L 9 SF 785/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 528/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 SF 785/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat in Abänderung der Kostenentscheidung des Urteils vom 11. Dezember 2006 die Kosten des Klageverfahrens und die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 2850 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Erstattung von vom Sozialhilfeträger für seinen Bruder M. erbrachten Heimkosten in monatlicher Höhe von 237,49 Euro.

Der 1957 geborene Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, unterzeichnete am 16. Mai 2002 gegenüber dem Ausländeramt des Beklagten zu 2) eine formblattgemäße VERPFLICHTUNGSERKLÄRUNG, in der er sich unter Vorlage eines Einkommensnachweises bis auf weiteres nach § 84 des Ausländergesetzes u. a. verpflichtete, die Kosten für den Lebensunterhalt seines am 10. September 1953 geborenen Bruders M. zu tragen. M. ist türkischer Staatsangehöriger. Zur Erläuterung hieß es im vorgedruckten Text der Erklärung:

"Die Verpflichtung umfasst die Erstattung sämtlicher öffentlicher Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden (z.B. Arztbesuch, Medikamente, Krankenhausaufenthalt). Dies gilt auch, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen, im Gegensatz zu Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen ... Ich bestätige, zu der Verpflichtung aufgrund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein."

Dem ging folgender Sachverhalt voraus: Der in der Türkei geborene und aufgewachsene M. lebte zwischen seinem 14. und 20. Lebensjahr, also zwischen 1967 und 1973, bei seinen Eltern in Friedrichshafen, wo er damals - nach den Angaben im Sozialbericht des Heinrich-Landerer-Krankenhauses in R. vom 15. April 2003 - als Bauhilfsarbeiter tätig gewesen sein soll. Bereits damals habe sich der M. zurückgezogen und mutistisches Verhalten aus dem schizophrenen Formenkreis an den Tag gelegt, infolge dessen er von seinen Eltern in die Türkei zurückgeschickt wurde, um dort bei der Großmutter zu leben. 1976 wurde M. in der Türkei wegen psychotischer Erkrankung vom türkischen Militärdienst befreit; in einem Bericht der Gesundheitskommission des Krankenhauses von Kayseri vom 19. August 1981 sei als Diagnose "Schizophrenie" mitgeteilt worden.

Nach dem Tod der Großmutter im Jahre 1999 reiste der M. am 17. September 1999 als Tourist wieder ins Bundesgebiet ein. Hier wurde er zunächst vom Kläger und dessen Familie und der Familie seiner Schwester im Wechsel betreut und unterhalten. Auf Anfrage des Landratsamts R. vom 13. Februar 2002, in der darauf hingewiesen worden war, dass der M. mangels Fähigkeit zu einer selbständigen Lebensführung auf seine Familie angewiesen sei, andernfalls ein Heimaufenthalt notwendig wäre, stimmte das Regierungspräsidium T. mit Verfügung vom 6. Mai 2002 der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach § 22 AuslG zu. Daraufhin erteilte das Landratsamt Reutlingen dem M. taggleich mit der Abgabe der oben beschriebenen Verpflichtungserklärung durch den Kläger am 16. Mai 2002 eine befristete Aufenthaltserlaubnis, die seither jeweils erneut befristet nahtlos verlängert worden ist.

In der Zeit vom 26. März bis zum 22. April 2003 wurde der M. im Heinrich-Landerer-Krankenhaus, R., stationär behandelt. Im undatierten Ärztlichen Zeugnis teilte der Psychiater Dr. N. als Diagnose mit: chronische schizophrene Psychose mit Residuen. Damit liege eine wesentliche und dauerhafte Behinderung vor, die einen baldmöglichst zu realisierenden vollstationären Hilfebedarf für seelisch behinderte Erwachsene auslöse und zudem tagesstrukturierende Maßnahmen im Förder- und Betreuungsbereich erforderlich mache. Das Versorgungsamt Rottweil stellte mit Bescheid vom 16. Februar 2004 den Grad der Behinderung - GdB - des M. für die Zeit ab dem 5. Dezember 2003 (Datum des Antrags) mit 80 fest und erkannte ihm die Merkzeichen "G" und "B" zu.

Bereits unter dem 15. April 2003 beantragte der Sozialdienst des Heinrich-Landerer-Krankenhauses unter Vorlage eines Sozialberichts beim damals zuständigen Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern die Kostenübernahme für einen vollstationären Wohnplatz für den M. M. beantragte sodann unter Hinweis auf den vorbezeichneten Sozialbericht unter dem 8. Dezember 2003 formblattgerecht Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Im am 16. Dezember 2003 ausgefüllten Prüf- und Bearbeitungsbogen erkannte der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern die Hilfegewährung zugunsten des bedüftigen M. durch Heimunterbringung an, machte die Hilfeleistungen aber von einem vollen Kostenersatz des Klägers aufgrund der von diesem abgegebenen Verpflichtungserklärung abhängig. In der Folge bat der Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern den Kläger unter dem 3. Februar 2004 um Auskunft über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie über seine Zahlungsverpflichtungen. Darauf reagierte der Kläger nach Aktenlage nicht.

Einen von M. parallel auf die Bewilligung von Pflegeleistungen gerichteten Antrag lehnte die AOK Bodenseekreis mit Bescheid vom 27. August 2003 ab. Nachdem sich der Kläger im März 2005 und sodann wieder am 30. Mai 2005 beim Sozialpsychiatrischen Wohnverbund Bruderhaus Diakonie R. nach einem frei werdenden Platz für den M. erkundigte hatte, teilte ihm der nunmehr zuständig gewordene Beklagte zu 1) unter dem 28. Juni 2005 mit, der Antrag auf Übernahme der stationären Wohnheimkosten für den M. sei weiter in Bearbeitung. Die Kosten der beantragten Eingliederungshilfe zählten zu den vom Kläger in der Verpflichtungserklärung vom 16. Mai 2002 bestätigten und garantierten Kosten der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Ab einer Heimaufnahme des M. werde der Kläger wegen der infolge der Verpflichtungserklärung gegenüber dem M. übernommenen Unterhaltspflicht zu einem teilweisen Ersatz der Heimkosten herangezogen werden. Zur Prüfung der Zahlungspflicht werde um Vorlage der Nachweise des Einkommens, des Vermögens und der bestehenden Zahlungsverpflichtungen gebeten. Die erbetenen Unterlagen legte der Kläger nunmehr vor.

Parallel dazu bat der Beklagte zu 1) unter dem 28. Juni 2005 das staatliche Gesundheitsamt um Bestätigung der Behinderung des M. Unter dem 4. Juli 2005 bescheinigte Dr. R., Staatliches Gesundheitsamt im Landratsamt R., dass bei M. eine chronische psychische Erkrankung vorliege und er dem Personenkreis der Menschen mit einer wesentlichen Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zuzuordnen sei.

Daraufhin ergingen unter dem 15. Juli 2005 drei Bescheide durch den Beklagten zu 1). Im ersten Bescheid wurde der Behindertenhilfe Bruderhaus Diakonie R. eine Kostenzusage aus Mitteln der Sozialhilfe ab dem Tag der Aufnahme des M. bis zum 31. Dezember 2007 erteilt (Wohnen, Hilfegruppe 1, täglich 49,16 Euro, Bekleidungspauschale monatlich 23,01 Euro und Bargeld monatlich 90 Euro). Im zweiten, an den M. adressierten Bescheid wurde dieser über die der Behindertenhilfe Bruderhaus Diakonie Reutlingen zu seinen Gunsten bewilligten Leistungen informiert.

Der dritte und hier streitgegenständliche Bescheid vom 15. Juli 2005 erging an den Kläger. Darin wurde der Kläger aufgefordert, ab dem Tag der Heimaufnahme des M. an den Beklagten zu 1) einen Betrag von monatlich 300 Euro zu überweisen. Die Prüfung der eingereichten Unterlagen habe nämlich ergeben, dass sein Einkommen den sozialhilferechtlichen Bedarf überschreite. Um der besonderen familiären Situation des Klägers (drei Kinder, eines davon im Studium, langjährige Betreuung des kranken M. in der Familie) gerecht zu werden, sei im Wege einer Ermessensentscheidung das den sozialhilferechtlichen Bedarf übersteigende monatliche Einkommen von insgesamt 649,50 Euro nur in Höhe von 300 Euro als Einkommenseinsatz festgelegt worden.

Den dagegen am 20. Juli 2005 erhobenen Widerspruch begründete der Kläger unter Hinweis, dass auf die unterhaltsrechtlichen Freibeträge abzustellen sei und nicht auf den sozialhilferechtlichen Bedarf. Außerdem sei überhaupt fraglich, ob der Kläger wegen Heimkosten aus der Verpflichtungserklärung hafte. Im Übrigen sei der Kläger bzw. dessen in Friedrichshafen lebende Mutter weiter bereit die schon bisher aufgebrachten Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung des M. in monatlicher Höhe von derzeit ca. 127 Euro weiter zu übernehmen.

Am 5. September 2005 wurde der M. von der Bruderhaus Diakonie R. im Wohn- und Betreuungsangebot Gaisbühl 16 aufgenommen.

Unter dem 28. September 2005 bat der Beklagte zu 1) die Bevollmächtigten des Klägers, mit diesem eine Ermäßigung des Heranziehensbetrags für die Heimkosten des M. auf monatlich 110 Euro zu diskutieren, solange der Kläger noch drei Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sei. Die 110 Euro Kostenbeitrag entsprächen dem Anteil für Nahrungsmittel des M. in Höhe von 40 v. H. des Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen von derzeit 276 Euro. Dies entspreche dem Betrag, den der Kläger durch die vollstationäre Unterbringung seines Bruders einspare. Dieses Angebot des Beklagten zu 1) ließ der Kläger unter dem 7. November 2005 durch seine Bevollmächtigten ablehnen.

Daraufhin verfügte der Beklagte zu 1) durch Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2006 unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen und anteiliger Erstattung der Verfahrenskosten, dass anstatt eines monatlichen Kostenbeitrags von 300 Euro ab dem Tag der Heimaufnahme des M. ein monatlicher Kostenbeitrag von 237,49 Euro (110 Euro Kostenbeitrag Heimkosten plus 127,49 Euro Krankenversicherung) festgesetzt werde. Zur Begründung hieß es: Der Beklagte zu 1) trage seit dem 5. September 2005 die Kosten des stationären Unterbringung des M. Beim Kläger und seiner Familie sei ein sozialhilferechtlicher Bedarf von monatlich 2.114,61 Euro festzustellen gewesen, in dem die Lasten für das Eigenheim der Familie von monatlich tatsächlich 1.100 Euro zu 580 Euro anerkannt worden seien. Dem stehe ein monatliches Einkommen des Klägers (2.186,80 Euro, seiner Frau 270 Euro und Kindergeld 308 Euro) von insgesamt 2.764,08 Euro gegenüber. Damit übersteige das Einkommen den Bedarf der Familie von 649,47 Euro. Bei der Prüfung, in welchem Umfang der Kläger aufgrund der Verpflichtungserklärung vom 16. Mai 2002 im Hinblick auf das den sozialhilferechtlichen Bedarf übersteigende Einkommen an den Heimkosten zu beteiligen sei, seien insbesondere seine Unterhaltsverpflichtungen berücksichtigt und die Tatsache gewürdigt worden, dass er und seine Familie den kranken M. über Jahre hinweg zu Hause betreut haben. Eine weitere Reduzierung des vom Kläger für Heimunterbringung und Krankenversicherung des M. aufzubringenden Eigenanteils sei nicht möglich. In der Rechtsbehelfsbelehrung hieß es, gegen den Bescheid könne innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben werden.

Am 10. Februar 2006 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen - SG - (S 3 SO 528/06). Zur Begründung trug er vor, die angefochtenen Bescheide seien bereits formal rechtswidrig, weil der Landkreis Reutlingen als Beklagter zu 1) durch das tätig gewordene Kreissozialamt gar nicht zuständig gewesen sei. Auf Grundlage der Verpflichtungserklärung hätte der Kläger allenfalls vom Beklagten zu 2), dem Land Baden-Württemberg - Landratsamt Reutlingen als untere Ausländerbehörde - in Anspruch genommen werden dürfen. Die Bescheide seien demnach schon deshalb aufzuheben, weil ein nicht zuständiger Rechtsträger gehandelt habe. Außerdem sei die in der Rechtsbehelfsbelehrung benannte Sozialgerichtsbarkeit sachlich nicht zur Streitentscheidung berufen, weil es um eine ausländerrechtliche Angelegenheit gehe. Dem entsprechend werde hilfsweise eine Verweisung des Rechtsstreits an das zuständige Verwaltungsgericht Sigmaringen beantragt. In der Sache werde rein vorsorglich vorgetragen, die zeitlich und der Höhe nach unbegrenzte Verpflichtungserklärung vom 16. Mai 2002 sei unzulässig, zumal es an einer Belehrung des Klägers über die möglichen Folgen aus dieser Erklärung mangele. Des Weiteren erstrecke sich die Verpflichtung nicht auf den eingetretenen, damals aber nicht absehbaren Fall der dauernden stationären Aufnahme in eine Heimeinrichtung. Schließlich sei die Berechnung des dem Kläger und seiner Familie zustehenden Unterhalts zu beanstanden; hier seien unterhaltsrechtliche und nicht sozialhilferechtliche Maßstäbe anzulegen. Der Kläger sei seiner Ehefrau und den drei Kindern gesteigert und vorrangig gegenüber den M. unterhaltspflichtig. Daran ändere auch die Verpflichtungserklärung nichts. Schließlich habe die Beklagte fehlerhaft das Einkommen der Ehefrau des Klägers und das dem Kläger bewilligte Kindergeld als Familieneinkommen berücksichtigt. Die Verpflichtungserklärung treffe aber nur den Kläger selbst, die Einkommensbestandteile anderer Familienangehöriger müssten in jedem Fall außer Betracht bleiben.

Der Beklagte zu 1) trat der Klage unter Hinweis darauf entgegen, dass der Erstattungsanspruch der öffentlichen Stelle zustehe, die die öffentlichen Mittel aufgewendet habe. Daher sei das Kreissozialamt zur Geltendmachung der Ansprüche berufen. Auch materiell-rechtlich seien die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden; der Kläger sei, wie aus dem Erklärungstext der Verpflichtungserklärung selbst ersichtlich, über Art, Umfang und Dauer der Verpflichtung ordnungsgemäß belehrt worden. Schließlich sei auch die zugunsten des Klägers großzügige Berechnung des Kostenbeitrags in keiner Weise zu bemängeln.

Das Sozialgericht wies die Klage durch Urteil vom 11. Dezember 2006 als unbegründet ab. In den Entscheidungsgründen hieß es: Die vor dem sachlich und örtlich zuständigen SG zulässig erhobene Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Beklagte zu 1) fordere zu Recht einen Einkommenseinsatz des Klägers in der geltend gemachten Höhe von 237,49 Euro für die dem M. gewährte Eingliederungsleistung. Der Beklagte zu 1) sei zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs berufen, weil er die Stelle sei, die die öffentlichen Mittel aufgewendet habe; deshalb komme auch eine Verweisung des Rechtsstreits nicht in Betracht. Auch in der Sache sei das Vorgehen des Beklagten zu 1) nicht zu rügen. Die Verpflichtungserklärung sei wirksam; die mit dieser Erklärung verbundenen finanziellen Risiken seien angesichts der bereits damals seit langem bestehenden schweren Erkrankung des M. auch vorhersehbar gewesen. Auch die inhaltliche Bestimmtheit der Erklärung, die sich auch auf Heimkosten erstrecke, unterliege keinen Zweifeln und gegen die geltend gemachte Höhe der Kostenbeteiligung beständen keinerlei Bedenken. Die von dem Beklagten zu 1) durchgeführten Berechnungen unter Einbeziehung der Familienangehörigen seien zutreffend. Zutreffend sei auch, dass die extrem hohe Belastung aufgrund der Finanzierung des Eigenheimerwerbs nicht in vollem Umfang berücksichtigt worden sei, weil insoweit nicht mehr von angemessenen Wohnungskosten gesprochen werden könne. Schließlich müsse es dem Kläger einleuchten, dass er, wenn er sich in der Lage sehe, einen Autokauf mit monatlichen Raten von 200 Euro zu finanzieren, zumindest für Verpflegungskosten des M. in Höhe von monatlich 110 Euro aufkommen könne. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 15. Januar 2007 zugestellt.

Am 14. Februar 2007 hat der Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Der Kläger meint, es sei zwar zutreffend, dass er die Verpflichtungserklärung am 16. Mai 2002 für den bereits damals erkrankten M. abgegeben habe. Damals sei er aber davon ausgegangen, dass der M. komplett von der in Friedrichshafen lebenden Mutter gepflegt werde. Dies habe sich erst später als nicht tragbar herausgestellt, weil sich die Erkrankung des M. tatsächlich als noch schwerwiegender, als von allen Verwandten angenommen, herausgestellt habe. Unabhängig davon, sei weiterhin geltend zu machen, dass der Beklagte zu 1) die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu Unrecht nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten anstatt zutreffend nach den Grundsätzen des Unterhaltsrechts ermittele. Außerdem ergebe sich aus dem Ausländerrecht kein Vorrang von Unterhaltspflichten aus Verpflichtungserklärungen gegenüber solchen gegenüber Ehefrau und Kindern. Er werde zwar durch die Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung nicht in die Sozialhilfebedürftigkeit gedrängt, aber dazu verurteilt, auf Sozialhilfeniveau zu leben. Dabei sei für ihn insbesondere inakzeptabel, dass auf diese Art und Weise die Verpflichtungserklärung die Unterhaltsansprüche seiner Kinder mindere. Diese hätten mit der Verpflichtungserklärung und der Krankheit ihres Onkels nichts zu tun. Schließlich habe der Beklagte zu 1) auch seine bestehenden Zahlungsverpflichtungen rechtsfehlerhaft nicht vollumfänglich berücksichtigt. Eine Prüfungskompetenz zur Angemessenheit der Wohnkosten stehe dem Beklagten zu 1) nicht zu. Des Weiteren dürfe es ihm nicht nachteilig angelastet werden, zur Finanzierung von Haus und Auto ungünstige Kreditbedingungen erhalten zu haben, zumal er heute die daraus resultierenden Zahlungspflichten nicht mehr beeinflussen könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. Dezember 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, es sei angesichts von Dauer und Intensität der psychischen Erkrankung des M. bereits zum Zeitpunkt seiner Wiedereinreise ins Bundesgebiet im Jahre 1999 nicht glaubhaft, wenn nunmehr unsubstantiiert eine unvorhersehbare Verschlechterung des Gesundheitszustands des M. behauptet werde. Im Übrigen werde eine Verpflichtungserklärung erst dann unwirksam, wenn die vom Verpflichteten übernommene Haftung ihrem Umfang nach völlig unangemessen sei. Die Grenze sei dabei erst dann überschritten, wenn der Betroffene selbst sozialhilfebedürftig werde. Dies sei hier angesichts der moderaten Inanspruchnahme des Klägers nur für den im Regelsatz enthaltenen Ernährungsanteil des M. (110 Euro) und für dessen Krankenversicherungsbeitrag (127,49 Euro) unstreitig nicht der Fall. Bei alledem werde nicht verkannt, dass die Inanspruchnahme des Klägers für diesen mit finanziellen Einschränkungen verbunden sei. Diese spiegelten aber das allgemeine Risiko wieder, das jedermann eingehe, der eine Verpflichtungserklärung abgebe. Auch die Tatsache, dass die durch die Finanzierung des Eigenheims verursachte finanzielle Belastung nicht vollumfänglich habe berücksichtigt werden können, sei nicht zu beanstanden. Ließe man eine vollumfängliche Berücksichtigung zu, hätte es der Verpflichtete in der Hand, eine Verpflichtungserklärung durch das Eingehen immer neuer Verbindlichkeiten komplett leer laufen zu lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die bei dem Beklagten zu 1) geführten Verwaltungsakten des Klägers sowie die Senatsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die Berufung ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Das angerufene Sozialgerichts Reutlingen hat über die Klage mit Urteil vom 11. Dezember 2006 zwar fehlerhaft als sachlich unzuständiges Gericht entschieden; da aber die erstinstanzliche Kammer über einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus § 68 Aufenthaltsgesetz - AufenthG - in der Sache entschieden hat, kann vom Berufungssenat gemäß § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - nicht mehr geprüft werden, ob der Rechtsweg gegeben ist und eine Verweisung in Betracht kommt (1). In der Sache sind aber der Bescheid des Beklagten zu 1) vom 15. Juli 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 und das diesen Bescheid bestätigende Urteil des Sozialgerichts vom 11. Dezember 2006 rechtlich nicht zu beanstanden. Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der für M. geltend gemachten Unterhaltskosten ist weder dem Grunde (2.a.) noch der Höhe nach (2.b.) zu beanstanden.

1. Das Sozialgericht hat das streitgegenständliche Rechtsverhältnis fehlerhaft als ein solches auf dem Gebiet der Sozialhilfe angesehen. Zutreffend handelt es sich bei dem Streit um Wirksamkeit und Umfang einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG um eine ausländerrechtliche Streitigkeit, über die die Verwaltungsgerichte zu entscheiden haben. § 68 AufenthG begründet und bestimmt – entsprechend seiner Vorgängerregelung in § 84 AuslG 1990 – einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, der im Streitfall der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt (allgemeine Meinung, vgl. nur Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 24. November 1998, NVwZ 1999, 779 und Beschluss vom 8. Oktober 1999, DÖV 2000, 609 f.; Funke-Kaiser, in GK-AufenthG, Loseblatt, 2005, § 68 Rn. 32 m.w.N.). Nachdem das Sozialgericht – wenn auch als sachlich unzuständiges Gericht – über die Klage in der Sache entschieden hat, hat es den Senat gemäß § 17a Abs. 5 GVG in der Rechtswegfrage gebunden, zumal im Berufungsverfahren kein Beteiligter mehr die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zur Streitentscheidung gerügt hat.

§ 17a GVG lautet: "(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden. (2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluss ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend. (3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt. (4) Der Beschluss nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluss zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden. (5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist."

Die Norm des § 17a Abs. 5 GVG verbietet dem Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache zu entscheiden hat, die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs. Nach dem Zweck dieser Vorschrift soll sich das Rechtsmittelgericht nur dann mit der Frage des Rechtswegs befassen, wenn auch die Entscheidung der Vorinstanz ausschließlich darauf beruht. Hat die erste Instanz den Rechtsweg demgegenüber auch nur sinngemäß bejaht, soll der Rechtsstreit von der Rechtswegfrage in allen höheren Instanzen entlastet bleiben (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20. Mai 2003, B 1 KR 7/03 R - SozR 4-1720 § 17a Nr 1). Infolgedessen trifft die Vorinstanz nur dann keine Entscheidung in der Hauptsache im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie die Unzulässigkeit der Klage mit der fehlenden Rechtswegzuständigkeit begründet (Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. 2002, § 17a GVG Rn. 15; BGHZ 119, 246 = LM GVG § 17a Nr. 3 = NJW 1993, 470; BSG aaO.). Ist der Rechtsweg im bisherigen Verfahren gerügt worden, greift die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Rüge später fallen gelassen wird; ansonsten muss die unterlassene Vorabentscheidung nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG - eventuell auch im höheren Rechtszug - nachgeholt werden (im Einzelnen vgl. Albers a. a. O. Rn. 16 m. w. N.). Der Beklagte zu 1) hat die sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit nie gerügt. Die hilfsweise zuletzt während der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 11. Dezember 2006 antragsgemäß geltend gemachte Rechtswegsrüge des Klägers hat dieser im Berufungsverfahren nicht wiederholt.

2. In der Sache ist die materielle Rechtsanwendung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden. § 68 AufenthG lautet: "(1) Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind nicht zu erstatten. (2) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 bedarf der Schriftform. Sie ist nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vollstreckbar. Der Erstattungsanspruch steht der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat. (3) Die Auslandsvertretung unterrichtet unverzüglich die Ausländerbehörde über eine Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1. (4) Die Ausländerbehörde unterrichtet, wenn sie Kenntnis von der Aufwendung nach Absatz 1 zu erstattender öffentlicher Mittel erlangt, unverzüglich die öffentliche Stelle, der der Erstattungsanspruch zusteht, über die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 und erteilt ihr alle für die Geltendmachung und Durchsetzung des Erstattungsanspruchs erforderlichen Auskünfte. Der Empfänger darf die Daten nur zum Zweck der Erstattung der für den Ausländer aufgewendeten öffentlichen Mittel sowie der Versagung weiterer Leistungen verwenden."

a) Gemäß § 68 Abs. 1 AufenthG hat derjenige, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Insoweit ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Ausländerbehörde erforderlich, die die gesetzlich vorgesehene Schriftform einhält und hinreichend bestimmt ist. Diese Voraussetzungen sind in Anbetracht der von dem Kläger am 16. Mai 2002 bei der Ausländerbehörde unterzeichneten formularmäßigen Verpflichtungserklärung erfüllt. Hinweise, dass die Erklärung als Ganzes zu unbestimmt und damit nichtig ist, sind nicht ersichtlich.

Unabhängig vom Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist von dem allgemeinen Grundsatz auszugehen, dass die Rechtsordnung es der Entscheidung des Einzelnen überlässt, ob und in welchem Umfang dieser für den Unterhalt eines Ausländers im Bundesgebiet aufkommen und damit durch die Beseitigung des Versagungsgrundes des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG die Voraussetzungen für dessen Aufenthalt schaffen will. Dementsprechend kommt es für die Frage der Haftung darauf an, im Wege der Auslegung der jeweiligen Verpflichtungserklärung konkret zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche Aufenthaltsdauer sie gelten soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 24. November 1998 - 1 C 33/97 -, BVerwGE 108, 1 ff.). Grundsätzlich sind zur Auslegung von Inhalt und Reichweite derartiger Verpflichtungserklärungen die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) heranzuziehen. Auszugehen ist in der Regel von dem Standpunkt dessen, für den die Erklärung bestimmt ist, d.h., dem Empfängerhorizont. Auf den Empfängerhorizont kann jedoch bei der Auslegung einer Willenserklärung dann nicht maßgeblich abgestellt werden, wenn eine Erklärung unter Benutzung eines Formulars des Erklärungsempfängers abgegeben wird. In einem solchen Fall kommt es maßgeblich jedenfalls auch darauf an, wie der Erklärende seine Aussage hat verstehen dürfen; verbleiben Unklarheiten, gehen diese zu Lasten des Formularverwenders (§ 305c Abs. 2 BGB analog, vgl. für alles Vorstehende: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.Februar 2006 - 11 S 1857/05 - Juris).

An diesem Maßstab orientiert hat der Kläger nach Überzeugung des Senats die von ihm noch unter Geltung des mit § 68 AufenthG insoweit identischen § 84 AuslG unterschriebene Verpflichtungserklärung vom 16. Mai 2002 dahingehend verstehen müssen, dass er damit die Kosten für den Lebensunterhalt des M. ab der taggleich erfolgten Gewährung einer Aufenthaltserlaubnis " bis auf Weiteres" übernommen hat. Dies ergibt sich - anders als in dem zitierten Fall des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, der die Kosten der Ausreise betraf - aus dem Wortlaut der Erklärung. Dort werden die Kosten für den Lebensunterhalt wörtlich dahingehend definiert, dass damit "sämtliche öffentlichen Mittel, die für den Lebensunterhalt einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, z. B. Arztbesuch, Medikamente, Krankenhausaufenthalt" übernommen werden. Der Wortlaut wiederholt auch die Fassung des § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wonach dies auch dann gilt, soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen. Gerade die Inbezugnahme von "öffentlichen Mitteln" und die Bezeichnung "Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit" macht hinreichend deutlich, dass auch eine Haftung für eine eventuelle Unterbringung und Versorgung außerhalb der Wohnung des Klägers begründet wird. Damit widerspricht der Wortlaut der unterschriebenen Erklärung eindeutig der von dem Kläger begehrten Auslegung, er habe lediglich für die Kosten haften wollen, die dadurch entstehen, dass der M. bei ihm in seiner Wohnung wohnt. Ebenso wenig vermag die Argumentation des Klägers, die weitere, eine Heimunterbringung erforderlich machende gesundheitliche Verschlechterung des Zustands des M. sei zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung nicht vorhersehbar gewesen, zu überzeugen. Dagegen spricht die Tatsache, dass bei M. schon 1981 "Schizophrenie" diagnostiziert und er deshalb von der Familie in die Türkei zur Großmutter zurückgeschickt worden ist. Dort musste sich der M. in der Zeit bis 1999 wegen seiner psychischen Erkrankung wiederholt stationären Krankenhausaufenthalten unterziehen. Auch seit seiner Wiedereinreise ins Bundesgebiet im September 1999 ist M. fortwährend auf die Hilfe und Betreuung durch seine Angehörigen angewiesen gewesen. Letzteres macht nicht zuletzt auch der auf die Bewilligung von Pflegeleistungen gerichtete Antrag deutlich, den die AOK Bodenseekreis mit Bescheid vom 27. August 2003 abgelehnt hat. All diese Umständen zeigen, dass der Kläger sich bei Abgabe der Verpflichtungserklärung über Art, Umfang und Chronizität der Erkrankung seines Bruders M. voll bewusst gewesen sein muss.

In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Verpflichtungserklärung kommt es auf die rechtliche Grundlage und nähere Ausgestaltung des Aufenthaltes des M. nicht an. Die aufenthaltsrechtliche Anerkennung eines neuen Aufenthaltszweckes, die eine Haftung des Klägers ggf. hätte beenden können, ist nicht erkennbar (vgl. insoweit VGH Baden-Württemberg, a. a. O., unter Berufung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, a. a. O.). Die dem M. am 16. Mai 2002 erstmals noch unter der Geltung des Ausländergesetzes 1990 nach § 22 AuslG befristet erteilte Aufenthaltserlaubnis wird nunmehr als befristete Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 7, 8 AufenthG verlängert.

Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, er sei wegen vorrangiger unterhaltsrechtlicher Verpflichtungen gegenüber seiner Kernfamilie nicht leistungsfähig, denn diese Verpflichtungen bestanden schon im Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung, in der er ausdrücklich bestätigt hat, zu der Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein.

b) Auch die Höhe des monatlich ab dem Zeitpunkt der Heimunterbringung am 5. September 2005 geltend gemachten Erstattungsbetrags von insgesamt 237,49 Euro ist angesichts der vom Kläger vorlegten Einkommensnachweise und seiner monatlichen Belastungen in keiner Weise zu beanstanden. Auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil wird in vollem Umfang Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend merkt der Senat dazu nur an, dass § 68 AufenthG der erstattungsberechtigten Behörde zwar keine unbedingte Pflicht auferlegt, einen Erstattungsbetrag geltend zu machen. In aller Regel wird die Behörde aber schon aufgrund des haushaltsrechtlichen Gebots, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (§ 6 Abs. 1 HGrG), gehalten sein, eine Erstattung geltend zu machen und durchzusetzen. Denn diese Grundsätze gebieten es in der Regel, dass die unmittelbare wie die mittelbare staatliche Verwaltung ihr zustehende Geldleistungsansprüche durchsetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997, BVerwGE 105, 55 (58)). Abgewichen werden davon darf und muss nur bei dem Vorliegen atypischer Gegebenheiten, um bei fehlender Leistungsfähigkeit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Billigkeit im Einzelfall angemessen Rechnung zu tragen. Eben diese einzelfallbezogene Ermessens- und Billigkeitsabwägung hat der Beklagte zu 1) im Fall des Klägers nachgerade vorbildlich durchgeführt, indem er ihm gerade nicht – wie im Berufungsvorbringen unterstellt – zumutet, auf "sozialhilferechtlichem Niveau" zu leben, sondern der Erstattung lediglich die Beträge in Höhe des Krankenversicherungsbeitrags und der durch die Heimunterbringung des M. eingesparten Kosten an Nahrungsmittel in Höhe von 40 % des Regelsatzes eines Haushaltsangehörigen zugrunde legt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz - SGG - i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Streitsachen wegen Leistungsbescheiden gemäß § 68 AufenthG gehören nicht zu den Sachgebieten des § 188 Satz 1 VwGO, weil der sachliche Schwerpunkt dieser Streitigkeiten im Ausländerrecht, bzw. Aufenthaltsgesetz 2004 liegt. Insoweit war auch die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils abzuändern. Der Kläger ist an dem Rechtsstreit nicht als Versicherter oder Leistungsempfänger i.S.d. § 183 SGG beteiligt, sodass - entgegen der Auffassung des SG - die Kostenentscheidung auch nicht auf § 193 SGG beruhen kann. Die Änderung der Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils im Berufungsurteil unterliegt nicht dem Verbot der reformatio in peius (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 193 Rdnr. 16).

Der Streitwert wird in Anlehnung an Nr. 33 (Pflegegeld) des Streitwertkatalogs 2004 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit für beide Rechtszüge auf 2850.- EUR , das Zwölffache des monatlichen Erstattungsbetrags, festgesetzt.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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