L 9 U 2138/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 8455/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 2138/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger im August 1999 einen Arbeitsunfall erlitten hat.

Der 1966 in Gabun/Westafrika geborene Kläger kam 1992 in die Bundesrepublik. Er war vom 3.5. bis 16.9.1999 bei der Firma S.-S.-L. beschäftigt und arbeitete in der Abteilung Umschlag als Entlader von Lastkraftwagen. Seit dem 17.8.1999 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die von dem Orthopäden Dr. A. ausgestellte Krankmeldung übersandte er am gleichen Tag an seinen Arbeitgeber und teilte mit, er habe in der Nacht von Sonntag auf Montag (1.8.99 zum 2.8.99) unter anderem einen LKW mit Koffern entladen. Bei dieser Tätigkeit sei es ihm schmerzhaft in den Rücken gefahren. Am Donnerstag, dem 5.8. 1999 habe er den Orthopäden Dr. A. aufgesucht. Bei nachfolgenden Röntgenaufnahmen sei ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert worden. Er bitte eine Unfallmeldung vorzunehmen.

Der Kläger meldete seiner privaten Unfallversicherung (wgv) am 6.8.1999 den Schaden an der Bandscheibe. Diese teilte unter dem 13.10.1999 mit, Schädigungen an der Bandscheibe seien grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn die Schädigung der Bandscheibe durch ein plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis hervorgerufen worden sei. Da beim vorliegenden Fall kein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorgelegen habe, könne im Rahmen der Privaten Unfallversicherung kein Versicherungsschutz gewährt werden.

Der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen teilte der Kläger am 11.10.1999 mit, am 6.8.1999 sei beim Entladen eines LKWs mit Koffern ein Bandscheibenvorfall ausgelöst worden. Er bitte um Prüfung, ob es sich um eine Berufskrankheit handle, zumal er immer Tätigkeiten mit starker körperlicher Belastung verrichtet habe. Die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen schrieb dem Kläger unter dem 29.10.1999, nach den vorliegenden Unterlagen seien nicht alle Anspruchsvoraussetzungen der unter den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung erfassten Berufskrankheiten erfüllt. Daher werde das Feststellungsverfahren eingestellt. Durch das jetzt eingestellte Verfahren entstünden dem Kläger aber keine Nachteile, falls er später alle Anspruchsvoraussetzungen für eine der drei Wirbelsäulenerkrankungen erfüllen sollte. Am 12.8.2004 ging bei der Beklagten ein H-Arzt-Bericht von Dr. K. vom 3.8.2004 ein, in dem dieser beim Kläger folgende Diagnosen nannte: Zustand nach operativer Therapie, Bandscheibenvorfall, LWS-Syndrom. Er führte aus, der Kläger gebe einen Arbeitsunfall vom 5.8.1999 an. Er habe damals mit anderen Mitarbeitern eine Maschine heben wollen, die umzukippen drohte. Dabei habe sich der Kläger am Rücken verletzt und nicht weiterarbeiten können. Dr. K. legte eine Aufstellung über die Behandlungen des Klägers vom 23.8.1999 bis 3.8.2004 vor. Unter dem 23.8.1999 ist unter Anamnese vermerkt: "NPP seit 6.8.99 bekannt, L 5 li jetzt Neuro Untersuchung". Zum aktuellen Befund vom 23.8.1999 heißt es: "Klinischer Befund Wirbelsäule: Becken gerade, Vorneigung bis FBA 35 cm. Rückneigung 10 Grad. Seitneigung 20/0/10 Druckschmerz lumbosakral. Lasèque positiv bei 60 Grad li. re. Sensibilität Hyp L 5 li Motorik: intakt".

Der Kläger gab an, am 5.8.1999 gegen 23.30 Uhr habe er mit weiteren Beschäftigten eine Maschine zurechtrücken sollen, die plötzlich zu kippen drohte. Ihre Bemühungen hätten sich als vergeblich erwiesen, weshalb es angeraten erschienen habe, so schnell wie möglich eine sichere Position anzustreben. Hierbei sei er offenbar am Rücken so gestoßen worden, dass er eindeutig verletzt worden sei. Ein Weitermachen sei unmöglich gewesen. Am darauf folgenden Tages sei er vom Hausarzt zum Sportmediziner Dr. A. überwiesen bzw. weitergeleitet worden. Der Kläger legte Arztbriefe der Orthopädischen Klinik Paulinenhilfe Stuttgart vom 8.5. und 13.7.2001, 20.2., 21.2., 5.4., 8.4. und 26.4.2002, der Neurologin Dr. S.-G. vom 29.3.2001 (Diagnosen: Lumboischialgie links mit sensiblen Wurzelsyndrom L 4/5 links; seit 1990 rezidivierende Rückenschmerzen mit Ausstrahlung ins linke Bein) sowie der Radiologischen Gemeinschaftspraxis K./Dr. K. vom 2.3.2001 vor.

Mit Bescheid vom 23.8.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls werde abgelehnt. Es sei weder erwiesen noch wahrscheinlich, dass er am 5.8.1999 einen Arbeitsunfall erlitten habe. Damals sei weder vom behandelnden Arzt noch von ihm selbst, von seinem Arbeitgeber oder der Krankenkasse ein Arbeitsunfall gemeldet worden. Ferner bestünden die geklagten Rückenbeschwerden nicht erst seit dem angeblichen Ereignis vom 5.8.1999, sondern bereits seit 1990, wie sich aus dem Bericht von Dr. S.-G. ergebe.

Hiergegen legte der Kläger am 6.9.2004 Widerspruch ein. Am 8.10.2004 stellte sich der Kläger mit einer Vielzahl von Unterlagen in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in T.vor. Unter den Unterlagen befand sich u.a. der Entlassungsbericht des Zentrums für ambulante Rehabilitation Stuttgart vom 23.3.2000 und der Arztbrief von Dr. S. vom 29.3.2000. Danach wurde der Kläger vom 2.2. bis 22.2.2000 wegen therapieresistenter Lumboischialgie und Großzehenheberschwäche links bei NPP L4/5 behandelt. Bei Röntgenaufnahmen der LWS in zwei Ebenen vom 6.8.1999 seien eine Steilstellung der LWS und eine Intervertebralverschmälerung bei L5/S1 vor allem dorsal und bei einem CT der Wirbelsäule von L 3 bis S 1 am 16.8.1999 sei bei L 4/5 ein mediolateraler Diskusprolaps mit Luxat im linken lateralen Recessus von LWK 5 und Wurzeltaschenkompression von L 5 links festgestellt worden. Die Ärztin und Schmerztherapeutin Dr. S. berichtete im Arztbrief vom 29.3.2000, im August 1999 habe der Kläger beim Beladen eines LKWs eine Lumbalgie erlitten mit ausstrahlenden Schmerzen in das linke Bein, entsprechend L 4/5. Es bestehe eine chronische Lumboischialgie. Trotz siebenmonatiger Therapie seien die Schmerzen weiterhin vorhanden. Inzwischen handele es sich um einen Dauerschmerz.

Im Zwischenbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 15.10.2004 wurden folgende Diagnosen gestellt: LWS- und BWS-Beschwerden bei stattgehabtem Bandscheibenvorfall L 4/5 und Nukleotomie bei Wurzelkompression L 5 am 11.3.2004. Der Kläger habe angegeben, dass ihm beim Schieben einer Maschine, die umkippte, diese gegen die untere LWS prallte; seitdem habe er Beschwerden. Anzumerken sei, dass der Kläger zunächst eine Berufskrankheit geltend gemacht habe, mittlerweile jedoch von einem Arbeitsunfall spreche. Es werde eine Zusammenhangsbegutachtung empfohlen, um Rechtssicherheit zu erlangen; ein ursächlicher Zusammenhang bezüglich der Bandscheibenproblematik des Klägers werde aber nicht gesehen.

Die Beklagte zog Leistungsauszüge der AOK Stuttgart ab 1.3.1994 bei (Mitgliedschaft seit September 1992) und holte eine Auskunft bei dem Orthopäden Dr. A. vom 17.11.2004 ein. Dieser erklärte, der Kläger habe sich erstmals am 6.8.1999 in seine Behandlung begeben. Er habe beim Kläger damals folgenden Befund erhoben: Hochgradige Bewegungseinschränkung der LWS, Blockierung L 4/5, Lasèque negativ, keine motorischen Ausfälle. Es sei eine akute Lumbalgie diagnostiziert worden; von einem Unfall sei ihm zum damaligen Zeitpunkt nichts bekannt gewesen. Computertomographisch habe sich ein Prolaps im Segment L 4/5 gezeigt. Nachdem sich klinisch keine Besserung gezeigt habe, sei eine Discotomie im Segment L 4/5 durchgeführt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, wobei sie u. a. ausführte, die wgv habe mit Schriftsatz vom 13.10.1999 Leistungen abgelehnt, weil die Schädigung an der Bandscheibe nicht durch ein plötzliches, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis verursacht worden sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.12.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er sinngemäß die Anerkennung des Ereignisses von August 1999 als Arbeitsunfall weiterverfolgte. Er führte aus, am Unfalltag habe er bei seinem früheren Arbeitgeber einen LKW mit schweren Koffern entladen. Hierbei seien plötzlich sehr starke Schmerzen im Rückenbereich aufgetreten, mit denen er weitergearbeitet habe. Im Verlaufe der Arbeitsschicht sei er von anderen Arbeitskollegen gebeten worden, eine Arbeitsmaschine zurecht zu rücken, welche umzukippen drohte. Als die Arbeitsmaschine dennoch umkippte, habe er versucht, sich durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit zu bringen. Insoweit könne er nicht ausschließen, dass er von der Arbeitsmaschine im Rückenbereich getroffen worden sei. Auf jeden Fall seien bereits bestehende Rückenschmerzen wesentlich extremer geworden, weshalb er seiner Arbeit nicht mehr habe nachgehen können und am nächsten Tag seinen Arzt Dr. A. aufgesucht habe.

Das SG hörte Dr. W., Paulinenhilfe S., schriftlich als sachverständigen Zeugen, der unter dem 13.05.2005 über Behandlungen des Klägers ab 4.5.2001 berichtete.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.3.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom August 1999 als versicherten Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Er habe zwei Unfallabläufe angegeben. Zum einen habe er beim Abladen eines Koffers aus dem LKW plötzlich Schmerzen im Rücken bemerkt, zum anderen sei er von einer umkippenden Maschine im Rücken getroffen worden. Der Hebeakt sei jedoch nach Ansicht des SG kein geeignetes Unfallereignis. Auch der weitere Unfallvorgang könne nicht als geeigneter Unfallmechanismus gewertet werden, da entsprechende Begleitverletzungen fehlten. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 4.4.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 25.4.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, vor dem Unfallereignis habe er unter keinerlei Vorerkrankungen der Wirbelsäule gelitten. Auch für den Operateur Dr. W. habe das Unfallereignis vom 5.8.1999 in unmittelbaren Zusammenhang mit seinem Bandscheibenvorfall gestanden. Die Ansicht des SG, der von ihm beschriebene Unfall habe zu Begleitverletzungen führen bzw. äußere Anzeichen einer traumatischen Einwirkung hinterlassen müssen, sei nicht zutreffend. Er hat ärztliche Bescheinigungen des Orthopäden Dr. Philipp vom 26.3. und 15.11.2007 sowie eine Skizze der umkippenden Maschine vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 29. Januar 2008 hat er erklärt, seine Erstangaben seien unzutreffend; sie beruhten auf fehlenden Deutschkenntnissen. Zutreffend seien seine nunmehrigen Angaben.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2004 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 5. August 1999 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat bzw. dass der Bandscheibenvorfall im Bereich L 4/5 Folge des Arbeitsunfalls vom 5. August 1999 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der angefochtene Gerichtsbescheid sei nicht zu beanstanden. Der Kläger habe in einem zeitnahen Schreiben vom 17.8.1999 an seinen damaligen Arbeitgeber angegeben, dass es ihm beim Entladen von Koffern in der Nacht vom 1.8. auf den 2.8.1999 schmerzhaft in den Rücken gefahren sei. Das SG habe zutreffend dargelegt, dass es sich hierbei um keinen Arbeitsunfall gehandelt habe. Den weiteren angegebenen Unfallvorgang halte sie für eine verfahrensangepasste Schilderung, zumal äußere Anzeichen einer traumatischen Einwirkung fehlten.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom August 1999 als Arbeitsunfall bzw. eines Bandscheibenvorfalls als Folge eines Arbeitsunfalls hat.

Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Das Tatbestandsmerkmal "von außen auf den Menschen einwirkend" soll ausdrücken, dass ein aus innerer Ursache kommendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen ist (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 35).

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität).

Für die Kausalität zwischen Unfallereignis im Sinne der äußeren Einwirkung und dem Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus im Sinne einer conditio sine qua non und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urt. vom 7.9.2004 -B 2 U 34/03 R m. w. N.). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (vgl. Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in JURIS).

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der Senat - ebenso wie das SG - zu der Überzeugung gelangt, dass der Bandscheibenvorfall des Klägers im Bereich L 4/5 nicht mit Wahrscheinlichkeit auf einen Arbeitsunfall vom August 1999 bzw. die vom Kläger geschilderten Ereignisse zurückzuführen ist.

Legt man die zum Unfall zeitnächsten Angaben des Klägers vom 17.8.1999 zugrunde, so fuhr es ihm in der Nacht vom Sonntag auf Montag (1.8. zum 2.8.1999) beim Entladen von Koffern von einem LKW schmerzhaft in den Rücken. Dementsprechend ist im zeitnahen Arztbrief von Dr. S. vom 29.3.2000 davon die Rede, dass der Kläger beim Beladen eines LKW im August 1999 eine Lumbalgie erlitten habe, während der Kläger gegenüber Dr. A. am 6.8.1999 keine Angaben zu einem Unfallereignis gemacht hatte. Hierbei ist schon zweifelhaft, ob es sich um einen Unfall, d. h. um ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis gehandelt hat, zumal der Kläger willentlich Koffer vom LKW abgeladen hat (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 10/07 § 8 SGB VII Rdnr. 11.4). Aber selbst wenn man das Entladen der Koffer als Unfallereignis ansehen und von einem Arbeitsunfall am 1./2.8.1999 ausgehen könnte, hätte dieser nicht mit Wahrscheinlichkeit zu dem am 16.8.1999 im CT festgestellten Bandscheibenvorfall bei L 4/5 und insbesondere zu der Bandscheiben-Operation im Bereich L 4/5 am 11.3.2002 geführt.

Nach der gängigen unfallmedizinischen Literatur sind unfallbedingt verursachte Bandscheibenvorfälle äußerst selten, dagegen sind degenerative Bandscheibenvorfälle häufig. Am häufigsten machen sich die klinischen Symptome der degenerativen Veränderungen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr bemerkbar. Der objektive Befund einer Bandscheibendegeneration nimmt mit wachsendem Alter zu. Die untere LWS wird dabei eher betroffen als andere Teile, denn auf diesem Abschnitt lastet das Hauptgewicht des oberhalb gelegenen Rumpfes (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. S. 527 und 546).

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen werden bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS erst durch langjähriges Heben und Tragen verursacht (siehe Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108), wobei eine bestimmte Gesamt-Belastungs-Dosis erreicht werden muss. Dies ist innerhalb einer Arbeitsschicht, was Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist, nicht möglich. Bei einem traumatisch bedingten Bandscheibenvorfall muss der Unfall schwer genug sein, um Rissbildungen in der Bandscheibe zu verursachen. Auch müssen begleitende, wenn auch minimale, knöcherne oder Bandverletzungen im - vom Bandscheibenvorfall betroffenen - Segment vorliegen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 529). Dies war beim Kläger nicht der Fall. Ein gravierendes Unfallereignis lag nicht vor, vielmehr fuhr ihm - ohne weitere äußere Einwirkung - beim Entladen von Koffern ein Schmerz in den Rücken. Auch sind irgendwelche begleitende Verletzungen weder von Dr. A. noch von Dr. K. beschrieben worden, sodass sämtliche Hinweise auf eine weitergehende traumatische Ursache fehlen. Ferner spricht hiergegen, dass der Kläger nach seinen Erstangaben vom 17.8.1999 mit Schmerzen weiter arbeitete und nicht umgehend am 2.8., sondern erst am 5. bzw. 6.8.1999 den Orthopäden Dr. A. aufsuchte. Legt man die im August 2004 gemachte Schilderung des Klägers zugrunde, die jedoch im Widerspruch zur Unfallschilderung vom 17.8.1999 steht, hat er versucht, am 5.8.1999 mit anderen Mitarbeitern eine umkippende Maschine zurechtzurücken, wobei er durch die Maschine am Rücken so verletzt worden sei, dass er nicht weiterarbeiten konnte. Bei dieser Schilderung würde zwar zweifelsfrei ein Unfallereignis vorliegen. Eine Verletzung hierdurch im Sinne eines Gesundheitserstschadens ist jedoch nicht nachgewiesen. Denn weder Dr. A. (am 6.8.1999) noch Dr. K. (am 23.8.1999) beschreiben Verletzungen am Rücken, die auf einen Stoß durch eine umkippende Maschine zurückgeführt werden könnten. Dr. A., den der Kläger am 6.8.1999 aufgesucht hat, hat eine hochgradige Bewegungseinschränkung der LWS, eine Blockierung L 4/5, einen negativen Lasèque und keine motorischen Ausfälle festgestellt. Er hat eine akute Lumbalgie diagnostiziert, wobei der Kläger keine Angaben über einen Unfallhergang gemacht hat, was wiederum im Einklang mit der Schilderung des Klägers vom 17.8.1999 steht, wo er ebenfalls kein äußeres Ereignis angegeben, sondern mitgeteilt hat, es sei ihm beim Entladen eines LKW mit Koffern schmerzhaft in den Rücken gefahren. Dr. K. hat beim Kläger am 23.8.1999 ebenfalls keinen Befund erhoben, der auf eine - äußere - Verletzung der Wirbelsäule durch ein Unfallereignis hindeuten würde. Er hat im "klinischen Befund Wirbelsäule" lediglich die Bewegungsausmaße der Wirbelsäule, einen Druckschmerz lumbosakral, Lasègue positiv bei 60 Grad li. re. Sensibilität Hyp L 5 li und eine intakte Motorik festgehalten. Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung, dass es sich bei dem geltend gemachten Ereignis vom August 1999 um einen Arbeitsunfall handelt bzw. dass der operierte Bandscheibenvorfall L 4/5 Folge eines Arbeitsunfalls vom August 1999 ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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