S 16 (18) U 50/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 16 (18) U 50/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 62/08
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls streitig.

Die 1947 geborene Klägerin arbeitete im Wachdienst des Museums der Modernen Kunst in E als sie sich am 06.07.2003 beim Öffnen einer schweren Toilettentür einen Riss der langen Bizepssehne des rechten Arms zuzog. Im Durchgangsarztbericht vom 11.07.2003 äußerte I1, St. K Krankenhaus I2 zum Unfallhergang, beim Öffnen einer schweren Türe habe die Klägerin plötzlich Schmerzen im rechten Oberarm gespürt. Bei der Erstbehandlung am 09.07.2003 sei ein proximaler Riss der langen Bizepssehne rechts festgestellt worden. Der Durchgangsarztbericht sei auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin angelegt worden. Mit Schreiben vom 10.12.2003 teilte die Klägerin zum Hergang des Geschehens mit, am Sonntag, den 06.07.2003 gegen 15.00 Uhr habe sie an ihrem Arbeitsplatz (Museum Moderner Kunst in E) beim Öffnen der schweren Toilettentür einen Riss der langen Bizepssehne des rechten Armes erlitten. Den Toilettenraum habe sich mit starken Schmerzen und leblos herabhängendem Arm verlassen. Die Tür sei über 100 kg schwer gewesen. Trotz der starken Schmerzen, sie habe nicht einmal mehr unterschreiben können, habe sie aus Angst um ihren Arbeitsplatz weiter gearbeitet. Erst 2 Tage nach dem Unfall habe sie sich auf anraten ihres Sohnes, der Medizinstudent sei, ins Krankenhaus begeben. In einer später - unter dem 11.01.2004 - erstellten Unfallanzeige gab die Klägerin an, während ihrer Wachdiensttätigkeit zur Toilette gegangen zu sein. Beim Öffnen der Toilettentür habe sie plötzlich einen starken, stechenden Schmerz im rechten Oberarm verspürt und sei seitdem in ärztlicher Behandlung. In einem Bericht (vom 18.07.2003) über eine am 15.07.2003 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik erfolgten Untersuchung heißt es u. a. die Klägerin habe beim Heben eines Gegenstandes ein plötzliches Ziehen im Bereich des rechten Oberarms gespürt, sonographisch zeige sich im Bereich der Sehnenscheide der langen Bizepssehne eine Einblutung. Die Bizepssehne sei nicht darstellbar; kassenärztliche Weiterbehandlung sei angezeigt. Eine kernspintomographische Untersuchung des rechten Schultergelenks der Klägerin am 28.07.2003 ergab ein Subrakromialimpingement durch oedematöse Rotatorenmanschetteninsertionsendopathie der Infra- und Subraspinatussehne. Zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs holte die Beklagte eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes S ein, der unter dem 27.01.2004 äußerte, der von der Klägerin geschilderte Ereignisablauf mit Öffnen einer schweren Türe beinhalte nicht das Moment des plötzlichen, überraschenden äußeren Gewalteinflusses auf die geschädigten Organe. Ein Unfall liege nicht vor. Durch die kernspintomographische Untersuchung des Schultergelenks sei eine schwerwiegende Schadensanlage mit Versagensbereitschaft nachgewiesen in Form der Verkleinerung des Verschieberaums zwischen Oberarm und knöchernder Schulterhöhe, durch den die lange Bizepssehne mit ihrer Sehnenscheide ziehe.

Durch Bescheid vom 06.02.2004 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.08.2004). Mit ihrer am 24.09.2004 bei Gericht eingegangenen Klage macht die Klägerin geltend, eine Schadensanlage habe bei ihr nicht existiert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 06.07.2003 in Abänderung des Bescheides vom 06.02.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2004 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Abweisung der Klage.

Das Gericht hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unfallchirurgischerseits T gehört. Dieser hat einen Vorschaden am rechten Oberarm der Klägerin verneint und die Auffassung vertreten, die Bizepssehnenruptur der Klägerin sei Folge des Geschehens vom 06.07.2003 gewesen. Den Geschehensablauf hat er dabei eine Schilderung der Klägerin anlässlich einer ambulanten Untersuchung am 20.09.2006 entnommen. Die Klägerin hat damals angegeben, zunächst die schwere Brandschutztüre geöffnet zu haben, diese sei wieder zugefallen und bei dem Versuch die Türe noch aufzuhalten sei ihr rechter Unterarm ruckartig weggezogen worden.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen sowie wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 06.02.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat am 06.07.2003 keinen Arbeitsunfall erlitten, da die damals eingetretene Bizepssehnenruptur ursächlich auf vorbestehende degenerative Veränderungen der Bizepssehne zurückzuführen ist. Zwar ist der Sachverständige gegenteiliger Auffassung. Er hat die Unfallursächlichkeit bejaht. Seiner Auffassung hat er aber einen Geschehensablauf zu Grunde gelegt, der nicht mit der erforderlichen Gewissheit bewiesen ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSGE 61, 127, 130; 63, 270, 271) setzt die Feststellung eines Arbeitsunfalls voraus, dass die versicherte Tätigkeit, die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses und des Unfallereignis, d. h. der Geschehensablauf mit Gewissheit bewiesen sind. Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat zunächst angegeben sich den Riss der langen Bizepssehne beim Öffnen einer schweren Toilettentür zugezogen zu haben. Erst nach den Hinweisen im Erörterungstermin vom 29.11.2005 hat sie bei einer Untersuchung am 20.09.2006 den Geschehensablauf so geschildert, dass sie zunächst die schwere Türe geöffnet habe, diese wieder zugefallen sei und bei dem Versuch, die Türe noch aufzuhalten ihr rechter Unterarm ruckartig weggezogen worden sei. Diese Schilderung hat nach Auffassung der Kammer einen geringeren Beweiswert als die zunächst, zeitnah und unbefangen erfolgten Äußerungen. Es mag daher sein, dass sich das Geschehen so zugetragen hat, wie es die Klägerin am 20.09.2006 geschildert hat, bewiesen ist dies jedoch nicht. Legt man den bewiesenen Geschehensablauf zu Grunde ist mit dem Sachverständigen festzuhalten, dass die am 06.07.2003 erfolgten Kraftanstrengung der Klägerin, die schwere Tür zu öffnen; nicht geeignet gewesen ist, eine gesunde Sehne zu zerreißen. Zwar ist auch in diesem Fall eine Ursächlichkeit im Sinne des naturwissenschaftlichen Ursachenbegriffs zu bejahen. Der naturwissenschaftliche Ursachenbegriff ist jedoch nur der Ausgangspunkt für den sich der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblichen Ursachenbegriff der wesentlichen Bedingung. Nach diesem Ursachenbegriff werden rechtlich nicht alle im naturwissenschaftlichen Sinne für den Eintritt eines Zustandes kausalen Faktoren als Ursachen angesehen, sondern nur diejenigen, die den Zustand wesentlich mitverursacht haben. Ereignisse, die in dem Sinne austauschbar sind, dass jeder andere alltäglich vorkommene und ähnlich geartete Vorgang zu etwa derselben Zeit die gleichen Erscheinungen ausgelöst hätte, oder dass diese sogar ohne äußere Einwirkungen zu tage getreten wären, sind dagegen rechtlich nicht wesentlich, sondern als rechtlich unerhebliche Gelegenheitsursache zu behandeln. Der im vorliegenden Fall zu beurteilende Hergang, die durch das Öffnen der schweren Tür bedingte Kraftanstrengung kann nicht als rechtlich wesentlich angesehen werden; sie hat die Bizepssehnenruptur der Klägerin nicht wesentlich mitverursacht. Überragende Ursachenfaktoren sind vielmehr die von dem beratenden Arzt der Klägerin beschriebenen degenerativen Veränderungen gewesen. Auch der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass das Öffnen einer Tür nicht geeignet ist, eine gesunde Sehne zu zerreißen. In diesem Fall muss die wesentliche Ursache in degenerativen, vorbestehenden Veränderungen gesehen werden. Die Kammer sieht keine Veranlassung, diese arbeitsmedizinischen Zusammenhangsbeurteilung des Sachverständigen anzuzweifeln, zumal sie mit der arbeitsmedizinischen Literatur übereinstimmt. So ist anerkannt, dass willentliche (gewollte) Armbelastungen (weil das Zusammenwirken von Muskel-Sehne-Knochen eine abgestimmte Belastbarkeit der Einzelkomponenten voraussetzt) zu den nicht unfallbedingten Abläufen gehört (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 498).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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