L 29 B 1675/07 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 107 AS 9877/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 1675/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Der Kläger begehrt die Festsetzung eines Streitwertes nach Erledigung einer Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Berlin.

Der Kläger ist im Vereinsregister des Amtsgerichts Charlottenburg unter der Nr seit dem 20. Dezember 2005 eingetragen. Nach § 2 seiner Vereinssatzung verfolgt er ausschließlich und unmittelbar gemeinnützig als Zweck, die Kinder- und Jugendhilfe insbesondere durch Projekte zu fördern. Nach dem Freistellungsbescheid des Finanzamtes für Körperschaften I Berlin vom 21. Dezember 2005 ist der Kläger sowohl von der Körperschafts- als auch von der Gewerbesteuer befreit, weil er gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 f. Abgabenordnung dient.

Am 5. April 2005 beantragte der Kläger nach § 16 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten die Förderung einer Maßnahme in Form einer Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) –Zusatzjobs- für die Betreuung und Begleitung von Kindern bei Ausflügen sowie die Vorbereitung von Kitaprojekten, Hol- und Bringedienst von Schülern sowie Verkehrserziehung. Unter der Maßnahme-Nr. wurde die Förderung der Maßnahme für die Dauer von 10 Monaten vom 27. Juni 2005 bis zum 26. April 2006 mit einer Mehraufwandsentschädigung von 1,50 EUR/je Stunde bewilligt.

Am 18. November 2005 beantragte der Kläger die Verlängerung dieser Maßnahme. Mit Bescheid vom 9. Juni 2006 lehnte der Beklagte dies ab. Hiergegen erhob der anwaltlich vertretene Kläger am 22. Juni 2006 Widerspruch und beantragte Akteneinsicht. Am 27. Oktober 2006 hat der Kläger Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, welche er am 27. März 2007 für erledigt erklärt hat, nachdem der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2007 den Widerspruch zurückgewiesen hatte.

In der mit der Erledigungserklärung des Klägers vorgelegten Kostennote hat er einen Gegenstandswert in Höhe von 55.200 EUR genannt. Das Sozialgericht hat hierin den Antrag auf Festsetzung eines Streitwerts in dieser Höhe gesehen.

Mit Beschluss vom 31. Juli 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Streitwertfestsetzung abgelehnt, da der Kläger zum privilegierten Personenkreis nach § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehöre. Es habe sich um eine Maßnahme nach dem 5. Abschnitt des 6. Kapitels des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) gehandelt, die gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende förderungsfähig sei.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 16. August 2007 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 17. September 2007 (einem Montag) Beschwerde eingelegt.

Das Sozialgericht Berlin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht Berlin - Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die der Entscheidung zugrunde gelegen haben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2007 ist rechtmäßig. Im vorliegenden Rechtsstreit ist ein Streitwert nicht festzusetzen.

Nach § 183 Satz 1 SGG ist das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließt Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben (§ 197a Abs. 1 SGG). Nach § 63 Abs. 2 GKG setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt.

Vorliegend gehört der Kläger als Leistungsempfänger zu dem priviligierten Personenkreis i.S. von § 183 SGG, sodass die Festsetzung eines Streitwerts nach § 197a SGG nicht in Betracht kommt.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass er von dem Beklagten weder Eingliederungszuschüsse nach §§ 217 ff. SGB III noch die Förderung einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach den § 260 ff. SGB III über § 16 Abs. 1 SGB II begehrt hatte. Im Streit war vielmehr eine Entscheidung über die Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung nach § 16 Abs. 3 S. 2 SGB II (so genannte "Ein- Euro- Jobs"). Zur Beurteilung, ob der Kläger als Leistungsempfänger i.S. von § 183 SGG anzusehen ist, kann daher nicht auf das 5. Kapitel und das 6. Kapitel des SGB III abgestellt werden. Denn anders als § 16 Abs. 1 SGB II verweist § 16 Abs. 3 SGB II nicht auf die Regelungen des SGB III.

Nach dem Wortlaut des § 183 SGG sind insbesondere "Leistungsempfänger" priviligiert und werden somit von den Gerichtskosten des sozialgerichtlichen Verfahrens freigestellt (BSG, Beschluss vom 22. September 2004, B 11 AL 33/03 R, u.a. in NZS 2005, 555 bis 557 und SozR 4-1500 § 183 Nr. 2).

Um eine "Leistung" handelt es sich jedoch auch bei der nach § 16 Abs. 3 SGB II beantragten Maßnahme. Diese Formulierung findet sich nicht nur in der Überschrift des einschlägigen 1. Abschnitts des 3. Kapitels des SGB II ("Leistungen zur Eingliederung in Arbeit"), sondern der § 16 SGB II ist ausdrücklich mit der Überschrift "Leistungen zur Eingliederung" bezeichnet.

Auch wenn die Leistungen an den Maßnahmeträger in § 16 Abs. 3 SGB II nicht ausdrücklich erwähnt sind, so führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Leistungen an den Maßnahmeträger einer Maßnahme nach § 16 Abs. 3 SGB II sind als Annex nach dieser Regelung zu beurteilen. Dies folgt aus dem Umstand, dass § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II selbst nur Leistungen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen selbst regelt. Die Finanzierung der Trägerkosten ist demgegenüber gesetzlich nicht geregelt. Da der Träger der Maßnahme jedoch regelmäßig Kosten für Qualifizierung, Anleitung und Betreuung des Hilfebedürftigen haben wird, sind diese Kosten bei der Bemessung des Förderbetrages angemessen zu berücksichtigen (vgl. Gemeinsame Erklärung der Bundesagentur für Arbeit, des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages, des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zusammenarbeitenden Spitzenverbände zur Gestaltung der öffentlich geförderten Beschäftigung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) vom 13. Oktober 2004, Seite 6, 3.3 " Höhe und Dauer der Förderung"). Die angemessenen Kosten des Maßnahmeträgers sind daher regelmäßig im Einzelfall für die Eingliederung in Arbeit nach § 16 Abs. 3 SGB II erforderliche Leistungen, die nach § 14 Satz 3 SGB II von dem Träger der Grundsicherung unter Berücksichtigung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu erbringen sind (vgl. Bundesagentur für Arbeit, Arbeitshilfe AGH- Arbeitsgelegenheiten (AGH) nach § 16 Abs. 3 SGB II- Stand: 27. Juli 2007, Seite 14, B 3.2). Entsprechend sieht auch die auf Grundlage von § 18 Abs. 4 SGB II vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erlassene Verordnung über die Mindestanforderungen an die Vereinbarungen über Leistungen der Eingliederung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Mindestanforderung - Verordnung) vom 4. November 2004 (BGBl. I S. 2768) vor, dass im Falle einer Vereinbarung nach § 18 Abs. 3 SGB II zwischen der Agentur für Arbeit und den Gemeinden, Kreisen und Bezirken eine Vergütungsvereinbarung erfolgen muss (vgl. § 4 der Verordnung).

Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des § 183 SGG dafür, den Kläger als Maßnahmeträger einer Maßnahme nach § 16 Abs. 3 SGB II gerichtskostenfrei zu stellen.

Vorliegend erstrebte der Kläger mit seinem Antrag nach § 16 Abs. 3 SGB II nicht seine Bereicherung, sondern die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe in Neukölln. Er verfolgt nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und ist daher als gemeinnütziger Verein anerkannt. Mit der Maßnahme sollten Zusatzjobs geschaffen werden, die im öffentlichen Interesse liegen sowie zusätzlich, wettbewerbsneutral, arbeitsmarktpolitisch zweckmäßig und hinreichend bestimmt sind. Neben den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und den Kindern und Jugendlichen sollten Nutznießer dieser Maßnahmen die öffentlichen und gemeinnützigen Einrichtungen sein, in denen die Zusatzjobs ausgeübt werden (beispielsweise Kindertagesstätten, Schulen und Jugendeinrichtungen). Zielen jedoch die begehrten Mittel nicht auf eine wirtschaftliche Bereicherung des Berechtigten ab, sondern dienen der Eingliederung Arbeitssuchender, so ist eine Freistellung von den Gerichtskosten gerechtfertigt (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Februar 2008, L 5 B 180/08 AS ER und L 5 B 183/08 AS PKH – zitiert nach juris).

Kosten werden nicht erstattet (entsprechend § 68 Abs. 3 GKG).

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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