L 5 KR 3590/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2205/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3590/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.2.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine in der A.-Klinik, M., einer Privatklinik, durchgeführte Bandscheibenoperation.

Der 1969 geborene Kläger, bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert, beantragte mit Schreiben vom 10.9.2004 (Verwaltungsakte S. 1), die Kosten einer Bandscheibenoperation in der A.-Klinik zu übernehmen. Er führte aus, der mittels Endoskops durchzuführende Eingriff könnte an sich auch im Krankenhaus K. (durch Prof. Dr. B.) vorgenommen werden; dieser verfüge jedoch nicht über die notwendige technische Ausrüstung, um (wie bei ihm) eine bereits abgebrochene Bandscheibe von 9 mm zu operieren. Einen herkömmlichen Eingriff lehne er wegen der damit verbundenen Risiken ab. Er bitte um baldigen Bescheid, damit er ggf. schon für die folgende Woche einen Termin in der A.-Klinik vereinbaren könne. Da die abgebrochene Bandscheibe auf den Nerv drücke, habe er große Schmerzen und bereits eine Gefühlsminderung im Bein. In der A.-Klinik entstünden insgesamt geringere Kosten als in einem Vertragskrankenhaus.

Der Kläger legte ein Schreiben (mit Kostenvoranschlag) des - nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen - Dr. H. (A.-Klinik) vom 13.9.2004 sowie ein Attest des Allgemeinarztes Dr. G. vom 13.9.2004 vor. Dr. H. führte aus, der Kläger habe seine Unterlagen zur Beurteilung eingeschickt. Diese zeigten, dass zur Beseitigung der Beschwerden eine endoskopische Nukleotomie (Gesamtkosten etwa 5.300 EUR) indiziert sei. Dr. G. teilte mit, der Kläger leide an einem bislang therapierefraktären lumbosakralen Wurzelreizsyndrom rechts bei kernspintomographisch verifiziertem 9 mm großen und sequestrierten bzw. descendierenden Bandscheibenprolaps L5/S1 rechtsmediolateral (Bericht des Radiologen Dr. Z. vom 6.9.2004 über eine Kernspinuntersuchung vom 2.9.2004, Verwaltungsakte S. 2). Seines Wissens werde die endoskopisch und minimal-invasive Nukleotomie unter Schonung des ligamentum flavum nur in der A.-Klinik angeboten.

Die Bandscheibenoperation wurde am 22.9.2004 in der A.-Klinik ambulant durchgeführt (OP-Bericht Verwaltungsakte S 8); am 21.9.2004 hatte sich der Kläger dort in der Sprechstunde vorgestellt (Verwaltungsakte S. 9). Dem Kläger wurden nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Gesamtkosten einschließlich Voruntersuchung und Anästhesie (ohne Kosten eines Korsetts, SG-Akte S. 64) in Höhe von 6.071 EUR in Rechnung gestellt.

Die Beklagte hatte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit Schreiben vom 17.9.2004 befragt. Dr. Lange führte unter dem 24.9.2004 (Verwaltungsakte S. 5) aus, die endoskopische Nukleotomie sei die jüngste Methode neben konventionell offenen und mikrochirurgischen Operationsverfahren zur Behebung von Bandscheibenvorfällen. Hinsichtlich einer Überlegenheit dieses Verfahrens lägen keine evidenzbasierten Daten vor. Ihm, dem Gutachter, sei derzeit keine Einrichtung in Baden-Württemberg bekannt, die diese Operationsmethode anbiete.

Mit Bescheid vom 30.9.2004 (Verwaltungsakte S. 5) lehnte die Beklagte den Kostenübernahmeantrag unter Hinweis auf das MDK-Gutachten vom 24.9.2004 ab; die A.-Klinik sei eine Privatklinik und kein Vertragskrankenhaus, weshalb sie Leistungen auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbringen könne.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs legte der Kläger ein Attest der A.-Klinik vom 5.10.2004 (Verwaltungsakte S. 7) vor und machte geltend, die in der A.-Klinik angewandte Operationsmethode sei schonender und risikoärmer als konventionelle Verfahren und werde nur dort angeboten. Zwar führe auch Prof. Dr. B. in der Klinik K. endoskopische Operationen durch; dies sei dort auf Grund der Schwere und der Größe seines Bandscheibenvorfalls aber nicht möglich gewesen. Die Beklagte habe die Kostenübernahme daher zu Unrecht abgelehnt, zumal die Operation wegen bereits aufgetretener Lähmungserscheinungen am rechten Fuß dringlich gewesen sei. Andere Krankenkassen würden Behandlungen in der A.-Klinik bezahlen.

Im Attest der A.-Klinik vom 5.10.2004 ist ausgeführt, bei großen Bandscheibenvorfällen sei eine umsichtige und möglichst wenig traumatisierende mechanische Operationsweise essentiell für den postoperativen Verlauf, was nur bei einem endoskopischen, nicht jedoch bei einem offenen Eingriff gewährleistet werden könne. Das beim Kläger angewandte minimalinvasive Verfahren - endoskopische Operation – werde, soweit bekannt, nur in der A.-Klinik praktiziert. Es handele sich um das derzeit schonendste nicht offene Verfahren, das insbesondere bei jungen Patienten optimal vor Folgereaktionen schütze.

Die Beklagte holte das (weitere) Gutachten des MDK vom 25.10.2004 ein (Verwaltungsakte S. 11). Dr. Sch., dem die Arztunterlagen des Klägers, u.a. der Op-Bericht der A.-Klinik, vorlagen, führte aus, die Erkrankung des Klägers hätte mit vertragsärztlichen Leistungen zuverlässig behandelt werden können. Die (unstreitig) mehrjährigen Erfahrungen der A.-Klinik in der endoskopischen Bandscheibenchirurgie bedeuteten nicht, dass das mittel- und langfristige Behandlungsergebnis den anderen Operationsmethoden überlegen sei. Die Komplikationsrisiken seien ebenfalls nicht signifikant geringer; das gelte auch bei ausgedehnten Sequestern wie im Fall des Klägers. Es bleibe bei der Einschätzung im Gutachten vom 24.9.2004.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.5.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Voraussetzungen des in § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geregelten Kostenerstattungsanspruchs seien nicht erfüllt. Die Behandlungsleistungen seien nicht von einem Vertragsarzt bzw. einem Vertragskrankenhaus erbracht worden. Eine unaufschiebbare Leistung stehe nicht in Rede; wegen der Lähmungserscheinungen des rechten Fußes hätte der Kläger kurzfristig in einer Vertragsklinik operiert werden können. Schließlich sei Kostenerstattung gem. § 13 Abs. 3 SGB V nur möglich, wenn die Krankenkasse die selbst beschaffte Leistung zuvor abgelehnt oder den Antrag des Versicherten nicht rechtzeitig bearbeitet habe; andernfalls fehle es am Ursachenzusammenhang zwischen (rechtswidriger) Leistungsablehnung und der Kostenlast des Versicherten. Der Kläger habe die Operation jedoch in der A.-Klinik durchführen lassen, ohne – was zumutbar gewesen wäre - ihre (der Beklagten) Entscheidung abzuwarten. Die Operationsmethode der A.-Klinik sei den konventionell offenen oder mikrochirurgischen Verfahren auch nicht überlegen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 10.6.2005 zugestellt.

Am 5.7.2005 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Reutlingen. Er bekräftigte sein bisheriges Vorbringen und trug ergänzend vor, den Bandscheibenvorfall habe er im August 2004 erlitten. Ungeachtet seiner Hinweise auf die Dringlichkeit der Behandlung habe sich die Stellungnahme der Beklagten verzögert. Wegen der starken Schmerzen und der zunehmenden Lähmungserscheinungen habe er sich sodann in der Zeit vom 21. bis 22.9.2004 in der A.-Klinik operieren lassen. Insgesamt seien Kosten von 7.476,83 EUR entstanden (Rechnungen SG-Akte S. 33 ff.). Die Bandscheibenoperation sei wegen starker Schmerzen und einer Gefühlsminderung im rechten Bein, die sich zu Lähmungserscheinungen am rechten Fuß gesteigert habe, unaufschiebbar gewesen. Bei längerem Zuwarten wären schwerwiegende Folgeschäden eingetreten. Wegen der Notfallsituation habe er auch einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt in Anspruch nehmen dürfen. Vertragsärzte hätten ihn auch gar nicht behandeln können; dazu sei nur die A.-Klinik in der Lage gewesen. Aus der von ihm vorgelegten Behandlungsübersicht (Bl. 44 SG-Akte) ergibt sich, dass der Kläger nach dem Auftreten starker Schmerzen im August 2004 mit Ausstrahlungen ins Gesäß und in die Beine bis zu den Füßen lediglich seinen Hausarzt Dr. G. konsultiert hat, der als einzige diagnostische Maßnahme die Durchführung einer Kernspintomographie am 2.9.2004 (Diagnose schwerer Bandscheibenvorfall L5/S1) veranlasst hat.

Die Beklagte trug ergänzend vor, um eine unaufschiebbare Notfallbehandlung mit der Notwendigkeit eines sofortigen Eingriffs habe es sich nicht gehandelt. Der Kläger sei 12 Tage nach Antragstellung operiert worden, weshalb ein geplantes Vorgehen in Rede stehe. Die Angelegenheit sei auch rechtzeitig bearbeitet worden.

Mit Urteil vom 22.2.2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe gem. § 13 Abs. 3 SGB V keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Behandlung in der A.-Klinik. Offen bleiben könne, ob er seinerzeit nicht die Entscheidung der Beklagten hätte abwarten müssen. Denn diese hätte ihm die Operation in der A.-Klinik ohnehin nicht gewähren müssen, da es sich bei der A.-Klinik nicht um ein Vertragskrankenhaus handele.

Der Geschehensablauf zeige, dass eine Notfallbehandlung nicht vorgenommen worden sei. So sei am 6.9.2004 eine Kernspinuntersuchung erfolgt, am 10.9.2004 habe der Kläger den Kostenübernahmeantrag gestellt und die Operation sodann am 22.9.2004 ausführen lassen. Offensichtlich habe der Kläger gerade in der A.-Klinik behandelt werden wollen, was auf Kosten der Krankenkasse aber nicht möglich sei. Auch eine Systemstörung (des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung) liege nicht vor. Bandscheibenvorfälle könnten in vielen Vertragskrankenhäusern behandelt und operiert werden. Dafür sei nicht nur die Operationsmethode der A.-Klinik (allgemein bzw. im Fall des Klägers) geeignet; das gehe aus den Gutachten des MDK hervor. Die Krankenkasse schulde Leistungen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V), nicht jedoch eine – nach Meinung des einzelnen Arztes oder Versicherten – Optimalversorgung mit speziellen Methoden.

Auf das ihm am 27.6.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.7.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, er habe an einer schwerwiegenden lebensbedrohlichen bzw. die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden Erkrankung gelitten. Bei längerem Zuwarten hätten gravierende Folgeschäden gedroht; hierzu möge ein Sachverständigengutachten erhoben werden. Eine andere Therapie als die Operationsmethode der A.-Klinik habe im Hinblick auf die Größe des Bandscheibenvorfalls und die bereits aufgetretenen Lähmungserscheinungen nicht zur Verfügung gestanden; aus Lähmungserscheinungen könne sich ein Querschnitts- oder Kaudasyndrom entwickeln. In einer Vertragsklinik hätte man ihn wegen der beschriebenen Komplikationslage nicht operieren können. Die Methode der A.klinik sei nebenwirkungsärmer und führe zu schnellerer Genesung; auch zu diesen Fragen möge ein Gutachten erhoben werden. Der Eingriff sei als Notfallbehandlung erforderlich gewesen. Der zeitliche Ablauf des Geschehens stehe dem nicht entgegen. Er habe sich erst dann operieren lassen, als die Schmerzen unerträglich geworden seien. Mit anderen Operationsmethoden habe er sich auseinander gesetzt, sich aber weder bei anderen (Vertrags-)Ärzten als seinem Hausarzt noch in Vertragskliniken vorgestellt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.2.2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.9.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.5.2005 zu verurteilen, die Kosten für die am 22.9.2004 in der A.-Klinik, M., durchgeführte Bandscheibenoperation (einschließlich damit zusammenhängender Kosten für Voruntersuchungen und Anästhesieleistungen) in Höhe von 6.071,73 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor, eine Notfallsituation habe nicht vorgelegen. Vielmehr habe der Kläger seine Unterlagen 10 Tage vor der Operation an die Ärzte der A.-Klinik zur Beurteilung gesandt. Erst nach deren Empfehlung vom 13.9.2004 habe er sich zur für den 23.9.2004 geplanten Operation in die A.-Klinik begeben. Kein Arzt habe einen Notfall dokumentiert oder danach gehandelt; es sei ein geplanter Eingriff und keine Notoperation ausgeführt worden. Der Kläger habe sich auch gar nicht erst in einem Vertragskrankenhaus vorgestellt, sondern offensichtlich nur in der A.-Klinik behandelt werden wollen. Hätte ein Notfall bestanden, hätte der Kläger keine Zeit gehabt, die Auswertung seiner an die Ärzte der A.-Klinik übersandten Unterlagen abzuwarten und einen OP-Termin zu vereinbaren.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten der in der A.-Klinik durchgeführten Wirbelsäulenoperation zu erstatten. Der Kläger hat darauf keinen Anspruch.

Als Rechtsgrundlage des mit Klage und Berufung verfolgten Erstattungsanspruchs kommt nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach sind (notwendige) Kosten selbst beschaffter Leistungen zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V). Beides ist hier nicht der Fall.

Ob eine Leistung unaufschiebbar im Sinne des § 13 Abs. 3, 1. Alt. SGB V ist und damit eine dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht, beurteilt sich ausschließlich nach medizinischen Kriterien. Der übliche Beschaffungsweg muss mit einer für den Berechtigten unvermeidbaren Verzögerung, d. h. mit medizinischen Risiken, nicht aber unbedingt Lebensgefahr verbunden sein, der die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit oder die Besserung des Gesundheitszustandes gefährden könnte oder der für den Versicherten nicht zumutbar ist (vgl. BSGE 77, 227). Hierbei kommt es ausschließlich auf die objektive Bedarfssituation, jedoch nicht auf private Dispositionen des Versicherten oder termingebundene Zusagen des Leistungserbringers an. Unaufschiebbare Leistungen, die die Krankenkasse nicht rechtzeitig erbringen konnte, liegen danach vor allem in den Notfällen im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vor, hauptsächlich also dann, wenn die Behandlung durch einen Vertragsarzt nicht möglich oder nicht zumutbar und der Versicherte daher auf die Hilfe eines Nichtvertragsarztes angewiesen ist (BSGE 34, 172 = SozR Nr. 6 zu § 368d RVO= NJW 1972, 2244; BSGE 35, 10 = SozR Nr. 7 zu § 368d RVO; Höfler in Kasseler Kommentar § 13 SGB V Rdnr. 26), namentlich weil dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an der Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht und ohne sofortige Behandlung durch den Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben bestehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lang andauern würden (Hess in Kasseler Kommentar § 76 Rdnr. 12). Unaufschiebbarkeit bejaht die Rechtsprechung auch bei zunächst nicht eilbedürftigen Behandlungen, wenn so lange gewartet wird, bis Eilbedürftigkeit eingetreten ist (Höfler aaO mit Hinweis auf BSG SozR 3 - 2500 § 13 Nr. 22 S. 105).

Die beim Kläger in der A.-Klinik durchgeführte Bandscheibenoperation stellt eine unaufschiebbare (Notfall-)Leistung (Notfalloperation) in diesem Sinne nicht dar. Das Sozialgericht hat das richtig erkannt und im angefochtenen Gerichtsbescheid auch zutreffend dargelegt. Der Annahme einer unaufschiebbaren Leistung im Sinne eines Notfallgeschehens steht entgegen, dass hinsichtlich des Bandscheibenvorfalls vom August 2004 am 2.9.2004 eine Kernspinuntersuchung stattfand, der Kläger sodann seine Arztunterlagen an die A.-Klinik zur Beurteilung und Veranschlagung der Kosten einsandte und bei der Beklagten mit Schreiben vom 10.9.2004 einen Kostenübernahmeantrag stellte mit der Bitte um baldigen Bescheid zwecks Terminvereinbarung in der A.-Klinik und die Operation schließlich nach Vorstellung in der Sprechstunde der Klinik am 21.9.2004 einen Tag später, am 22.9.2004, durchgeführt wurde. Dieser zeitliche Ablauf belegt, dass der Kläger eine geplante Operation in der A.-Klinik - in der er allein behandelt werden wollte - hat ausführen lassen. Um eine vertragsärztliche Behandlung (etwa durch spezialisierte Fachärzte) bzw. eine Behandlung (oder wenigstens eine Untersuchung und Beratung) in einem Vertragskrankenhaus hat er erst gar nicht nachgesucht. Dass bei einem entsprechend gravierenden Bandscheibenvorfall (unstreitig) ggf. Folgeschäden, bis hin zu einem Querschnittsyndrom, drohen können, wenn eine indizierte Operation nicht rechtzeitig ausgeführt wird, ändert nichts, da dem durch eine - vom Kläger freilich nicht gewünschte - Operation in einem Vertragskrankenhaus ohne Weiteres zu begegnen gewesen wäre. Anderes ist weder dokumentiert noch sonst ersichtlich oder substantiiert geltend gemacht. Von einer (angeblichen) Notoperation war dezidiert auch erst im Klageverfahren - allerdings ohne stichhaltige Begründung - die Rede.

Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt, da im Zeitpunkt der Behandlung ein Leistungsanspruch nicht bestand, nachdem es sich bei Dr. H. bzw. der A.-Klinik nicht um zugelassene Leistungserbringer (Vertragsarzt- bzw. Vertragskrankenhaus) handelt, so dass die Beklagte schon deshalb zur Ablehnung der begehrten Operation auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung berechtigt (und verpflichtet) war (§§ 76 bzw. 39, 108, 115b SGB V).

Schließlich liegen Anhaltspunkte für ein so genanntes "Systemversagen" nicht vor. Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob und inwiefern die Operationsmethode der A.klinik (endoskopischer Eingriff bzw. "minimalinvasive Schlüssellochtechnik") anderen Methoden (offene Operation mit mikrochirurgischer Technik) überlegen ist. Es kommt rechtlich darauf nicht an, weshalb auch Ermittlungen hierzu nicht anzustellen sind. Das Sozialgericht hat nämlich mit Recht darauf verwiesen, dass die gesetzliche Krankenversicherung nicht den jeweils unter allen denkbaren Gesichtspunkten bestmöglichen Versorgungsstandard zu gewährleisten hat, sondern ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen zur Verfügung stellen muss (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V). Dem wird das Behandlungsangebot in den zugelassenen Vertragskrankenhäusern gerecht, zumal nach Angaben des Klägers auch endoskopische Operationen (etwa durch Prof. Dr. B. im Klinikum K.) ausgeführt werden. Davon abgesehen geht aus den MDK-Gutachten des Dr. Lange vom 24.9.2004 und des Dr. Sch. vom 25.10.2004 hervor, dass die Erkrankung des Klägers mit vertragsärztlichen Leistungen hätte zuverlässig behandelt werden können und die Überlegenheit der in der A.-Klinik angewandten Methode auch im Hinblick auf die beim Kläger vorliegende Erkrankung (ausgedehnte Sequester) nicht hinreichend sicher mit evidenzbasierten Erkenntnissen belegt ist. Damit ist auch das Attest des Allgemeinarztes Dr. G. vom 13.9.2004, der auf die seines Wissens nur in der A.-Klinik praktizierte endoskopische Nukleotomie hingewiesen hatte, ausgeräumt.

Das Berufungsvorbringen des Klägers ändert nichts. Gegen die überzeugenden Darlegungen insbesondere des Dr. Sch., dem die maßgeblichen Arztunterlagen, einschließlich des OP-Berichts der A.-Klinik vorlagen, ist nichts Stichhaltiges geltend gemacht. Die Behauptung des Klägers, man hätte ihn in einem Vertragskrankenhaus nicht behandeln können, ist aus der Luft gegriffen und durch nichts belegt. Er hatte sich vielmehr um eine vertragsärztliche Versorgung gar nicht erst bemüht und sich in einem Vertragskrankenhaus auch nicht vorgestellt, sondern von vornherein allein in der A.-Klinik (privat) behandelt werden wollen. Es steht dem Kläger frei, sich ärztliche Behandlungsleistungen außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung von Privatärzten bzw. Privatkliniken zu beschaffen. Hierfür muss er dann aber selbst aufkommen und kann die Kosten nicht der Solidargemeinschaft der gesetzlich Krankenversicherten aufbürden. Ob der Kläger - wofür Vieles spricht - die Entscheidung der Beklagten über den Kostenübernahmeantrag hätte abwarten müssen, kann der Senat ebenso wie das Sozialgericht dahin stehen lassen; es kommt entscheidungserheblich darauf nicht mehr an.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, etwa die Erhebung medizinischer Gutachten, nicht auf.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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