L 5 B 201/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 1602/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 201/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Dezember 2007 werden zurückgewiesen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die verheirateten Antragsteller haben eine behinderte Tochter, die mit ihnen zusammenlebt. Der Antragsteller bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, die Antragstellerin hatte bis Oktober 2007 unregelmäßiges Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung. Die Tochter, deren Betreuerin die Antragstellerin ist, bezieht Leistungen nach dem SGB XII.

Die Antragsteller schlossen am 05. Oktober 2006 einen Mietvertrag, beginnend spätestens ab 01. Januar 2007, für das jetzt bewohnte Haus, in das sie im November 2006 einzogen und in den ersten drei Monaten zur Renovierung mietfrei wohnten. Ab Februar 2007 ist für das Haus mit einer Wohnnutzfläche von 120 m² und einer Wohnfläche von 99,37 m² ein Mietpreis von 450,00 Euro kalt zzgl. 57,30 Euro Nebenkosten zzgl. 155,00 Euro bzw. ab Dezember 2007 144,00 Euro Heizkosten monatlich zu zahlen.

Auf ihren Antrag vom 09. Januar 2007 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 01. Februar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 von Februar bis Juli 2007 Leistungen nach dem SGB II in unterschiedlicher Höhe. Hierbei ging er von einer Regelleistung für die Antragstellerin von 311,00 Euro bzw. ab Juli 2007 von 312,00 Euro aus und für den Antragsteller von einem Sozialgeld in gleicher Höhe. Das von der Antragstellerin bis Oktober 2007 in unterschiedlicher Höhe erzielte monatliche Einkommen wurde leistungsmindernd berücksichtigt. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft wurde darauf hingewiesen, dass nur der auf die Antragsteller entfallende und auch angemessene Anteil übernommen werden könne. Die tatsächlichen Kosten betrügen abzgl. des Anteils der Tochter in Höhe von 169,10 Euro 338,20 Euro für die Antragsteller. Für drei Personen sei eine Wohnungsgröße von 80 m² angemessen; der im unteren Bereich befindliche Kaltmietpreis betrage laut Mietspiegel in der Gemeinde des Landkreises 4,22 Euro pro m², sodass die Mietpreisobergrenze bei 337,60 Euro liege. Die Miete der Antragsteller von 450,00 Euro sei daher um 112,40 Euro auf diesen Betrag zu senken. Entsprechende Bemühungen seien nachzuweisen; nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten würden nur noch die angemessenen Kosten zugrunde gelegt. Auch die Heizkosten von 155,00 bzw. 144,00 Euro seien nicht angemessen; insoweit sei von der zustehenden Wohnfläche von 80 qm² und Heizkosten in Höhe von 1,00 Euro pro m² auszugehen, d.h. von 80,00 Euro monatlich, von denen eine Warmwasserpauschale von 10 % und der Heizkostenanteil der Tochter abzuziehen sei. Damit seien monatliche Heizkosten in Höhe von 53,33 Euro anzuerkennen. Aufgrund der sexuellen Übergriffe auf die Tochter der Antragsteller an dem letzten Wohnort sei die Notwendigkeit eines Umzugs der Familie unbestritten, jedoch müsse die neue Wohnung auch angemessen sein. Eine vorherige Zusicherung sei nicht eingeholt worden.

Mit Bescheid vom 30. Juli 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Oktober 2007 gewährte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit von August bis November 2007 nur noch monatlich 423,29 Euro und für Dezember 2007 bis Januar 2008 333,29 Euro monatlich, wobei er bis Oktober 2007 wechselndes Einkommen der Antragstellerin berücksichtigte, insbesondere aber die Kosten der Unterkunft nicht mehr im vollem Umfang übernahmen. Der Antragsgegner ging nunmehr von einer nach seiner Auffassung angemessenen Kaltmiete von 337,60 Euro für drei Personen aus, wovon 263,27 Euro zugunsten der Antragsteller anerkannt wurden. Von den Heizkosten wurden – wie bereits angekündigt – 53,33 Euro als angemessen anerkannt. Eine Anrechnung der tatsächlichen Mietkosten über die ersten sechs Monate hinaus komme nicht in Betracht, wie bereits in dem Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2007 dargelegt worden sei.

Am 30. November 2007 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben und zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Gewährung von Prozesskostenhilfe hierfür beantragt. Sie seien nicht in der Lage die Wohnkosten selbst zu tragen, sodass akut die Kündigung des Mietverhältnisses wegen bestehender Mietschulden drohe. Sie könnten derzeit lediglich 300,00 Euro monatlich auf die Miete zahlen. Ein erneuter Umzug sei ihnen wegen der Gesundheitsgefährdung der Tochter, deren Zustand sich gerade stabilisiere, nicht zuzumuten. Wegen der sexuellen Übergriffe auf die Tochter seien sie gezwungen gewesen, möglichst schnell umzuziehen; sie hätten sich bemüht, ein ihrem vorherigen Haus, das noch größer gewesen sei, vergleichbares Objekt zu finden. Wegen der auch nächtlichen Ruhestörungen durch ihre Tochter seien sie darauf angewiesen, in einem einzeln stehenden Haus zu wohnen; in einer Mietwohnung sei Ärger mit den Nachbarn vorhersehbar.

Das Sozialgericht Cottbus hat es mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Zeitraum August 2007 bis Januar 2008 zu verpflichten; es hat darüber hinaus den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Zum Einen müssten die Antragsteller noch aus eigenen Mitteln zur Zahlung der übrigen Kosten in der Lage sein; zum Anderen seien die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung tatsächlich unangemessen, wie der Antragsgegner bereits ausgeführt habe. Diese enthielten im Übrigen auch weitere Kosten, wie z.B. für eine Werkstatt, einen Doppelcarport sowie Hof- und Gartennutzung. Derartige Kosten könnten nicht übernommen werden. Im Übrigen sei auch ein Anordnungsgrund zweifelhaft, da das Mietverhältnis trotz der bestehenden Schulden bis jetzt nicht gekündigt worden sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 16. Januar 2008, mit der die Antragsteller erneut geltend machen, sie seien auf eine höhere Leistungsbewilligung existenziell angewiesen. Mit den derzeitig vorhandenen finanziellen Mitteln sei es den Antragstellern nicht möglich, ihren Lebensunterhalt und den ihrer schwerbehinderten Tochter zu bestreiten. Wegen der aufgelaufenen Mietschulden habe die Vermieterin bereits die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses angekündigt. Zu bedenken seien die besonderen Umstände der Erkrankung der Tochter, die die geltend gemachten Mehrkosten für die Unterkunft begründeten. Darüber hinaus seien Fahrtkosten und PKW-Kosten bislang nicht in einem ausreichenden Maße berücksichtigt worden, ebenso wenig die Diabetes des Antragstellers und der besondere Betreuungsbedarf für die behinderte Tochter.

II.

Die Beschwerden der Antragsteller haben keinen Erfolg.

Soweit die Antragsteller erhöhte Fahrt- und PKW-Kosten, Mehrbedarf wegen Diabetes des Antragstellers und einen besonderen Betreuungsbedarf für die Tochter mit der Beschwerde geltend machen, ist die Beschwerde schon deshalb unzulässig, weil hierüber das Sozialgericht – zu Recht – nicht entschieden hat. Der Eilantrag war allein darauf gestützt, dass der Antragsgegner die tatsächlichen Kosten der Unterkunft nicht in voller Höhe übernommen hat. Die übrigen Streitpunkte sind Gegenstand des Klageverfahren und dort zu entscheiden. Die Begrenzung des Streits auf die Höhe der Kosten der Unterkunft ist zulässig (BSG, Urteil vom 07. November 2007 – B 7 AS 8/06 R -). Im Übrigen findet die Beschwerde nur gegen Entscheidungen des Sozialgerichts statt (§ 172 Abs. 1 SGG).

Die weitergehende Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes richtet sich hier nach § 86b Abs. 2 SGG und setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung, wie auch ein Anordnungsgrund, d.h. eine Eilbedürftigkeit des Verfahrens bestehen. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht, d.h. von August 2007 bis zum 29. November 2007, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund, denn die Beseitigung einer gegenwärtigen Notlage kann für die Vergangenheit nicht mehr in Betracht kommen, sodass es an einem Eilbedürfnis für die begehrte Entscheidung insoweit fehlt. Für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, d.h. vom 30. November 2007 an, liegt dagegen kein Anordnungsanspruch vor, denn die geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung sind nicht angemessen.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Nach § 22 Abs. 2 SGB II soll vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft eingeholt werden, was die Antragsteller nicht getan haben. Das Zusicherungsverfahren hat Aufklärungs- und Warnfunktion und soll vor einem Umzug des Hilfsbedürftigen diesem Klarheit über die Angemessenheit der Aufwendungen für die neue Unterkunft verschaffen. Mit einem solchen Vorgehen hätte die eingetretene Situation von vornherein vermieden werden können. Die Einholung des Zusicherung ist jedoch keine Voraussetzung für die Erbringung von Leistungen in Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (vgl. hierzu Lang in Eicher/ Spellbrink SGB II § 22 Rdnr. 52). Dass die Kosten für die neue Unterkunft der Antragsteller zu hoch sind, haben sowohl der Antragsgegner als auch das Sozialgericht bereits ausgeführt. Zutreffend hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass für drei Personen eine Wohnungsgröße von bis zu 80 m² und entsprechend dem Mietspiegel in der Gemeinde des Landkreises eine Miete von 4,22 Euro pro m² und damit eine Mietobergrenze von 337,60 Euro als angemessen anzusehen sind. Die Miete der Antragsteller liegt mit 450,00 Euro nicht nur wenig, sondern weit darüber; ebenso ist die angemessene Wohnungsgröße mit 120 m² Wohn-/Nutzfläche bzw. 99,37 m² Wohnfläche erheblich überschritten; auch zur Überzeugung des Senats sind die Wohnfläche und die daraus resultierenden Kosten unangemessen, sodass der Antragsgegner die Leistungen nicht in voller Höhe erbringen darf; angesichts der deutlichen Überschreitung der Angemessenheitsgrenze bedarf dies keiner weiteren Erörterung.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller folgt aus dem Umstand, dass sie mit ihrer behinderten Tochter zusammenleben und vorher ein Haus mit noch größerer Wohnfläche bewohnt haben, nichts anderes. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Kostenübernahme für ein dem vorher bewohnten Haus vergleichbares Objekt, sondern nur auf die für Leistungsbezieher nach dem SGB II angemessenen Wohnkosten. Im Hinblick auf die behinderte Tochter der Antragsteller ist auch nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass – wie die Antragsteller behaupten – wegen Störung der Nachbarn nur ein einzeln stehendes Haus und keine Wohnung als Wohnraum in Betracht kommt. Die vorgelegten ärztlichen Unterlagen belegen dies nicht. Selbst wenn man jedoch ein solches Erfordernis unterstellen würde, ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht worden, dass es kein anderes angemessenes Objekt gegeben hätte. Die Antragsteller haben nicht einmal behauptet, dass sie versucht hätten, ein preislich angemessenes Objekt zu finden. Sie haben vielmehr selbst angegeben, dass sie ein ihrem vorherigen Haus vergleichbares Objekt gesucht hätten.

Der Antragsgegner hat die Absenkung zum 01. August 2007 auch im Übrigen beanstandungsfrei vorgenommen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, soweit sie den angemessenen Umfang übersteigen, so lange als Bedarf zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sie durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel aber längstens für sechs Monate. Zweifelhaft ist hier schon, ob der Antragsgegner überhaupt verpflichtet war, für die ersten sechs Monate die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen, denn die Antragsteller sind die Mietverpflichtung für ihr jetziges Haus erst zu einem Zeitpunkt eingegangen, als sie Leistungen von dem Antragsgegner in Anspruch nehmen mussten. Jedenfalls hat der Antragsgegner die tatsächliche Miete – anteilig für die Antragsteller - bis Juli 2007 übernommen. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 01. Februar 2007 hat der Antragsgegner die Antragsteller auch unmissverständlich und sachgerecht darauf hingewiesen, dass nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten, d.h. ab August 2007, nur noch die angemessenen Kosten in Höhe von 337,60 Euro zu Grunde gelegt werden. Damit war die notwendige Aufklärungs- und Warnfunktion (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R - Rdnr. 29, zitiert nach juris) erfüllt. Der Antragsgegner hatte auch keinen Anlass, den gesetzlich vorgesehenen 6-Monatszeitraum zu verlängern; den Antragstellern kann nicht gefolgt werden, soweit sie behaupten eine Kostensenkung sei unmöglich und unzumutbar. Konkrete Bemühungen zur Kostensenkung haben sie offenbar bis heute nicht unternommen. Soweit sie vorbringen, sie könnten wegen Mietschulden keine andere Wohnung finden, ist dies eine bloße Behauptung, die durch nichts belegt ist. Bereits der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten nachgewiesen werden müssen. Angesichts der im ländlichen Bereich derzeit entspannten Wohnungslage ist im Übrigen nichts dafür ersichtlich, warum etwa nachdrückliche Bemühungen um preiswerteren Wohnraum von vornherein zum Scheitern verurteilt sein sollten.

Da das Sozialgericht zu Recht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat, ist auch die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten nicht zu beanstanden (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO). Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kommt aus dem gleichen Grunde nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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