L 9 R 138/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4414/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 138/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06. Dezember 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1958 geborene Klägerin hat von September 1973 bis Juni 1975 eine Ausbildung als Apothekenhelferin absolviert und dann in diesem Beruf von September 1975 bis Oktober 1976 gearbeitet. Danach übte sie wegen Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung keine Beschäftigung aus und war ab Oktober 1977 bis Februar 1979 arbeitslos. Im Februar und März 1979 war sie versicherungspflichtig beschäftigt und dann von April 1979 bis Oktober 1982 wiederum arbeitslos. Anschließend war sie wegen Schwangerschaft, Mutterschutz und Kindererziehung nicht erwerbstätig. Vom 04. November bis 13. Dezember 1996 absolvierte sie eine vom Arbeitsamt geförderte Umschulung zur Altenpflegehelferin bezog dann vom 22. September 1998 bis 1. März 1999 Teilarbeitslosengeld und absolvierte vom 02. März bis 30. Mai 1999 wiederum eine Umschulung. Danach übte sie ab Juli 1999 bis Dezember 2000 eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung aus und war dann von Februar 2001 bis Oktober 2001 versicherungspflichtig als Putzhilfe beschäftigt. Anschließend bezog sie Sozialleistungen und war schließlich von Februar 2003 bis Januar 2004 wieder arbeitslos.

Wegen eines Knorpelschadens im linken Knie erfolgte am 5. Oktober 2001 eine Außenmeniskusteilresektion. Außerdem bestätigte der Allgemeinmediziner Dr. Reinhardt am 11. Juni 2004 das Vorliegen einer Depression mit Angstzuständen, einer Refluxkrankheit, eines Colon irritable und einer Migräne, wodurch die Erwerbsfähigkeit deutlich eingeschränkt sei.

Den Rentenantrag der Klägerin vom 18. Juni 2004 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2004 und Widerspruchsbescheid vom 11. November 2004 ab, da die Klägerin ihr zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Dem lagen u. a. das Gutachten der Dr. B., Ärztin für Nervenheilkunde, Sozialmedizin und Rehabilitationswesen vom 09. August 2004 und deren weiteren Stellungnahme vom 21. September 2004 zu Grunde. Sie diagnostizierte nach einer Untersuchung und unter Berücksichtigung der vorliegenden Berichte sowie der Anamnese (sie stehe um 8.00 Uhr auf, füttere die Katzen, frühstücke, mache dann die Küche sauber, räume auf, kaufe beim Gärtner Pflanzen oder Gemüse und bereite mittags den noch im Haushalt lebenden Kindern das Essen) eine leichte Anpassungsstörung und eine uneingeschränkte Beweglichkeit des linken Kniegelenks nach der Meniskusoperation. Es bestehe keine wesentliche Leistungseinschränkung, lediglich ständiges Knien sollte vermieden werden, ansonsten seien leichte und mittelschwere Arbeiten weiterhin sechs Stunden und mehr möglich, auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft.

Deswegen hat die Klägerin am 14. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung im wesentlichen psychische Leiden angeführt.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Facharzt für psychotherapeutische Medizin und spezielle Schmerztherapie Dr. L. hat am 11. Mai 2005 über seine Behandlungen und die Befunderhebungen im Zeitraum vom Dezember 2002 bis August 2003 berichtet. Zum damaligen Zeitpunkt habe die Klägerin noch mindestens drei Stunden täglich arbeiten können. Der Allgemeinmediziner Dr. Reinhardt hat am 09. Juni 2005 über Knie- und Unterbauchbeschwerden sowie eine Cervikoneuralgie berichtet, zu denen ein Colon irritable und eine Neigung zu depressiven Verstimmungen, die von einem Psychotherapeuten behandelt worden sei, hinzu gekommen sei. Nach Rücksprache mit diesem sei er der Auffassung, die Klägerin könne drei Stunden oder mehr täglich arbeiten.

Außerdem hat das SG ein Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse Sch. vom 15. Dezember 2005 mit (nach Einwänden der Beklagten und der Dr. H. vom 27. April 2006) ergänzender Stellungnahme vom 02. Juni 2006 eingeholt. Die Sachverständige hat eine "Anpassungsstörung bei ich-struktureller Störung mit daraus resultierenden eingeschränkten Ich-Funktionen", eine "narzistisch-depressive Persönlichkeitsstörung mit zunehmenden psychosomatischen und funktionellen Symptomen", eine "bulimische Essstörung" und eine "Adipositas" diagnostiziert. Die psychische und körperliche Belastbarkeit, die Belastungsdauer und die Regenerationsfähigkeit seien durch die Ich-strukturelle und depressive Erkrankung eingeschränkt. Es könne von Seiten des psychiatrischen Fachgebiets nur von einer Belastbarkeit mit leichter bis mittelschwerer Arbeit ausgegangen werden. Depressiv bedingt bestehe eine Einschränkung der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie der Ausdauer, was zu - näher beschriebenen - qualitativen Einschränkungen führe. Die strukturelle und psychoneurotische Störung lasse eine Höchstdauer je Arbeitstag von drei bis weniger als sechs Stunden zu. Die psychischen und physischen Einschränkungen verlangten bei jeglicher Arbeit viel psychische Kraft ab, ohne dass sich die Klägerin jeweils vollständig davon erholen könne. Eine Wegezeit von mehr als 30 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln einschließlich der Wegstrecke zu Fuß sei nicht zumutbar. Es sei davon auszugehen, dass diese Einschränkung der Erwerbsfähigkeit vor dem 01. Juni 2004 bestanden habe.

Die Beklagte hat Stellungnahmen der Ärztin für Psychiatrie Dr. H. vom 27. April 2006 und 22. Juni 2006 vorgelegt. Sie kritisiert, die Sachverständige habe viele subjektive Klagen der Klägerin angeführt, wobei es sich um verschiedene Befindlichkeitsstörungen handle. Eine objektive Beschreibung des psychischen Befundes fehle. Für die Feststellung des Umfangs des Leistungsvermögens seien die Auswirkungen der Störung vorrangig. Es finde keine ambulante psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung statt. Auch eine medikamentöse Behandlung sei nicht erwähnt. Damit ergebe sich ein seit vielen Jahren unverändert vorliegendes Beschwerdebild, aus dem sich eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens nicht ableiten lasse. Es sei weiter von einem mehr als sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung des allgemeinen Arbeitsmarktes auszugehen; auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft sei weiterhin vollschichtig zumutbar. Angezeigt wäre eine regelmäßige ambulante psychiatrische und oder psychotherapeutische Behandlung. In Zusammenschau des beschriebenen klinischen Befundes und der Aktenlage sei die Leistungsbeurteilung der Gutachterin nicht nachvollziehbar.

Mit Urteil vom 06. Dezember 2006 ist das SG der Sachverständigen insofern gefolgt, als es die Beklagte zur Gewährung einer zeitlich befristeten Rente ausgehend von einem Leistungsfall vom 18. Juni 2004 für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2007 verurteilt hat.

Gegen das am 27. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08. Januar 2007 Berufung eingelegt. Sie bemängelt, die Sachverständige Sch. habe keine Untersuchung durchgeführt, sondern ein Gespräch geführt, die subjektive Beschwerdeschilderung festgehalten, eine psychodynamische Entwicklung gedeutet und darauf aufbauend die Leistungsbeurteilung abgegeben. Dies sei nicht überzeugend. Es fehle auch an einer Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06. Dezember 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die Ausführungen der Sachverständigen erster Instanz und Äußerungen ihrer behandelnden Ärzte.

Der Senat hat ein Sachverständigengutachten des Nervenarztes und Arztes für Psychotherapie Prof. Dr. S. vom 18. Juli 2007 mit - nach schriftlicher Aussage der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. P., die die Klägerin seit April 2007 behandelt, vom 14. Oktober 2007 - ergänzender Stellungnahme vom 25. Januar 2008 eingeholt. Er diagnostiziert eine Dysthymia leichteren Grades, die allerdings allein auf Grund der erhobenen Befunde nicht ganz eindeutig sei, und eine Adipositas. Außerdem äußert er einen Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung mit depressiven und dependenten Zügen sowie auf ein Carpaltunnelsyndrom (CTS) rechts. Allein auf Grund der depressiven Verstimmung, die zeitweilig vorhanden sein möge, sei die geistige, körperliche und psychische Belastbarkeit mäßig herabgesetzt. Die Leistungsfähigkeit sei insgesamt in vielen Bereichen etwas eingeschränkt. Nicht zumutbar, und zwar mehr auf Grund der Persönlichkeitseigenschaften als auf Grund eigentlicher Krankheit oder Behinderung, seien Tätigkeiten mit erhöhten Ansprüchen an Konzentration und Sorgfalt sowie auch sonstige besonders belastende, d.h. körperlich schwere oder psychisch belastende Arbeiten, wie auch Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung und mit vermehrter manueller Belastung. Letzteres wegen des CTS, das allerdings behandelbar sei. Leichte bis gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Ansprüche seien ohne weiteres sechs Stunden täglich möglich. Besondere Arbeitsbedingungen, wie betriebsunübliche Pausen, seien nicht erforderlich. Eine Einstellung auf neue, den Fähigkeiten angepasste Tätigkeiten sei möglich. Die Klägerin könne auch viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß zurücklegen und auch zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel benutzen und benötige für eine Fußwegstrecke von 500 Metern 15 bis höchstens 20 Minuten. Die Vorgutachterin Sch. verkenne, dass die Leistungsfähigkeit nicht auf Grund psychoanalytischer Überlegungen zur Strukturdiagnose sondern im Hinblick auf die funktionellen Auswirkungen in der Alltagsgestaltung beurteilt werden müsse. Da die Klägerin nach eigener Schilderung in der Lage sei, die Haushaltsführung für drei erwachsene Kinder vollständig zu übernehmen und Haustiere sowie den Garten zu versorgen, sei nicht zu begründen, weswegen sie eine wenig anspruchsvolle Tätigkeit nicht verrichten können sollte. Aus den Angaben von Dr. P., bei der sich die Klägerin seit April 2007 in Behandlung befindet, ergäben sich keine wesentlich neuen Gesichtspunkte.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, denn sie ist nicht erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.

Sie kann Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Überzeugung des Senats noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. sowie dem im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dr. B. und den als qualifizierten Beteiligtenvortrag zu wertenden Ausführungen von Dr. H ... Danach leidet die Klägerin im wesentlichen unter Kniegelenksbeschwerden nach einer Meniskusoperation im Oktober 2001 bei uneingeschränkter Beweglichkeit des Kniegelenks. Außerdem liegen eine Refluxkrankheit, ein Colon irritable, eine Essstörung, eine Migräne und eine Adipositas vor. Im Vordergrund steht auf nervenärztlichem Gebiet neben einem Verdacht auf CTS rechts eine Dysthymia leichteren Grades bei Verdacht auf Persönlichkeitsstörung mit depressiven und dependenten Zügen. Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund der Angaben der behandelnden Ärzte, zuletzt der Aussage der Dr. P., des Gutachtens von Dr. B. und des Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. S. fest. Darüber hinausgehende, wesentlich schwerer wiegende Gesundheitsstörungen, insbesondere auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet, die für die Beurteilung des Leistungsvermögens von Bedeutung sein könnten, sind dagegen nicht nachgewiesen. Insbesondere sind solche nicht durch das Gutachten der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Sch. belegt. Die von ihr diagnostizierte "Ich-strukturelle Störung" und narzistisch-depressive Persönlichkeitsstörung wird von Prof. Dr. S. nicht in Abrede gestellt, wenn er bei der Klägerin eine Persönlichkeitsstörung mit depressiven und dependenten Zügen beschreibt. Er sieht diese aber überzeugend nicht als Krankheit, sondern primär als Persönlichkeitseigenschaft an, die die Klägerin in das Erwerbsleben eingebracht hat und die allein keine zu einem bestimmten Zeitpunkt plötzlich eintretende Erwerbsminderung begründen kann. Zwar ist durch die von Prof. Dr. S. beschriebene Persönlichkeitsstörung mit depressiven und dependenten Zügen die Fähigkeit der Klägerin zur Überwindung und Anpassung an veränderte Lebenssituationen einschränkt. Prof. Dr. S. konnte aber kein Krankheitsgeschehen feststellen, das wegen der genannten Persönlichkeitseigenschaften von der Klägerin nicht mehr hinreichend bewältigt werden könnte. Die rezidivierend auftretenden depressiven Verstimmungen sieht er vielmehr auch als Teil der Primärpersönlichkeit der Klägerin an. Im übrigen hat der Sachverständige - wie noch darzulegen ist - auf der Grundlage der anamnestisch erhobenen Tagesgestaltung und der psychiatrischen Exploration die funktionellen Auswirkungen der Persönlichkeitstörung und der rezidivierenden depressiven Verstimmungen auf die Alltagsgestaltung nicht als so schwerwiegend erachtet, dass die Klägerin nicht mindestens sechs Stunden täglich eine leichte körperliche Arbeit verrichten könnte. Demgegenüber geht die Sachverständige Sch. in ihrer Beschreibung vorwiegend auf von ihr aus psychologischer Sicht gesehene Ursachen der psychischen Störungen der Klägerin ein, was letztlich für die hier allein maßgeblichen Auswirkungen auf das berufliche Leistungsvermögen aber nicht von entscheidender Bedeutung ist.

Unter Berücksichtung der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen ist diese zur Überzeugung des Senats hinsichtlich ihrer geistigen, körperlichen und psychischen Belastbarkeit eingeschränkt. Sie kann, wenn auch mehr auf Grund der Persönlichkeitseigenschaften als auf Grund eigentlicher Krankheit oder Behinderung, Arbeiten mit erhöhten Ansprüchen an Konzentration und Sorgfalt sowie sonstige besonders belastende, d.h. schwere körperliche und psychisch belastende Tätigkeiten nicht verrichten. Nicht geeignet sind auch Tätigkeiten mit erhöhter Verantwortung und solche mit vermehrter manueller Belastung im Hinblick auf das CTS, das allerdings konservativ wie auch operativ behandelbar ist. Die entsprechenden Tätigkeiten leichter bis gelegentlich mittelschwerer Art ohne besondere Ansprüche sind ihr sechs Stunden täglich zumutbar. Dies ergibt sich schlüssig und nachvollziehbar aus dem Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S., der auch eine hinreichende Umstellungsfähigkeit für entsprechende einfache Tätigkeiten noch für vorhanden erachtet. Das von ihm gezeichnete Leistungsbild beruht nachvollziehbar auf den in den Akten niedergelegten sowie den von ihm selbst erhobenen Befunden und insbesondere dem bei der Anamnese erhobenen Tagesablauf. Der ihm gegenüber von der Klägerin eingeräumte Tagesablauf, der ein wesentliches Indiz zur Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin darstellt, lässt wesentliche Einschränkungen nicht erkennen. Er ist strukturiert. Die Klägerin steht zwischen 8:00 Uhr und 8:30 Uhr auf, macht dann das Frühstück, liest Zeitung und versorgt den Haushalt (Kochen, Waschen und Putzen), auch für ihre noch im Haushalt lebenden Kinder, einschließlich der Versorgung von Haustieren, wie eine Katze, ein Hase und Fische, sowie den Garten. Hiervon ausgehend ist eine wesentliche Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens in quantitativer, aber auch in qualitativer Hinsicht nicht nachvollziehbar, so dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann. Etwas anderes ergibt sich, wie Prof. Dr. S. nachvollziehbar dargelegt, auch nicht aus den von Dr. P. mitgeteilten Befunden.

Soweit die Klägerin einwendet, Prof. Dr. S. habe sie nur ein bis eineinhalb Stunden untersucht, hat dieser nachvollziehbar und glaubhaft angegeben, dass sie drei Stunden untersucht wurde. Im übrigen obliegt es dem Sachverständigen, zu entscheiden, in welchem Umfang eine Untersuchung für die Begutachtung erforderlich ist. Zutreffend ist er auf Grund ihrer Angaben auch davon ausgegangen, dass sie die Haushaltsführung für ihre Kinder vollständig übernommen hat, was nicht einer vollumfänglichen Versorgung entspricht. Auch hat er die Angaben berücksichtigt, dass die damals dreißigjährige erwachsene Tochter nicht mehr im Haushalt lebte. Dass es sich bei den zu versorgenden Tieren um eine Katze, einen Hasen und Fische handelte, hat er im Gutachten erwähnt und berücksichtigt.

Soweit hiervon abweichend die Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin Sch. eine weitergehende Leistungsminderung annimmt, fehlt es hierfür an einer den Senat überzeugenden tragenden Begründung. Dem Gutachten mangelt es an einer hinreichenden Erhebung des Tagesablaufs und die Sachverständige übernimmt die Beschwerdenangaben der Klägerin, ohne diese kritisch zu hinterfragen und hinreichend zu objektivieren. Gerade dies aber ist insbesondere bei einer psychiatrischen Begutachtung, die sich im Wesentlichen auch auf Angaben des Probanden stützen muss, zwingend geboten. Vom psychotherapeutischen Ansatz nachvollziehbar versucht sie vielmehr in erster Linie die Beschwerdeschilderungen zu erklären und die Ursachen herauszuarbeiten. Dies aber wird dem Erfordernis, das für die Entscheidung des Senats maßgebliche positive und negative Leistungsvermögen herauszuarbeiten, nicht gerecht. Die insofern kritischen Einwände von Dr. H. und insbesondere auch des Prof. Dr. S. sind berechtigt und überzeugend, weswegen der Senat dem Gutachten der Fachärztin für psychotherapeutische Medizin Sch. nicht zu folgen vermag.

Damit steht fest, dass die Klägerin leichte einfache Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen wenigstens sechs Stunden täglich noch verrichten kann.

Eine relevante Einschränkung der Wege zu und von der Arbeit nach Hause und damit der sogenannten Wegefähigkeit, die für die Bejahung von Erwerbsfähigkeit auch erforderlich ist, liegt - so Prof. Dr. S. - nicht vor. So kann die Klägerin auch viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß zurücklegen und auch zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel benutzen und benötigt für eine Wegstrecke von 500 Metern 15 bis höchstens 20 Minuten. Soweit die Gutachterin Sch. auch hier eine Einschränkung gesehen hat, fehlt es gleichfalls an einer den Senat überzeugenden Begründung.

Im übrigen bedingen die bestehenden qualitativen Einschränkungen - nur leichte bis mittelschwere Arbeiten, ohne ständiges Knien, psychische Belastung, besondere Anforderungen an Konzentration, Sorgfalt und Merkfähigkeit - auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbeeinträchtigung, so dass auch insofern es einer konkreten Benennung zumutbarer Tätigkeiten nicht bedarf. Entsprechende, einfache und anspruchslose Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sind ihr zur Überzeugung des Senats noch möglich und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhanden

Im Hinblick auf ihre beruflichen Tätigkeiten ist die Klägerin ist auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, sodass es der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedarf und auch Berufsunfähigkeit nicht vorliegt. Berufsschutz hat die Klägerin auch nicht durch die berufliche Ausbildung zur Apothekenhelferin von September 1973 bis Juni 1975 und die anschließende Tätigkeit in diesem Beruf erlangt, denn die Klägerin hat nach der 22-monatigen Lehrzeit in diesem Beruf anschließend nur weitere 14 Monate gearbeitet und ihn somit vor Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten aufgeben. Berufsschutz besteht unter diesen Umständen auch dann nicht, wenn die Klägerin diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben haben sollte ( vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 240 SGB VI Rdnr. 17 und 23 mwN).

Da die Klägerin somit ihr zumutbare Tätigkeiten wenigstens sechs Stunden täglich verrichten kann, ist sie weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert. Infolgedessen hat die Beklagte zu Recht die Gewährung von Rente abgelehnt. Auf deren Berufung hebt der Senat das Urteil des SG auf und weist die Klage ab. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved