L 10 U 1907/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 3228/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1907/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.03.2005 wird zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Verletztenrente wegen der Folgen zweier Arbeitsunfälle vom April 2001.

Der am 1956 geborene Kläger erlitt bereits am 28.09.1981 einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Kopfplatzwunde und Schädelprellung zuzog. Im Rahmen des daraufhin von der S. E.- und S.-Berufsgenossenschaft durchgeführten Verfahrens wurden u. a. Beeinträchtigungen seines rechten Auges ermittelt. Entsprechende Verwaltungsakten sind nicht mehr vorhanden.

Eigenen Angaben zufolge geriet dem Kläger am 04.04.2001 im Rahmen seiner Beschäftigung als Leiharbeitnehmer beim Lösen einer LKW-Plane Schmutz bzw. Staub in die Augen, was ein Brennen und Jucken derselben hervorgerufen habe. Wiederum nach seinen Angaben schlug ihm am 06.04.2001 im Rahmen seiner Beschäftigung und erneut beim Öffnen einer LKW-Plane ein Metallteil (Befestigungsstange bzw. -haken) in das rechte Auge, wodurch ein Sturz auf das rechte Handgelenk verursacht worden sei. Anschließend arbeitete der Kläger jeweils weiter.

In der Folgezeit suchte er am 09.04.2001 erstmals zunächst den Internisten Dr. B. auf, der Arbeitsunfähigkeit bescheinigte und den Kläger an den Chirurgen Dr. G. (Befund rechtes Auge am selben Tag: z. Zt. nicht verschmutzt, keine Konjunktivitis, Klage über Visusverschlechterung) verwies, der den Kläger bei dem Augenarzt Dr. K. vorstellte. Dr. K. befundete am 11.04.2001 einen Gesichtsfeldausfall und im Bereich des rechten Auges Pigment auf der Hornhaut-Rückfläche, eine Oberlidschwellung nasal und eine Papille mit chorioatrophischer Makula ohne Reflexe sowie eine Pigmentverschiebung. Die Sehschärfe für die Ferne maß er ohne Korrektion für das rechte Auge mit 0,3 und für das linke Auge mit 1,0. Vom 11.04. bis 12.04.2001 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung des Diakonissen-Krankenhauses K.-R., wo Prof. Dr. Tr. eine leichte Ober- und Unterlidschwellung und eine leichte Bindehautreizung des rechten Auges als frische, durch eine Kontusion - der Kläger hatte einen Schlag gegen das rechte Auge angegeben - erklärbare Veränderungen feststellte. Weitere pathologische Veränderungen (u.a. sektorielle Linsentrübung, Glaskörpertrübung) seien nicht durch eine frische Kontusion erklärbar, möglicherweise durch das Trauma 1981. Den Visus rechts maß er mit 0,1.

Prof. Dr. L. vertrat in seinem augenärztlichen Zusammenhangsgutachten für die Beklagte die Aufassung, ursächlich für die herabgesetzte Sehschärfe sei die persistierende Arteria hyaloidea und die Bergmeisterpapille, die jeweils Entwicklungsanomalien darstellten. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Veränderungen und dem Unfall vom 04.04.2001 bestehe nicht. Auf Grund der völligen Reizlosigkeit des rechten Auges bei der Erstuntersuchung durch Dr. G. sei auch die am 11.04.2001 erstmalig notierte Lidschwellung nicht Folge der Staubeinwirkung. Im Übrigen stelle eine solche keine bleibende Unfallfolge dar, sondern sei rein vorübergehender Natur. Von Seiten der Augen liege keine messbare unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vor.

Hierauf gestützt anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 24.04.2002 und Widerspruchsbescheid vom 20.08.2002 als Folgen des Versicherungsfalls vom 04.04.2001 "Ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Sandverunreinigung des rechten Auges" und lehnte die Gewährung einer Rente ab.

Am 23.09.2002 hat der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe Klage erhoben und insbesondere geltend gemacht, seine Sehschwäche sei nicht angeboren. Die beim Arbeitsunfall im Jahre 1981 erlittene Sehverschlechterung habe sich wieder gebessert. Erst infolge der Unfälle vom April 2001 habe sich sein Sehvermögen drastisch verschlechtert. Seither leide er auch unter Stirnkopfschmerzen und wegen des Unfalls am 06.04.2001 außerdem unter Beschwerden des rechten Handgelenkes. Des Weiteren sei eine im Dezember 2002 festgestellte Verletzung des Kiefers auf den Arbeitsunfall im April 2001 zurückzuführen.

Das Sozialgericht hat Dr. K. (Interpretation der herabgesetzten Sehschärfe als Amblyopie zwar wahrscheinlich, jedoch nicht hinreichend bewiesen), Dr. B. (keine Behandlungen in Bezug auf den Unfall vom April 2001) und den Augenarzt Dr. Al. (objektiver Nachweis für die Sehverschlechterung Zentralskotom im Gesichtsfeld rechts) gehört und ein augenärztliches Gutachten des Prof. Dr. A., Städtisches Klinikum K., eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, auf die beim Unfall am 04.04.2001 erfolgte Verschmutzung des rechten Auges sei keine Gesundheitsstörung zurückzuführen. Es sei davon auszugehen, dass die herabgesetzte Sehschärfe, der Verdacht auf eine Trigeminusneuralgie und ein afferentes Defizit im Bereich des rechten Auges auf dem auch in Rede stehenden zusätzlichen (vermutlich stumpfen) Trauma durch Verletzung mit einer Eisenstange und konsekutiver Sehnervenschädigung beruhten. Außerdem bestehe eine anlagebedingte Schwachsichtigkeit. Mit Urteil vom 10.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Ereignisse vom 04.04. bzw. 06.04.2001 hätten nicht mit Wahrscheinlichkeit zu eine MdE um mindestens 20 v. H. bedingenden Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt. Es spreche nicht mehr dafür als dagegen, dass durch die Staubverunreinigung und das zu Gunsten des Klägers unterstellte Trauma eine Sehminderung in rentenberechtigendem Ausmaß verursacht worden sei. Dies folge aus den Gutachten von Prof. Dr. A. und Prof. Dr. L. und den übrigen ärztlichen Befundunterlagen und Berichten. Bereits nach dem Unfall des Klägers im Jahr 1981 seien ein verminderter Visus und ein eingeschränktes Gesichtsfeld festgestellt worden. Außerdem bestehe beim Kläger eine Vielzahl angeborener Anomalien. Bezüglich der geltend gemachten weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen (Kopfschmerzen, Kieferbruch, Schmerzen an der rechten Hand) fehle es bereits am Nachweis eines entsprechenden körperlich-organischen Gesundheitsschadens. Diese Entscheidung ist dem Kläger am 13.04.2005 zugestellt worden.

Am 11.05.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt, dabei aber Kieferprobleme nicht mehr zwingend mit dem Arbeitsunfall im April 2001 in Verbindung gebracht. Er ist der Auffassung, hinsichtlich des angegebenen Arbeitsunfalles vom 06.04.2001 fehle es nicht an einer anfechtbaren Verwaltungsentscheidung, nachdem die Beklagte erstinstanzlich die Abweisung seiner die Gewährung von Verletztenrente auch für diesen Arbeitsunfall ausdrücklich umfassenden Klage beantragt habe. Im Übrigen sei jedenfalls in der Berufungserwiderung der Beklagten eine ablehnende Verwaltungsentscheidung zu sehen.

Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10.03.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger wegen der Folgen der Unfälle vom 04.04. und 06.04.2001 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H. zu gewähren, 2. hilfsweise den Beweisanträgen in den Schriftsätzen vom 28.12.2005, 02.02.2006, 14.02.2007 und 16.04.2007 nachzukommen. 3. hilfsweise gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei Prof. Dr. Kr. einzuholen. 4. hilfsweise die Revision zuzulassen. Für den Fall der Nichteinholung eines Gutachtens hat der Kläger den Senat wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen unter Vorlage einer Stellungnahme des Augenarztes Dr. Z. vor, durch die Unfallereignisse vom 04.04.2001 (Schmutz/Staub ins rechte Auge bekommen) und vom 06.04.2001 (Augapfelprellung) sei es nicht zu Veränderungen am Auge gekommen, die geeignet seien, eine Sehschwäche auszulösen.

Prof. Dr. L., Augenklinik K., hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG ein augenfachärztliches Gutachten mit augen-elektrophysiologischer Zusatzuntersuchung und ergänzenden Stellungnahmen erstattet. Danach waren die in den Unfallberichten des Dr. K. und des Diakonissenkrankenhauses vom 11.04.2001 erhobenen frisch erworbenen Veränderungen wie Schwellung und Bindehautreizung der Augen reversibel. Der Unfall vom 04.04.2001 habe zu keiner MdE geführt. Die übrigen Veränderungen seien bereits von Augenärzten vordokumentiert und daher als unfallunabhängig zu werten. Die vom Kläger angegebene Sehschärfenminderung könne durch objektive Messverfahren nicht nachvollzogen werden und stehe auch in Diskrepanz zu den klinischen Befunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Karlsruhe sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Von einer Beiladung der S. E.- und S.berufsgenossenschaft sieht der Senat ab. Ein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt - anders als der Kläger meint - nicht vor, nachdem das Klage- und Berufungsbegehren des Klägers lediglich die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen der von ihm angegebenen Arbeitsunfälle vom 04.04. und 06.04.2001 und nicht (auch) wegen des in die Zuständigkeit der genannten Berufsgenossenschaften fallenden Unfallereignisses vom 28.09.1981 betrifft. Für eine danach allenfalls in Betracht kommende einfache Beiladung gem. § 71 Abs. 1 SGG besteht in Anwendung des dem Gericht gesetzlich eingeräumten Ermessens kein hinreichender Anlass.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Hinsichtlich der vom Kläger erstrebten Gewährung von Verletztenrente wegen Folgen des geltend gemachten Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 ist die von ihm erhobene Klage bereits unzulässig. Denn insoweit fehlt es an einem die begehrte Leistung ablehnenden Verwaltungsakt als Voraussetzung für die gerichtliche Geltendmachung des in Rede stehenden Rentenanspruchs.

Über die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles ist vor Klageerhebung in einem Verwaltungsverfahren zu entscheiden, das mit einem Verwaltungsakt abschließt. Erst im Anschluss an eine solche Verwaltungsentscheidung - und gegebenenfalls nach Ergehen eines Widerspruchsbescheides (vgl. §§ 78 ff. SGG) - ist die Geltendmachung eines materiellen Anspruchs auf Rente mittels kombinierter Anfechtungs- und Leistungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren statthaft (§ 54 Abs. 1, 2 und 4 SGG; vgl. zu Leistungen nach § 3 Berufskrankheiten-Verordnung BSG, Urteil vom 16.11.2005 - B 2 U 28/04 R -, vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnrn. 8 f., 38 zu § 54).

Ein danach erforderlicher (ablehnender) Verwaltungsakt ergibt sich bezogen auf den Unfall vom 06.04.2001 zunächst nicht aus den im vorliegenden Verfahren angegriffenen Verwaltungsentscheidungen vom 24.04.2002 und vom 20.08.2002. Der Ausgangsbescheid der Beklagten vom 24.04.2002 hatte nämlich nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich die Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen des Versicherungsfalls vom 04.04.2001 nebst ebenfalls auf diesen Versicherungsfall bezogener Feststellung einer ohne wesentliche Folgen ausgeheilten Sandverunreinigung des rechten Auges zum Gegenstand; und eine darüber hinausgehende Regelung enthält auch der Widerspruchsbescheid vom 20.08.2002 nicht.

Eine die Einbeziehung des Arbeitsunfalls vom 06.04.2001 rechtfertigende Verwaltungsentscheidung lässt sich auch nicht aus dem Vorbringen und den Sachanträgen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit herleiten. Denn hierbei handelt es sich nicht um Äußerungen mit Verwaltungsaktsqualität, da es sowohl an einer hoheitlichen Entscheidung als auch an einer Regelungswirkung nach außen i. S. der insoweit maßgeblichen Vorschrift des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fehlt. Auch lässt sich ein Verzicht auf einen vor Klageerhebung ergangenen förmlichen Verwaltungsakt nicht rechtfertigen. Denn andernfalls hätte dies eine - unzulässige - Umgehung der vom Gesetzgeber für den Fall des Unterbleibens einer förmlichen Verwaltungsentscheidung vorgesehenen Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zur Folge.

Aber auch mit Blick auf den Arbeitsunfall vom 04.04.2001 ist der Berufung kein Erfolg beschieden. Denn insoweit hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls, also eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit (§ 7 Abs. 1 SGB VII), über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R -, SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985 - 2 RU 43/84 -, SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999 - B 2 U 47/98 R -, SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R -, SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988 - 2/9b RU 28/87 -, SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991 - 2 RU 31/90 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Gemessen an den vorstehenden Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Verletztenrente wegen des Ereignisses vom 04.04.2001. Denn seine Erwerbsfähigkeit ist nicht in rentenberechtigendem Grade gemindert. Vielmehr liegt lediglich eine ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Sandverunreinigung des rechten Auges vor. Dies ergibt sich aus dem Augenarztbericht des Dr. K. und dem Entlassungsbericht der Ärzte des Diakonissenkrankenhauses sowie dem Arztbrief des Prof. Dr. Kr. und den Gutachten von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. A ...

Nach dem Bericht von Dr. K. bestand beim Kläger am 11.04.2001 am rechten Auge eine Oberlidschwellung nasal und nach dem Bericht des Diakonissenkrankenhauses am 11. und 12.04.2001 am rechten Auge eine leichte Ober- und Unterlidschwellung und eine leicht injizierte Bindehaut rechts. Dr. K., der den Kläger im weiteren Verlauf behandelte, berichtete in der Folge nur noch über eine Sehverschlechterung bzw. Kopfschmerzen bei Lageänderung. Bei der Untersuchung durch Prof. Dr. Kr. im Juli 2001 bestand mit Ausnahme der Netzhautveränderung und Gesichtsfeldeinschränkung nur eine beidseits chronische Blepharitis (Entzündung der Lidränder), jedoch keine Bindehautreizung, -entzündung oder Lidschwellung. Im Januar 2002 und im September 2003 war die gesamte Bindehaut reizfrei. Damit war sowohl die Lidschwellung als auch die Bindehautreizung vorübergehender Natur. Darauf, bis wann die Lidschwellung und Bindehautreizung vorlag und ob die Erkrankungen überhaupt auf den Unfall zurückgeführt werden können (09.04.2001: Dr. G. befundet weder Lidschwellung noch Bindehautreizung; 11.04.2001: Dr. K. befundet keine Bindehautreizung) kommt es nicht an. Denn die durch den Unfall erlittene Schmutz bzw. Staubverunreinigung hatte und hat nach der übereinstimmenden und - auch von Prof. Dr. L. bestätigten - überzeugenden Einschätzung der Sachverständigen Prof. Dr. L. und Prof. Dr. A. keine MdE zur Folge.

Demgemäß ist auch die vom Kläger geltend gemachte Sehschwäche nicht auf den Arbeitsunfall vom 04.04.2001 zurückzuführen. Die oberflächliche Schmutz bzw. Staubverunreinigung hat zu keiner Verschlechterung des Sehvermögens geführt. Auch dies ergibt sich zweifelsfrei aus den übereinstimmenden - und auch von Prof. Dr. L. bestätigten - Gutachten von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. A., denen der Senat folgt. Die Frage, auf welchen anderen Ursachen die geltend gemachte Beeinträchtigung beruht, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich.

Schließlich lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der vom Kläger geltend gemachten Verletzung der rechten Hand sowie dem Kopfschmerz und dem Unfall vom 04.04.2001 nicht begründen, nachdem dem Kläger hierbei nur Schmutz bzw. Staub in die Augen geriet und von dieser oberflächlichen Verletzung weder die Hand noch der Kopf im Übrigen betroffen war. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch selbst angegeben, er sei erst bei dem Unfall am 06.04.2001, der wie ausgeführt nicht Gegenstand des Verfahrens ist, auf die Hand gestürzt.

Die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträge sind im Ergebnis vollumfänglich abzulehnen.

Soweit der Kläger beantragt, zur unfallbedingten MdE eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. A. einzuholen und diesen in der mündlichen Verhandlung zu hören (Beweisanträge B.II.1.a, d und e im Schriftsatz vom 28.12.2005 sowie Beweisantrag A.III.3. im Schriftsatz vom 14.02.2007) ist der mit den gestellten Beweisfragen angesprochene Sachverhalt nach den oben gemachten Ausführungen ausreichend geklärt, so dass der Senat von weiteren Ermittlungen absieht. Wie bereits dargelegt, hatte und hat die durch den Unfall erlittene Schmutz bzw. Staubverunreinigung nach Einschätzung auch des Sachverständigen Prof. Dr. A. keine MdE zur Folge.

Die Anträge, ergänzende gutachterliche Stellungnahmen von Prof. Dr. A. wegen Vorschäden und anlagebedingten Veränderungen des Sehvermögens, zu einer Aggravation des Klägers im Hinblick auf das Sehvermögen sowie zum bestehenden Sehvermögen einzuholen und den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung zu hören (Beweisanträge B.II.1.b und c im Schriftsatz vom 28.12.2005 sowie Beweisantrag A.III.4. im Schriftsatz vom 14.02.2007), sind abzulehnen, da es nach den oben gemachten Ausführungen auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankommt.

Gleiches gilt mit Blick auf die beantragte Einholung weiterer Sachverständigergutachten und Anhörung sachverständiger Zeugen nebst Anforderung der von Prof. Dr. L. am 24.01.2002 gemessenen Visuswerte (Beweisanträge B.II.4.a, b, c und B.II.4.c [gemeint: d] im Schriftsatz vom 28.12.2005).

Die vom Kläger beantragte Vernehmung im Einzelnen bezeichneter Zeugen zum Zustand seiner Augen am Abend des 04.04.2001 (Beweisanträge B.II.3. [gemeint: 2.] a im Schriftsatz vom 28.12.2005), zum Zustand von Augen, Nase, Mund und Hand sowie erfolgter Behandlungen, Überweisungen und entsprechender Ratschläge ab dem 05.04.2001 (Beweisanträge B.II.3. [gemeint: 2.] b, c, d und e im Schriftsatz vom 28.12.2005), zum Zustand und zur Behandlung von Augen und Hand ab dem 09.04.2001 sowie zu seinen Klagen über Schmerzen und Visusverschlechterung nebst erfolgten Angaben über am 04.04. und 06.04.2001 erlittene Arbeitsunfälle (B.II.3.a, b, c, d, e, f, g und h im Schriftsatz vom 28.12.2005), zu seiner Sehkraft in der Zeit bis zum Jahre 1994 (B.II.3.i, j, k, l, m, o, p und q im Schriftsatz vom 28.12.2005) sowie zu seiner Tätigkeit bis Januar 2001 (B.II.3.n im Schriftsatz vom 28.12.2005) scheidet ebenfalls mangels Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen aus.

Soweit der Kläger mit der beantragten Einholung ergänzender gutachterlicher Stellungnahmen bzw. eines erneuten Gutachtens des gem. § 109 SGG zum Sachverständigen bestellten Prof. Dr. L. (Beweisanträge A.II.1., 2., 3., 4., 5., 6. und 7., A.III.2., 3. 4. und 5., A.IV.1., 2., und 3 im Schriftsatz vom 14.02.2007 sowie III. [gemeint: II.] im Schriftsatz vom 16.04.2007) eine Beweiserhebung nach § 103 SGG erstrebt, gilt angesichts des hinreichend geklärten Sachverhalts das oben zur Frage der Einholung ergänzender gutachterlicher Stellungnahmen von Prof. Dr. A. Gesagte. Im Übrigen sind die aufgeworfenen Fragen nach Einholung der ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. L. vom 22.03.2007 und vom 03.07.2007 hinreichend beantwortet.

Die Anträge des Klägers, den gem. § 109 SGG zum Sachverständigen bestellten Prof. Dr. L. zur Mitwirkung von Hilfspersonen bei der Erstellung seines Gutachtens zu befragen (Anträge A.I., A.III.1. im Schriftsatz vom 14.02.2007, I.1. und 2. sowie III. [gemeint: II.] im Schriftsatz vom 16.04.2007), betreffen keine für die Entscheidung erheblichen Rechtsfragen im Sinne des Beweisantragsrechts. Darüber hinaus sind auch diese Fragen durch die ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. L. vom 22.03.2007 und vom 03.07.2007 hinreichend beantwortet.

Anlass, den Beweisangeboten des Klägers zum Ablauf der Begutachtung durch Prof. Dr. L. (A.II.1., 2., 3., 4., 5. und 6., A.III.1. im Schriftsatz vom 14.02.2007 sowie I.1., 2. und 3. im Schriftsatz vom 16.04.2007), zu vor dieser Begutachtung erfolgten Augenuntersuchungen und deren Ergebnissen (A.III. 3., 4. im Schriftsatz vom 14.02.2007) sowie zu sonstigen medizinischen Erhebungen (A IV.3. im Schriftsatz vom 14.02.2007) nachzugehen, besteht ebenfalls nicht. Denn die unter Beweis gestellten Tatsachen sind entweder erwiesen oder unerheblich.

Aber auch im Rahmen des § 109 SGG besteht nach Einholung der ergänzenden Stellungnahmen von Prof. Dr. L. vom 22.03.2007 und vom 03.07.2007 für eine weitere weiterer Anhörung des Gutachters zu den Anträgen A.I., A.II.1., 2., 3., 4., 5., 6. und 7., A.III.1., 2., 3. 4. und 5., A.IV.1., 2., und 3 im Schriftsatz vom 14.02.2007, I.1. und 2. sowie III. (gemeint: II.) im Schriftsatz vom 16.04.2007 kein Raum (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 10b zu § 109).

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 28.12.2005 gem. § 109 SGG die Anhörung von Dr. N. begehrt hatte (B.II.4.c am Ende), hat er diesen Antrag mit Schriftsatz vom 02.02.2006 abgeändert und auf der Grundlage der genannten Vorschrift eine Begutachtung durch Prof. Dr. L. beantragt.

Die weiter hilfsweise nach § 109 SGG beantragte Begutachtung durch Prof. Dr. Kr. (B. im Schriftsatz vom 14.02.2006) ist abzulehnen, da das Antragsrecht angesichts der auf der Grundlage dieser Regelung bereits erfolgten Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. L. verbraucht ist. Die Auffassung des Klägers, das Gutachten von Dr. L. sei wegen über das zulässige Maß hinausgehender Einbindung Dritter unverwertbar (I.2. im Schriftsatz vom 16.04.2007) trifft ausweislich der Ausführungen von Prof. Dr. L. in den ergänzenden Stellungnahmen vom 22.03.2007 und vom 03.07.2007 nicht zu. Soweit der Kläger im Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.02.2007 noch behauptet hatte, Untersuchungen durch Prof. Dr. L. selbst hätten nicht stattgefunden (A.I.), hat er die Unrichtigkeit seiner Angaben im Anschluss an den Eingang der Stellungnahme des genannten Sachverständigen vom 22.03.2007 selbst eingeräumt (vgl. hierzu I.2. des Schriftsatzes vom 16.04.2007). Hinsichtlich des Einwandes des Klägers, der Sachverständige habe ihm zu wenig Zeit gewidmet, ist darauf hinzuweisen, dass die Erhebung von Anamnese und Befunde grundsätzlich nicht durch den Sachverständigen persönlich erfolgen muss, sondern auf Hilfskräfte übertragen werden kann (vgl. BSG, Beschluss vom 17.11.2006 - B 2 U 58/05 B -, SozR 4-1750 § 407a Nr. 3).

Die vorsorglich für den Fall der Nichteinholung eines Gutachtens erfolgte Ablehnung aller Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit ist unzulässig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Prozesshandlungen - und hierzu zählen auch Befangenheitsanträge - eindeutig und unbedingt vorgenommen werden müssen, so dass ein Befangenheitsantrag (zulässigerweise) schon nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden kann. Darüber hinaus ist der Antrag aber auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauches unzulässig. Denn es ist mit Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts nicht vereinbar, es zu verfahrensfremden Zwecken einzusetzen, beispielsweise - wie hier - um Druck auf ein Gericht auszuüben, über Anträge in einem bestimmten Sinne zu entscheiden (vgl. zu alledem BFH, Beschluss vom 18.10.1994 - VIII B 120/93 -sowie Bayerisches LSG, Beschluss vom 18.05.2000 - L 5 AR 80/00 AL -, jeweils zit. nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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