einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer SGG, 8. Auflage 2005, § 54 Rdnr. 28a) und das Ermessen bei einem völligen Ausfall auch nicht ergänzt werden kann, ist in der Hauptsache der Bescheid des Antragsgegners aufzuheben und der Antragsgegner zur Neubescheidung unter Ausübung des Ermessens zu verurteilen. Auch in der Hauptsache kann also der Antragstellers grundsätzlich keine Leistung verlangen, sondern lediglich eine Verurteilung zur Neubescheidung erzielen.
In Konstellationen wie der vorliegenden, wo dem Antragsgegner Ermessen eingeräumt ist, kann eine einstweilige Anordnung dann ergehen, wenn die Rechtssache spruchreif ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, 8. Auflage, 2005, § 86b Rdnr. 31; Binder, in Ders./Bolay/Castendiek, Eckertz/Groß/Littmann/Lüdkte/Mälicke/Roller SGG Handkommentar, 2003, § 86b Rdnr. 41; zum inhaltsgleichen § 123 VwGO: Happ, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11.Auflage, 2000, § 123 Rdnr. 66; Kopp/Schenke, VwGO, 15.Auflage 2007, § 123 Rdnr. 12, OVG Münster, Beschluss vom 19.12.1986, Az. 1 B 1160/86, BVerwG, Beschluss vom 10.11.1993, Az. 2 ER 301/93). Spruchreif und damit dahingehend entscheidungsreif, dass eine Verurteilung zur Leistung zu erfolgen hätte, wäre die Hauptsache nur, wenn sich das Ermessen des Antragsgegners fehlerfrei auf eine einzige Entscheidung reduzieren ließe ("Ermessensreduzierung auf Null"). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null liegt hier jedoch nicht vor. § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII räumt dem Antragsgegner nicht nur ein Ermessen im Hinblick auf Modalitäten der zu leistenden Hilfe ein, sondern auch die Leistungsgewährung dem Grunde nach steht im Ermessen der Behörde (Wahrendorf, in Grube/Ders. SGB XII, 2. Auflage 2008, § 53 SGB XII, Rdnr. 19, Meusinger, in Fichtner/Wenzel Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 53 SGB XII, Rdnr. 22). Der Antragsteller hat beim Antragsgegner die Übernahme von Kosten für die Beschulung in der Heimsonderschule P. W. beantragt, um auf diese Weise zunächst die mittlere Reife absolvieren zu können und dann einen Ausbildung als Koch zu beginnen. Hierfür hat der Antragsgegner bereits verschiedene andere Wege aufgezeigt, so dass eine Verurteilung des Antragsgegners zu den vom Antragsteller begehrten Leistungen in Form der Kostenübernahme für die Heimsonderschule P. W. nicht die einzige denkbare Möglichkeit ist, um dem Antragsteller den erstrebten Abschluss zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Antragsteller, wie sich aus dem vorgelegten Halsjahreszeugnis ergibt, ein überdurchschnittlicher Schüler ist und in allen Hauptfächern die Not "gut" erzielt hat. Andererseits wird der Antragsgegner bei seiner Entscheidung zu beachten haben, dass der Antragsteller an Einschränkungen im Bereich der Kommunikation leidet und dass die Heimsonderschule P. W. gerade für solche Kinder besondere Fördermöglichkeiten zur Verfügung stellt. Jedoch hält es das Gericht nicht für ausgeschlossen, dass auch andere Schulen oder Einrichtungen vergleichbare Fördermöglichkeiten bieten können.
Über die Fälle der Ermessensreduzierung auf Null hinaus ist eine vorläufige Verurteilung zur Leistung nicht möglich (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 31; Binder, in Ders./Bolay/Castendiek, Eckertz/Groß/Littmann/Lüdkte/Mälicke/Roller SGG Handkommentar, 2003, § 86b Rdnr. 41; zum inhaltsgleichen § 123 VwGO: Happ, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11.Auflage, 2000, § 123 Rdnr. 66, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.80.1990, Az. 5 S 1659/90). In diesem Fall würde nämlich dem Antragsteller sogar über die Vorwegnahme der Hauptsache hinaus ein Mehr gegenüber dem im Hauptsacheverfahren erreichbaren gerichtlichen Ausspruch (Verurteilung zur Neubescheidung) gewährt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.80.1990, Az. 5 S 1659/90).
Nach alldem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe war dem Antragsteller nicht zu gewähren. Nach § 73a SGG i.V.m. §§ 114ff ZPO besteht ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten und die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtsverfolgung im Eilverfahren hat keine Aussicht auf Erfolg (s.o.).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehnsweisen Übernahme von Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung im Rahmen des Besuchs der Heimsonderschule P. W.
Der 1990 geborene Antragsteller war von klein auf sprachgestört. Er litt an multiplem Stammeln, unverständlicher Sprache, Dysgrammatismus und den hieraus resultierenden Lernschwierigkeiten. Nach einer Untersuchung durch die Pädauiologische Beratungsstelle R. im März 1997 und einer Standortbestimmung durch das Staatliche Schulamt S. kam der Antragsteller von der Regelschule in die Heimsonderschule für Hör- und Sprachbehinderte Kinder in W ... Die genaue Ursache der Sprachbehinderung wurde nicht festgestellt.
Der Antragsteller stellte mit Vordruck vom 26.03.2007 den Antrag auf Eingliederungshilfe für Behinderte. Die Aufnahmebereitschaft der P. W. liege vor. Außerdem übergab er einen Abschlussbericht des Hör-Sprachzentrums W. vom 15.02.2007. Danach erledige er die ihm aufgetragenen Arbeiten und Aufgaben schnell, ordentlich, präzise und gewissenhaft. Er habe sich während der Schulzeit in der Einrichtung positiv entwickelt. Sprachauffälligkeiten könnten kaum herausgehört werden. Einzig, wenn er nervös sei, falle er kurzzeitig in sein altes Sprachmuster zurück. Er besitze einen außergewöhnlich großen Wortschatz und könne teilweise zu jedem Wort direkt auf zwei bis drei Synonyme verweisen. Texte schreibe er flüssig mit wenigen Fehlern in Grammatik und Rechtschreibung. Er erlese und verstehe Texte ohne Probleme.
Mit Schreiben vom 18.07.2007 teilte die P. W. dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller eine vorläufige Zusage erhalten habe. Bis Ende Juli werde mitgeteilt, ob der Antragsteller die Aufnahmevoraussetzungen erfülle.
Am 02.08.2007 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Übernahme der Kosten für die dreijährige Berufssonderfachschule in der P. W ... Der Antragsteller erzielte gemäß dem vorgelegten Abschlusszeugnis der Schule Hör-Sprachzentrum W. im Fach Deutsch die Note "gut". Am Englischkurs habe er teilgenommen und die Note befriedigend erzielt.
Am 20.08.2007 wurde der Antragsteller von Dr. L., Fachbereich Gesundheit, untersucht. Diese diagnostizierte Poltern und gelegentlich Dyslalie in Stresssituationen und bei Unsicherheiten. Beim Antragsteller liege eine Sprachbehinderung vor. Die Ärztin kreuzte weder an, dass eine wesentliche Behinderung noch dass eine andere Behinderung vorliege. Zwar bestehe eine Sprachbehinderung in Stress- und Unsicherheitssituationen, jedoch nicht mehr in für den Antragsteller alltäglichen Situationen, so dass hier keine wesentliche Behinderung erkennbar sei. Der Antragsteller wolle den Realschulabschluss machen und Koch werden, was ihm sicher in der P W. besser gelinge als in der Regelschule. Eine vollstationäre Unterbringung in der P. W. könne zudem seine Selbständigkeit und Selbstsicherheit fördern. Die Ärztin kreuzte Hilfebedarfsgruppe 1 an. Ergänzend gab die Ärztin an, dass, auch wenn keine wesentliche Behinderung vorliege, die Sprachprobleme des Antragstellers durchaus Grund genug seien, sich für einen vollstationären Aufenthalt in der P. W. auszusprechen.
Zum 10.09.2007 wurde der Antragsteller vorläufig in die Berufsfachschule für Gehörlose, Schwerhörige und Sprachbehinderte P. W. aufgenommen.
Mit Schreiben vom 14.09.2007 teilte das Hör- und Sprachzentrum W. dem Antragsgegner mit, wie schon im Februar beschrieben, habe sich die Sprachstörung des Antragstellers im Laufe der Schulzeit wesentlich verbessert. Momentan bestünden noch Probleme in der Rechtschreibung (Groß- und Kleinschreibung). Der Antragsteller habe noch Schwierigkeiten, selbständig Texte zu verfassen. Diese seien noch sehr eintönig und monoton. Auf grammatikalischer Ebene bereiteten ihm der Satzbau und die Bildung von Nebensatzkonstruktionen Schwierigkeiten. Der Antragsteller spreche und lese sehr schnell und überhastet und verschlucke oft Endungen. Dies geschehe vor allem dann, wenn er in Stress gerate. Eine Aufnahme in die eigene Realschule in A. sei nicht möglich, da dort bereits ab der 5. Klasse Englisch unterrichtet und in einem Jahr auf Realschulniveau geprüft werde. Dies stelle für den Antragsteller eine zu große Hürde dar. Der Antragsteller wolle Koch werden. Die Agentur für Arbeit habe ihm bescheinigt, dass dies realistisch sei und er gute Voraussetzunge dafür mitbringe. Dafür benötige er aber einen Realschulabschluss. Diesen möchte der Antragsteller in der P. W. erwerben.
Der Antragsgegner lehnte mit Bescheid vom 18.09.2007 eine Kostenübernahme ab. Beim Antragsteller lägen keine wesentlichen Einschränkungen der Teilhabefähigkeit vor.
Mit Schreiben vom 04.10.2007 teilte die P. W. dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, der Antragsteller wirke von seiner Persönlichkeitsstruktur zunächst, auch bedingt durch seine Größe, stabil und selbstbewusst. Ihm fehle es jedoch an Sicherheit im Auftreten. Sein Selbstwertgefühl sei nicht sehr ausgeprägt. Seine auditive Aufmerksamkeit, im Sinne einer Fähigkeit sich auf wechselnde Sprachangebote einzustellen, sei teilweise beeinträchtigt. Ebenso sei es mit dem auditiven Gedächtnis. Er sei oftmals nicht in der Lage, die sprachlichen Informationen in ausreichendem Maße für eine Weiterverarbeitung zu speichern. Trotzdem verfüge er über das Potential, die Fachschulreife zu erreichen. Die Hilfe, die der Antragsteller benötige, liege zwar einerseits in der Förderung im sprachlichen Bereich, jedoch sei sie ebenfalls im seelisch-psychischen Bereich anzusiedeln. Es bestehe die Gefahr einer Überforderung bei einer Beschulung in einer Regelschule.
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 17.10.2007, eingegangen am 18.10.2007, Widerspruch. Er sei einerseits in der Lage, einen Berufsfachschulabschluss mit Fachhochschulreife zu erlangen, der ihm insbesondere auch die notwendigen Einstiegschancen in eine berufliche Ausbildung ermögliche. Er benötige hierfür aber andererseits die schulische Förderung einer Sonderberufsfachschule.
Der Antragsgegner wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007 zurück. Beim Antragsteller sei eine gelegentliche Dyslalie in Stresssituationen und bei Unsicherheiten sowie ein Poltern diagnostiziert worden. Dies stelle jedoch keine wesentliche Behinderung dar. Die ärztlichen Feststellungen deckten sich mit dem Bericht des Hör- und Sprachzentrum W. vom 15.02.2007. Auch habe der Antragsteller einen sehr guten Hauptschulabschluss erlangen können. Eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit liege nicht mehr vor.
Mit Schreiben vom 24.12.2007, eingegangen am 27.12.2007, stellte der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim Sozialgericht Konstanz.
Der Antragsteller erklärte, er leide an einer multiplen Behinderung, die ihm vor allem erschwerte, Gehörtes zu speichern und zu verarbeiten. Dies führe einerseits zu einer sehr ausgeprägten Sprechbehinderung, andererseits aber auch zu allgemeinen Sprach- und Textverarbeitungsproblemen. Die Behinderung sei insoweit ausgeglichen, als die Sprechstörung habe weitgehend überwunden werden können. Dies ändere jedoch nichts an der Ausgangsbehinderung. Auch heute noch habe er bei Gesprochenem Verarbeitungsstörungen, vor allem, wenn es sich um größere Gruppen oder Unterricht in größeren Klassen handle. Er gerate dann in Stress und sei nicht in der Lage, dem Kommunikationsfluss zu folgen, mit der Folge, dass wieder Sprechstörungen aufträten. Um den Realschulabschluss zu erreichen benötige er die Betreuung und Förderung in einer speziellen Berufsfachschule für kommunikationsbehinderte Schüler, wie sie die Heimsonderberufsfachschule der P. biete. Er glaube nicht, dass er in einer allgemeinen Schule und einer allgemeinen Berufsschule mit größeren Gruppen weiterkäme. Dort werde er "untergehen". Auch habe die Agentur für Arbeit mitgeteilt, dass er einen Berufsfachschulabschluss benötige, um auf dem freien Markt die Ausbildung als Koch absolvieren zu können. Dort würden inzwischen qualifizierte schulische Vorkenntnisse erlangt. Er sei jedoch sicher, dass er den Berufsschulabschluss von seinen Leistungen her schaffen könne. Ein Besuch der Berufssonderfachschule sei die geeignete und notwendige Maßnahme, um seine schulische Entwicklung weiter zu fördern und zu entwickeln. Dort würde in einem dreijährigen, statt wie sonst zweijährigem Zug mit Kleingruppenklassen und einer an der jeweiligen Behinderung ausgerichteten Förderung bestehende Bildungsrückstände ausgeglichen. Der Antragsgegner bestreite den dargestellten Sachverhalt nicht. Er stelle jedoch darauf ab, das Sprachauffälligkeiten "kaum noch herausgehört" werden könnten. Er beschäftigte sich jedoch nicht mit der Lern- bzw. Sprachaufnahmeproblematik. Behinderte Menschen hätten einen Anspruch, zumindest im pflichtgemäßen Ermessen, auf diejenigen Leistungen, die notwendig seien, um die Teilhabe am sozialen Leben entsprechend ihren persönlichen Fähigkeiten und Wünschen angemessen verwirklichen zu können. Außerdem habe auch die amtsärztliche Begutachtung ergeben, dass eine Sprachbehinderung in Stress- und Unsicherheitssituationen vorliege. Auch habe der Amtsarzt die P. für besser geeignet gehalten. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich bislang in einem vergleichsweise beschützten Rahmen aufgehalten habe. Deshalb entstünden in einer Regelrealschule auch soziale Probleme, da er in seiner sozialen Verselbständigung verzögert sei. Auch die P. habe auf die Notwendigkeit einer dortigen Beschulung hingewiesen. Die P. habe schon gedroht, dass ein Abbruch der Maßnahme aus finanziellen Gründen drohe. Nur in der P. könne er den Realschulabschluss machen, der Voraussetzung für die Ausbildung zum Koch sei. Er wolle nicht nur einfach "Koch" werden, sondern im Küchen- bzw. Hotelgewerbe eine Position erreichen, die seinen Fähigkeiten entspreche. Dabei stehe er sowohl auf dem Ausbildungs- wie auch auf dem Berufsmarkt anders da, wenn er einen Realschulabschluss vorweisen könne. Herr S. von der Heimsonderschule P. W. habe darauf hingewiesen, dass mit einem ordentlichen Realschulabschluss zu rechnen sei. Dies werde auch durch das Halbjahreszeugnis bestätigt. Wegen der Hörbehinderung befinde er sich seit Jahren nicht mehr in ärztlicher Behandlung. Jedoch liege dem Gericht ja das amtsärztliche Gutachten vor. Auch die Agentur für Arbeit halte eine Ausbildung an der dreijährigen Sonderberufsfachschule für notwendig. Eine zweijährige "normale" Sonderberufsfachschule sei aufgrund der Defizite in Englisch nicht ausreichend. Das Sozialgericht Stuttgart habe in seinem Beschluss in einem vergleichbaren Fall richtigerweise darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die mutmaßliche Rechtswidrigkeit der Bescheide und der sonst in Frage kommenden Ermessenskriterien sich das Ermessen möglicherweise auf Null reduziert habe. In einem derartigen Fall müsse im Rahmen einer vorläufigen Interessenabwägung das Interesse des Schülers an der Fortführung der Maßnahme überwiegen.
Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die Kosten für die Förderung, Betreuung und Unterbringung im Rahmen des Besuchs der Heimsonderschule P. W. vorläufig und darlehnsweise für die Dauer von drei Monaten ab Antragstellung zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner erklärte, Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Ausbildungs- und Berufswahl fielen in den Zuständigkeitsbereich der Agentur für Arbeit. Der Antragsteller habe das Berufsziel Koch. Dabei wäre es Aufgabe der Agentur für Arbeit für Arbeit gewesen, den Antragsteller zu informieren, dass für eine solche Ausbildung kein mittlerer Berufsabschluss erforderlich sei. Vielmehr sei es sogar so, dass der Antragsteller bei einem Hauptschulabschluss mit Englischbenotung mindestens befriedigend, einem Berufsschulabschluss mit mindestens befriedigend und dem erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung auf Antrag den mittleren Bildungsabschluss zuerkannt bekomme. Dies lasse die Notwendigkeit der vorherigen Erlangung eines mittleren Bildungsabschlusses entfallen. Beim Leistungskatalog der Agentur für Arbeit käme es nicht auf eine wesentliche Behinderung an. Menschen mit Behinderungen könnten z.B. über ein Berufsbildungswerk eine Ausbildung absolvieren. In Berufsbildungswerken wären junge Menschen entsprechend ihrer Behinderung nach individuellen Förderplänen ausgebildet.
Der Antragsteller legte ein Halbjahreszeugnis vor, wonach er in Deutsch, Englisch und Mathematik die Note gut erzielt hat. Des Weiteren legte der Antragsteller einen Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vor, in dem im Wege des vorläufigen Rechtschutzes Kostenübernahme angeordnet worden war.
Wegen der Einzelheiten im Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gem. § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System gegenseitiger Wechselbeziehung (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 27). Das bedeutet, ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, info also 2005 S. 166). Weiterhin gilt es zu beachten, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich nicht erfolgen darf (vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 31).
In der Hauptsache kann der Antragsteller lediglich eine Verurteilung zur Neubescheidung erreichen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Antragsteller nicht an einer wesentlichen Behinderung leidet. Dies ergibt sich dies aus dem amtsärztlichen Gutachten von Dr. L. im Verwaltungsverfahren. Tatsachen, die trotzdem für eine wesentliche Behinderung sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Folglich hat der Antragsteller keinen Anspruch nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, da Voraussetzung hierfür das Vorhandensein einer wesentlichen Behinderung (nach §§ 1-3 EinglH-VO) ist.
Dem Antragsteller sind jedoch möglicherweise Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu gewähren. Danach können Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Bei der Frage, ob eine andere Behinderung vorliegt, kann sich das Gericht an den §§ 1-3 EinglH-VO orientieren. Weitere Voraussetzung ist, dass die Behinderung länger als sechs Monate vorliegt (Schmeller, in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Stand August 2007, § 53 SGB XII, Rdnr. 31). Eine andere Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII liegt somit nur vor, wenn die betreffende Person auch in ihrer Fähigkeit zur Eingliederung in die Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dies ergibt sich aus einer rechtlichen Gesamtschau unter Einschluss der in § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm den §§ 1 bis 3 EinglH-VO geregelten wesentlichen Behinderung einerseits und der in § 53 Abs. 3 SGB XII definierten Aufgabe der Eingliederungshilfe andererseits. Danach unterscheidet sich die andere Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGBXII von der wesentlichen Behinderung im Sinne des Satzes 1 der Bestimmung dadurch, dass sie quantitativ/qualitativ insofern weniger schwerwiegend ist, als sie auch vorübergehender und nicht wesentlicher Natur sein kann (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.11.1996, Az. 6 S 1350/94 zum gleichlautenden § 39 BSHG, unter Verweis auf LPK-BSHG, 4. Auflage § 39 Rdnrn 25; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 14. Auflage, § 39 RdNr 17). Bei den Sprachproblemen und den möglicherweise vorliegenden Hörproblemen des Antragstellers handelt sich eine Beeinträchtigung, die der in § 1 Nr. 6 EinglH-VO genannten ähnelt (Personen, die nicht sprechen können, Seelentauben und Hörstummen, Personen mit erheblichen Stimmstörungen sowie Personen, die stark stammeln, stark stottern oder deren Sprache stark unartikuliert ist), jedoch weniger schwerwiegend ist. Folglich liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vor. Allerdings liegen die Leistungen nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen hat der Antragsgegner nicht ausgeübt. Da der Antragsteller einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer SGG, 8. Auflage 2005, § 54 Rdnr. 28a) und das Ermessen bei einem völligen Ausfall auch nicht ergänzt werden kann, ist in der Hauptsache der Bescheid des Antragsgegners aufzuheben und der Antragsgegner zur Neubescheidung unter Ausübung des Ermessens zu verurteilen. Auch in der Hauptsache kann also der Antragstellers grundsätzlich keine Leistung verlangen, sondern lediglich eine Verurteilung zur Neubescheidung erzielen.
In Konstellationen wie der vorliegenden, wo dem Antragsgegner Ermessen eingeräumt ist, kann eine einstweilige Anordnung dann ergehen, wenn die Rechtssache spruchreif ist (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, 8. Auflage, 2005, § 86b Rdnr. 31; Binder, in Ders./Bolay/Castendiek, Eckertz/Groß/Littmann/Lüdkte/Mälicke/Roller SGG Handkommentar, 2003, § 86b Rdnr. 41; zum inhaltsgleichen § 123 VwGO: Happ, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11.Auflage, 2000, § 123 Rdnr. 66; Kopp/Schenke, VwGO, 15.Auflage 2007, § 123 Rdnr. 12, OVG Münster, Beschluss vom 19.12.1986, Az. 1 B 1160/86, BVerwG, Beschluss vom 10.11.1993, Az. 2 ER 301/93). Spruchreif und damit dahingehend entscheidungsreif, dass eine Verurteilung zur Leistung zu erfolgen hätte, wäre die Hauptsache nur, wenn sich das Ermessen des Antragsgegners fehlerfrei auf eine einzige Entscheidung reduzieren ließe ("Ermessensreduzierung auf Null"). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null liegt hier jedoch nicht vor. § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII räumt dem Antragsgegner nicht nur ein Ermessen im Hinblick auf Modalitäten der zu leistenden Hilfe ein, sondern auch die Leistungsgewährung dem Grunde nach steht im Ermessen der Behörde (Wahrendorf, in Grube/Ders. SGB XII, 2. Auflage 2008, § 53 SGB XII, Rdnr. 19, Meusinger, in Fichtner/Wenzel Kommentar zur Grundsicherung, 3. Auflage 2005, § 53 SGB XII, Rdnr. 22). Der Antragsteller hat beim Antragsgegner die Übernahme von Kosten für die Beschulung in der Heimsonderschule P. W. beantragt, um auf diese Weise zunächst die mittlere Reife absolvieren zu können und dann einen Ausbildung als Koch zu beginnen. Hierfür hat der Antragsgegner bereits verschiedene andere Wege aufgezeigt, so dass eine Verurteilung des Antragsgegners zu den vom Antragsteller begehrten Leistungen in Form der Kostenübernahme für die Heimsonderschule P. W. nicht die einzige denkbare Möglichkeit ist, um dem Antragsteller den erstrebten Abschluss zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil der Antragsteller, wie sich aus dem vorgelegten Halsjahreszeugnis ergibt, ein überdurchschnittlicher Schüler ist und in allen Hauptfächern die Not "gut" erzielt hat. Andererseits wird der Antragsgegner bei seiner Entscheidung zu beachten haben, dass der Antragsteller an Einschränkungen im Bereich der Kommunikation leidet und dass die Heimsonderschule P. W. gerade für solche Kinder besondere Fördermöglichkeiten zur Verfügung stellt. Jedoch hält es das Gericht nicht für ausgeschlossen, dass auch andere Schulen oder Einrichtungen vergleichbare Fördermöglichkeiten bieten können.
Über die Fälle der Ermessensreduzierung auf Null hinaus ist eine vorläufige Verurteilung zur Leistung nicht möglich (Keller, in Meyer-Ladewig/Ders./Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b Rdnr. 31; Binder, in Ders./Bolay/Castendiek, Eckertz/Groß/Littmann/Lüdkte/Mälicke/Roller SGG Handkommentar, 2003, § 86b Rdnr. 41; zum inhaltsgleichen § 123 VwGO: Happ, in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 11.Auflage, 2000, § 123 Rdnr. 66, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.80.1990, Az. 5 S 1659/90). In diesem Fall würde nämlich dem Antragsteller sogar über die Vorwegnahme der Hauptsache hinaus ein Mehr gegenüber dem im Hauptsacheverfahren erreichbaren gerichtlichen Ausspruch (Verurteilung zur Neubescheidung) gewährt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.80.1990, Az. 5 S 1659/90).
Nach alldem war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe war dem Antragsteller nicht zu gewähren. Nach § 73a SGG i.V.m. §§ 114ff ZPO besteht ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu bestreiten und die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Die Rechtsverfolgung im Eilverfahren hat keine Aussicht auf Erfolg (s.o.).
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