L 7 AS 77/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AS 217/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 77/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.08.2005 abgeändert und die Bescheide vom 21. April 2005 und 15. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 aufgehoben, soweit die Beklagte wegen der für die Zeit vom 3. Januar bis 31. März 2005 gezahlten Leistungen einen höheren Erstattungsanspruch als 1.212,76 Euro geltend gemacht hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welcher Höhe die Beklagte Anspruch auf Erstattung der von ihr in der Zeit vom 03.01. bis 31.03.2005 erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld (Alg) II gegen den österreichischen Versicherungsträger hat.

Der 1964 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger. Ihm bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11.01.2005 ab 03.01.2005 Alg II, und zwar für Januar 2005 544,80 EUR und für die Monate Februar bis Juni 2005 jeweils 563,58 EUR. Neben der Regelleistung von 345,00 EUR (im Januar 333,50 Euro) erstattete sie Kosten für Unterkunft und Heizung von 218,58 EUR (im Januar 2005 211,30).

Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA), Landesstelle Tirol, bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 06.04.2005 rückwirkend ab 01.01.2003 eine Invaliditätspension in Höhe von monatlich 241,23 Euro, die ab April 2005 laufend ausbezahlt wurde. Für die Zeit vom 01.01. bis 31.03.2005 ergab sich eine Nachzahlung von 7.710,69 Euro, die die PVA zunächst einbehielt.

Mit Schreiben vom 21.04.2005 machte die Beklagte einen Erstattungsanspruch von 3.099,77 EUR geltend; einen Abdruck dieses Schreibens, versehen mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, übersandte sie dem Kläger. Dieser legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und wandte sich u.a. gegen die Höhe des geltend gemachten Erstattungsanspruches.

Mit Bescheid vom 30.05.2005 bewilligte die PVA dem Kläger rückwirkend ab 01.01.2003 eine Ausgleichszulage in Höhe von 281,33 Euro bzw. ab 01.01.2005 von 287,56 Euro, wovon dem Kläger nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages 241,23 Euro ausbezahlt wurden. Mit Schreiben vom 15.06.2005 machte die Beklagte von der PVA einen Erstattungsanspruch in Höhe von 2.034,57 Euro wegen der für die Zeit vom 01.01. bis 13.05.2005 erbrachten Leistungen geltend; ein Abdruck dieses Schreibens wurde ebenfalls dem Kläger übersandt. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2005 wies sie die Widersprüche als unbegründet zurück. Der Kläger erhalte von der PVA monatlich insgesamt 514,55 Euro, diese Geldleistung sei als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigen.

Die PVA hatte zuvor dem Kläger mit Schreiben vom 21.06.2005 mitgeteilt, dass an die Beklagte wegen der Ersatzforderungen 1.816,97 Euro überwiesen worden seien.

Mit seiner zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhobenen Klage hat sich der Kläger sinngemäß gegen die geltend gemachte Erstattung gewandt und angeführt, um die Ausgleichszulage zu erhalten, sei ein Umzug erforderlich gewesen, dessen Kosten die Beklagte zu berücksichtigen habe.

Mit Urteil vom 18.10.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Bei dem Alg II handele es sich um Fürsorgeleistungen im Sinne des Art.111 Abs.3 VO 574/72. Gemäß § 5 Abs.1 SGB II gelte das Nachrangigkeitsprinzip. Der Ersatzanspruch sei deshalb zutreffend angemeldet und abgewickelt worden. Die Berücksichtigung der laufenden Rentenzahlungen des österreichischen Versicherungsträgers als Einkommen könne sich auf § 11 SGB II stützen. Ob nach österreichischem Recht der Wohnsitz Anspruchsvoraussetzung für die Ausgleichszulage sei, falle nicht in die Überprüfungskompetenz des Sozialgerichts. Maßgeblich sei der tatsächlich erfolgte Zufluss in Höhe von 514,55 EUR. Soweit geltend gemacht werde, dass für den Erhalt der Ausgleichszulage eine Wohnung in Österreich gehalten werden müsse, die Zulage dafür gedacht und notwendig sei, handele es sich bei diesen Aufwendungen um keine nach § 11 SGB II bzw. nach der Alg II-V anerkennungsfähigen Abzugsbeträge.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, der Erstattungsanspruch sei für die Zeit bis 31.03.2005 an ihn auszuzahlen, die Ausgleichszulage sei nicht auf den Anspruch auf Alg II anzurechnen. Die für die Zeit bis 31.03.2005 erhaltene Nachzahlung stelle kein anrechenbares Einkommen dar.

Mit Schreiben vom 05.12.2006 hat der Kläger ausgeführt, es sei nicht strittig, dass die Rente mit Beginn 01.04.2005 als Einkommen berücksichtigt werde, strittig seien die Zeit von 03.01. bis 31.03.2005 sowie die Kosten für die Fahrten nach Österreich und den Umzug.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18.10.2005 sowie die Bescheide vom 21.04. und 16.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.2005 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte wegen der für die Zeit vom 03.01. bis 31.03.2005 gezahlten Leistungen keinen Erstattungsanspruch hat.

Die Beklagte erkennt an, dass die Bescheide vom 21.04. und 15.06.2005 dahingehend abzuändern sind, dass für den Zeitraum 01.01.1005 bis 31.03.2005 ein Erstattungsanspruch von 1.212,76 Euro festgestellt wird. Im Übrigen beantragt sie, die Berufung zurückzuweisen.

Von der monatlichen Leistung von 514,55 Euro seien nach Abzug der Versicherungspauschale von 30,00 Euro 484,55 Euro monatlich anzurechnen. Unter Berücksichtigung von § 40 Abs.2 Satz 1 SGB II seien bezüglich Januar 2005 399,96 Euro und für Februar und März 2005 je 406,40 Euro, insgesamt 1.212,76 Euro zu erstatten. Bezüglich des übrigen Zeitraumes werde die Höhe des Erstattungsanspruches unter Berücksichtigung etwaiger vom Kläger bereits geleisteter Rückzahlungen überprüft. Der Kläger erhalte bezüglich der Höhe des Erstattungsanspruchs für den Zeitraum 01.04. bis 30.06.2005 einen rechtsmittelfähigen Bescheid.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG-), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als teilweise begründet.

Der Kläger wendet sich gegen die ihm in Form rechtsmittelfähiger Bescheide übersandte Geltendmachung des Erstattungsanspruches gegenüber der PVA. Soweit er hiermit einen Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten verfolgt, ist sein Begehren unbegründet, da eine Rechtsgrundlage hierfür nicht besteht. Im Grunde beruft er sich darauf, die PVA habe der Beklagten - zumindest zum Teil - zu Unrecht einen Teil der ihm zustehenden Nachzahlung einbehalten und an diese statt an ihn ausbezahlt. Hiermit macht er aber geltend, dass dieser Teil der Nachzahlung ihm und nicht der Beklagten zugestanden hätte; dieses Begehren kann er nur gegenüber der PVA mit einer Klage auf Auszahlung des ihm zustehenden Restbetrages verfolgen. Dieser Anspruch kann nicht vor dem Senat eingeklagt werden, da vor deutschen Gerichten ein Rechtsweg für Ansprüche gegen einen ausländischen Versicherungsträger nicht eröffnet ist.

Streitgegenstand ist letztlich die Feststellung, in welcher Höhe die Beklagte einen Erstattungsanspruch gegen die PVA hat. Diese hat, wie das SG zu Recht festgestellt hat, grundsätzlich einen Erstattungsanspruch nach Art.111 Abs.3 Satz 1 EWGV 574/72. Dieser Anspruch bezieht sich auf die Leistungen, die sie deshalb zu Unrecht erbracht hat, weil die PVA der vorrangig zuständige Leistungsträger war. In welcher Höhe die PVA vorrangig gegenüber der Beklagten zur Leistung verpflichtet war, ergibt sich aus § 9 Abs.1 SGB II, wonach jemand hilfebedürftig ist, soweit er seinen Lebensunterhalt unter anderem aus dem zu berücksichtigenden Einkommen sichern kann. Gemäß § 11 Abs.1 Satz 1 SGB II sind Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie am Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Sowohl bei der Invaliditätspension als auch bei der Ausgleichszulage handelt es sich um Einnahmen, die als Einkommen zu berücksichtigen sind. Die Beklagte erkennt an, dass der Pauschbetrag von 30,00 Euro für Beiträge zur privaten Versicherung gem. § 3 Nr.1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) abzuziehen sind. Weitere Abzüge sind entgegen der Auffassung des Klägers aber nicht vorzunehmen. Insbesondere ist ihm nicht darin zu folgen, dass die Kosten abzugsmäßig zu berücksichtigen seien, die ihm angeblich dadurch entstanden sind, dass er, um die Ausgleichszulage zu erhalten, einen Wohnsitz in Österreich begründen und unterhalten musste. Soweit er Umzugskosten geltend macht, würde dies bedeuten, dass er seinen Wohnsitz aus der Bundesrepublik Deutschland nach Österreich verlagert hat mit der Folge, dass ein Anspruch auf Alg II schon dem Grunde nach nicht mehr gegeben wäre. Im Übrigen ist sein Vorbringen unschlüssig. Da die Ausgleichszulage rückwirkend ab 01.01.2003 zuerkannt wurde, mussten somit von ihm die Wohnsitzvoraussetzungen auch bereits ab diesem Zeitpunkt geschaffen worden sein, so dass er nicht damit gehört werden kann, die diesbezüglichen Aufwendungen seien in der Zeit vom 03.01. bis 31.03.2005 angefallen. Im Übrigen handelt es sich hierbei nicht um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben im Sinne des § 11 Abs.2 Nr.5 SGB II.

Die österreichischen Renten sind auch nicht Einnahmen, die gemäß § 11 Abs.3 Nr.1a SGB II einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die Invaliditätspension verfolgt eindeutig den Zweck, den Lebensunterhalt in gleicher Weise zu sichern wie das Alg II. Gleiches gilt für die Ausgleichszulage. Gemäß § 292 Abs.1 ASVG besteht ein Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension, wenn diese zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für den Berechtigten geltenden Richtsatzes (§ 293) erreicht. Es handelt sich somit um eine Aufstockung einer dem Lebensunterhalt dienenden Pension, die wie diese dem Zweck der Sicherung des Lebensunterhaltes dient.

Die Beklagte hat in ihrem Teilanerkenntnis vom 09.08.2007 berücksichtigt, dass sie bei einer Rückforderung der dem Kläger in der Zeit vom 03.01. bis 31.03.2005 erbrachten Leistungen gemäß § 40 Abs.2 Satz 1 SGB II nur 44 v.H. der erstatteten Kosten für Unterkunft und Heizung hätte zurückfordern können. Sie macht deshalb nach Anrechnung der Rentenleistungen auf die Regelleistung von dem für die Kosten der Unterkunft verbleibenden Anrechnungsbetrag nur 44 % geltend, nämlich für Januar 66,46 Euro und für Februar und März je 61,40 Euro.

Soweit der Kläger geltend macht, ein Erstattungsanspruch sei auch nicht in der dargestellten Höhe von 1.212,76 Euro gegeben, ist sein Begehren unbegründet.

Nicht mehr streitig war im Berufungsverfahren die Zeit ab 01.04.2005; insoweit hat sie die Beklagte im Übrigen zu einer Überprüfung des für diese Zeit bestehenden Erstattungsanspruches und zu einer rechtsbehelfsfähigen Verbescheidung bereiterklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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