L 27 RJ 162/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RJ 337/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 RJ 162/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 16. August 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger erlernte in den Jahren 1977 bis 1979 den Beruf eines Eisenbahnbautechnikers und war als Umschlagarbeiter von 1980 bis 1983 im Bhafen E beschäftigt. Nach einer Qualifizierung zum Kranführer im Jahre 1982 war der Kläger als solcher von 1983 bis 1989 tätig. Seit dem 1. Januar 1990 ist der Kläger arbeitssuchend; bis 1998 durchlief er verschiedene Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Aufgrund alkoholbedingter Leberschädigung, akuter Pankreatitis sowie Kardiomyopathie befand sich der Kläger in den Jahren 1994 und 1995 in stationärer Behandlung im Krankenhaus E. Einen am 20. September 1994 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufungsunfähigkeit lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juni 1996 wegen fehlender Mitwirkung sowie aus Gründen des Vorranges von Leistungen der Rehabilitation ab.

Einen am 11. Mai 2001 gestellten weiteren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit hier angefochtenem Bescheid vom 28. Juni 2001 ab. Trotz bestehender Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form einer chronisch-obstruktiven Ventilationsstörung, eines Nikotinabusus, einer dilatativen Kardiomyopathie, einer arteriellen Hypertonie und einer Übergewichtigkeit sei der Kläger noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Den gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 9. Juli 2001 am 10. Juli 2001 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 2001 zurück.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat das Sozialgericht in medizinischer Hinsicht weitere Ermittlungen durchgeführt und insbesondere das Gutachten des Dr. , Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde,vom 17. Juni 2002 eingeholt. Mit Urteil vom 16. August 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne des VI. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden - neuen - Fassung. Denn trotz bestehender Gesundheitsbeeinträchtigungen verfüge der Kläger noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten. Dies ergebe sich in Auswertung des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Dr. E, das hinsichtlich seiner Feststellungen auch mit dem Reha-Entlassungsbericht der Reha-Klink A bezüglich des dortigen Aufenthaltes des Klägers im März 2001 übereinstimme.

Gegen das am 26. November 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Dezember 2002 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt: Er macht geltend: Aufgrund der Vielzahl der bei ihm bestehenden Gesundheitsbeeinträchtigungen, die durch seine Alkoholerkrankung einschließlich eines Diabetes mellitus und bestehender orthopädischer Erkrankungen bedingt seien, sei von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen. Wegen der notwendigen Insulingabe müsse er betriebsunübliche Pausen einlegen; wegen der orthopädischen Leiden sei seine Wegefähigkeit eingeschränkt. Dass von einem aufgehobenen Leistungsvermögen auszugehen sei, bestätige das im Berufungsverfahren auf seinen Antrag hin eingeholte Gutachten des Dr. K. Jedenfalls sei er berufsunfähig. Seinen Beruf als Kranfahrer könne er nicht mehr ausüben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder vom 16. August 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Oktober 2001 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung (11. Mai 2001) Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat das Landessozialgericht neben den Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte (Befundbericht des Dr. H vom 24. März 2003, der Frau Dr. S vom 26. März 2003, des Facharztes für Innere Medizin Dr. P vom 28. April 2003, des Facharztes für Innere Medizin Dr. B vom 30. April 2003 und des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. B vom 27. Oktober 2006 und 2. April 2007) die Reha-Entlassungsberichte der S-Klinik GmbH & Co. KG L vom 15. Mai 2006 nebst ergänzender Stellungnahme vom 10. August 2006 sowie vom 18. Dezember 2006 und die Epikrise des Klinikums F vom 19. Juli 2007 eingeholt. Ferner hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Gutachters Dr. vom 24. Juli 2003 sowie die Gutachten der Sachverständigen Dr. G (Facharzt für Innere Medizin) vom 10. Februar 2006 und des Orthopäden und Rheumatologen Prof. Dr. vom 20. August 2007 veranlasst und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. K vom 8. Juni 2005 eingeholt. Zudem hat das Gericht zur Tätigkeit eines Pförtners bzw. Versandfertigmachers Berufsinformationskarten der – früheren – Bundesanstalt für Arbeit und berufskundliche Stellungnahmen des Berufskundlers ML vom 14. Februar 2000 bzw. vom 1. November 2002 und vom 24. November 2002, die in anderen sozialgerichtlichen Verfahren eingeholt worden waren, beigezogen.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die eingeholten Gutachten, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Oder ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht den Antrag des Klägers, ihm unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, abgelehnt.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersrente Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind und die in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI genannten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Der Kläger erfüllt vorliegend zwar unstreitig die zuletzt genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, jedoch scheitert der Anspruch daran, dass der Kläger nicht zugleich auch die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, die an eine volle Erwerbsminderung zu stellen sind.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind Versicherte voll erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist dagegen gemäß § 43 Abs. 3 Halbsatz 1 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

An diesen Kriterien gemessen ist in der Person des Klägers der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung nicht eingetreten, denn nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens in Auswertung der vorliegenden medizinischen Befunde gewonnenen Überzeugung des Gerichts (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) ist der Kläger noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes Tätigkeiten im Umfange von mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen der Gutachter Dr. E und Dr. G und denen des Prof. Dr. S. Danach kann der Kläger trotz bestehender Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form insbesondere einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, einer dilatativen Kardiomyopathie, einer Leberzirrhose und eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus, die im Wesentlichen auf einen Alkohol- bzw. Nikotinabusus zurückzuführen sind, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten im Umfange von 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Arbeiten können in geschlossenen Räumen oder im Freien unter Vermeidung von Hitze, Kälte, starken Temperaturschwankungen und Nässe ausgeübt werden. Zu vermeiden sind Arbeiten mit atemwegreizenden Stoffen. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie in Zwangshaltungen sind nicht zumutbar. Zu vermeiden sind Arbeiten in Wechsel- oder Nachtschicht sowie unter besonderem Zeitdruck. Arbeiten im Publikumsverkehr sind indes möglich. Geistig kann der Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten. An die Reaktionsfähigkeit, die Übersicht, die Aufmerksamkeit, das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit können durchschnittliche Anforderungen gestellt werden.

An der Richtigkeit der zuvor genannten Feststellungen der Sachverständigen, die sich diese aufgrund umfangreicher klinischer und sozialmedizinischer Erfahrung sowie aufgrund eigener Untersuchung des Klägers gebildet haben und die im Wesentlichen übereinstimmen, hegt der Senat keine Zweifel. Bestätigt werden vorgenannte Feststellungen durch die Reha-Entlassungsberichte der SKlinik GmbH & Co. KG L vom 15. Mai und 18. Dezember 2006, nach deren Ausführungen der Kläger in der Lage ist, körperlich leichte Tätigkeiten im Wechsel der Haltungsarten im Umfang von 6 Stunden und mehr täglich zu verrichten. Demgegenüber vermögen die Ausführungen des Gutachters Dr. K der von einem aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers seit dem 1. Januar 2003 ausgeht, nicht zu überzeugen. Entgegen der Auffassung des Gutachters ist eine nachhaltige Organschädigung aufgrund einer fortgeschrittenen Alkoholerkrankung des Klägers, mit der der Gutachter seine Einschätzung bezüglich eines aufgehobenen Leistungsvermögens im Wesentlichen begründet, nicht belegt. Klinische Befunde, die diese Annahme rechtfertigen können, liegen, wie vom Gutachter Dr. G nachvollziehbar in seinem Gutachten in Auswertung des Gutachtens des Dr. K belegt, nicht vor. Den einem mindestens sechsstündigen täglichen Leistungsvermögen entgegenstehenden Feststellungen des Gutachters Dr. K vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.

Der Ausübung einer Erwerbstätigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger in seiner Wegefähigkeit eingeschränkt wäre. Insoweit folgt der Senat insbesondere den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. S, der überzeugend dargelegt hat, dass gerade die orthopädischen Beeinträchtigungen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht hindern. Der Ausübung einer Erwerbstätigkeit steht auch nicht entgegen, dass der Kläger angesichts des bestehenden Diabetes mellitus zur Einstellung der Blutzuckerwerte betriebsunübliche Pausen benötigen würde. Anhaltspunkte dafür, dass die betriebsüblichen Pausen nicht ausreichen würden, die während eines Arbeitstages erforderlichen Einstellungen der Blutzuckerwerte vorzunehmen, ergeben sich aufgrund der eingeholten Erkenntnisse nicht. Diese belegen vielmehr, dass die Blutzuckerwerte des Klägers gut eingestellt sind.

Liegen in Auswertung der vorliegenden medizinischen Erkenntnisse zur Überzeugung des Senats die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nicht vor, so kann die vom Kläger eingelegte Berufung auch mit dem hilfsweisen Begehren auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI keinen Erfolg haben. Denn angesichts des insoweit feststehenden Leistungsvermögens im Umfange von mindestens 6 Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist das klägerische Leistungsvermögen gerade nicht, was jedoch für die Zuerkennung einer entsprechenden Rentengewährung erforderlich wäre, auf täglich über 3 bis unter 6 Stunden abgesunken.

Mit Blick auf die überzeugenden Darlegungen der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. E, Dr. G und Prof. Dr. S hält der Senat den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht für ausreichend geklärt und die Einholung weiterer Gutachten dementsprechend nicht für erforderlich. Die abweichende Leistungseinschränkung des Dr. K ist insbesondere durch die nachvollziehbaren Ausführungen des Gutachtens Dr. G hinreichend widerlegt.

Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI scheidet bereits deshalb aus, weil der Kläger nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
Saved