L 21 RA 251/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 626/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 RA 251/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines höheren Werts des Rechts auf Altersrente im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).

Der 1935 geborenen Klägerin wurde mit Urkunde vom 24. September 1976 von der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik eine zusätzliche Altersversorgung entsprechend den Bestimmungen über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR gewährt.

Mit Bescheid vom 15. Januar 1997 bewilligte die Beklagte der Klägerin Altersrente ab dem 01. Januar 1997 und berücksichtigte für die Zeit ab 01. Juli 1976 Pflichtbeitragszeiten entsprechend den Verdiensten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Auf einen Überprüfungsantrag hin wurde die Altersrente mit Bescheid vom 05. Oktober 1998 von Anfang an neu festgestellt.

Am 27. Februar 2003 beantragte die Klägerin die eingehende Überprüfung der Bescheide dahingehend, dass die in der DDR rechtmäßig erworbenen Anwartschaften auf Rente aus der Sozialversicherung bis hin zur Beitragsbemessungsgrenze in die gesetzliche Rentenversicherung überführt und daneben ihre Ansprüche aus der Zusatzversorgung in vollem Umfang berücksichtigt würden. Die Bescheide setzten das durch die Systementscheidung des Rentenüberleitungsgesetzes (AÜG) bewirkte Renten- und Versorgungsunrecht durch. Sie und die zugrunde liegenden Vorschriften verstießen gegen den Einigungsvertrag, das Grundgesetz (GG) und die Europäische Menschenrechtskonvention. Grund dafür seien insbesondere die derzeitige Liquidierung aller zusätzlichen Ansprüche der Versicherten und die Reduzierung des Alterseinkommens auf eine Versichertenrente. Damit könne sie das in ihrem Erwerbsleben erreichte Lebensniveau m Rentenalter nicht aufrechterhalten.

Mit Bescheid vom 18. März 2003 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Vorschriften zur Berechnung von Renten würden die Berücksichtigung von Entgelten im Beitrittsgebiet höchstens bis zur jeweils in den alten Bundesländern geltenden Beitragsbemessungsgrenze vorsehen. Dies gelte auch für die nach dem AAÜG überführten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2003 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 24. September 2003 bei dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) Klage erhoben, die das Sozialgericht mit Urteil vom 04. August 2004 abgewiesen hat: Die Rentenberechnung der Klägerin sei dem geltenden Recht entsprechend erfolgt.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 12. August 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. August 2004 Berufung eingelegt und eine Vielzahl von Anträgen angekündigt:

Neben diversen Beweisanträgen, in der Sache:

2. die Beklagte zu verpflichten, ihr ein höheres Arbeitseinkommen zu gewähren. Dazu ist das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 04. August 2004 aufzuheben und der Überprüfungsbescheid vom 18. März 2003, der die bisher erteilten Rentenansprüche bestätigt, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003 sowie der Bescheid vom 06. März 2002 sowie die Entscheidungen über die Rentenanpassungen/ angleichungen Ost an West zum 01. Juli 2001, zum 01. Juli 2002, zum 01. Juli 2003, zum 01. Juli 2004 sowie zum 01. Juli 2005 abzuändern; der Beitragsbescheid vom 08. März 2004 ist aufzuheben.

2.1 Die Beklagte hat dabei die Ansprüche auf Rente aus der SV und aus dem zusätzlichen Versorgungssystem, dem die Klägerin angehörte, in Übereinstimmung mit dem Zahlbetragsschutz des Einigungsvertrages zu berechnen, und zwar nach dem garantierten Zahlbetrag im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff.), zum 31. Dezember 1991 erhöht um 6,84 % und ab dem 01. Juli 1990 angepasst an die Lohn- und Gehaltsentwicklung im Beitrittsgebiet. Hinzu kommen die in der Zeit nach In Kraft Treten des SGB VI für die Klägerin bis zum Rentenbeginn erworbenen Versicherten-rentenansprüche.

2.2 Gleichzeitig hat sie eine Vergleichsberechnung gemäß § 307 b SGB VI i. d. F. des 2. AAÜG ÄndG nach den Vorgaben des BVerfG vorzunehmen, wie sie für Bestandsrentner mit Versorgungsansprüchen vorgesehen ist, um dadurch feststellen zu können, in welchem Maße das Alterseinkommen der Klägerin im Vergleich zu den Bestandsrentnern mit einer entsprechenden Lebensleistung vermindert worden ist und ob das Fehlen einer Härtefallregelung verfassungswidrig ist.

2.3 Die Rentenanpassungen zum 01. Juli 2001, um 01. Juli 2002 und zum 01. Juli 2003, zum 01. Juli 2004 sowie zum 01. Juli 2005 haben nach den verbindlichen Vorgaben des EV und des GG an die Lohn- und Einkommensentwicklung im Beitrittsgebiet zu erfolgen.

2.4 Die Versichertenrente ist nach dem SGB VI im Rahmen der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze und nicht abgesenkt auf die verfassungswidrige besondere Beitragsbemessungs-grenze Ost (§§ 228 a Abs. 3 und 256 a SGBVI) zu berechnen.

2.5 Der Beitragsänderungsbescheid zum 08. März 2004 ist aufzuheben.

2.6 Die Beklagte hat die sich aus den unterschiedlichen Berechnungsarten des Alterseinkommens ergebenden Resultate zu vergleichen und den höchsten Betrag als Rente zu leisten.

Dem Vorbringen der Beklagten ist der Antrag zu entnehmen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und wegen der sonstigen Einzelheiten auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Beteiligten verhandeln und entscheiden, da diese mit der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 18. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2003, mit dem die Beklagte eine Änderung des den Altersrentenbescheid vom 15. Januar 1997 ersetzenden Altersrentenbescheid vom 05. Oktober 1998 gemäß § 44 SGB X abgelehnt hat. Soweit sich dem an Bestimmtheit und Eindeutigkeit mangelnden klägerischen Vorbringen ein konkretes Begehren entnehmen lässt (§ 123 Sozialgerichtsgesetz SGG ), nämlich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens den Wert des Rechts der Klägerin höher festzustellen, hat die Berufung keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten soweit sie ergangen sind (ein vom Kläger genannter Bescheid vom 08. März 2004 existiert vorliegend nicht) sind nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte bei Erlass des Bescheides vom 05. Oktober 1998 entgegen der Auffassung der Klägerin weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist, und hat deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht (§ 44 Abs. 1 SGB X).

Die Beklagte hat zutreffend den Wert der monatlichen Altersrente der Klägerin und damit auch die Anzahl der Entgeltpunkte in den Rentenbescheiden festgesetzt. Rechtsgrundslage für die Feststellung der persönlichen Entgeltpunkte der monatlichen Altersrente der Klägerin ist für Zeiträume bis zum 30. Juni 1976 § 256 a das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), für Zeiträume danach § 259 b SGB VI. Insoweit handelt es sich um ergänzende Bestimmungen zu §§ 63 ff. SGB VI für Rentenberechtigte, deren Recht auf Rente wie bei der Klägerin nach dem 01. Januar 1992 entstanden ist (so genannte Zugangsrenten), soweit der Wert ihres Rechts auf Beitragszeiten (im Beitrittsgebiet) beruht, die gemäß § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichgestellt sind. § 256 a SGB VI schreibt im Einzelnen vor, wie die in der ehemaligen DDR zurückgelegten "Beitragszeiten" in das System der gesetzlichen Rentenversicherung, das SGB VI, einzubringen sind. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Entscheidungen ausführlich dargelegt, wie diese Vorschrift auszulegen ist und nach welchen Grundsätzen der Versicherungsträger die persönlichen Entgeltpunkte zu ermitteln hat. § 259 b SGB VI regelt die Höhe der zu berücksichtigenden Verdienste für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem und knüpft insoweit an das AAÜG an. Für diese Zeiträume geht § 259 b SGB VI § 256 a Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI vor. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte was auch von der Klägerin nicht beanstandet wird den in der ehemaligen DDR rentenwirksam versichert gewesenen und den nach § 256 a Abs. 3 SGB VI als versichert geltenden Verdienst sowie den nach § 259 b SGB VI zu berücksichtigenden Verdienst zutreffend und vollständig bestimmt. Sie war insbesondere nicht gehalten, sie besser als alle anderen Versicherten zu stellen und gerade die nachträglich auf den vorgenannten Grundlagen ermittelten fiktive Verdienste in DM über die jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen hinaus (vgl. § 260 Satz 2 SGB VI) zu berücksichtigen. Für die Berechnung eines höheren Rentenhöchstwertes gibt es keine Rechtsgrundlage. Insbesondere ist für die von der Klägerin erstrebte Vergleichsberechnung (Ziffer 2.2 des Antrags) kein Raum. Diese Vorschrift ist schon deshalb nicht anwendbar, weil die Klägerin für Dezember 1991 nicht das Recht hatte, von einem Versicherungsträger der DDR die Zahlung einer Versorgung zu verlangen. Dies hätte auch durch einen bindend gewordenen Verwaltungsakt oder durch eine Verwaltungsentscheidung einer Versorgungsstelle der DDR oder der Funktionsnachfolgerin einer solchen Stelle festgestellt werden müssen (BSG, Urteil vom 29. Oktober 2002 B 4 RA 27/02 R). Eine derartige Entscheidung ist nicht getroffen worden.

Einen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Leistung, insbesondere aus dem Zusatzversorgungssystem, hat die Klägerin nicht.

§ 256 a SGB VI, § 259 b SGB VI sowie § 260 Satz 2 SGB VI sind mit dem GG vereinbar; sie verstoßen insbesondere nicht gegen Art. 14 und Art. 3 GG. Die mit der Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und aus dem Zusatzversorgungssystem in das gesamtdeutsche Recht verbundene Gewährung nur einer Rente und die Beschränkung der versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen durch die Beitragsbemessungsgrenzen West sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (1. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), Beschluss vom 06. August 2002 1 BvR 596/98 , BVerfGE 100, 1, 40 f.). Bei der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung werde der Bezug zur persönlichen Arbeitsleistung gewahrt; die Renten behalten grundsätzlich ihre existenzsichernde Funktion. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG war nicht ersichtlich. Die Überführung der Renten und Rentenanwartschaften aus der DDR in die gesamtdeutsche Sozialversicherung ist durch den Bestandsschutz, den die Zahlbetragsgarantie für Rentenzugänge in der Zeit vom 01. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 in Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages gewährt, sozialverträglich gestaltet worden. Durch das Rentenüberleitungsgesetz ist dieser Zeitraum bis zum 31. Dezember 1996 erweitert und auf diese Weise berücksichtigt worden, dass rentennahe Jahrgänge sich auf Änderungen in der Alterssicherung regelmäßig nicht haben einstellen können. Darüber hinausgehende Schritte des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich nicht geboten gewesen. Es ist eine Folge der Vereinheitlichung des gesamtdeutschen Rentenrechts auf der Grundlage des SGB VI, dass die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze liegenden Arbeitsentgelte nicht berücksichtigt werden. Würde diese einheitliche Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben, ergäben sich neue Gleichheitsprobleme, insbesondere gegenüber den in den alten Bundesländern Versicherten, für die die Beitragsbemessungsgrenze unterschiedslos gilt. Mit der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze auf die übergeleiteten rentenrechtlichen Rechtspositionen bleiben die Grundsätze der Rentenversicherung gewahrt, wonach eine leistungsabhängige Grundsicherung für das Risiko des Alters bereitgestellt wird (BVerfGE 100, 1, 40).

Sind aber die für die Berechnung der Altersrente der Klägerin maßgeblichen Vorschriften nicht verfassungswidrig und schon gar nicht vom BVerfG für nichtig erklärt worden, kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen für die Rücknahme eines anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes gemäß § 44 Abs. 1 SGB X bzw. eines entsprechenden Zweitbescheides insbesondere die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes im Zeitpunkt seines Erlasses überhaupt vorliegen können (vgl. dazu BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001 B 4 RA 6/01 R in SozR 3 8570 § 8 Nr. 7).

Der Senat sieht keinen Anlass, den von der Klägerin hilfsweise angekündigten Beweisanträgen zu folgen. Diese betreffen sozialpolitische Erwägungen, die für den Gesetzgeber bedeutsam sind bzw. waren, auf die es aber im vorliegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die oben dargelegten von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des SGB VI und deren Übereinstimmung mit dem GG nicht mehr ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 3 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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