Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 12 Kr 101/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 576/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für den Anspruch auf Zuschuß zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 2 MuSchG reicht es nicht aus, daß das Arbeitsverhältnis durch Fristablauf beendet worden ist. Vielmehr muß der Arbeitgeber eine Maßnahme ergriffen haben, die das Arbeitsverhältnis trotz des grundsätzlich bestehenden besonderen Kündigungsschutzes gemäß § 9 MuSchG ausnahmsweise zulässig aufgelöst hat.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 25. März 1981 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld Gemäß § 14 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG).
Die Klägerin stand seit dem 3. Januar 1979 als Kinderpflegerin in einem von vornherein auf die Dauer eines Jahres befristeten Arbeitsverhältnis bei der Stadt B ... Diese Rechtsbeziehungen endeten vereinbarungsgemäß durch Fristablauf am 31. Dezember 1979.
Am 16. November 1979 war die Klägerin von einem totgeborenen Kind entbunden worden (Frühgeburt). Ihr Arbeitgeber zahlte bis zum 30. November 1979 das ihr zustehende Gehalt in voller Höhe. Die beklagte Ersatzkasse gewährte ihr anschließend Mutterschaftsgeld in Höhe von 25,– DM für jeden Kalendertag in der Zeit von 1. Dezember 1979 bis zum 8. Februar 1980 (Ablauf der 12-Wochenfrist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Dazu erhielt die Klägerin von ihrem Arbeitgeber den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG (Zuschuß) bis zum Ablauf ihres Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1979.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 1980 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 17. April 1980 ab, ihr den Zuschuß für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu Lasten des Bundes gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG zu zahlen, weil ihr Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst, sondern durch Fristablauf beendet worden sei. Den dagegen am 1. August 1980 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 1980 zurück. In ihrer Begründung führte sie u.a. aus, es habe kein Arbeitsverhältnis vorgelegen, das unter den Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG falle. Sein Ende durch Fristablauf könne deshalb niemals die Voraussetzung erfüllen, vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden zu sein.
Gegen diesen ihr am 26. September 1980 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 24. Oktober 1980 Klage beim Sozialgericht Kassel (SG) erhoben. Mit Urteil vom 25. März 1981 hat das SG die Klage aus den Gründen der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Seine Entscheidungsgründe hat er, u.a. darauf abgestellt, daß die zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 14 Abs. 2 MuSchG ein Tätigwerden des Arbeitgebers voraussetze, z.B. eine Kündigung, Aussperrung, Anfechtung des Vertragsschlusses usw ...
Gegen dieses zum Zwecke der Zustellung an sie mit eingeschriebenem Brief am 13. April 1981 zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 1981 beim SG die zugelassene Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin meint, der Zuschuß stehe ihr gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG auch vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu. Das folge aus den im MuSchG und in § 200 der Reichsversicherungsordnung (RVO) getroffenen Regelungen zum sozialen Schutz einer Frau, die während eines Arbeitsverhältnisses schwanger werde. Wenn ihr Anspruch auf Mutterschaftsgeld bis zum 8. Februar 1980 begründet sei – wie es die Beklagte bereits anerkannt habe –, dann müsse ihr auch der begehrte Zuschuß solange zustehen. Im übrigen sei ihr Arbeitsverhältnis zur Stadt B. nur deshalb von vornherein befristet gewesen, weil es sich um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sinne der §§ 91 ff. Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gehandelt habe. Die Befristung sei ihr vom Arbeitsamt und der Stadt B. aufgezwungen worden. Es sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich mit dieser Befristung einverstanden zu erklären. Die Beendigung einer befristeten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, mit der sich der Arbeitnehmer gegen seinen Willen abfinden müsse, sei dem Falle der zulässigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gleichzusetzen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 25. März, 1981 den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 1980 und ihren Widerspruchsbescheid vom 23. September 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 2 Mutterschutzgesetz in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin habe nur deshalb Mutterschaftsgeld bis zum 8. Februar 1980 erhalten, weil sie gemäß § 200 Abs. 1 RVO beim Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. § 14 Abs. 2 MuSchG setze dagegen die zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraus. Daran fehle es im Falle der Klägerin.
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig (§§ 144 Abs. 1 Nr. 2, 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 und Abs. 2 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das SG die zulässige Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Zuschusses gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980, weil sie in dieser Zeit nicht zum bevorrechtigten Kreis derjenigen Frauen gehörte, die entweder noch in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren früheres Arbeitsverhältnis dem besonderen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG unterstanden hat und trotzdem vom Arbeitgeber in zulässiger Weise aufgelöst worden ist (vgl. z.B. § 9 Abs. 3 MuSchG).
Das MuSchG in der hier anzuwendenden Fassung vom 18. April 1968 (BGBl. I, S. 315), zuletzt geändert durch die Gesetze vom 25. Juni 1979 (BGBl. I, S. 797) und vom 26. Juni 1979 (BGBl. I, S. 823), bezweckt nicht allgemein den sozialen Schutz der arbeitender Frau im Falle ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes, sondern es begünstigt nur diejenigen dieser Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind und die den besonderen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG genießen. Darauf bauen die Leistungen nach Abschnitt F – Mutterschaftshilfe – der Satzung der Beklagten in Verbindung mit den §§ 200 ff. RVO in der Fassung des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Februar 1967 (BGBl. I, S. 1259), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 1979 (BGBl. I, S. 797) und die Leistungen nach dem MuSchG in unterschiedlich abgestufter weise auf.
Der Hauptanspruch auf Mutterschaftsgeld wird – abgesehen von weiteren Voraussetzungen – zum einen denjenigen Frauen zugebilligt, die bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen (vgl. § 200 Abs. 1 RVO und § 13 Abs. 2 MuSchG). Zu diesem Kreis hat die Klägerin gehört und deshalb ist ihr Anspruch auf Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs. 3 RVO für 12 Wochen nach der Entbindung bis zum 8. Februar 1980 begründet gewesen.
Zum anderen wird Mutterschaftsgeld auch denjenigen gewährt, die zu Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG deshalb nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, weil es vom Arbeitgeber während ihrer Schwangerschaft zulässig aufgelöst worden war. Dies trifft auf die Klägerin nicht zu. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 10. September 1975 (3 RK 12/74 in BSGE 40, 211, mit zahlreichen weiteren Nachweisen = SGb 1976, 227, mit Anm. von Meydam) ausgeführt, daß hiermit eine zweckentsprechende Sonderregelung getroffen wurde für die Fälle, in denen ein Kündigungsschutz für schwangere Frauen ausnahmsweise nicht besteht, es aber angebracht erscheint, die betroffenen Frauen denjenigen gleichzustellen, die Kündigungsschutz genießen. Das BSG hat entschieden (a.a.O.), daß die Vorschrift somit nur Fälle erfaßt, in denen die Versicherten die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht erfüllen können, weil sie ausnahmsweise keinen Schutz gegen die Kündigung durch den Arbeitgeber genießen. Wenn § 200 Abs. 1 Satz 1 RVO verlangt, daß das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber aufgelöst worden ist, so bedeutet dies auch nach Ansicht des BSG, daß eine auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers vorliegen muß, die während der Schwangerschaft getroffen worden ist; eine Kündigung muß z.B. während der Schwangerschaft ausgesprochen worden sein (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. November 1974 – 1 BvL 12/73 in SGb 1975; 488). Andernfalls würden auch Frauen in den Genuß des Mutterschaftsgeldes kommen, für die vornherein mangels einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der Kündigung – kein Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG in Betracht kommt. Eine solche Auslegung des Gesetzes wäre weder mit dem engen systematischen Zusammenhang zwischen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG und der Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO noch mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vereinbar (vgl. im einzelnen BSG, a.a.O.). Nach eigener Überprüfung schließt sich der Senat dem im vollen Umfange an.
Schließlich dehnt § 200 Abs. 4 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1979 mit Wirkung vom 1. Juli 1979 den Anspruch auf Mutterschaftsgeld auf die Zeit des Mutterschaftsurlaubs zur Betreuung des neugeborenen Kindes nach § 8 a MuSchG aus. Hierzu hat der Gesetzgeber im zweiten Satz dieses Absatzes gezeigt, daß er sehr wohl auch die Fälle gesehen hat, in denen ein Arbeitsverhältnis endet, ohne während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden zu sein. Die Vorschrift räumt die zeitliche Ausdehnung des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld ausdrücklich auch denjenigen Versicherten ein, deren Arbeitsverhältnis "während oder nach Ablauf der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG endet”; ihnen wird Mutterschaftsgeld für die Zeit weitergezahlt, für die sie bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Mutterschaftsurlaub hätten beanspruchen können.
Diese Gesetzessystematik zeigt deutlich den eingeschränkten Sinn der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung, daß ein Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Aus der gemeinsamen Entstehungsgeschichte heraus ist es gerechtfertigt, den gleichlautenden Voraussetzungen in § 200 RVO und § 13 MuSchG gleiche Bedeutung beizumessen (vgl. bereits das nicht wirksam gewordene Gesetz zur Änderung des MuSchG und der RVO, BR-Drucks. 408/65). Wenn sich der Haushaltsausschuß des Bundestages bei seinem Gesetz gewordenen Vorschlag über einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in dem späteren § 14 Abs. 2 MuSchG derselben Formulierung bedient hat: Frauen, "deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist” (vgl. BT-Drucks. V/2341, S. 40), dann ist es naheliegend, dieser Regelung den gleichen einschränkenden Sinn wie in § 200 Abs. 1 RVO und § 13 Abs. 2 MuSchG unterzulegen. Daß der historische Gesetzgeber tatsächlich diese Vorstellung gehabt hat, folgt aus dem schriftlichen Bericht des Abgeordneten Schoettler zum Entwurf des Finanzänderungsgesetzes, 1967, in dem dieser Zusammenhang mit § 200 RVO ausdrücklich genannt worden ist (vgl. zu BT-Drucks. V/2341, S. 12).
Daraus folgt abschließend, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin zwar während der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG geendet hat, es aber nicht vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist (vgl. im Ergebnis ebenso LSG für das Saarland, Urteil vom 4. Juni 1981, L-1/K-16/80). Die Klägerin hat nicht zu dem Kreis der durch § 14 Abs. 2 MuSchG bevorrechtigten Frauen gehört, die auch während der vollen Zeitspanne ihrer Schutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG dem Kündigungsschutz des § 9 MuSchG unterstellt gewesen sind. Es ist weder nach dem Gesetzeswortlaut zulässig noch nach dem o.a. beschränkten Zweck des MuSchG erforderlich, Frauen zu Lasten des Bundes zu privilegieren, deren Arbeitsverhältnis von vornherein befristet war. Sie haben ihren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld (§ 14 Abs. 1 MuSchG) nicht als Geschützte durch eine Maßnahme des Arbeitgebers verloren, sondern ihr Arbeitsverhältnis war mit ihrer eigenen Zustimmung von vornherein auf das vereinbarte Ende ausgelegt. Die daraus folgenden sozialen Nachteile reihen sich in die zahlreicher anderer arbeitender und arbeitswilliger Frauen ein, die vom MuSchG nicht privilegiert werden. Leistungsansprüche können daraus nicht hergeleitet werden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld Gemäß § 14 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG).
Die Klägerin stand seit dem 3. Januar 1979 als Kinderpflegerin in einem von vornherein auf die Dauer eines Jahres befristeten Arbeitsverhältnis bei der Stadt B ... Diese Rechtsbeziehungen endeten vereinbarungsgemäß durch Fristablauf am 31. Dezember 1979.
Am 16. November 1979 war die Klägerin von einem totgeborenen Kind entbunden worden (Frühgeburt). Ihr Arbeitgeber zahlte bis zum 30. November 1979 das ihr zustehende Gehalt in voller Höhe. Die beklagte Ersatzkasse gewährte ihr anschließend Mutterschaftsgeld in Höhe von 25,– DM für jeden Kalendertag in der Zeit von 1. Dezember 1979 bis zum 8. Februar 1980 (Ablauf der 12-Wochenfrist gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Dazu erhielt die Klägerin von ihrem Arbeitgeber den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 1 MuSchG (Zuschuß) bis zum Ablauf ihres Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1979.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 1980 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 17. April 1980 ab, ihr den Zuschuß für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu Lasten des Bundes gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG zu zahlen, weil ihr Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst, sondern durch Fristablauf beendet worden sei. Den dagegen am 1. August 1980 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. September 1980 zurück. In ihrer Begründung führte sie u.a. aus, es habe kein Arbeitsverhältnis vorgelegen, das unter den Kündigungsschutz des § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG falle. Sein Ende durch Fristablauf könne deshalb niemals die Voraussetzung erfüllen, vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden zu sein.
Gegen diesen ihr am 26. September 1980 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 24. Oktober 1980 Klage beim Sozialgericht Kassel (SG) erhoben. Mit Urteil vom 25. März 1981 hat das SG die Klage aus den Gründen der angefochtenen Bescheide abgewiesen. Seine Entscheidungsgründe hat er, u.a. darauf abgestellt, daß die zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 14 Abs. 2 MuSchG ein Tätigwerden des Arbeitgebers voraussetze, z.B. eine Kündigung, Aussperrung, Anfechtung des Vertragsschlusses usw ...
Gegen dieses zum Zwecke der Zustellung an sie mit eingeschriebenem Brief am 13. April 1981 zur Post gegebene Urteil hat die Klägerin am 7. Mai 1981 beim SG die zugelassene Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Die Klägerin meint, der Zuschuß stehe ihr gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG auch vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu. Das folge aus den im MuSchG und in § 200 der Reichsversicherungsordnung (RVO) getroffenen Regelungen zum sozialen Schutz einer Frau, die während eines Arbeitsverhältnisses schwanger werde. Wenn ihr Anspruch auf Mutterschaftsgeld bis zum 8. Februar 1980 begründet sei – wie es die Beklagte bereits anerkannt habe –, dann müsse ihr auch der begehrte Zuschuß solange zustehen. Im übrigen sei ihr Arbeitsverhältnis zur Stadt B. nur deshalb von vornherein befristet gewesen, weil es sich um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im Sinne der §§ 91 ff. Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gehandelt habe. Die Befristung sei ihr vom Arbeitsamt und der Stadt B. aufgezwungen worden. Es sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als sich mit dieser Befristung einverstanden zu erklären. Die Beendigung einer befristeten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, mit der sich der Arbeitnehmer gegen seinen Willen abfinden müsse, sei dem Falle der zulässigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber gleichzusetzen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts Kassel vom 25. März, 1981 den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 1980 und ihren Widerspruchsbescheid vom 23. September 1980 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld gemäß § 14 Abs. 2 Mutterschutzgesetz in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin habe nur deshalb Mutterschaftsgeld bis zum 8. Februar 1980 erhalten, weil sie gemäß § 200 Abs. 1 RVO beim Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis gestanden habe. § 14 Abs. 2 MuSchG setze dagegen die zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber voraus. Daran fehle es im Falle der Klägerin.
Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entschieden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Die kraft Zulassung statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig (§§ 144 Abs. 1 Nr. 2, 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 und Abs. 2 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das SG die zulässige Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung des Zuschusses gemäß § 14 Abs. 2 MuSchG für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Februar 1980, weil sie in dieser Zeit nicht zum bevorrechtigten Kreis derjenigen Frauen gehörte, die entweder noch in einem Arbeitsverhältnis stehen oder deren früheres Arbeitsverhältnis dem besonderen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG unterstanden hat und trotzdem vom Arbeitgeber in zulässiger Weise aufgelöst worden ist (vgl. z.B. § 9 Abs. 3 MuSchG).
Das MuSchG in der hier anzuwendenden Fassung vom 18. April 1968 (BGBl. I, S. 315), zuletzt geändert durch die Gesetze vom 25. Juni 1979 (BGBl. I, S. 797) und vom 26. Juni 1979 (BGBl. I, S. 823), bezweckt nicht allgemein den sozialen Schutz der arbeitender Frau im Falle ihrer Schwangerschaft und nach der Geburt eines Kindes, sondern es begünstigt nur diejenigen dieser Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen oder in Heimarbeit beschäftigt sind und die den besonderen Kündigungsschutz des § 9 MuSchG genießen. Darauf bauen die Leistungen nach Abschnitt F – Mutterschaftshilfe – der Satzung der Beklagten in Verbindung mit den §§ 200 ff. RVO in der Fassung des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Februar 1967 (BGBl. I, S. 1259), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Juni 1979 (BGBl. I, S. 797) und die Leistungen nach dem MuSchG in unterschiedlich abgestufter weise auf.
Der Hauptanspruch auf Mutterschaftsgeld wird – abgesehen von weiteren Voraussetzungen – zum einen denjenigen Frauen zugebilligt, die bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis stehen (vgl. § 200 Abs. 1 RVO und § 13 Abs. 2 MuSchG). Zu diesem Kreis hat die Klägerin gehört und deshalb ist ihr Anspruch auf Mutterschaftsgeld gemäß § 200 Abs. 3 RVO für 12 Wochen nach der Entbindung bis zum 8. Februar 1980 begründet gewesen.
Zum anderen wird Mutterschaftsgeld auch denjenigen gewährt, die zu Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG deshalb nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, weil es vom Arbeitgeber während ihrer Schwangerschaft zulässig aufgelöst worden war. Dies trifft auf die Klägerin nicht zu. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 10. September 1975 (3 RK 12/74 in BSGE 40, 211, mit zahlreichen weiteren Nachweisen = SGb 1976, 227, mit Anm. von Meydam) ausgeführt, daß hiermit eine zweckentsprechende Sonderregelung getroffen wurde für die Fälle, in denen ein Kündigungsschutz für schwangere Frauen ausnahmsweise nicht besteht, es aber angebracht erscheint, die betroffenen Frauen denjenigen gleichzustellen, die Kündigungsschutz genießen. Das BSG hat entschieden (a.a.O.), daß die Vorschrift somit nur Fälle erfaßt, in denen die Versicherten die Voraussetzungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 RVO nicht erfüllen können, weil sie ausnahmsweise keinen Schutz gegen die Kündigung durch den Arbeitgeber genießen. Wenn § 200 Abs. 1 Satz 1 RVO verlangt, daß das Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber aufgelöst worden ist, so bedeutet dies auch nach Ansicht des BSG, daß eine auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gerichtete Maßnahme des Arbeitgebers vorliegen muß, die während der Schwangerschaft getroffen worden ist; eine Kündigung muß z.B. während der Schwangerschaft ausgesprochen worden sein (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 13. November 1974 – 1 BvL 12/73 in SGb 1975; 488). Andernfalls würden auch Frauen in den Genuß des Mutterschaftsgeldes kommen, für die vornherein mangels einer Schwangerschaft im Zeitpunkt der Kündigung – kein Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG in Betracht kommt. Eine solche Auslegung des Gesetzes wäre weder mit dem engen systematischen Zusammenhang zwischen Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG und der Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO noch mit der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift vereinbar (vgl. im einzelnen BSG, a.a.O.). Nach eigener Überprüfung schließt sich der Senat dem im vollen Umfange an.
Schließlich dehnt § 200 Abs. 4 RVO in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1979 mit Wirkung vom 1. Juli 1979 den Anspruch auf Mutterschaftsgeld auf die Zeit des Mutterschaftsurlaubs zur Betreuung des neugeborenen Kindes nach § 8 a MuSchG aus. Hierzu hat der Gesetzgeber im zweiten Satz dieses Absatzes gezeigt, daß er sehr wohl auch die Fälle gesehen hat, in denen ein Arbeitsverhältnis endet, ohne während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden zu sein. Die Vorschrift räumt die zeitliche Ausdehnung des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld ausdrücklich auch denjenigen Versicherten ein, deren Arbeitsverhältnis "während oder nach Ablauf der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 und des § 6 Abs. 1 MuSchG endet”; ihnen wird Mutterschaftsgeld für die Zeit weitergezahlt, für die sie bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Mutterschaftsurlaub hätten beanspruchen können.
Diese Gesetzessystematik zeigt deutlich den eingeschränkten Sinn der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzung, daß ein Arbeitsverhältnis während der Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist. Aus der gemeinsamen Entstehungsgeschichte heraus ist es gerechtfertigt, den gleichlautenden Voraussetzungen in § 200 RVO und § 13 MuSchG gleiche Bedeutung beizumessen (vgl. bereits das nicht wirksam gewordene Gesetz zur Änderung des MuSchG und der RVO, BR-Drucks. 408/65). Wenn sich der Haushaltsausschuß des Bundestages bei seinem Gesetz gewordenen Vorschlag über einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld in dem späteren § 14 Abs. 2 MuSchG derselben Formulierung bedient hat: Frauen, "deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft oder während der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist” (vgl. BT-Drucks. V/2341, S. 40), dann ist es naheliegend, dieser Regelung den gleichen einschränkenden Sinn wie in § 200 Abs. 1 RVO und § 13 Abs. 2 MuSchG unterzulegen. Daß der historische Gesetzgeber tatsächlich diese Vorstellung gehabt hat, folgt aus dem schriftlichen Bericht des Abgeordneten Schoettler zum Entwurf des Finanzänderungsgesetzes, 1967, in dem dieser Zusammenhang mit § 200 RVO ausdrücklich genannt worden ist (vgl. zu BT-Drucks. V/2341, S. 12).
Daraus folgt abschließend, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin zwar während der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG geendet hat, es aber nicht vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist (vgl. im Ergebnis ebenso LSG für das Saarland, Urteil vom 4. Juni 1981, L-1/K-16/80). Die Klägerin hat nicht zu dem Kreis der durch § 14 Abs. 2 MuSchG bevorrechtigten Frauen gehört, die auch während der vollen Zeitspanne ihrer Schutzfrist nach § 6 Abs. 1 MuSchG dem Kündigungsschutz des § 9 MuSchG unterstellt gewesen sind. Es ist weder nach dem Gesetzeswortlaut zulässig noch nach dem o.a. beschränkten Zweck des MuSchG erforderlich, Frauen zu Lasten des Bundes zu privilegieren, deren Arbeitsverhältnis von vornherein befristet war. Sie haben ihren Anspruch gegen den Arbeitgeber auf den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld (§ 14 Abs. 1 MuSchG) nicht als Geschützte durch eine Maßnahme des Arbeitgebers verloren, sondern ihr Arbeitsverhältnis war mit ihrer eigenen Zustimmung von vornherein auf das vereinbarte Ende ausgelegt. Die daraus folgenden sozialen Nachteile reihen sich in die zahlreicher anderer arbeitender und arbeitswilliger Frauen ein, die vom MuSchG nicht privilegiert werden. Leistungsansprüche können daraus nicht hergeleitet werden.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
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