Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 885/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1204/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin bei dem am 7. November 2002 erlittenen Reitunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Die 1963 geborene Klägerin, die selbst reitet und Halterin von zwei Pferden ist, begab sich am Nachmittag des 7. November 2002 auf das landwirtschaftliche Anwesen des Beigeladenen Ziff.1, der auf diesem auch zwei Pferde hält und eines davon seinem Sohn, dem Beigeladenen Ziff. 2, zum Reiten überlässt. Nach den Angaben der Klägerin in den Schreiben an die Württembergische Feuerversicherung, der Haftpflichtversicherung der Pferde des Beigeladenen Ziff. 1, vom 1. März 2003 und vom 14. April 2003 war sie vom Beigeladenen Ziff. 2 gebeten worden, während dessen Urlaub dieses Pferd, einen 7-jährigen Norweger-Mix-Wallach mit starkem Charakter und dominantem Verhalten, zu bewegen. Sie habe zugesagt, weil sie selbst zwei Pferde und langjährige Reiterfahrung habe. Es sei ihr nicht darum gegangen, das Pferd des Beigeladenen Ziff. 2 zu bewegen, sondern sie habe sich dazu bereit erklärt, weil sie von Typ und Charakter ein ähnliches Pferd gehabt habe und daher an dem fremden Pferd interessiert gewesen sei. Von besonderem Interesse sei es für sie gewesen, das Verhalten dieser beiden Pferde und deren Rittigkeit miteinander zu vergleichen, um daraus zu lernen und Vorteile für das Reiten des eigenen Pferdes zu ziehen. Sie habe daher nicht im Interesse des Beigeladenen, sondern letztendlich aus eigenem Interesse das Angebot des Beigeladenen Ziff. 2 angenommen.
Nach der Darstellung des Beigeladenen Ziff. 2 vom 8. September 2003 gegenüber der Beklagten hatte ihm die Klägerin über ihre Schwester, die eine Arbeitskollegin des Beigeladenen Ziff. 2 ist, Anfang November 2002 angeboten, während dessen Urlaub vom 11. November bis 10. Dezember 2002 gelegentlich dessen Pferd zu reiten. Am 7. November seien die Klägerin und ihre Schwester gekommen, um das Pferd kennen zu lernen. Es sei ausgemacht gewesen, dass das Pferd gesattelt und aufgezäumt werden sollte, um anschließend mit ihm spazieren zu gehen. Die Klägerin habe trotz seiner Bedenken auf dem Pferd reiten wollen und habe ihn gebeten, das Pferd auch loszulassen. Nach einigen ruhigen Schritten sei das Pferd losgaloppiert. Die Klägerin habe es nicht mehr unter ihre Kontrolle gebracht und sei abgesprungen.
Bei dem Sprung zog sich die Klägerin einen komplizierten Bruch der rechten Ferse zu.
Die Beklagte erhielt von dem Vorgang durch ein Schreiben des Arbeitgebers der Klägerin vom 17. März 2003 Kenntnis. Im Rahmen der sodann durchgeführten Ermittlungen teilte der Beigeladene Ziff. 1 in den Fragebögen vom 8. September und 16. Oktober 2003 ergänzend mit, das Pferd gehöre ihm. Die Klägerin habe am Unfalltag das Pferd ansehen und reiten wollen. Sie sei zusammen mit ihrer Schwester aus eigenen Antrieb auf seiner Hofstelle erschienen. Außer dem Auflegen des Sattels habe sie keine weitere Tätigkeit verrichtet. Für die Versorgung des Pferdes während des Urlaubs seines Sohnes sei eine Vergütung nicht vereinbart worden.
Mit Bescheid vom 4. November 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Klägerin sei bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und verwies darauf, dass die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 ihre Ansprüche ablehne mit der Begründung, es habe sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Sie teilte weiter mit, dass das Landgericht Stuttgart den Rechtstreit 14 O 413/04 gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Februar 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Eine Klagebegründung wurde nicht vorgelegt.
Mit Urteil vom 27. Januar 2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 9. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. März 2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die geplante Übernahme der Betreuung des Pferdes sei unter zwei Aspekten erfolgt. Zum einen habe sie ihrem eigenen Interesse gedient, da es für sie interessant gewesen sei, das Verhalten ihrer Pferde mit dem des Beigeladenen Ziff. 2 zu vergleichen. Zum anderen hätte sie bei der geplanten mehrwöchigen Betreuung und Pflege des Pferdes eine dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit erbracht, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Daher stehe nicht der eigenwirtschaftliche Aspekt, sondern die fremdwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund.
Der Senat hat die Akten des Landgerichts Stuttgart 14 O413/04 beigezogen und die Beklagten dieses Rechtsstreits, den Halter des Pferdes und seinen Sohn, durch Beschluss vom 11. Mai 2006 zum Verfahren beigeladen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20. Oktober 2004 gab der Beigeladene Ziff. 2 an, es sei schon vor dem Zeitpunkt, als der Unfall passierte, fest vereinbart gewesen, dass die Klägerin und ihre Schwester das Pferd betreuen sollten. Der Beigeladene Ziff. 1 sollte weiterhin die Versorgung des Pferdes übernehmen, die Bewegung des Pferdes sollte so oft passieren, wie die Klägerin und ihre Schwester Zeit hätten. Dies sollten sie aus Gefälligkeit machen, bezahlt werden sollte dafür nichts. Am 7. November 2002, kurz vor Beginn seines Urlaubs, sei es darum gegangen, das Pferd kennenzulernen. Es sei über das Pferd gesprochen worden, er habe den beiden Damen auch die Örtlichkeiten gezeigt, z.B. wo Sattel und Trense hingen. Gemeinsam habe man das Pferd gesattelt und getrenst. Die Klägerin habe dann gesagt, sie wolle das Pferd reiten, wobei er sich versichert habe, ob sie sich das zutraue, was sie bejaht habe. Die Klägerin gab an, der Beigeladene Ziff. 2 habe die Vorgänge an sich richtig geschildert. Ihre Schwester habe die Bitte an sie herangetragen, das Pferd auch zu reiten. Deshalb habe sie vor Ort ausprobieren wollen, ob sie sich das zutraue. Mit dem Beigeladenen Ziff. 2 sei nichts vereinbart gewesen. Sie habe aber mit ihrer Schwester ausgemacht, dass sie Zeit hätte und das unentgeltlich übernehmen würde, wenn sie mit dem Pferd zurecht kommen würde.
Der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der von ihr am 7. November 2002 erlittene Unfall ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen sei schon fraglich, ob sie der zuständige Unfallversicherungsträger sei, nachdem auch der Beigeladene Ziff. 2 als Halter des Pferdes in Betracht komme und daher die Unfallkasse Baden-Württemberg nach § 128 Abs.1 Nr. 9 SGB VII zuständig sein könnte.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie vertreten die Auffassung, dass die Klägerin mit der Bewegung und damit verbundenen notwendigen Pflege des Pferdes während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung habe handeln wollen. Demgegenüber sei ihre Motivation, aus dem Reiten des fremden Pferdes Erfahrungswerte für ihr eigenes Pferd zu gewinnen, unbeachtlich.
Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe i.S:d. § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet.
Nachdem die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 4. November 2003 "einen Arbeitsunfall abgelehnt" hatte, war die Klage auf Feststellung des Reitunfalls vom 7. November 2002 als Arbeitsunfall in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Klage eines Versicherten auf Feststellung, dass bei ihm der Versicherungsfall eines Arbeitsunfalls eingetreten ist , nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig, auch wenn mit dieser Feststellung - wie im vorliegenden Fall - (noch) keine aktuellen Leistungsansprüche verbunden sind (BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 mwN)
Die Beklagte ist der für die Entscheidung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zuständige Versicherungsträger der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der in den Verwaltungsakten vorhandenen Meldung über die Betriebsverhältnisse am Unfalltag bewirtschaftete der Beigeladene Ziff. 1, der auch Eigentümer des Unfallpferdes ist, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 19,57 Hektar Grünfläche und 6,45 Hektar Waldfläche und hielt auf dem Anwesen 32 Kühe/Kälber. Unter diesem Umständen ist eine Haltung von Reitpferden jeglicher Größe dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzuordnen, ohne dass es auf die konkrete Ausgestaltung im Einzelnen ankommt (BSG Urteil vom 30.Juni 1993 - B 2 U 40/92 - HV-INFO 1993, 2215-2222). Daher ist es in diesem Zusammenhang unbeachtlich, dass der Beigeladene Ziff.1 das Pferd dem Beigeladenen Ziff. 2 nahezu ausschließlich zum Reiten überließ.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch der Senat kann nicht feststellen, dass der Reitunfall der Klägerin vom 7. November 2002 ein Arbeitsunfall war.
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) oder infolge der Zurücklegung eines versicherten Weges (§ 8 Abs. 2 SGB VII). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind auch Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift, d.h. wie Beschäftigte, tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird durch diese Vorschrift aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewährt, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggf. nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die dem fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz) und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, unter solchen Umständen, die einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sind und nicht auf einer Sonderbeziehung zB als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruhen (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 mwN). Ausschlaggebend für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist damit die mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Tun verbundene auf die Belange des Unternehmens gerichtete Handlungstendenz und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 539 Nr 119). Zu beurteilen ist dabei nicht allein die zum Unfall führende Verrichtung, sondern das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 8).
Hiervon ausgehend ist schon zweifelhaft, ob im Unfallzeitpunkt ein objektiv arbeitnehmerähnliches Tun der Klägerin vorgelegen hat.
Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Klägerin und des Beigeladenen Ziff. 2 hatte sich die Klägerin zusammen mit ihrer Schwester am 7. November 2002 zu dem landwirtschaftlichen Anwesen des Beigeladenen Ziff. 1 begeben, um das Pferd und die Örtlichkeiten kennenzulernen, nachdem sich die Klägerin auf Bitten ihrer Schwester bereit erklärt hatte, das Pferd während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 gelegentlich zu bewegen. Die Klägerin und ihre Schwester sollten zur Bewegung des Pferdes nur kommen, wenn sie dies nach eigenem Gutdünken zeitlich ermöglichen konnten, während die Verpflegung und Versorgung des Pferdes durch den Beigeladenen Ziff. 1 gewährleistet war. Sonstige Vereinbarungen, insbesondere eine Vergütung dieser gelegentlichen Tätigkeit, waren nicht getroffen worden.
Unter diesen Umständen könnte eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit schon dann nicht angenommen werden, wenn es tatsächlich zur gelegentlichen Bewegung des Pferdes durch die Klägerin während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 gekommen wäre. Dagegen sprechen die Möglichkeit, völlig frei zu bestimmen, wann sie das Pferd bewegen würde und die mangelnde Vergütung. Dies gilt aber erst recht im Unfallzeitpunkt, als die Klägerin zur Vorbereitung dieser Tätigkeit das Pferd kennen lernen wollte.
Entscheidend ist aber vor allem, dass auf der Grundlage der Äußerungen der Klägerin nicht feststellbar ist, dass sie bei dem unfallbringenden Reiten darauf zielte, eine der Pferdehaltung des landwirtschaftlichen Unternehmens dienende fremdnützige Tätigkeit zu verrichten.
Auf Grund der insoweit übereinstimmenden Angaben steht fest, dass die Klägerin darauf bestanden hat, das Pferd an diesem Tag - über das gemeinsame Zäumen, Satteln und Spazierengehen mit dem Pferd hinaus - auch schon zu reiten. Eine objektive Notwendigkeit, dass die Klägerin an diesem Tag das Pferd bereits bewegen sollte, bestand angesichts der Tatsache, der der Beigeladene Ziff. 2 noch anwesend war, nicht. Auch hatte dieser wegen der zwischen ihm und der Klägerin erörterten Probleme mit dem Pferd Bedenken geäußert und die Klägerin ausdrücklich gefragt, ob sie sich das zutraue. Dass die Klägerin dennoch an diesem Tag reiten wollte, "um zu sehen, wie es sich zumindest im Schritt reiten lässt"(Schreiben vom 1. März 2003), wertet der Senat als Ausdruck des von ihr ausdrücklich bekundeten eigenen Interesses an diesem Pferd, nachdem sie nach ihren eigenen Angaben im Schreiben an die Haftpflichtversicherung vom 14. April 2003 selbst ein vom Charakter und Typ ähnliches Pferd hatte und deshalb das Verhalten der beiden Pferde und deren Rittigkeit miteinander vergleichen und daraus lernen und Vorteile für das Reiten ihres eigenen Pferdes ziehen wollte.
Nach alledem ist die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls nicht wie eine Beschäftigte für das landwirtschaftliche Unternehmen des Beigeladenen Ziff. 1 tätig gewesen. Der Reitunfall ist kein Arbeitsunfall, sodass die Berufung zurückgewiesen werden musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin bei dem am 7. November 2002 erlittenen Reitunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Die 1963 geborene Klägerin, die selbst reitet und Halterin von zwei Pferden ist, begab sich am Nachmittag des 7. November 2002 auf das landwirtschaftliche Anwesen des Beigeladenen Ziff.1, der auf diesem auch zwei Pferde hält und eines davon seinem Sohn, dem Beigeladenen Ziff. 2, zum Reiten überlässt. Nach den Angaben der Klägerin in den Schreiben an die Württembergische Feuerversicherung, der Haftpflichtversicherung der Pferde des Beigeladenen Ziff. 1, vom 1. März 2003 und vom 14. April 2003 war sie vom Beigeladenen Ziff. 2 gebeten worden, während dessen Urlaub dieses Pferd, einen 7-jährigen Norweger-Mix-Wallach mit starkem Charakter und dominantem Verhalten, zu bewegen. Sie habe zugesagt, weil sie selbst zwei Pferde und langjährige Reiterfahrung habe. Es sei ihr nicht darum gegangen, das Pferd des Beigeladenen Ziff. 2 zu bewegen, sondern sie habe sich dazu bereit erklärt, weil sie von Typ und Charakter ein ähnliches Pferd gehabt habe und daher an dem fremden Pferd interessiert gewesen sei. Von besonderem Interesse sei es für sie gewesen, das Verhalten dieser beiden Pferde und deren Rittigkeit miteinander zu vergleichen, um daraus zu lernen und Vorteile für das Reiten des eigenen Pferdes zu ziehen. Sie habe daher nicht im Interesse des Beigeladenen, sondern letztendlich aus eigenem Interesse das Angebot des Beigeladenen Ziff. 2 angenommen.
Nach der Darstellung des Beigeladenen Ziff. 2 vom 8. September 2003 gegenüber der Beklagten hatte ihm die Klägerin über ihre Schwester, die eine Arbeitskollegin des Beigeladenen Ziff. 2 ist, Anfang November 2002 angeboten, während dessen Urlaub vom 11. November bis 10. Dezember 2002 gelegentlich dessen Pferd zu reiten. Am 7. November seien die Klägerin und ihre Schwester gekommen, um das Pferd kennen zu lernen. Es sei ausgemacht gewesen, dass das Pferd gesattelt und aufgezäumt werden sollte, um anschließend mit ihm spazieren zu gehen. Die Klägerin habe trotz seiner Bedenken auf dem Pferd reiten wollen und habe ihn gebeten, das Pferd auch loszulassen. Nach einigen ruhigen Schritten sei das Pferd losgaloppiert. Die Klägerin habe es nicht mehr unter ihre Kontrolle gebracht und sei abgesprungen.
Bei dem Sprung zog sich die Klägerin einen komplizierten Bruch der rechten Ferse zu.
Die Beklagte erhielt von dem Vorgang durch ein Schreiben des Arbeitgebers der Klägerin vom 17. März 2003 Kenntnis. Im Rahmen der sodann durchgeführten Ermittlungen teilte der Beigeladene Ziff. 1 in den Fragebögen vom 8. September und 16. Oktober 2003 ergänzend mit, das Pferd gehöre ihm. Die Klägerin habe am Unfalltag das Pferd ansehen und reiten wollen. Sie sei zusammen mit ihrer Schwester aus eigenen Antrieb auf seiner Hofstelle erschienen. Außer dem Auflegen des Sattels habe sie keine weitere Tätigkeit verrichtet. Für die Versorgung des Pferdes während des Urlaubs seines Sohnes sei eine Vergütung nicht vereinbart worden.
Mit Bescheid vom 4. November 2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Klägerin sei bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und verwies darauf, dass die Tierhalterhaftpflichtversicherung des Beigeladenen Ziff. 1 ihre Ansprüche ablehne mit der Begründung, es habe sich um einen Arbeitsunfall gehandelt. Sie teilte weiter mit, dass das Landgericht Stuttgart den Rechtstreit 14 O 413/04 gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII ausgesetzt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 18. Februar 2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Eine Klagebegründung wurde nicht vorgelegt.
Mit Urteil vom 27. Januar 2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 9. Februar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. März 2006 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die geplante Übernahme der Betreuung des Pferdes sei unter zwei Aspekten erfolgt. Zum einen habe sie ihrem eigenen Interesse gedient, da es für sie interessant gewesen sei, das Verhalten ihrer Pferde mit dem des Beigeladenen Ziff. 2 zu vergleichen. Zum anderen hätte sie bei der geplanten mehrwöchigen Betreuung und Pflege des Pferdes eine dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit erbracht, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Daher stehe nicht der eigenwirtschaftliche Aspekt, sondern die fremdwirtschaftliche Tätigkeit im Vordergrund.
Der Senat hat die Akten des Landgerichts Stuttgart 14 O413/04 beigezogen und die Beklagten dieses Rechtsstreits, den Halter des Pferdes und seinen Sohn, durch Beschluss vom 11. Mai 2006 zum Verfahren beigeladen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20. Oktober 2004 gab der Beigeladene Ziff. 2 an, es sei schon vor dem Zeitpunkt, als der Unfall passierte, fest vereinbart gewesen, dass die Klägerin und ihre Schwester das Pferd betreuen sollten. Der Beigeladene Ziff. 1 sollte weiterhin die Versorgung des Pferdes übernehmen, die Bewegung des Pferdes sollte so oft passieren, wie die Klägerin und ihre Schwester Zeit hätten. Dies sollten sie aus Gefälligkeit machen, bezahlt werden sollte dafür nichts. Am 7. November 2002, kurz vor Beginn seines Urlaubs, sei es darum gegangen, das Pferd kennenzulernen. Es sei über das Pferd gesprochen worden, er habe den beiden Damen auch die Örtlichkeiten gezeigt, z.B. wo Sattel und Trense hingen. Gemeinsam habe man das Pferd gesattelt und getrenst. Die Klägerin habe dann gesagt, sie wolle das Pferd reiten, wobei er sich versichert habe, ob sie sich das zutraue, was sie bejaht habe. Die Klägerin gab an, der Beigeladene Ziff. 2 habe die Vorgänge an sich richtig geschildert. Ihre Schwester habe die Bitte an sie herangetragen, das Pferd auch zu reiten. Deshalb habe sie vor Ort ausprobieren wollen, ob sie sich das zutraue. Mit dem Beigeladenen Ziff. 2 sei nichts vereinbart gewesen. Sie habe aber mit ihrer Schwester ausgemacht, dass sie Zeit hätte und das unentgeltlich übernehmen würde, wenn sie mit dem Pferd zurecht kommen würde.
Der Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufzuheben und festzustellen, dass der von ihr am 7. November 2002 erlittene Unfall ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen sei schon fraglich, ob sie der zuständige Unfallversicherungsträger sei, nachdem auch der Beigeladene Ziff. 2 als Halter des Pferdes in Betracht komme und daher die Unfallkasse Baden-Württemberg nach § 128 Abs.1 Nr. 9 SGB VII zuständig sein könnte.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie vertreten die Auffassung, dass die Klägerin mit der Bewegung und damit verbundenen notwendigen Pflege des Pferdes während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung habe handeln wollen. Demgegenüber sei ihre Motivation, aus dem Reiten des fremden Pferdes Erfahrungswerte für ihr eigenes Pferd zu gewinnen, unbeachtlich.
Die Beteiligten habe sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe i.S:d. § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet.
Nachdem die Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 4. November 2003 "einen Arbeitsunfall abgelehnt" hatte, war die Klage auf Feststellung des Reitunfalls vom 7. November 2002 als Arbeitsunfall in Form einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Klage eines Versicherten auf Feststellung, dass bei ihm der Versicherungsfall eines Arbeitsunfalls eingetreten ist , nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG zulässig, auch wenn mit dieser Feststellung - wie im vorliegenden Fall - (noch) keine aktuellen Leistungsansprüche verbunden sind (BSG SozR 4-1500 § 55 Nr 4 mwN)
Die Beklagte ist der für die Entscheidung über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zuständige Versicherungsträger der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach der in den Verwaltungsakten vorhandenen Meldung über die Betriebsverhältnisse am Unfalltag bewirtschaftete der Beigeladene Ziff. 1, der auch Eigentümer des Unfallpferdes ist, einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 19,57 Hektar Grünfläche und 6,45 Hektar Waldfläche und hielt auf dem Anwesen 32 Kühe/Kälber. Unter diesem Umständen ist eine Haltung von Reitpferden jeglicher Größe dem landwirtschaftlichen Unternehmen zuzuordnen, ohne dass es auf die konkrete Ausgestaltung im Einzelnen ankommt (BSG Urteil vom 30.Juni 1993 - B 2 U 40/92 - HV-INFO 1993, 2215-2222). Daher ist es in diesem Zusammenhang unbeachtlich, dass der Beigeladene Ziff.1 das Pferd dem Beigeladenen Ziff. 2 nahezu ausschließlich zum Reiten überließ.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auch der Senat kann nicht feststellen, dass der Reitunfall der Klägerin vom 7. November 2002 ein Arbeitsunfall war.
Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) oder infolge der Zurücklegung eines versicherten Weges (§ 8 Abs. 2 SGB VII). Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind auch Personen versichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 dieser Vorschrift, d.h. wie Beschäftigte, tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird durch diese Vorschrift aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewährt, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer ggf. nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die dem fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz) und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, unter solchen Umständen, die einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich sind und nicht auf einer Sonderbeziehung zB als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruhen (BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 5 mwN). Ausschlaggebend für den Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII ist damit die mit dem - objektiv arbeitnehmerähnlichen - Tun verbundene auf die Belange des Unternehmens gerichtete Handlungstendenz und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 539 Nr 119). Zu beurteilen ist dabei nicht allein die zum Unfall führende Verrichtung, sondern das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens (BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 8).
Hiervon ausgehend ist schon zweifelhaft, ob im Unfallzeitpunkt ein objektiv arbeitnehmerähnliches Tun der Klägerin vorgelegen hat.
Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Klägerin und des Beigeladenen Ziff. 2 hatte sich die Klägerin zusammen mit ihrer Schwester am 7. November 2002 zu dem landwirtschaftlichen Anwesen des Beigeladenen Ziff. 1 begeben, um das Pferd und die Örtlichkeiten kennenzulernen, nachdem sich die Klägerin auf Bitten ihrer Schwester bereit erklärt hatte, das Pferd während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 gelegentlich zu bewegen. Die Klägerin und ihre Schwester sollten zur Bewegung des Pferdes nur kommen, wenn sie dies nach eigenem Gutdünken zeitlich ermöglichen konnten, während die Verpflegung und Versorgung des Pferdes durch den Beigeladenen Ziff. 1 gewährleistet war. Sonstige Vereinbarungen, insbesondere eine Vergütung dieser gelegentlichen Tätigkeit, waren nicht getroffen worden.
Unter diesen Umständen könnte eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit schon dann nicht angenommen werden, wenn es tatsächlich zur gelegentlichen Bewegung des Pferdes durch die Klägerin während der Urlaubsabwesenheit des Beigeladenen Ziff. 2 gekommen wäre. Dagegen sprechen die Möglichkeit, völlig frei zu bestimmen, wann sie das Pferd bewegen würde und die mangelnde Vergütung. Dies gilt aber erst recht im Unfallzeitpunkt, als die Klägerin zur Vorbereitung dieser Tätigkeit das Pferd kennen lernen wollte.
Entscheidend ist aber vor allem, dass auf der Grundlage der Äußerungen der Klägerin nicht feststellbar ist, dass sie bei dem unfallbringenden Reiten darauf zielte, eine der Pferdehaltung des landwirtschaftlichen Unternehmens dienende fremdnützige Tätigkeit zu verrichten.
Auf Grund der insoweit übereinstimmenden Angaben steht fest, dass die Klägerin darauf bestanden hat, das Pferd an diesem Tag - über das gemeinsame Zäumen, Satteln und Spazierengehen mit dem Pferd hinaus - auch schon zu reiten. Eine objektive Notwendigkeit, dass die Klägerin an diesem Tag das Pferd bereits bewegen sollte, bestand angesichts der Tatsache, der der Beigeladene Ziff. 2 noch anwesend war, nicht. Auch hatte dieser wegen der zwischen ihm und der Klägerin erörterten Probleme mit dem Pferd Bedenken geäußert und die Klägerin ausdrücklich gefragt, ob sie sich das zutraue. Dass die Klägerin dennoch an diesem Tag reiten wollte, "um zu sehen, wie es sich zumindest im Schritt reiten lässt"(Schreiben vom 1. März 2003), wertet der Senat als Ausdruck des von ihr ausdrücklich bekundeten eigenen Interesses an diesem Pferd, nachdem sie nach ihren eigenen Angaben im Schreiben an die Haftpflichtversicherung vom 14. April 2003 selbst ein vom Charakter und Typ ähnliches Pferd hatte und deshalb das Verhalten der beiden Pferde und deren Rittigkeit miteinander vergleichen und daraus lernen und Vorteile für das Reiten ihres eigenen Pferdes ziehen wollte.
Nach alledem ist die Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls nicht wie eine Beschäftigte für das landwirtschaftliche Unternehmen des Beigeladenen Ziff. 1 tätig gewesen. Der Reitunfall ist kein Arbeitsunfall, sodass die Berufung zurückgewiesen werden musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved