L 2 U 3835/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 134/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3835/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Mai 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer weiteren Unfallfolge (Schulterkontusion links mit traumatischer Rotatorenmanschettenruptur (RMR)) sowie die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit streitig.

Der 1940 geborene Kläger betrieb ein Unternehmen für Fassaden und Rollladenbau und war bei der Beklagten unfallversichert. Mit Unfallanzeige vom 25.05.2004 teilte er der Beklagten mit, am 12.05.2004 bei Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine Verletzung der linken Schulter erlitten zu haben. Im Fragebogen zur Schulterverletzung gab er sinngemäß an, beim Abreißen der Lattung einer Fassadenverkleidung beim Nachgeben des aus zwei Böcken und zwei Dielen bestehenden Gerüstes aus einer Höhe von ca. 1,20 m direkt auf die Schulter gestürzt zu sein. Es gebe keine Zeugen des Unfalls. Im Durchgangsarztbericht des Dr. S., Chefarzt der Abteilung Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Kreiskrankenhaus R., vom 13.05.2004 wurde vermerkt, dass der Kläger am 12.05.2004 um 17:10 Uhr vorstellig geworden sei und angegeben habe, von einem Gerüst aus einer Höhe von ca. 1,20 m auf die linke Schulter gefallen zu sein. Dr. S. diagnostizierte eine Schulterprellung links (DD: Rotatorenmanschettenläsion) und vermerkte als Befund: "keine äußerlichen Verletzungszeichen, keine Prellmarke, Druckschmerz ventral und lateral, schmerzhafte Bewegungseinschränkung für Elevation/Abduktion bei eingeschränkten Untersuchungsbedingungen, kein Hinweis für Kraftminderung der Rotatorenmanschette, periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität intakt, Acromiongelenk und Clavicula o. B". Die Beklagte zog daraufhin die Behandlungsberichte des Privatdozent Dr. T., Klinikum der Stadt V.-S., und des Prof. Dr. W., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Tübingen, bei. Unter dem 16.06.2004 berichtete Privatdozent Dr. T. u. a., die vom Kläger geklagten Beschwerden seien auf einen großen Rotatorenmanschettendefekt zurückzuführen, ein Zusammenhang mit dem Unfall vom 12.05.2004 sei nicht zu erkennen. Die Sonografie der linken Schulter zeige eine Humeruskopfglatze als Ausdruck eines Massendefekts der Rotatorenmanschette; die Röntgenaufnahme der linken Schulter auf 2 Ebenen weise einen großen subacromial gelegenen Sporn vom Typ Bigliani III auf. In dem Zwischenbericht vom 10.07.2004 über die Vorstellung des Klägers am 06.07.2004 führte Prof. Dr. W. aus, die Kernspinuntersuchung vom 26.05.2004 (Praxis Dr. M./Dr. E.) zeige einen Abriss der Supraspinatussehne, eine Teilruptur der Infraspinatussehne und eine AC-Gelenksarthrose. Die Schultersonografie beider Schultern im Seitenvergleich lasse ausgeprägte degenerative Veränderungen, links mehr als rechts, mit narbigen Defekten im Bereich der Supraspinatussehne beidseits erkennen. Mit Bescheid vom 04.08.2004 anerkannte die Beklagte unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich bis zum 08.06.2004. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte auf Grund des weiteren Zwischenberichts des Prof. Dr. W. vom 26.08.2004 (Untersuchung vom 20.08.2004), in dem dieser sich der Beurteilung von PD Dr. T. anschloss, mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2004 zurückwies, weil zwischen dem vorliegenden Rotatorenmanschettendefekt und dem Unfallereignis kein ursächlicher Zusammenhang bestehe, sodass unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit über den 08.06.2004 nicht vorliege. Aktenkundig ist ferner das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK ab 1999, in dem Vorerkrankungen der Schulter nicht vermerkt sind, sowie der MRT-Befund des Dr. Elsner vom 26.05.2004, der eine RMR mit Abriss der Supra- und Infraspinatussehne, eine Luxation der Bizepssehne, eine aktivierte Arthrose am AC-Gelenk und einen Gelenkserguss (DD: Hämarthros) beschreibt.

Der Kläger hat am 17.01.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte Dr. Stahl und Dr. H. gehört. Der Orthopäde Dr. S. hat unter dem 27.04.2005 berichtet, dass er den Kläger am 30.08.2004 wegen Schmerzen infolge des Sturzes auf die linke Schulter behandelt habe. Der praktische Arzt Dr. H. hat in seiner Auskunft vom 05.06.2005 mitgeteilt, dass er den aktuellen Zustand der linken Schulter nicht beurteilen könne, weil der Kläger seit Anfang 2005 nicht mehr vorstellig geworden sei. Der Kläger hat den Bericht des Radiologen Dr. E. vom 08.07.2005 über die MRT der linken Schulter vom 07.07.2005 vorgelegt, nach dem eine AC-Gelenkarthrose mit Aktivierungszeichen und ein Zustand nach RMR vorliege; bei der Voruntersuchung vom 26.05.2004 sei noch keine wertbare fettige Degeneration des M. supraspinatus und infraspinatus erkennbar gewesen. Jetzt finde sich eine Atrophie und fettige Degeneration. Dieser Umstand spreche im Verlauf für eine zum ersten Untersuchungszeitpunkt frische Ruptur. Das SG hat daraufhin die Begutachtung durch den Orthopäden Dr. L. veranlasst. In seinem Gutachten vom 26.10.2005 hat der Sachverständige eine Schulterkontusion links mit traumatischer RMR als Unfallfolge bezeichnet. Der Radiologe Dr. E. habe im Vergleich zu der Erstuntersuchung im Mai 2004 anlässlich der Untersuchung im Juli 2005 eine frische Ruptur zum ersten Untersuchungszeitpunkt festgestellt. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zur Wiederaufnahme der Arbeit bestanden. Die Beklagte hat hiergegen die gutachtlichen Stellungnahme des Orthopäden Dr. K., der einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Verletzung der Rotatorenmanschette und dem Unfallereignis verneinte, weil der Unfallhergang nicht geeignet sei, eine derartige Verletzung herbeizuführen, vorgelegt; im Übrigen habe der typische Primärbefund eines "Drop-Arm-Syndroms" gefehlt. Das SG hat Dr. L. und Dr. K. ergänzend befragt, die jeweils bei ihren Beurteilungen geblieben sind (Auskünfte vom 15.12.2006 und 18.04.2006). In der mündlichen Verhandlung vom 30.05.2006 hat der Kläger zum Unfallhergang angegeben, er sei auf dem Gerüst gestanden und habe mit erhobenen Armen die Lattung abgerissen. Als das Gerüst überraschend nachgegeben habe, sei er seitlich nach links auf den Boden gestürzt. Er habe vor dem Aufschlagen mit der Schulter die Hand wohl noch auf den Boden bekommen. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG den angefochtenen Bescheid abgeändert und die Beklagte verurteilt, unter Anerkennung des Fortbestehens einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit über den 08.06.2004 hinaus Verletztengeld fortzuzahlen und als Unfallfolge eine Schulterkontusion links mit traumatischer RMR (Supraspinatussehne und subtotal Infraspinatussehne) festzustellen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt, für die Entstehung der RMR habe ein geeignetes Ereignis stattgefunden. Zwar habe im Zeitpunkt des Unfalls eine deutliche Vorschädigung der Rotatorenmanschette der linken Schulter des Klägers bestanden, aber die Gesamtumstände sprächen mehr dafür, dass beim Unfall das stark vorgeschädigte Sehnengewebe weiter eingerissen sei; in der Beurteilung sei dem Gutachten des Dr. L. zu folgen.

Gegen das ihr am 05.07.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 27.07.2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begründung hat sie u. a. ausgeführt, entgegen der Ansicht des SG sei der Unfallhergang nicht geeignet gewesen, die RMR herbeizuführen. Der Kläger habe mehrfach angegeben, direkt auf die Schulter gefallen zu sein. Ein geeigneter Unfallhergang liege danach nicht vor. Weiter fehle ein "Drop-Arm-Syndrom" und ein typischer Primärbefund, nämlich eine diffuse Schwellung der Schulterweichteile mit Hämatomverfärbung. Demgegenüber seien degenerative Veränderungen des AC-Gelenks links und ein Acromionsporn vom Typ Bigliani III links nachgewiesen. Diese Umstände sprächen gegen den vom SG angenommenen Ursachenzusammenhang.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 30. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das SG habe den Ursachenzusammenhang zwischen der RMR und dem Unfallereignisses zutreffend, gestützt auf das Sachverständigengutachten des Dr. L., bejaht. Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 20.11.2006 erörtert und den Kläger nochmals nach dem Unfallhergang befragt. Dabei hat der Kläger u. a. erklärt, ob er auf die Schulter direkt gefallen sei oder ob er noch den Arm dazwischen gehabt habe, könne er heute nicht mehr sagen. Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen. Im weiteren Verlauf hat der Kläger den Bericht des Orthopäden Dr. L. vom 26.01.2007 und das Attest des Orthopäden Dr. K. vom 29.11.2007 vorgelegt. Der Senat hat durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. H. weiter Beweis erhoben. In seinem Gutachten vom 31.04.2007 hat der Sachverständige u. a. dargelegt, Arbeitsunfähigkeit habe unfallbedingt maximal bis zum 08.06.2004 bestanden; sämtliche an der linken Schulter festgestellten Gesundheitsstörungen seien unfallunabhängig primär degenerativ, also aus schicksalhafter Ursache heraus, entstanden. Der Unfall könne - folge man der Bekundung des Verunfallten - im hinteren Bereich der linken Schulter nur eine leichte Prellung verursacht haben.

Das am 14.03.2008 gegen Prof. Dr. H. gestellte Ablehnungsgesuch (L 2 SF 1291/08 A) des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 18.03.2008 zurückgewiesen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Feststellung einer "Schulterkontusion links mit traumatischer RMR (Supraspinatussehne und subtotal Infraspinatussehne)" als Unfallfolge sowie zur Fortzahlung von "Verletztengeld über den 08.06.2004" hinaus verurteilt. Die geltend gemachten Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu, weil die RMR nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den stattgehabten Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 04.08.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.12.2004, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld über den 08.06.2004 hinaus abgelehnt hat. Das klägerische Begehren ist bei verständiger Würdigung (§ 123 SGG) - und wie der Kläger zutreffend mit seiner Klage beantragt hat - neben der Fortzahlung des Verletztengeldes über den 08.06.2004 hinaus - auch auf Feststellung der RMR als Unfallfolge gerichtet. Auf diese im Wege der (kombinierten) Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. der Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) geltend gemachten Ansprüche sind die Vorschriften des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII) - in Kraft seit 01.01.1997 - anzuwenden.

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die Anspruch begründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Unfallereignis), der Gesundheitsschaden (Gesundheits(erst-)schaden und Unfallfolgen, s.hierzu: Becker, Der Arbeitsunfall , SGb 12/07 S. 721), dessentwegen Entschädigungsleistungen begehrt werden, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr. 84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheits(erst-)schaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheits(erst-)schaden und den Unfallfolgen (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196 ff); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286 = SozR 2200 § 548 Nr. 38; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16 S. 81 f.). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91). Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben, was nach der Auffassung des praktischen Lebens abzuleiten ist (BSG, a.a.O.). "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat. Eine naturwissenschaftliche Ursache, die nicht als wesentlich anzusehen und damit keine Ursache i. S. der Theorie der wesentlichen Bedingung ist, kann als Gelegenheitsursache bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, also Art und Ausmaß der Einwirkung, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, der nach dem Unfall festgestellte Erstbefund sowie die konkurrierenden Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihrer Krankengeschichte.

Gem. § 45 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird Verletztengeld u.a. erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind. Verletztengeld wird von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird (§ 46 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. (SGB VII). Das Verletztengeld endet mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit (§ 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. SGB VII).

In Anwendung dieser rechtlichen Kriterien erfüllt das Unfallereignis die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls (von außen auf den Körper einwirkendes schädigendes Ereignis, versicherte Tätigkeit, innerer Zusammenhang, Gesundheits(erst-)schaden); dies hat die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid/Widerspruchsbescheid anerkannt, wobei sie auf Grund der Diagnose von Dr. Schwab eine Schulterprellung links als Gesundheits(erst-)schaden festgestellt hat.

Der Anspruch des Klägers auf Feststellung der RMR als Gesundheits(erst-)schaden bzw. Unfallfolge (der Senat lässt die hier nicht erforderliche Abgrenzung offen) scheitert daran, dass die - durch MRT-Untersuchung vom 26.05.2004 nachgewiesene - RMR nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den stattgehabten Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten von Prof. Dr. H., der - in Übereinstimmung mit PD Dr. T. und Prof. Dr. W. - eine Kausalität verneint hat. Grundlage für die (haftungsbegründende wie haftungsausfüllende) Kausalitätsbeurteilung ist der Unfallhergang. Dieser muss nach aktuellem wissenschaftlichen Erkenntnisstand überhaupt geeignet sein, die als Gesundheits(erst-)schaden bzw. Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung - hier: RMR - hervorzurufen (Becker a.a.O., S. 728 m.w.N.). Als geeigneter Verletzungsmechanismus (s. Schönberger/Mehrtnes/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 507) kommt allein eine Zugbeanspruchung mit unnatürlicher Längendehnung der Sehnen der Rotatorenmanschettenmuskeln in Betracht, beispielsweise durch massives plötzliches Rückwärtsreißen unter Heranführen des Armes, Sturz aus der Höhe mit noch festhaltender Hand, gewaltsame Rotation des Armes oder Sturz auf den nach hinten und innen gehaltenen Arm. Diese Unfallhergänge sind zwar für die Verursachung nicht beweisend, sie sind aber - im Gegensatz zu anderen Unfallabläufen, wie beispielsweise direkter Sturz auf die Schulter - aus biomechanischen Erwägungen heraus generell geeignet, eine RMR zu verursachen.

Vorliegend ist entgegen der Auffassung des SG bereits ein Unfallhergang, der zum Zerreißen der linken Rotatorenmanschette hätte führen können, nicht nachgewiesen. Den ersten Angaben des Klägers in der Unfallanzeige gegenüber dem Durchgangsarzt folgend, ist er infolge des Umkippens der Böcke und Dielen aus ca. 1,20 m Höhe links seitlich auf die linke Schulter gefallen. Im Klageverfahren hat er ausgesagt, er sei vor dem Aufschlagen mit der Schulter mit der Hand wohl noch auf dem Boden aufgekommen. Gegenüber dem Berichterstatter des Senats und dem Sachverständigen Prof. Dr. H. hat er schließlich angegeben, nicht mehr zu wissen, ob er zunächst noch auf die Hand und erst dann auf die Schulter oder gleich direkt auf die Schulter gefallen sei. Bei einer Gesamtwürdigung dieser Angaben vermag der Senat einen geeigneten Unfallhergang nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dessen ungeachtet hat Prof. Dr. H. in seinem Gutachten für den Senat plausibel dargelegt, dass beide Varianten nicht als geeignet angesehen werden können, die streitige Verletzung herbeizuführen. Ein den oben genannten Beispielen entsprechender Unfallablauf kann somit nicht festgestellt werden. Hieran ändert auch die Beurteilung von Dr. L. nichts. Dieser hat seiner Beurteilung zwar einen "geeigneten Stauchungsmechanismus" zu Grunde gelegt, er hat aber nicht nachvollziehbar dargelegt, auf Grund welchen Unfallablaufs er zu dieser Annahme gekommen ist, weshalb der Senat diesem Gutachten nicht folgen kann. Die Nichterweislichkeit eines geeigneten Unfallhergangs geht - als Anspruch begründendes Merkmal - zu Lasten des Klägers mit der Folge, dass die Kausalität (i.S. der conditio sine qua non) zwischen Unfallereignis - Gesundheits(erst-)schaden - Unfallfolge nicht bejaht werden kann.

Darüber hinaus sprechen - selbst wenn ein geeignetes Unfallereignis unterstellt wird - gewichtige Umstände gegen eine wesentlich durch das Trauma bedingte RMR. Diese hat Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 31.04.2007 unter 3. für den Senat überzeugend dargelegt. Er hat darauf hingewiesen (S. 10/11 des Gutachtens), dass zusätzlich zur ausgedehnten RMR deutliche knöcherne arthrotische degenerative Veränderungen, die im Übrigen auch von PD Dr. T. und Prof. Dr. W. diagnostiziert worden waren, sowie auch eine Degeneration der langen Bizepssehne vorgelegen haben und dass ein Erguss belegt, dass die Arthrose aktiviert war. Der Beurteilung des Dr. L., degenerative Veränderungen hätten nicht vorgelegen, kann somit nicht gefolgt werden. Prof. Dr. H. hat ferner schlüssig dargelegt, dass die große Ausdehnung der RMR ebenfalls für eine degenerative Genese spricht. Die Tatsache, dass sich die RMR im Juli 2005 mit nunmehr nachweisbaren Retraktionen und Degenerationen der betroffenen Muskeln und der nunmehr festgestellten Betroffenheit aller drei Anteile der Manschette weiterentwickelt hat, ist - so Prof. Dr. H. - ebenfalls ein Zeichen für eine fortgeschrittene Degeneration. Insoweit kann auch dem Radiologen Dr. Elsner nicht gefolgt werden, weil Rupturen sich nur bei degenerativer Gewebebeschaffenheit spontan vergrößern. Schließlich spricht auch der festgestellte Erguss, den Dr. L. von vornherein als Hämarthros gewertet hat, obwohl Dr. E. im MRT-Befund vom 26.05.2004 einen Gelenkserguss - und lediglich als DD Hämarthros - erwähnt hatte, nicht für eine traumatische RMR bzw. Binnenverletzung. Zum Einen sind im MRT Gelenkserguss und Hämarthros nicht sicher unterscheidbar und zum Anderen kann es auch bei Degenerationen - so Prof. Dr. H. - zu erheblichen Gelenksergüssen kommen. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass vor dem Unfall des Klägers keine Behandlungen der linken Schulter dokumentiert sind und er nach seinen Angaben beschwerdefrei war, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Nach unfallmedizinischem Kenntnisstand schließt eine "leere Anamnese" degenerative Veränderungen i.S. einer Schadensanlage oder eines Vorschadens nicht aus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 506).

Eine über den 08.06.2004 hinausgehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt nicht vor, weil die nach diesem Zeitpunkt auf der RMR beruhende Arbeitsunfähigkeit aus den oben dargelegten Gründen nicht "infolge" des Versicherungsfalls bestanden hat.

Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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