Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4663/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5300/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert des Verfahrens wird endgültig auf 6.870,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines Beitragszuschlags in Höhe von 6.870,85 EUR.
Der Kläger ist als Inhaber eines Dachdeckergeschäfts beitragspflichtig zur Beklagten.
Sein ehemaliger Mitarbeiter, der 1978 geborene Beigeladene, der als ungelernter Dachdeckerhelfer seit September 2002 im Betrieb des Klägers tätig war, erlitt am 27. März 2003 einen Arbeitsunfall, als er von einem Baugerüst aus ca. 2 m Höhe herunterfiel und sich dabei das linke Knie verdrehte (Unfallanzeige des Klägers vom 16. April 2003). Jedenfalls seit dem Jahr 2000 war der Beigeladene bis zur Tätigkeitsaufnahme beim Kläger in verschiedenen Branchen tätig (Gerüstbau, Stahlhandel), unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Im Durchgangsarztbericht vom 28. März 2002 (Dr. K.) wird ein Verwindungstrauma des linken Kniegelenks mit akuter Beugeblockade und Verdacht auf eingeklemmten Innenmeniskusriss aufgeführt. Weiter wird mitgeteilt, dass der Beigeladene seit ca. 1,5 Jahren Beschwerden am Knieinnenspalt habe, ohne bislang ärztliche Behandlung in Anspruch genommen zu haben. Im Bericht des Krankenhauses der Kreisspitalstiftung W. vom 8. April 2003 werden als Diagnosen ein Stauchungs- und Verwindungstrauma mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes, Korbhenkelriss des Innenmeniskushinterhorns sowie Abriss der Plica infrapatellaris aufgeführt. Der histologische Befund habe den Faserknorpel des Meniskus mit deutlichen degenerativen Veränderungen und frischen Einrissen dargestellt und das Vorbestehen degenerativer Vorschäden bestätigt. Die W. Bau-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) nahm daraufhin umfangreiche Ermittlungen auf, insbesondere zur Abgrenzung degenerativer Vorschäden zu unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen (Beiziehung zahlreicher ärztlicher Unterlagen über die fortlaufende Behandlung des Beigeladenen [z.B. Entlassungsbericht nach stationärer Rehabilitationsmaßnahme vom 1. April bis 6. Mai 2004 im Rehabilitationskrankenhaus U.]; Gutachten zur Zusammenhangsfrage PD Dr. E. vom 25. Juli 2006 [Unfallfolgen: posttraumatische Arthrose des medialen Kniegelenks; x-Beinstellung des linken Beins; endgradige Bewegungseinschränkung für Streckung und Beugung im linken Kniegelenk; inliegendes Metallimplantat; bleibende Narbenbildungen; verminderte Berührungsempfindlichkeit des linken Kniegelenks; vermehrte Aufklappbarkeit lateraler Gelenkspalt; verlängerter Anschlag des Kreuzbandersatztransplantats]). Mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen entsprechend dem Vorschlag des Gutachters Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. vom 17. August 2005 bis 12. Juli 2006 und nach einer MdE um 20 v.H. ab 13. Juli 2006 auf Dauer.
Mit Beitragsbescheid vom 20. April 2005 forderte die Beklagte neben dem Beitrag für 2004 den Beitragsvorschuss für 2005 in Höhe von 21.272,09 EUR sowie einen Beitragszuschlag für 2005 in Höhe von 6.078,85 EUR.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, nicht nachvollziehen zu können, weshalb ein Beitragszuschlag erhoben werde. Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund der im Jahr 2004 entschädigten Arbeitsunfälle (u.a. Arbeitsunfall des Beigeladenen mit Aufwendungen in Höhe von 26.692,11 EUR bei Gesamtaufwendungen für Mitarbeiter des klägerischen Unternehmens in Höhe von 26.750,94 EUR) nach § 28 der Satzung bei einem Abweichen der Eigenbelastung von der Durchschnittsbelastung ein Beitragszuschlag festgestellt werde. Der Kläger erwiderte, der Beigeladene sei erst seit September 2002 bei ihm beschäftigt gewesen und habe von Anbeginn an mit dem Knie Probleme gehabt. Deshalb habe er den Beigeladenen mehrfach aufgefordert, weder vom Lkw noch von einem Gerüst auf den Boden zu springen. Auch wenn in der Unfallanzeige, die vom Beigeladenen selbst verfasst und anschließend von ihm nur unterschrieben an die Beklagte weitergeleitet worden sei, aufgeführt sei, der Beigeladene sei vom Gerüst gestürzt, habe sich mittlerweile herausgestellt, dass der Beigeladene heruntergesprungen sei. Die lange Behandlungsdauer zeige im Übrigen auch, dass nicht Unfallfolgen, sondern vorbestehende Erkrankungen behandelt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten ausgeführt, dass insbesondere durch das Gutachten des PD Dr. E. der Zusammenhang der operativen Maßnahmen beim Beigeladenen mit dem Unfallereignis festgestellt sei. Da kein Ausnahmetatbestand für die Berücksichtigung der entstandenen Kosten im Beitragszuschlagsverfahren, z.B. nach § 28 Abs. 7 der Satzung vorliege, auch verbotswidriges Verhalten Versicherungsschutz nicht ausschließe (§ 7 SGB VII) und der Beigeladene im Unfallzeitpunkt eine betriebliche Tätigkeit verrichtet habe, komme es nicht darauf an, ob der Beigeladene vom Gerüst gesprungen oder gestürzt sei. Dagegen hat der Kläger am 30. November 2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass zwar zutreffend sei, dass verbotenes Verhalten Versicherungsschutz nicht ausschließe. Dies könne aber nicht dazu führen, dass die durch das verbotswidrige Verhalten verursachten Kosten dem Arbeitgeber auferlegt werden könnten. Denn dem Beigeladenen selbst sei es nicht möglich, diese Kosten gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Umgekehrt könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber auch nicht in Regress nehmen. Darauf komme es aber gar nicht entscheidend an, da nach § 28 Abs. 7 der Satzung der Beklagten Aufwendungen für Berufskrankheiten vom Beitragszuschlagsverfahren ausgenommen seien. Angesichts des sehr jungen Lebensalters des Beigeladenen sei davon auszugehen, dass die Knieprobleme auf die Tätigkeit als Dachdecker zurückzuführen und damit als Berufskrankheit zu bewerten sei.
Durch Urteil vom 28. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz) [SGG] verwiesen.
Gegen das ihm am 8. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. November 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und betont, dass seiner Auffassung nach allein die bestehenden Vorschäden wesentlich für die bestehenden funktionellen Einschränkungen seien. Darüber hinaus sei das Beitragszuschlagsverfahren nicht verfassungskonform.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 20. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2006 insoweit abzuändern, dass der Kläger keinen Beitragszuschlag für das Beitragsjahr 2005 zu leisten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend und führt ergänzend aus, es gebe weder Anhaltspunkte für das Bestehen einer Berufskrankheit beim Beigeladenen noch für eine Verfassungswidrigkeit des Beitragszuschlagsverfahrens.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht einen Beitragszuschlag für das Beitragsjahr 2005 erhoben.
Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind beitragspflichtig Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die gewerblichen Berufsgenossenschaften haben dabei unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Versicherungsfälle nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bleiben dabei außer Acht. Das Nähere bestimmt die Satzung; dabei kann sie Versicherungsfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten, und Versicherungsfälle auf Betriebswegen sowie Berufskrankheiten ausnehmen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale (§ 162 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB VII).
In § 30 Abs. 1 der ab 1. Mai 2005 gültigen Satzung der Bau-Berufsgenossenschaft (insoweit inhaltsgleich mit § 28 der bis zum 30. April 2005 gültigen Satzung der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft) werden den einzelnen Beitragspflichtigen unter Berücksichtigung der Aufwendungen für anzuzeigende Versicherungsfälle nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Beitragszuschläge auferlegt (§ 162 SGB VII). Ein Beitragszuschlag wird auferlegt, wenn die Eigenbelastung des einzelnen Beitragspflichtigen die Durchschnittsbelastung aller Beitragspflichtigen überschreitet (§ 30 bzw. § 28 Abs. 2 der Satzung). Außer Acht bleiben Aufwendungen für Versicherungsfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII, Versicherungsfälle auf Betriebswegen außerhalb der Betriebsstätte, Berufskrankheiten, Versicherungsfälle durch höhere Gewalt und Versicherungsfälle auf Grund alleinigen Verschuldens nicht zum Unternehmen gehörender Personen (§ 30 bzw. 28 Abs. 7 der Satzung).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beklagte den Beitragszuschlag in Höhe von 6.870,85 EUR für das Beitragsjahr 2005 zutreffend erhoben. Für den Arbeitsunfall des Beigeladenen sind der Beklagten Kosten in Höhe von 26.692,11 EUR entstanden. Es liegen weder Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung des Zuschlags vor noch wurden solche vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Berechnung des Beitragszuschlags wird deshalb auf die Ausführungen auf S. 3 des Widerspruchsbescheids der Beklagten Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Soweit der Kläger vorbringt, die von der Beklagten getragenen Aufwendungen seien wesentlich durch eine bestehende Vorerkrankung des Beigeladenen verursacht und damit nicht maßgeblich für das Beitragszuschlagsverfahren, lässt dieses Vorbringen jegliche Auseinandersetzung mit dem auch dem Kläger bekannten Gutachten von PD Dr. E. vermissen. Die Beklagte hat umfassend ermittelt, ob die bestehenden Beeinträchtigungen auf die von Anfang an auch vom Beigeladenen mitgeteilten Vorschäden zurückzuführen sind und damit die Aufwendungen u.a. für die Behandlung und die operative Versorgung des linken Knies. Sie hat deshalb abschließend das Gutachten von PD Dr. E. in Auftrag gegeben, der gerade den Auftrag hatte (und diesen auch erfüllte), unfallbedingte und vorbestehende degenerative Veränderungen beim Beigeladenen abzugrenzen. Auf Grundlage dieses Gutachtens hat die Beklagte beim Beigeladenen wesentliche Veränderungen im linken Knie als Unfallfolge anerkannt und Verletztenrente bewilligt. Insofern ist nicht schon deshalb, weil der Beigeladene vorbestehende Veränderungen am unfallverletzten Knie hatte, ein Ursachenzusammenhang auszuschließen. Weiteren Sachaufklärungsbedarf, allein aufgrund der Behauptung des Klägers, ein Unfallzusammenhang besteht nicht, sieht das Gericht deshalb nicht.
Es liegt kein Ausnahmetatbestand nach § 28 Abs. 7 bzw. 30 Abs. 7 der Satzung vor. Insbesondere sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die auch nach Inhalt des Gutachtens von PD Dr. E. bestätigten unfallunabhängigen Vorschäden eine Berufskrankheit des Beigeladenen darstellen. Der Beigeladene hat, wie dem aktenkundigen Versicherungsverlauf zu entnehmen ist, in verschiedenen Branchen und nur kurzzeitig als Dachdeckerhelfer, gearbeitet. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die degenerativen Knieveränderungen insoweit beruflich bedingt sind. Ermittlungen von Amts wegen sind wegen den klägerischen Behauptungen ins Blaue hinein daher nicht veranlasst.
Soweit auch vorgetragen wird, die Regelungen zur Festsetzung eines Beitragszuschlags seien nicht verfassungskonform, verweist der Senat auf die ständige Rechtsprechung des BSG (z.B. vom 9. Dezember 1993 - 2 RU 44/92 = SozR 3-2200 § 725 Nr. 2 noch zu den insoweit inhaltsgleichen Vorschriften der RVO), wonach satzungsmäßige Zuschläge zum Unfallversicherungsbeitrag, die - wie die hier im Streit stehende Vorschrift des § 28 bzw. § 30 der Satzung - nach Zahl und Kosten der Arbeitsunfälle differenzieren, nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) sowie §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 GKG. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG), bezogen auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden ersten Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 1 U 5300/07 ist deshalb auch endgültig auf 6.870,85 EUR festzusetzen, da in dieser Höhe der Beitragszuschuss für das Beitragsjahr 2005 streitbefangen war. Der Beschluss ist insoweit unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert des Verfahrens wird endgültig auf 6.870,85 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit eines Beitragszuschlags in Höhe von 6.870,85 EUR.
Der Kläger ist als Inhaber eines Dachdeckergeschäfts beitragspflichtig zur Beklagten.
Sein ehemaliger Mitarbeiter, der 1978 geborene Beigeladene, der als ungelernter Dachdeckerhelfer seit September 2002 im Betrieb des Klägers tätig war, erlitt am 27. März 2003 einen Arbeitsunfall, als er von einem Baugerüst aus ca. 2 m Höhe herunterfiel und sich dabei das linke Knie verdrehte (Unfallanzeige des Klägers vom 16. April 2003). Jedenfalls seit dem Jahr 2000 war der Beigeladene bis zur Tätigkeitsaufnahme beim Kläger in verschiedenen Branchen tätig (Gerüstbau, Stahlhandel), unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Im Durchgangsarztbericht vom 28. März 2002 (Dr. K.) wird ein Verwindungstrauma des linken Kniegelenks mit akuter Beugeblockade und Verdacht auf eingeklemmten Innenmeniskusriss aufgeführt. Weiter wird mitgeteilt, dass der Beigeladene seit ca. 1,5 Jahren Beschwerden am Knieinnenspalt habe, ohne bislang ärztliche Behandlung in Anspruch genommen zu haben. Im Bericht des Krankenhauses der Kreisspitalstiftung W. vom 8. April 2003 werden als Diagnosen ein Stauchungs- und Verwindungstrauma mit Teilruptur des vorderen Kreuzbandes, Korbhenkelriss des Innenmeniskushinterhorns sowie Abriss der Plica infrapatellaris aufgeführt. Der histologische Befund habe den Faserknorpel des Meniskus mit deutlichen degenerativen Veränderungen und frischen Einrissen dargestellt und das Vorbestehen degenerativer Vorschäden bestätigt. Die W. Bau-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (künftig: die Beklagte) nahm daraufhin umfangreiche Ermittlungen auf, insbesondere zur Abgrenzung degenerativer Vorschäden zu unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen (Beiziehung zahlreicher ärztlicher Unterlagen über die fortlaufende Behandlung des Beigeladenen [z.B. Entlassungsbericht nach stationärer Rehabilitationsmaßnahme vom 1. April bis 6. Mai 2004 im Rehabilitationskrankenhaus U.]; Gutachten zur Zusammenhangsfrage PD Dr. E. vom 25. Juli 2006 [Unfallfolgen: posttraumatische Arthrose des medialen Kniegelenks; x-Beinstellung des linken Beins; endgradige Bewegungseinschränkung für Streckung und Beugung im linken Kniegelenk; inliegendes Metallimplantat; bleibende Narbenbildungen; verminderte Berührungsempfindlichkeit des linken Kniegelenks; vermehrte Aufklappbarkeit lateraler Gelenkspalt; verlängerter Anschlag des Kreuzbandersatztransplantats]). Mit Bescheid vom 9. Oktober 2006 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen entsprechend dem Vorschlag des Gutachters Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. vom 17. August 2005 bis 12. Juli 2006 und nach einer MdE um 20 v.H. ab 13. Juli 2006 auf Dauer.
Mit Beitragsbescheid vom 20. April 2005 forderte die Beklagte neben dem Beitrag für 2004 den Beitragsvorschuss für 2005 in Höhe von 21.272,09 EUR sowie einen Beitragszuschlag für 2005 in Höhe von 6.078,85 EUR.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, nicht nachvollziehen zu können, weshalb ein Beitragszuschlag erhoben werde. Mit Schreiben vom 10. Mai 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund der im Jahr 2004 entschädigten Arbeitsunfälle (u.a. Arbeitsunfall des Beigeladenen mit Aufwendungen in Höhe von 26.692,11 EUR bei Gesamtaufwendungen für Mitarbeiter des klägerischen Unternehmens in Höhe von 26.750,94 EUR) nach § 28 der Satzung bei einem Abweichen der Eigenbelastung von der Durchschnittsbelastung ein Beitragszuschlag festgestellt werde. Der Kläger erwiderte, der Beigeladene sei erst seit September 2002 bei ihm beschäftigt gewesen und habe von Anbeginn an mit dem Knie Probleme gehabt. Deshalb habe er den Beigeladenen mehrfach aufgefordert, weder vom Lkw noch von einem Gerüst auf den Boden zu springen. Auch wenn in der Unfallanzeige, die vom Beigeladenen selbst verfasst und anschließend von ihm nur unterschrieben an die Beklagte weitergeleitet worden sei, aufgeführt sei, der Beigeladene sei vom Gerüst gestürzt, habe sich mittlerweile herausgestellt, dass der Beigeladene heruntergesprungen sei. Die lange Behandlungsdauer zeige im Übrigen auch, dass nicht Unfallfolgen, sondern vorbestehende Erkrankungen behandelt worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Widerspruchsausschuss der Beklagten ausgeführt, dass insbesondere durch das Gutachten des PD Dr. E. der Zusammenhang der operativen Maßnahmen beim Beigeladenen mit dem Unfallereignis festgestellt sei. Da kein Ausnahmetatbestand für die Berücksichtigung der entstandenen Kosten im Beitragszuschlagsverfahren, z.B. nach § 28 Abs. 7 der Satzung vorliege, auch verbotswidriges Verhalten Versicherungsschutz nicht ausschließe (§ 7 SGB VII) und der Beigeladene im Unfallzeitpunkt eine betriebliche Tätigkeit verrichtet habe, komme es nicht darauf an, ob der Beigeladene vom Gerüst gesprungen oder gestürzt sei. Dagegen hat der Kläger am 30. November 2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass zwar zutreffend sei, dass verbotenes Verhalten Versicherungsschutz nicht ausschließe. Dies könne aber nicht dazu führen, dass die durch das verbotswidrige Verhalten verursachten Kosten dem Arbeitgeber auferlegt werden könnten. Denn dem Beigeladenen selbst sei es nicht möglich, diese Kosten gegen den Arbeitgeber geltend zu machen. Umgekehrt könne der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aber auch nicht in Regress nehmen. Darauf komme es aber gar nicht entscheidend an, da nach § 28 Abs. 7 der Satzung der Beklagten Aufwendungen für Berufskrankheiten vom Beitragszuschlagsverfahren ausgenommen seien. Angesichts des sehr jungen Lebensalters des Beigeladenen sei davon auszugehen, dass die Knieprobleme auf die Tätigkeit als Dachdecker zurückzuführen und damit als Berufskrankheit zu bewerten sei.
Durch Urteil vom 28. August 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz) [SGG] verwiesen.
Gegen das ihm am 8. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. November 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und betont, dass seiner Auffassung nach allein die bestehenden Vorschäden wesentlich für die bestehenden funktionellen Einschränkungen seien. Darüber hinaus sei das Beitragszuschlagsverfahren nicht verfassungskonform.
Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 28. August 2007 aufzuheben und den Bescheid vom 20. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 2006 insoweit abzuändern, dass der Kläger keinen Beitragszuschlag für das Beitragsjahr 2005 zu leisten hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie erachtet die angefochtenen Entscheidungen als zutreffend und führt ergänzend aus, es gebe weder Anhaltspunkte für das Bestehen einer Berufskrankheit beim Beigeladenen noch für eine Verfassungswidrigkeit des Beitragszuschlagsverfahrens.
Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.
Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht einen Beitragszuschlag für das Beitragsjahr 2005 erhoben.
Gemäß § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind beitragspflichtig Unternehmer, für deren Unternehmen Versicherte tätig sind oder zu denen Versicherte in einer besonderen, die Versicherung begründenden Beziehung stehen. Die Beiträge werden nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beitragsansprüche dem Grunde nach entstanden sind, im Wege der Umlage festgesetzt (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die gewerblichen Berufsgenossenschaften haben dabei unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Versicherungsfälle Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Versicherungsfälle nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bleiben dabei außer Acht. Das Nähere bestimmt die Satzung; dabei kann sie Versicherungsfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten, und Versicherungsfälle auf Betriebswegen sowie Berufskrankheiten ausnehmen. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Aufwendungen für die Versicherungsfälle oder nach mehreren dieser Merkmale (§ 162 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 SGB VII).
In § 30 Abs. 1 der ab 1. Mai 2005 gültigen Satzung der Bau-Berufsgenossenschaft (insoweit inhaltsgleich mit § 28 der bis zum 30. April 2005 gültigen Satzung der Württembergischen Bau-Berufsgenossenschaft) werden den einzelnen Beitragspflichtigen unter Berücksichtigung der Aufwendungen für anzuzeigende Versicherungsfälle nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Beitragszuschläge auferlegt (§ 162 SGB VII). Ein Beitragszuschlag wird auferlegt, wenn die Eigenbelastung des einzelnen Beitragspflichtigen die Durchschnittsbelastung aller Beitragspflichtigen überschreitet (§ 30 bzw. § 28 Abs. 2 der Satzung). Außer Acht bleiben Aufwendungen für Versicherungsfälle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SGB VII, Versicherungsfälle auf Betriebswegen außerhalb der Betriebsstätte, Berufskrankheiten, Versicherungsfälle durch höhere Gewalt und Versicherungsfälle auf Grund alleinigen Verschuldens nicht zum Unternehmen gehörender Personen (§ 30 bzw. 28 Abs. 7 der Satzung).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Beklagte den Beitragszuschlag in Höhe von 6.870,85 EUR für das Beitragsjahr 2005 zutreffend erhoben. Für den Arbeitsunfall des Beigeladenen sind der Beklagten Kosten in Höhe von 26.692,11 EUR entstanden. Es liegen weder Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung des Zuschlags vor noch wurden solche vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Berechnung des Beitragszuschlags wird deshalb auf die Ausführungen auf S. 3 des Widerspruchsbescheids der Beklagten Bezug genommen (§§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG).
Soweit der Kläger vorbringt, die von der Beklagten getragenen Aufwendungen seien wesentlich durch eine bestehende Vorerkrankung des Beigeladenen verursacht und damit nicht maßgeblich für das Beitragszuschlagsverfahren, lässt dieses Vorbringen jegliche Auseinandersetzung mit dem auch dem Kläger bekannten Gutachten von PD Dr. E. vermissen. Die Beklagte hat umfassend ermittelt, ob die bestehenden Beeinträchtigungen auf die von Anfang an auch vom Beigeladenen mitgeteilten Vorschäden zurückzuführen sind und damit die Aufwendungen u.a. für die Behandlung und die operative Versorgung des linken Knies. Sie hat deshalb abschließend das Gutachten von PD Dr. E. in Auftrag gegeben, der gerade den Auftrag hatte (und diesen auch erfüllte), unfallbedingte und vorbestehende degenerative Veränderungen beim Beigeladenen abzugrenzen. Auf Grundlage dieses Gutachtens hat die Beklagte beim Beigeladenen wesentliche Veränderungen im linken Knie als Unfallfolge anerkannt und Verletztenrente bewilligt. Insofern ist nicht schon deshalb, weil der Beigeladene vorbestehende Veränderungen am unfallverletzten Knie hatte, ein Ursachenzusammenhang auszuschließen. Weiteren Sachaufklärungsbedarf, allein aufgrund der Behauptung des Klägers, ein Unfallzusammenhang besteht nicht, sieht das Gericht deshalb nicht.
Es liegt kein Ausnahmetatbestand nach § 28 Abs. 7 bzw. 30 Abs. 7 der Satzung vor. Insbesondere sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die auch nach Inhalt des Gutachtens von PD Dr. E. bestätigten unfallunabhängigen Vorschäden eine Berufskrankheit des Beigeladenen darstellen. Der Beigeladene hat, wie dem aktenkundigen Versicherungsverlauf zu entnehmen ist, in verschiedenen Branchen und nur kurzzeitig als Dachdeckerhelfer, gearbeitet. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die degenerativen Knieveränderungen insoweit beruflich bedingt sind. Ermittlungen von Amts wegen sind wegen den klägerischen Behauptungen ins Blaue hinein daher nicht veranlasst.
Soweit auch vorgetragen wird, die Regelungen zur Festsetzung eines Beitragszuschlags seien nicht verfassungskonform, verweist der Senat auf die ständige Rechtsprechung des BSG (z.B. vom 9. Dezember 1993 - 2 RU 44/92 = SozR 3-2200 § 725 Nr. 2 noch zu den insoweit inhaltsgleichen Vorschriften der RVO), wonach satzungsmäßige Zuschläge zum Unfallversicherungsbeitrag, die - wie die hier im Streit stehende Vorschrift des § 28 bzw. § 30 der Satzung - nach Zahl und Kosten der Arbeitsunfälle differenzieren, nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Nr. 4 Gerichtskostengesetz (GKG) sowie §§ 52 Abs. 1 und 3, 63 Abs. 2 GKG. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG), bezogen auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden ersten Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Der Streitwert für das Berufungsverfahren L 1 U 5300/07 ist deshalb auch endgültig auf 6.870,85 EUR festzusetzen, da in dieser Höhe der Beitragszuschuss für das Beitragsjahr 2005 streitbefangen war. Der Beschluss ist insoweit unanfechtbar (§§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 2 und 3 GKG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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