Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 17/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 Kr 872/84
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein für den Fall der Krankheit versicherter Unfallgeschädigter kann von seiner Krankenkasse die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gemäß § 182 a RVO nicht mit der Begründung verlangen, daß sein Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 1542 RVO a.F. (ab 1. Juli 1983 § 116 SGB 10) auf die Kasse übergegangen sei und diese infolge des Forderungsübergangs vollen Ersatz für verordnete Arznei-, Verband- und Heilmittel beanspruchen könne.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Mai 1984 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine aussergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr nach § 182 a Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1918 geborene Kläger ist als Rentner Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Am 8. November 1967 erlitt er einen Verkehrsunfall, der durch den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein in als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers reguliert wurde. Am 5. Oktober 1974 erklärte sich der Kläger diesem gegenüber nach Zahlung von restlichen 300.000,– DM mit allen Ansprüchen für jetzt und für die Zukunft vorbehaltlos, also auch wegen unerwarteter und unvorhergesehener Folgen als endgültig abgefunden. Wegen der schweren Folgen des Unfalls steht er immer noch in ärztlicher Behandlung und ist auf die ständige Einnahme von Medikamenten angewiesen.
Auf seinen Antrag, ihn von der Verordnungsblattgebühr zu befreien, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 5. Januar 1983 mit, daß dies nach § 182 a Satz 3 RVO in der ab 1. Januar 1983 geltenden Fassung eine unzumutbare Belastung durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr u.a. nach den Einkommensverhältnissen voraussetze, wovon im Falle des Überschreitens im einzelnen bezeichneter Einkommens grenzen nach den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufgestellten Richtlinien nicht mehr ausgegangen werden könne. Gleichzeitig übersandte sie dem Kläger zur Überprüfung der Voraussetzungen ein Antragsformular mit entsprechenden Fragen. Dieses sandte der Kläger zurück, ohne Angaben über seine Einnahmen zu machen. Er stützte sein Begehren darin und in späteren Eingaben ausdrücklich nicht auf seine finanziellen Verhältnisse, sondern darauf, daß der Landwirtschaftliche Versicherungsverein gemäß § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet sei, ihn so zu stellen, wie er ohne den Unfall gestanden hätte. Da sein Anspruch auf medizinische Versorgung gegen den Haftpflichtversicherer nicht abgefunden, sondern gemäß § 1542 RVO auf die Beklagte übergegangen sei und diese vom Landwirtschaftlichen Versicherungsverein die Erstattung von Heilbehandlungskosten einschließlich der Arzneimittelkosten in voller Höhe verlangen könne, sei es nicht gerechtfertigt, ihn auch noch an den Kosten zu beteiligen.
Durch Bescheid vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf §§ 60, 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB 1) ab, weil der Kläger nicht bereit sei, die Höhe seines Einkommens mitzuteilen und schon deshalb die Möglichkeit einer positiven Entscheidung seines Befreiungsantrags entfalle. Entgegen der Ansicht des Klägers sei sein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein nur insoweit auf sie übergegangen, als sie nach den Vorschriften der RVO die Leistungen zu gewähren habe. Dazu gehöre nicht der gesetzlich vorgeschriebene Arzneikostenanteil des Versicherten, da dieser die von ihr zu erbringende Leistung an den Arzneimittellieferanten mindere. Gegenüber dem Haftpflichtversicherer könne sie deshalb auch nur den den Eigenanteil übersteigenden Betrag und nicht die ungekürzten Arzneimittelkosten geltend machen und abrechnen.
Die am 5. April 1983 erhobene Klage, mit der der Kläger nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 begehrt hat, hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 18. Mai 1984 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen. § 182 a RVO gelte für den Kläger uneingeschränkt. Da die Beklagte für die Beurteilung, ob eine "unzumutbare Belastung” im Sinne des Satzes 3 der Vorschrift durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr vorliege, in rechtlich vertretbarer Weise auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die finanziellen Belastungen des Versicherten habe abstellen können, sei sie wegen der Weigerung des Klägers, seine Einkommensverhältnisse anzugeben, auch zur Ablehnung der Befreiung berechtigt gewesen.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 18. Juni 1984 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Mai 1984 Berufung eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor: Bei der Beurteilung, ob eine unzumutbare Belastung im Sinne von § 182 a Satz 3 RVO vorliege, sei nicht nur eine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen, sondern auch zu berücksichtigen, daß der Beklagten in seinem Fall durch den Rückgriffanspruch gegen den privaten Haftpflichtversicherer überhaupt keine Kosten entstünden. Außerdem sei, da er bereits am 14. März 1978 einen Antrag auf Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gestellt habe, bei der Prüfung zu berücksichtigen, daß nach dem Gesetz nicht zu jeder Zeit auf die finanziellen Verhältnisse, sondern zumindest zeitweilig allein auf die voraussichtliche Dauer des Medikamentengebrauchs abgestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Mai 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 1. Januar 1983 von der Verordnungsblattgebühr zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kassenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Insbesondere greifen die Ausschließungsgründe des § 144 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht ein. Denn die Berufung betrifft keinen Anspruch auf eine einmalige Leistung (Nr. 1) oder auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten). Zwar handelt es sich bei der begehrten Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gemäß § 182 a RVO und damit von Kostenanteilen beim Bezug von Arznei-, Verband- und Heilmitteln um eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift, da darunter jede Handlung eines Leistungsträgers zu verstehen ist, aus der dem einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst (vgl. Bundessozialgericht – BSG – SozR 2200 § 182 a RVO Nr. 4; BSG SozR Nr. 30 zu § 144 SGG). Sie ist jedoch angesichts der erstrebten Dauer nicht "einmalig” und sollte in ihrer Wirkung auch nicht auf einen Zeitraum bis zu einem Vierteljahr begrenzt sein.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Beklagte durfte die Befreiung des Klägers von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 ablehnen. Eine allgemeine Befreiung von dieser Gebühr für bestimmte Personen – z.B. Rentner – ist bereits seit dem 1. Juli 1977 infolge der Neufassung des § 182 a RVO durch Artikel 1 § 1 Nr. 7 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVEG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I S. 1069) nicht mehr vorgesehen. Nach § 182 a Satz 1 RVO in der ab 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, S. 1578) hat jeder Versicherte, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, als Verordnungsblattgebühr bei der Abnahme von Arznei- und Verbandmitteln für jedes verordnete Mittel grundsätzlich 1,50 DM und bei der Abnahme von Heilmitteln 4,– DM je Verordnung an die abgebende Stelle zu zahlen. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Krankenkasse in Fällen, in denen über einen längeren Zeitraum Arznei-, Verband- oder Heilmittel benötigt werden, von der Zahlung befreien, wenn der Versicherte unzumutbar belastet würde. Diese Regelung ist ab 1. Januar 1983 durch das Haushaltsbegleitgesetz vom 20. Dezember 1982 (HaushBG 1983 – BGBl. I, S. 1857, 1889) nur insoweit geändert worden, daß bei Arznei- und Verbandmitteln die Verordnungsblattgebühr von 1,50 DM auf 2,– DM erhöht wurde. Dabei handelt es sich nicht um eine echte Gebühr, sondern um einen Kostenbeitrag des Versicherten. Er ist nach zutreffender Ansicht der Beklagten und des SG auch vom Kläger kraft Gesetzes grundsätzlich zu leisten. Hierfür ist es unerheblich, ob in seiner Person infolge des Verkehrsunfalls vom 8. November 1967 hinsichtlich der Unfallfolgen Ansprüche u.a. auf Ersatz der vollen Arzneimittelkosten gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers begründet wurden. Denn die Beklagte hat nicht diese privatrechtlichen Ansprache bzw. die Pflichten des Haftpflichtversicherers zu erfüllen, sondern ihre eigenen Verpflichtungen aufgrund des zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Versicherungsverhältnisses, die sich ebenso wie die daraus ergebenden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte allein nach den Vorschriften der RVO bestimmen und sich im übrigen auch nicht auf die Felgen des Verkehrsunfalls beschränken. Danach ist eine volle Kostenübernahme für Arznei-, Verband- und Heilmittel durch die Beklagte aber nur als Folge des Ausspruchs einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gemäß § 182 a Satz 3 RVO erreichbar, gleichgültig ob die Verordnungen wegen des Unfalls oder aus anderen Gründen erforderlich werden.
Daß auch für Arznei-, Verband- und Heilmittel, die wegen des Unfalls gewährt werden, nichts anderes gelten kann, wird durch § 1542 Satz 1 RVO a.F. zusätzlich klargestellt. Denn danach geht, soweit die nach diesem Gesetz Versicherten nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz eines Schadens beanspruchen können, der ihnen u.a. durch Unfall erwachsen ist, der Anspruch auf die Träger der Versicherung "insoweit über, als sie dem Ersatzberechtigten nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren haben”. Nach der ab 1. Juli 1983 geltenden Vorschrift des § 116 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB 10) geht der Schadensersatzanspruch des Versicherten auf den Versicherungsträger ebenfalls nur über, "soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat”. Auch diese Regelungen machen deutlich, daß die Leistungspflicht der Beklagten aufgrund des Schadensfalls durch Ansprüche des Klägers gegen seinen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer weder eingeschränkt noch erweitert und erst recht nicht auf eine privatrechtliche Grundlage gestellt wird. Durch § 1542 Abs. 1 RVO (§ 116 SGB 10) soll lediglich die Doppelentschädigung des Versicherten und die ungerechtfertigte Befreiung des Schädigers von seiner Ersatzpflicht verhindert werden. Zu diesem Zweck geht der Schadensersatzanspruch des geschädigten Versicherten bei sachlicher und zeitlicher Kongruenz mit den Leistungen des Versicherungsträgers zwar regelmäßig bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses, d.h. unmittelbar mit seiner Entstehung, dem Grunde nach in vollem Umfang auf den Versicherungsträger über noch bevor feststeht, ob und in welcher Höhe der Versicherungsträger leistungspflichtig werden wird. Wenn auch der Forderungsübergang dem Grunde nach unbedingt ist, so ist er nach dem dargelegten Sinn und Zweck des § 1542 RVO (§ 116 SGB 10) und seinem Wortlaut der Höhe nach jedoch durch den Umfang des noch Ungewissen Schadens und der noch unbestimmten Leistungen des Versicherungsträgers aufschiebend bzw. auflösend bedingt und wird erst durch das Bewirken der Versicherungsleistung im Einzelfall der Höhe nach konkretisiert (vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Band III, S. 974 a–c, d und 980 e.f.; Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 31, 36 zu § 1542 und Anm. 1, 2a, e, 4 zu § 116 SGB 10; vgl. auch Bundesgerichtshof – BGH in NJW 1973, 1196 und in NJW 1967, 2199). Schon deshalb kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte ein seinen Kostenanteil nach § 182 a Satz 1 RVO umfassendes Forderungsrecht gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein besitze und ihn allein aus diesem Grunde von der Kostenbeteiligung freizustellen, habe. Vielmehr besteht eine Ersatzberechtigung insoweit erst dann, wenn in Anwendung des § 182 a Satz 3 RVO der Ausspruch einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr erfolgen kann und der Beklagten damit auch der Kostenanteil in Höhe der Gebühr als Belastung zufällt. Im übrigen könnte die Beurteilung im Ergebnis selbst dann nicht anders sein, wenn davon auszugehen wäre, daß es für den Forderungsübergang und die Ersatzberechtigung des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht darauf ankommt, ob in der jeweiligen Schadensgruppe – hier "Heilungskosten” – die einzelnen Schadensposten vom Versicherungsträger voll abgedeckt werden, sondern die Zugehörigkeit des Schadensersatzanspruchs des Versicherten und der Versicherungsleistungen zur gleichen Schadensgruppe "Heilungskosten” ausreichten, einen Forderungsübergang auf den Versicherungsträger auch hinsichtlich der vom Versicherten selbst getragenen Kostenanteile anzunehmen, etwa weil der Sinn und Zweck des § 1542 RVO a.F. (§ 116 SGB 10) zusätzlich darin zu erblicken ist, den Sozialversicherungsträger weitgehend zu entlasten (vgl. dazu auch BGH in NJW 1973, 1196 und in NJW 1969, 98). Denn der Umfang der Leistungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger nach den Vorschriften der RVO und der Umfang seiner Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis, über den im vorliegenden Fall allein zu entscheiden ist, wird dadurch jedenfalls nicht berührt. In welcher Höhe gegenüber dem privaten Haftpflichtversicherer ein Rückgriffsrecht der Beklagten und ein Ersatzanspruch des Klägers wegen einer Beteiligung an den Kosten für verordnete Arznei-, Verband- und Heilmittel besteht, ist ggf. durch die Zivilgerichte zu klären. Insoweit ist es auch ohne Bedeutung, in welcher Weise die Beklagte hier gegenüber dem privaten Haftpflichtversicherer tatsächlich abgerechnet hat, ob die Abrechnung nach den ihr in jedem Einzelfall entstandenen Aufwendungen oder in voller Höhe einschließlich des Eigenanteils des Klägers oder pauschal erfolgte (§ 1542 Abs. 2 i.V.m. § 1524 Abs. 1 Satz 2 bis 4 RVO; § 116 Abs. 8 und 9 SGB 10) und diese Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen unter- oder überschritt. Auch das betrifft nur die Frage, ob der Haftpflichtversicherer die Berechnung nach Lage der Dinge anerkennen muß bzw. darf oder nicht (vgl. dazu auch Brackmann, a.a.O., Band III, S. 984 ff.; Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 75 bis 81 zu § 1542). Die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr nach § 182 a Satz 3 RVO konnte von der Beklagten schließlich nicht allein deshalb ohne weiteres vorgenommen werden, weil der private Haftpflichtversicherer die sachliche Richtigkeit einer solchen Befreiungsentscheidung ggf. nicht angreifen könnte (vgl. § 1543 RVO; § 118 SGB 10). Auch im Falle des Klägers hat sie ihre Leistungen dem Gesetz entsprechend zu gewähren und danach u.a. die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 182 a Satz 3 RVO zu beachten.
Ausgehend davon durfte die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 wegen fehlender Mitwirkung ablehnen. Bei der Befreiung nach § 182 a Satz 3 RVO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, wobei die eingeräumte Ermächtigung sich auf Fälle bezieht, in denen über einen längeren Zeitraum Arznei-, Verband- oder Heilmittel benötigt werden, wenn der Versicherte unzumutbar belastet wird. Die Unzumutbarkeit der Belastung richtet sich dabei nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nach den Einkommensverhältnissen des Versicherten und der für ihn durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr entstehenden Belastungen (vgl. BT-Drucks. 9/845, S. 13). Davon ist auch die Beklagte im vorliegenden Fall ausgegangen, wie insbesondere ihr Schreiben vom 5. Januar 1983 an den Kläger zeigt. Eine Ermessensentscheidung hat sie im Falle des Klägers jedoch nicht vorgenommen und auch nicht vornehmen können, weil der Kläger Angeben über seine Einkünfte verweigert hat. Damit war der Beklagten die Möglichkeit genommen, in eine Prüfung unter Berücksichtigung der beim Kläger bestehenden Besonderheiten einzutreten und eine dem Zweck der Ermächtigung des § 182 a Satz 3 RVO entsprechende Entscheidung zu treffen, bei der die Einkommensverhältnisse des Versicherten nach dem Wortlaut des Gesetzes und den Vorstellungen des Gesetzgebers einzubeziehen sind oder jedenfalls einbezogen werden dürfen (vgl. auch Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm. 9 zu § 182 a; Brackmann, a.a.O., Band II, S. 439 d).
Für Fälle fehlender oder ungenügender Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts im Leistungsrecht sieht § 66 Abs. 1 SGB 1, auf den die Beklagte sich in ihrem Bescheid vom 24. Januar 1983 und Widerspruchsbescheid vom 18. März 1983 gestützt hat, als Sanktion vor, daß der Versicherungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen darf. Damit soll sichergestellt werden, daß der Versicherungsträger alle Leistungsvoraussetzungen erschöpfend prüfen kann. Mit dem Antrag auf Befreiung von der Verordnungsblattgebühr wird die Krankenkasse auch auf eine "Leistung im Sinne dieser Vorschriften” in Anspruch genommen. Selbst wenn sie sich für ihre Ablehnung nicht auf § 66 Abs. 1 SGB 1 berufen könnte, änderte dies im Ergebnis nichts, da die im SGB 1 für das Leistungsrecht getroffenen und darauf begrenzten Regelungen nur eine besondere Ausprägung allgemeiner Grundsätze über die Mitwirkung des Versicherten darstellen (vgl. BSG SozR 5750 Artikel 2 § 51 a ArVNG Nr. 43). Auf die Notwendigkeit, seine Einkommensverhältnisse zu offenbaren, war der Kläger auch bereits mit Schreiben vom 5. Januar 1983, in dem die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt im einzelnen dargelegt hat, sowie durch das gleichzeitig übersandte Antragsformular hingewiesen worden. Ob die Ausführungen in diesem Schreiben, daß bei Überschreiten von bestimmten, näher angeführten Einkommensgrenzen gemäß den Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Vorliegen eines besonderen Härtefalls nicht mehr ausgegangen werden könne, einer näheren Überprüfung standhielten (vgl. dazu Krauskopf, a.a.O., Anm. 10 zu § 182 a RVO) kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß diese allgemeinen Erläuterungen ursächlich dafür waren, daß der Kläger sich zur Offenbarung seiner Einkünfte nicht bereit erklärte. Davon sah er vielmehr deshalb ab, weil er der Auffassung war, daß es in seinem Falle wegen des Dreieckverhältnisses zwischen ihn, der Beklagten und dem privaten Haftpflichtversicherer auf die finanziellen Verhältnisse überhaupt nicht ankomme. Das wurde bereits in dem der Beklagten zurückgereichten Antragsformular und dem hierzu verfaßten Begleitschreiben des Klägers sowie durch den Schriftsatz seines Anwalts vom 11. Januar 1983 eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Ablehnung der Befreiung wegen fehlender Mitwirkung ist auch nicht deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil die Beklagte den Kläger vor Erlaß ihres Bescheides vom 24. Januar 1983 nicht ausdrücklich und konkret bezogen auf seinen Fall auf die Rechtsfolge einer Versteigerung vor. Auskünften zu sein er.
Einkommen hingewiesen und ihm keine angemessene Frist zur Vervollständigung der Angaben gesetzt hat, wie es in § 66 Abs. 3 SGB 1 verlangt wird und auch nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist (BSG SozR 2200 § 1243 RVO Nr. 3). Denn der Kläger hat auch nach Erhalt des wegen fehlender Mitwirkung auf § 66 Abs. 1 SGB 1 gestützten Bescheides vom 24. Januar 1983 und der ausdrücklichen Aufforderung, seinen von der Beklagten nicht geteilten Rechtsstandpunkt zu überprüfen, im Widerspruchsverfahren Auskünfte über seine Einnahmen nicht erteilt. Unter diesen Umständen kann die Ablehnung des Befreiungsantrags im – hier maßgebenden – Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 nicht mehr wegen eines fehlenden Rechtsfolgenhinweises als rechtswidrig angesehen werden (vgl. auch BSG SozR 5750 Artikel 2 § 51 a ArVNG Nr. 43).
Für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 ist es schließlich auch ohne Bedeutung, ob § 182 a RVO in der für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1981 geltenden Fassung des KVKG bei laufendem Bedarf von Arznei- und Heilmitteln, wie er im Falle des Klägers unstreitig besteht, die Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Versicherten ausschloß oder nicht (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 182 a RVO Nrn. 1 bis 4; BT-Drucks. 9/845, S. 113). Eine Befreiung für die Zeit der Geltung des § 182 a RVO a.F., z.B. aufgrund eines früheren Antrags des Klägers vom 14. März 1978, war nicht Gegenstand des Verfahrens und des angefochtener. Bescheides vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine aussergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr nach § 182 a Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der 1918 geborene Kläger ist als Rentner Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Am 8. November 1967 erlitt er einen Verkehrsunfall, der durch den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein in als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers reguliert wurde. Am 5. Oktober 1974 erklärte sich der Kläger diesem gegenüber nach Zahlung von restlichen 300.000,– DM mit allen Ansprüchen für jetzt und für die Zukunft vorbehaltlos, also auch wegen unerwarteter und unvorhergesehener Folgen als endgültig abgefunden. Wegen der schweren Folgen des Unfalls steht er immer noch in ärztlicher Behandlung und ist auf die ständige Einnahme von Medikamenten angewiesen.
Auf seinen Antrag, ihn von der Verordnungsblattgebühr zu befreien, teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 5. Januar 1983 mit, daß dies nach § 182 a Satz 3 RVO in der ab 1. Januar 1983 geltenden Fassung eine unzumutbare Belastung durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr u.a. nach den Einkommensverhältnissen voraussetze, wovon im Falle des Überschreitens im einzelnen bezeichneter Einkommens grenzen nach den von den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufgestellten Richtlinien nicht mehr ausgegangen werden könne. Gleichzeitig übersandte sie dem Kläger zur Überprüfung der Voraussetzungen ein Antragsformular mit entsprechenden Fragen. Dieses sandte der Kläger zurück, ohne Angaben über seine Einnahmen zu machen. Er stützte sein Begehren darin und in späteren Eingaben ausdrücklich nicht auf seine finanziellen Verhältnisse, sondern darauf, daß der Landwirtschaftliche Versicherungsverein gemäß § 249 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet sei, ihn so zu stellen, wie er ohne den Unfall gestanden hätte. Da sein Anspruch auf medizinische Versorgung gegen den Haftpflichtversicherer nicht abgefunden, sondern gemäß § 1542 RVO auf die Beklagte übergegangen sei und diese vom Landwirtschaftlichen Versicherungsverein die Erstattung von Heilbehandlungskosten einschließlich der Arzneimittelkosten in voller Höhe verlangen könne, sei es nicht gerechtfertigt, ihn auch noch an den Kosten zu beteiligen.
Durch Bescheid vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf §§ 60, 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB 1) ab, weil der Kläger nicht bereit sei, die Höhe seines Einkommens mitzuteilen und schon deshalb die Möglichkeit einer positiven Entscheidung seines Befreiungsantrags entfalle. Entgegen der Ansicht des Klägers sei sein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein nur insoweit auf sie übergegangen, als sie nach den Vorschriften der RVO die Leistungen zu gewähren habe. Dazu gehöre nicht der gesetzlich vorgeschriebene Arzneikostenanteil des Versicherten, da dieser die von ihr zu erbringende Leistung an den Arzneimittellieferanten mindere. Gegenüber dem Haftpflichtversicherer könne sie deshalb auch nur den den Eigenanteil übersteigenden Betrag und nicht die ungekürzten Arzneimittelkosten geltend machen und abrechnen.
Die am 5. April 1983 erhobene Klage, mit der der Kläger nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrag die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 begehrt hat, hat das Sozialgericht (SG) durch Urteil vom 18. Mai 1984 aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen. § 182 a RVO gelte für den Kläger uneingeschränkt. Da die Beklagte für die Beurteilung, ob eine "unzumutbare Belastung” im Sinne des Satzes 3 der Vorschrift durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr vorliege, in rechtlich vertretbarer Weise auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und die finanziellen Belastungen des Versicherten habe abstellen können, sei sie wegen der Weigerung des Klägers, seine Einkommensverhältnisse anzugeben, auch zur Ablehnung der Befreiung berechtigt gewesen.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 18. Juni 1984 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Mai 1984 Berufung eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor: Bei der Beurteilung, ob eine unzumutbare Belastung im Sinne von § 182 a Satz 3 RVO vorliege, sei nicht nur eine Bedürftigkeitsprüfung vorzunehmen, sondern auch zu berücksichtigen, daß der Beklagten in seinem Fall durch den Rückgriffanspruch gegen den privaten Haftpflichtversicherer überhaupt keine Kosten entstünden. Außerdem sei, da er bereits am 14. März 1978 einen Antrag auf Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gestellt habe, bei der Prüfung zu berücksichtigen, daß nach dem Gesetz nicht zu jeder Zeit auf die finanziellen Verhältnisse, sondern zumindest zeitweilig allein auf die voraussichtliche Dauer des Medikamentengebrauchs abgestellt worden sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 18. Mai 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 1. Januar 1983 von der Verordnungsblattgebühr zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Kassenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Insbesondere greifen die Ausschließungsgründe des § 144 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht ein. Denn die Berufung betrifft keinen Anspruch auf eine einmalige Leistung (Nr. 1) oder auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten). Zwar handelt es sich bei der begehrten Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gemäß § 182 a RVO und damit von Kostenanteilen beim Bezug von Arznei-, Verband- und Heilmitteln um eine Leistung im Sinne dieser Vorschrift, da darunter jede Handlung eines Leistungsträgers zu verstehen ist, aus der dem einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst (vgl. Bundessozialgericht – BSG – SozR 2200 § 182 a RVO Nr. 4; BSG SozR Nr. 30 zu § 144 SGG). Sie ist jedoch angesichts der erstrebten Dauer nicht "einmalig” und sollte in ihrer Wirkung auch nicht auf einen Zeitraum bis zu einem Vierteljahr begrenzt sein.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Beklagte durfte die Befreiung des Klägers von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 ablehnen. Eine allgemeine Befreiung von dieser Gebühr für bestimmte Personen – z.B. Rentner – ist bereits seit dem 1. Juli 1977 infolge der Neufassung des § 182 a RVO durch Artikel 1 § 1 Nr. 7 des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes (KVEG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I S. 1069) nicht mehr vorgesehen. Nach § 182 a Satz 1 RVO in der ab 1. Januar 1982 geltenden Fassung des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes (KVEG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl. I, S. 1578) hat jeder Versicherte, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, als Verordnungsblattgebühr bei der Abnahme von Arznei- und Verbandmitteln für jedes verordnete Mittel grundsätzlich 1,50 DM und bei der Abnahme von Heilmitteln 4,– DM je Verordnung an die abgebende Stelle zu zahlen. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Krankenkasse in Fällen, in denen über einen längeren Zeitraum Arznei-, Verband- oder Heilmittel benötigt werden, von der Zahlung befreien, wenn der Versicherte unzumutbar belastet würde. Diese Regelung ist ab 1. Januar 1983 durch das Haushaltsbegleitgesetz vom 20. Dezember 1982 (HaushBG 1983 – BGBl. I, S. 1857, 1889) nur insoweit geändert worden, daß bei Arznei- und Verbandmitteln die Verordnungsblattgebühr von 1,50 DM auf 2,– DM erhöht wurde. Dabei handelt es sich nicht um eine echte Gebühr, sondern um einen Kostenbeitrag des Versicherten. Er ist nach zutreffender Ansicht der Beklagten und des SG auch vom Kläger kraft Gesetzes grundsätzlich zu leisten. Hierfür ist es unerheblich, ob in seiner Person infolge des Verkehrsunfalls vom 8. November 1967 hinsichtlich der Unfallfolgen Ansprüche u.a. auf Ersatz der vollen Arzneimittelkosten gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers begründet wurden. Denn die Beklagte hat nicht diese privatrechtlichen Ansprache bzw. die Pflichten des Haftpflichtversicherers zu erfüllen, sondern ihre eigenen Verpflichtungen aufgrund des zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Versicherungsverhältnisses, die sich ebenso wie die daraus ergebenden Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte allein nach den Vorschriften der RVO bestimmen und sich im übrigen auch nicht auf die Felgen des Verkehrsunfalls beschränken. Danach ist eine volle Kostenübernahme für Arznei-, Verband- und Heilmittel durch die Beklagte aber nur als Folge des Ausspruchs einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr gemäß § 182 a Satz 3 RVO erreichbar, gleichgültig ob die Verordnungen wegen des Unfalls oder aus anderen Gründen erforderlich werden.
Daß auch für Arznei-, Verband- und Heilmittel, die wegen des Unfalls gewährt werden, nichts anderes gelten kann, wird durch § 1542 Satz 1 RVO a.F. zusätzlich klargestellt. Denn danach geht, soweit die nach diesem Gesetz Versicherten nach anderen gesetzlichen Vorschriften Ersatz eines Schadens beanspruchen können, der ihnen u.a. durch Unfall erwachsen ist, der Anspruch auf die Träger der Versicherung "insoweit über, als sie dem Ersatzberechtigten nach diesem Gesetz Leistungen zu gewähren haben”. Nach der ab 1. Juli 1983 geltenden Vorschrift des § 116 Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren (SGB 10) geht der Schadensersatzanspruch des Versicherten auf den Versicherungsträger ebenfalls nur über, "soweit dieser aufgrund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat”. Auch diese Regelungen machen deutlich, daß die Leistungspflicht der Beklagten aufgrund des Schadensfalls durch Ansprüche des Klägers gegen seinen Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer weder eingeschränkt noch erweitert und erst recht nicht auf eine privatrechtliche Grundlage gestellt wird. Durch § 1542 Abs. 1 RVO (§ 116 SGB 10) soll lediglich die Doppelentschädigung des Versicherten und die ungerechtfertigte Befreiung des Schädigers von seiner Ersatzpflicht verhindert werden. Zu diesem Zweck geht der Schadensersatzanspruch des geschädigten Versicherten bei sachlicher und zeitlicher Kongruenz mit den Leistungen des Versicherungsträgers zwar regelmäßig bereits im Augenblick des schadenstiftenden Ereignisses, d.h. unmittelbar mit seiner Entstehung, dem Grunde nach in vollem Umfang auf den Versicherungsträger über noch bevor feststeht, ob und in welcher Höhe der Versicherungsträger leistungspflichtig werden wird. Wenn auch der Forderungsübergang dem Grunde nach unbedingt ist, so ist er nach dem dargelegten Sinn und Zweck des § 1542 RVO (§ 116 SGB 10) und seinem Wortlaut der Höhe nach jedoch durch den Umfang des noch Ungewissen Schadens und der noch unbestimmten Leistungen des Versicherungsträgers aufschiebend bzw. auflösend bedingt und wird erst durch das Bewirken der Versicherungsleistung im Einzelfall der Höhe nach konkretisiert (vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Band III, S. 974 a–c, d und 980 e.f.; Lauterbach-Watermann, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 31, 36 zu § 1542 und Anm. 1, 2a, e, 4 zu § 116 SGB 10; vgl. auch Bundesgerichtshof – BGH in NJW 1973, 1196 und in NJW 1967, 2199). Schon deshalb kann der Kläger sich auch nicht darauf berufen, daß die Beklagte ein seinen Kostenanteil nach § 182 a Satz 1 RVO umfassendes Forderungsrecht gegen den Landwirtschaftlichen Versicherungsverein besitze und ihn allein aus diesem Grunde von der Kostenbeteiligung freizustellen, habe. Vielmehr besteht eine Ersatzberechtigung insoweit erst dann, wenn in Anwendung des § 182 a Satz 3 RVO der Ausspruch einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr erfolgen kann und der Beklagten damit auch der Kostenanteil in Höhe der Gebühr als Belastung zufällt. Im übrigen könnte die Beurteilung im Ergebnis selbst dann nicht anders sein, wenn davon auszugehen wäre, daß es für den Forderungsübergang und die Ersatzberechtigung des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Haftpflichtversicherer nicht darauf ankommt, ob in der jeweiligen Schadensgruppe – hier "Heilungskosten” – die einzelnen Schadensposten vom Versicherungsträger voll abgedeckt werden, sondern die Zugehörigkeit des Schadensersatzanspruchs des Versicherten und der Versicherungsleistungen zur gleichen Schadensgruppe "Heilungskosten” ausreichten, einen Forderungsübergang auf den Versicherungsträger auch hinsichtlich der vom Versicherten selbst getragenen Kostenanteile anzunehmen, etwa weil der Sinn und Zweck des § 1542 RVO a.F. (§ 116 SGB 10) zusätzlich darin zu erblicken ist, den Sozialversicherungsträger weitgehend zu entlasten (vgl. dazu auch BGH in NJW 1973, 1196 und in NJW 1969, 98). Denn der Umfang der Leistungsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger nach den Vorschriften der RVO und der Umfang seiner Ansprüche aus dem Versicherungsverhältnis, über den im vorliegenden Fall allein zu entscheiden ist, wird dadurch jedenfalls nicht berührt. In welcher Höhe gegenüber dem privaten Haftpflichtversicherer ein Rückgriffsrecht der Beklagten und ein Ersatzanspruch des Klägers wegen einer Beteiligung an den Kosten für verordnete Arznei-, Verband- und Heilmittel besteht, ist ggf. durch die Zivilgerichte zu klären. Insoweit ist es auch ohne Bedeutung, in welcher Weise die Beklagte hier gegenüber dem privaten Haftpflichtversicherer tatsächlich abgerechnet hat, ob die Abrechnung nach den ihr in jedem Einzelfall entstandenen Aufwendungen oder in voller Höhe einschließlich des Eigenanteils des Klägers oder pauschal erfolgte (§ 1542 Abs. 2 i.V.m. § 1524 Abs. 1 Satz 2 bis 4 RVO; § 116 Abs. 8 und 9 SGB 10) und diese Pauschale die tatsächlichen Aufwendungen unter- oder überschritt. Auch das betrifft nur die Frage, ob der Haftpflichtversicherer die Berechnung nach Lage der Dinge anerkennen muß bzw. darf oder nicht (vgl. dazu auch Brackmann, a.a.O., Band III, S. 984 ff.; Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 75 bis 81 zu § 1542). Die Befreiung von der Verordnungsblattgebühr nach § 182 a Satz 3 RVO konnte von der Beklagten schließlich nicht allein deshalb ohne weiteres vorgenommen werden, weil der private Haftpflichtversicherer die sachliche Richtigkeit einer solchen Befreiungsentscheidung ggf. nicht angreifen könnte (vgl. § 1543 RVO; § 118 SGB 10). Auch im Falle des Klägers hat sie ihre Leistungen dem Gesetz entsprechend zu gewähren und danach u.a. die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 182 a Satz 3 RVO zu beachten.
Ausgehend davon durfte die Beklagte die Befreiung des Klägers von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 wegen fehlender Mitwirkung ablehnen. Bei der Befreiung nach § 182 a Satz 3 RVO handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, wobei die eingeräumte Ermächtigung sich auf Fälle bezieht, in denen über einen längeren Zeitraum Arznei-, Verband- oder Heilmittel benötigt werden, wenn der Versicherte unzumutbar belastet wird. Die Unzumutbarkeit der Belastung richtet sich dabei nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nach den Einkommensverhältnissen des Versicherten und der für ihn durch die Zahlung der Verordnungsblattgebühr entstehenden Belastungen (vgl. BT-Drucks. 9/845, S. 13). Davon ist auch die Beklagte im vorliegenden Fall ausgegangen, wie insbesondere ihr Schreiben vom 5. Januar 1983 an den Kläger zeigt. Eine Ermessensentscheidung hat sie im Falle des Klägers jedoch nicht vorgenommen und auch nicht vornehmen können, weil der Kläger Angeben über seine Einkünfte verweigert hat. Damit war der Beklagten die Möglichkeit genommen, in eine Prüfung unter Berücksichtigung der beim Kläger bestehenden Besonderheiten einzutreten und eine dem Zweck der Ermächtigung des § 182 a Satz 3 RVO entsprechende Entscheidung zu treffen, bei der die Einkommensverhältnisse des Versicherten nach dem Wortlaut des Gesetzes und den Vorstellungen des Gesetzgebers einzubeziehen sind oder jedenfalls einbezogen werden dürfen (vgl. auch Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Anm. 9 zu § 182 a; Brackmann, a.a.O., Band II, S. 439 d).
Für Fälle fehlender oder ungenügender Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts im Leistungsrecht sieht § 66 Abs. 1 SGB 1, auf den die Beklagte sich in ihrem Bescheid vom 24. Januar 1983 und Widerspruchsbescheid vom 18. März 1983 gestützt hat, als Sanktion vor, daß der Versicherungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen darf. Damit soll sichergestellt werden, daß der Versicherungsträger alle Leistungsvoraussetzungen erschöpfend prüfen kann. Mit dem Antrag auf Befreiung von der Verordnungsblattgebühr wird die Krankenkasse auch auf eine "Leistung im Sinne dieser Vorschriften” in Anspruch genommen. Selbst wenn sie sich für ihre Ablehnung nicht auf § 66 Abs. 1 SGB 1 berufen könnte, änderte dies im Ergebnis nichts, da die im SGB 1 für das Leistungsrecht getroffenen und darauf begrenzten Regelungen nur eine besondere Ausprägung allgemeiner Grundsätze über die Mitwirkung des Versicherten darstellen (vgl. BSG SozR 5750 Artikel 2 § 51 a ArVNG Nr. 43). Auf die Notwendigkeit, seine Einkommensverhältnisse zu offenbaren, war der Kläger auch bereits mit Schreiben vom 5. Januar 1983, in dem die Beklagte ihren Rechtsstandpunkt im einzelnen dargelegt hat, sowie durch das gleichzeitig übersandte Antragsformular hingewiesen worden. Ob die Ausführungen in diesem Schreiben, daß bei Überschreiten von bestimmten, näher angeführten Einkommensgrenzen gemäß den Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Vorliegen eines besonderen Härtefalls nicht mehr ausgegangen werden könne, einer näheren Überprüfung standhielten (vgl. dazu Krauskopf, a.a.O., Anm. 10 zu § 182 a RVO) kann in diesem Zusammenhang dahinstehen. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, daß diese allgemeinen Erläuterungen ursächlich dafür waren, daß der Kläger sich zur Offenbarung seiner Einkünfte nicht bereit erklärte. Davon sah er vielmehr deshalb ab, weil er der Auffassung war, daß es in seinem Falle wegen des Dreieckverhältnisses zwischen ihn, der Beklagten und dem privaten Haftpflichtversicherer auf die finanziellen Verhältnisse überhaupt nicht ankomme. Das wurde bereits in dem der Beklagten zurückgereichten Antragsformular und dem hierzu verfaßten Begleitschreiben des Klägers sowie durch den Schriftsatz seines Anwalts vom 11. Januar 1983 eindeutig zum Ausdruck gebracht. Die Ablehnung der Befreiung wegen fehlender Mitwirkung ist auch nicht deshalb als rechtswidrig anzusehen, weil die Beklagte den Kläger vor Erlaß ihres Bescheides vom 24. Januar 1983 nicht ausdrücklich und konkret bezogen auf seinen Fall auf die Rechtsfolge einer Versteigerung vor. Auskünften zu sein er.
Einkommen hingewiesen und ihm keine angemessene Frist zur Vervollständigung der Angaben gesetzt hat, wie es in § 66 Abs. 3 SGB 1 verlangt wird und auch nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich ist (BSG SozR 2200 § 1243 RVO Nr. 3). Denn der Kläger hat auch nach Erhalt des wegen fehlender Mitwirkung auf § 66 Abs. 1 SGB 1 gestützten Bescheides vom 24. Januar 1983 und der ausdrücklichen Aufforderung, seinen von der Beklagten nicht geteilten Rechtsstandpunkt zu überprüfen, im Widerspruchsverfahren Auskünfte über seine Einnahmen nicht erteilt. Unter diesen Umständen kann die Ablehnung des Befreiungsantrags im – hier maßgebenden – Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983 nicht mehr wegen eines fehlenden Rechtsfolgenhinweises als rechtswidrig angesehen werden (vgl. auch BSG SozR 5750 Artikel 2 § 51 a ArVNG Nr. 43).
Für die Beurteilung der Voraussetzungen einer Befreiung von der Verordnungsblattgebühr ab 1. Januar 1983 ist es schließlich auch ohne Bedeutung, ob § 182 a RVO in der für die Zeit vom 1. Juli 1977 bis 31. Dezember 1981 geltenden Fassung des KVKG bei laufendem Bedarf von Arznei- und Heilmitteln, wie er im Falle des Klägers unstreitig besteht, die Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Versicherten ausschloß oder nicht (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 182 a RVO Nrn. 1 bis 4; BT-Drucks. 9/845, S. 113). Eine Befreiung für die Zeit der Geltung des § 182 a RVO a.F., z.B. aufgrund eines früheren Antrags des Klägers vom 14. März 1978, war nicht Gegenstand des Verfahrens und des angefochtener. Bescheides vom 24. Januar 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1983.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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