L 11 KA 88/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 30/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 88/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 25.09.2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Honorarkürzungen für die Quartale 1/1999 bis 4/2001 in Höhe von (i.H.v.) 20.371,08 EUR.

Der Kläger ist seit Oktober 1996 in M zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In der Zeit vom 01.01.1999 bis 14.03.2000 war in seiner Praxis die Zahnärztin H als Ausbildungsassistentin tätig; anschließend bestand zwischen dem Kläger und dieser Zahnärztin bis zum 31.01.2001 eine Gemeinschaftspraxis.

Ab Juni 2000 (Anträge vom 20.06.2000, 18.07.2000, 10.08.2000, 30.08.2000, 19.02.2001, 23.04.2001, 25.04.2001, 25.03.2001, 27.04.2001, 30.11.2001, 30.01.2002, 08.05.2002) beantragten die beigeladenen Krankenkassen - Beigeladenen zu 2) bis 7) - die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Abrechnungen des Klägers für die Quartale 3/1998 bis 4/2001 wegen Überschreitungen bei den Fallkostenwerten und bei verschiedenen Gebührennummern (Nr. bzw. Nrn).

Demgegenüber machte der Kläger geltend, dass seine Praxis in einem ländlich strukturierten Gebiet mit einer geringen Zahnarztdichte liege; daraus resultiere eine langjährige zahnärztliche Unterversorgung. Unterversorgung und Praxisschließungen am Ort seien als Praxisbesonderheiten zu werten. Zudem habe er 1998 479, 1999 440 und 2000 432 (bzw. 436) Neupatienten behandelt; erst 2001 sei die Zahl der Neupatienten auf 288 zurückgegangen. Wegen der hohen Zahl der Neupatienten seien die Grundsätze zu einer Praxisneugründung anzuwenden. Zudem seien unter den Neupatienten durchschnittlich bis zu 50 % "schwere Fälle" gewesen. 15 % aller Patienten, fast alles Neupatienten, hätten bis zu 58,2 % der Gesamtpunktmenge verursacht. Ferner habe er 1999, insbesondere in fünf außerordentlichen Fällen, umfangreiche konservierend-chirurgische Leistungen bei behandlungsunwilligen Kindern erbracht. Bei der Überschreitung der Leistungen der Nr. 33 sei zu berücksichtigen, dass er Anfang 1999 ein Ultraschallgerät Piezon MasterR angeschafft habe, das zur Desinfektion gangränöser Wurzelkanäle und zur Entfernung der sogenannten "Smear-layer"-Schicht eingesetzt worden sei. Zudem sei die Überschreitung wegen des hohen Anteils von "Nullabrechnern" zu relativieren. Die relativ hohen Quoten bei den Nrn. 25 und 26 seien auf das gründliche Exkavieren kariöser Läsionen zurückzuführen. Die Mehraufwendungen bei den Nrn. 28, 32, 34 und 35 hätten zu erheblichen kompensatorischen Einsparungen bei den Extraktionen geführt. Die relative Häufigkeit der Nrn. 40 und 49 sei durch sehr starke Aktivität bei PAR- und ZE-Behandlungen begründet. Nahezu bei jeder Zahnpräparation für Kronen und Brücken entferne er mit einer Elektrotomnadel störendes Zahnfleisch. Außerdem habe er Kürettagen von Zahnfleischtaschen ohne PAR-Antrag nach dieser Nr. in Ansatz gebracht. Die erhöhte Abrechnung der Nr. 12 sei auf den Mehraufwand an Zahnersatz zurückzuführen. Der Zusammenhang mit den ZE-Leistungen sei zu berücksichtigen. Er habe im Rahmen dieser Behandlungen vermehrt zweiflächig abzurechnende ZE-Aufbaufüllungen angefertigt; hierbei seien vermehrt übermäßige Papillenblutungen zu stillen gewesen. Schließlich sei auch sei die Tätigkeit der Ausbildungsassistentin zu berücksichtigen.

Der Prüfungsausschuss kürzte das Honorar des Klägers für die Quartale 1/1999 bis 4/2001 i.H.v. 12.041,37 EUR (Beschlüsse vom 11.09.2002).

Dagegen legten sowohl der Kläger als auch die Krankenkassen Beschwerde ein. Der Kläger trug ergänzend vor, das praktizierte Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren sei nicht rechtmäßig. Honorarkürzungen aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung verstießen gegen Artikel (Art.) 3 und 12 Grundgesetz (GG). Die Entscheidung, welche zahnärztlichen Maßnahmen im Einzelfall indiziert seien, liege allein in der Verantwortung des Zahnarztes. Der Prüfungsausschuss habe die benannten Praxisbesonderheiten ebenso wie die kompensatorischen Einsparungen nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere wegen der hohen Zahl der Neupatienten sei die Aufbauphase seiner Praxis erst 2001 abgeschlossen gewesen. Auch die hohe Zahl der sog. "schweren Fälle" unter den Neupatienten hätte im Rahmen einer "bereinigten Statistik" herausgerechnet werden müssen. Die krankheitsbedingte Schließung der Praxis des Dr. I etwa über die Hälfte des Jahres 1999, die bei ihm zu erhöhter Behandlung von Schmerzpatienten geführt habe, sei nicht berücksichtigt worden. Deswegen, wegen der vielen Praxisbesonderheiten sowie wegen der durchgängig unterdurchschnittlichen Fallzahlen dürfe die Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht nach der Prüfmethode des statistischen Vergleichs durchgeführt werden.

Der Beklagte änderte die Entscheidungen des Prüfungsausschusses ab und kürzte das Honorar des Klägers, soweit der allgemeine Durchschnitt überschritten wurde, bei den Nrn. 12, 25 und 26 um 100 %, bei der Nr. 34 um 120%, bei der Nr. 38 um 110% und bei der Nr. 49 um 200 % (Beschluss vom 11.05.2005 (Bescheid vom 28.06.2005)). Das Honorar für Leistungen nach der Nr. 33 wurde in Höhe des doppelten Durchschnitts der Abrechner dieser Leistung anerkannt; die darüber hinaus berechneten Leistungen wurden gekürzt. Aus den Kürzungsmaßnahmen errechnete der Beklagte einen Erstattungsbetrag von 19.522,11 EUR. Im Oktober 2005 korrigierte der Beklagte die Höhe der Erstattungsforderung auf 20.371,08 EUR mit der Begründung, der Tenor der Entscheidung sei bei der Berechnung der Erstattungsforderung offensichtlich falsch umgesetzt worden.

Bei seiner Entscheidung ging der Beklagte von den statistischen Werten aus: Die Fallzahlen der Praxis des Klägers lagen um 7 % bis 64 % unter den Durchschnittswerten im Bereich der Beigeladenen zu 1). Die Fallkosten bewegten sich um 8 % bis 67 % über den maßgeblichen Durchschnittswerten. Überschreitungen der maßgeblichen Durchschnittswerte traten auf bei der Nr. 12 um bis zu 137 %, bei der Nr. 25 um bis zu 204 %, bei der Nr. 26 um bis zu 361 %, bei der Nr. 33 um bis zu 2475 %, bei der Nr. 34 um bis zu 267 %, bei der Nr. 38 um bis zu 197 % und bei der Nr. 49 um bis zu 1072 %. Im Prüfzeitraum behandelte der Kläger im Rahmen von systematischen PAR-Behandlungen im Durchschnitt etwa 8 Patienten mehr als in der statistischen Durchschnittspraxis.

In der Praxis des Klägers wurden im Prüfzeitraum im Rahmen von Zahnersatzbehandlungen etwa 55 Patienten pro Quartal mehr behandelt als im Durchschnitt.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Beklagte aus: Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Abrechnung des Klägers erfolge auf der Grundlage des statistischen Einzelleistungsvergleichs. Dabei seien sowohl der Gesamtfallwert als auch medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte (sog. Intellektuelle Prüfung) wie insbesondere Praxisbesonderheiten und kausale kompensatorische Einsparungen in die Prüfung einbezogen. Die unterdurchschnittlichen Fallzahlen stünden der statistischen Vergleichsprüfung nicht entgegen. Der Gesamtfallwert sei in den meisten Quartalen auffällig. Ein Mehraufwand bestehe bei den PAR-Behandlungen und im ZE-Bereich.

Die Praxisübernahme im Oktober 1996 könne nicht mehr berücksichtigt werden, da anders als bei einer Neugründung ein Patientenstamm übernommen worden sei und der Kläger die Praxis zu Beginn des Prüfzeitraums bereits mehr als zwei Jahre betrieben habe.

Eine zahnärztliche Unterversorgung könne lediglich zu einer stärkeren Frequentierung der vorhandenen Praxen führen. Der Behandlungsbedarf des einzelnen Patienten ändere sich dadurch nicht.

Bei den Nrn. 12, 25, 26, 34 und 49 seien die statistischen Werte aussagefähig, da diese Leistungen von der überwiegenden Zahl der Vertragszahnärzte im Bereich der Beigeladen zu 1) abgerechnet würden.

Leistungen nach Nr. 33 würden nur von 12 % der Vertragszahnärzte abgerechnet, sodass andere Vergleichsmaßstäbe anzusetzen seien. Die endodontische Abschlussquote liege beim Kläger zwischen 35 % und 96 % und daher im Mittel leicht unter dem Durchschnitt. Positive Auswirkungen durch die zusätzliche Anwendung anerkannter physikalisch-chemischer Methoden seien nicht festzustellen. Dem Mehraufwand im Bereich der Endodontie von 43.489,81 EUR stehe ein Minderaufwand bei den Extraktionen von 826,55 EUR gegenüber. Bei Ausklammerung der Nicht-abrechner sei dem Kläger unter Berücksichtigung des Mehraufwands bei den endodontischen Maßnahmen einerseits und den fehlenden Minderaufwendungen sowie der höchstens durchschnittlichen endodontischen Abschlussquote andererseits der doppelte Durchschnitt der Abrechner dieser Leistung zuzubilligen. Dies führe zur Kürzung von 34,2 Leistungen.

Leistungen nach Nr. 12 seien bei Abweichungen von bis zu 137 % auffällig. Auch im Verhältnis zu den Füllungen bestünden Auffälligkeiten. Der Mehraufwand bei den ZE-Behandlungen entkräfte allerdings die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit überwiegend. Lediglich in den vier Quartalen, in denen der Durchschnittswert um mehr als 100 % überschritten werde, könne diese Besonderheit nicht vollends greifen. Insoweit sei eine Kürzung des Honorars erforderlich. Damit sei dem Mehraufwand im ZE-Bereich einerseits und der auffälligen Abweichung der Fülltätigkeit andererseits auch unter Berücksichtigung des überdurchschnittlichen Leistungsansatzes bei der Nr. 49 Rechnung getragen. Die Überschreitungen bei der Nr. 34 um bis 267 % ließen Unwirtschaftlichkeit vermuten. Die Angaben des Klägers zur Mentalität der ländlichen Bevölkerung und zu seinem Bestreben um die Zahnerhaltung rechtfertigten die statistischen Abweichungen nicht; die Gebote der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit seien nicht ausreichend beachtet worden. Der erhöhte Aufwand bei der Nr. 34 habe eben nicht zu einer signifikanten Erhöhung der Erfolgsquote bei der konservativen Endodontie geführt. Auch das Verhältnis zu den Leistungen nach den Nrn. 29 und 31 sei auffällig. Die Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses liege bei 120 % über dem allgemeinen Durchschnitt.

Bei der Nr. 49 werde der Vergleichswert um 1.072 % überschritten; schon dies begründe die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit. Die nahezu bei jeder Zahnpräparation vorgenommene Entfernung störenden Zahnfleischs mittels Elektrotomnadel müsse als unwirtschaftlich bezeichnet werden. Im PAR-Bereich bestehe kein Ausgleich in Form eines Minderaufwands. Auch bei der Nr. 12 liege ein Mehraufwand vor. Eine teilweise Rechtfertigung für den Mehraufwand bei der Nr. 49 ergebe sich aus den überdurchschnittlichen ZE-Behandlungen. Der Mehraufwand bei der Nr. 49 liege bei 1.830 Leistungen. Eine Toleranz von 200 % über dem allgemeinen Durchschnitt sei unter Abwägung des Mehr- und Minderaufwands gerechtfertigt.

Die statistischen Abweichungen bei der Nr. 38 seien zumindest in den Quartalen mit über 100% Überschreitung auffällig. Der Kläger habe 51 Zahnentfernungen über dem allgemeinen Durchschnitt vorgenommen. Dem stehe ein Mehraufwand von 758 Leistungen nach der Nr. 38 gegenüber. Die Zahl der durch MKG-Chirurgen vorgenommenen Maßnahmen könne nicht entscheidend groß sein, da der Kläger Behandlungen nach Nr. 48 selbst durchgeführt habe. Ihm sei gleichwohl eine Toleranz von 110 % über dem allgemeinen Durchschnitt zuzugestehen.

Die Leistungen nach Nrn. 25 und 26 - Abweichungen bis zu 204% bzw. 361% - seien im Verhältnis zur Fülltätigkeit zu beurteilen. Kausale Einsparungen bei den Extraktionen oder bei der Endodontie lägen nicht vor. Das Bemühen des Klägers um Erhaltung der Zähne stelle ihn nicht von dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Behandlung frei. Die Anwendung einer Färbelösung zur Unterscheidung von Dentinschichten sei keine Praxisbesonderheit. Soweit der Kläger konkret auf die Behandlung von fünf behandlungsunwilligen Kindern im Jahre 1999 verweise, habe dies keine relevanten Auswirkungen auf die statistischen Daten, zumal in jeder Praxis Ausnahmefälle zu behandeln seien. Eine deutliche Auffälligkeit sei im Verhältnis zu den Füllungen festzustellen. Die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis liege unter Berücksichtigung dieses auffälligen Verhältnisses bei 100 % über dem Durchschnitt.

Mit seiner Klage vom 01.07.2005 hat der Kläger sein Vorbringen vertieft: Im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten habe keine wirksame Prüfvereinbarung bestanden. Die Geltungsdauer der am 17.02.2004 geschlossenen Vereinbarung sei nämlich bis zum 30.09.2004 befristet gewesen. Erst im August 2005 sei durch Unterschrift der Vertragspartner eine Prüfvereinbarung - wieder - wirksam geworden.

Auf die der Wirtschaftlichkeitsprüfung zugrunde gelegten Statistiken könne nicht abgestellt werden. Sein Praxiskonzept des möglichst vollständigen Durchsanierens der Mundhöhle führe zu niedrigen Scheinzahlen; dadurch entstünden krasse statistische Verzerrungen des Abrechnungsbildes. Wegen der unterschiedlichen Behandlungskonzepte bestehe keine Homogenität der Gruppe der Vertragszahnärzte. Es sei ein Sachverständigengutachten über die sich zum Nachteil des Vertragszahnarztes auswirkenden Folgen des zeitgemäßen Praxiskonzepts des kompletten Durchsanierens der Mundhöhle einzuholen.

Der Beklagte habe Praxisbesonderheiten - die über dem Durchschnitt liegenden PAR- und ZE-Behandlungen, die vielen Neupatienten mit einer höheren Morbidität - ebenso wenig berücksichtigt, wie den Umstand, dass die Aufbauphase seiner Praxis wegen der hohen Zahl von Neupatienten erst im Laufe des Jahres 2001 abgeschlossen gewesen sei. Zwar sei die Ausbildungsassistentin keine Praxisbesonderheit, sie habe aber zusätzlich viele neue Patienten "angelockt" und damit die Aufbauphase verlängert. Gleichermaßen sei die langjährige zahnärztliche Unterversorgung im ländlichen Bereich seiner Praxis zu berücksichtigen.

Die endodontische Abschlussquote in seiner Praxis liege über dem Durchschnitt; es seien nämlich positive Auswirkungen aufgrund der zusätzlichen Anwendung der anerkannten physikalisch-chemischen Methode festzustellen. Zudem gebe es auch kompensatorische Einsparungen bei den Extraktionen; bei der X1 betrage der Minderaufwand 18 % und bei der X2 1 %. Die etwas häufigere Abrechnung der Nr. 45 beruhe darauf, dass verhältnismäßig mehr nicht erhaltungswürdige Zähne hätten extrahiert werden müssen. Bei der Nr. 12 bestehe ein erheblicher Mehraufwand, weil diese Leistungen sowohl bei Füllungen als auch ZE-Präparationen bei ausschließlicher Nutzung von Kunststofffüllungen zur Abrechnung gekommen seien.

Die hohe Endodontietätigkeit und die vergleichsweise erhöhte Notdiensttätigkeit bedinge den erhöhten Mehrbedarf bei der Nr. 34.

Bei der Nr. 49 seien die überdurchschnittliche prothetische Abrechnung und die überdurchschnittlichen PAR-Behandlungen bei der Nr. 49 zu berücksichtigen.

Da sowohl die größeren chirurgischen Leistungen als auch die Inzisionen weit überdurchschnittlich abgerechnet würden, sei auch ein Mehrbedarf an Nachbehandlungen zuzubilligen (Nr. 38).

Dem Mehraufwand bei den Nrn. 25 und 26 stehe ein Minderaufwand bei den Extraktionen gegenüber.

Der u.a. auf dieses Vorbringen gestützte Antrag des Klägers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen, ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Sozialgerichts (SG) Münster vom 27.12.2005, Beschluss des erkennenden Senats vom 29.03.2006 - L 11 B 11/06 KA -): Der Beklagte sei auf der Grundlage einer wirksamen Prüfvereinbarung tätig geworden. Zwar sei die Prüfvereinbarung vom 17.02.2004 bis zum 30.09.2004 befristet gewesen, die Vertragspartner hätten aber mit Vereinbarung vom 29.09.2004 wirksam die Weitergeltung der Prüfvereinbarung ab dem 01.10.2004 geregelt. Die Vereinbarung sei rückwirkend in Kraft getreten, da sie erst mit Unterzeichnung aller Vertragspartner im August 2005 zu Stande gekommen sei. Gegen die Rückwirkung bestünden keine Bedenken. Selbst wenn von einer echten Rückwirkung ausgegangen werde, sei diese zulässig. Mit der Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der Wirtschaftlichkeitsprüfungen sei es unvereinbar, wenn Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab einem bestimmten Zeitpunkt ausgesetzt werden müssten, zumal die Fortführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen dem offenkundigen Willen der Vertragspartner entsprochen habe und schützenswertes Vertrauen von Vertragszahnärzten, deren Abrechnungen vor dem 01.10.2004 Prüfgegenstand seien, nicht bestanden habe. Im Übrigen habe die Klage geringe Erfolgsausichten. Die von dem Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte einer Anfängerpraxis, ein modernes und zeitgemäßes Praxiskonzept oder die Anwendung einer Farblösung zur Einfärbung kariösen Dentins seien keine Praxisbesonderheit; das Vorbringen einer ländlichen Patientenstruktur mit stark erhöhter Morbiditätsrate sei unsubstantiiert.

Der Kläger hat beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 11.05.2005 (Bescheid vom 28.06.2005) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Prüfungsausschusses vom 11.09.2002 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, hilfsweise das im Schreiben vom 20.09. 2006 genannte Sachverständigengutachten einzuholen.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 2) bis 4) und 6) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat u.a. vorgetragen: Rechtserhebliche Praxisbesonderheiten seien nur solche Umstände, die aus einem besonderen Behandlungsbedarf des jeweiligen Patientenklientels herrührten. Niedrige Fallzahlen, das zeitweilige Schließen einer Zahnarztpraxis am selben Ort und eine Ausbildungsassistentin seien keine Praxisbesonderheiten. Die Lage einer Praxis in einem unterversorgten ländlichen Bereich kennzeichne ebenfalls nicht zwangsläufig einen besonderen Patientenzuschnitt. Eine Praxisübernahme und eine hohe Anzahl von Neupatienten seien nur dann zu beachten, wenn damit ein erhöhter Behandlungsbedarf dieser Patienten verbunden sei. Diesen habe der Kläger nicht konkret dargelegt. Er - der Beklagte - habe insoweit nur einen geschätzten Mehraufwand berücksichtigen können. Er habe den Mehraufwand beim Zahnersatz, bei den PAR-Behandlungen und der Endodontie berücksichtigt und sich mit geltend gemachten kompensatorischen Einsparungen auseinandergesetzt. Im Übrigen seien bei den von einer Honorarkürzung betroffenen Leistungen großzügig bemessene Toleranzen belassen worden.

Das SG Münster hat die Klage mit Urteil vom 25.09.2006 abgewiesen: Ausgehend von den im Einzelnen dargelegten, mit dem Grundgesetz in Übereinklang stehenden rechtlichen Grundlagen über die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Abrechnung vertragszahnärztlicher Leistungen sei die Entscheidung des Beklagten rechtmäßig.

Der Beklagte sei berechtigt gewesen, die Entscheidung auf die verwendeten statistischen Unterlagen zu stützen. Das Vorbringen des Klägers, aufgrund der unterschiedlichen Behandlungskonzepte bestehe keine Homogenität der Gruppe der Vertragszahnärzte, sei unerheblich. Ausgangspunkt der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei nämlich nicht das Behandlungskonzept bzw. das -verhalten des Vertragszahnarztes, sondern der auf den Patientenstamm entfallende Behandlungsbedarf. Da der Beklagte seine Entscheidung auf ausreichend aussagefähiges statistisches Datenmaterial gestützt habe, sei dazu auch kein Sachverständigengutachten einzuholen.

Unschädlich sei, dass im Bescheid vom 28.06.2005 die Toleranzen bei den Nrn. 34 und 38 falsch ausgewiesen worden seien. Sie seien im Tenor zutreffend festgelegt, so dass der Beklagte die offensichtlichen Unrichtigkeiten habe berichtigen können.

Praxisbesonderheiten seien nicht festzustellen. Die Praxis sei im Prüfzeitraum nicht als Anfängerpraxis bzw. als neu gegründete Praxis anzusehen; eine Praxisneugründung könne über vier Quartale hinaus nur unter besonderen Umständen als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Gleiches gelte hinsichtlich des von dem Kläger vorgetragenen erhöhten Anteils von Neupatienten. Es bestehe kein Erfahrungssatz, dass mit einem hohen Anteil von Neupatienten gleichzeitig ein erhöhter Behandlungsbedarf verbunden sei. Ggf. sei ein erhöhter Sanierungsbedarf bei Neupatienten zu berücksichtigen; dies habe der Kläger aber dem Beklagten nicht substantiiert dargelegt. Die Tätigkeit einer Ausbildungsassistentin sei ebenfalls nicht als Praxisbesonderheit anzuerkennen, weil deren Tätigkeit nicht zur Ausweitung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit führen dürfe (§ 32 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte). Die Gründung einer Gemeinschaftspraxis stelle keine Praxisbesonderheit dar, da die Tätigkeit einer zweiten Vertragszahnärztin keinen Einfluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient habe. Die Angaben des Klägers zur ländlichen Patientenstruktur mit hoher Morbiditätsrate seien unsubstantiiert, zumal in die vom Beklagten verwendeten statistischen Unterlagen auch die Abrechnungswerte anderer Praxen aus ländlich strukturierten Gebieten eingeflossen seien. Die Schließung einer Praxis in Lichtenau habe keinen Einfluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient; sie könne allenfalls zu einer Erhöhung der Fallzahlen führen. Auch die unterdurchschnittlichen Fallzahlen stünden einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach statistischen Durchschnittswerten nicht entgegen, da diese Fallzahlen über der maßgeblichen Grenze von 20 % der durchschnittlichen Fallzahlen im Bezirk der Beigeladenen zu 1) lägen. Das vom Kläger geltend gemachte moderne Behandlungskonzept sei nicht zu berücksichtigen. Ein vom Durchschnitt abweichendes Behandlungskonzept habe nämlich keinen Einfluss auf den Behandlungsbedarf pro Patient. Nur wenn ein erhöhter Behandlungsbedarf ein besonderes Behandlungskonzept erforderlich mache, könne dies zu berücksichtigen sein. Einen erhöhten Behandlungsbedarf i.d.S. habe der Kläger nicht substantiiert dargelegt. Der Umfang der Notdienstbehandlungen durch den Kläger sei nicht im Einzelnen festzustellen gewesen, da auch in anderen Praxen Notdienste anfielen, die ebenso wie die Leistungen des Klägers in die statistischen Daten einflössen. Die erhöhten Abrechnungswerte bei den PAR- und den ZE-Behandlungen sowie im Bereich der Endodontie habe der Beklagte bei den einzelnen Nrn. berücksichtigt und in seine Überlegungen über den Umfang der jeweiligen Kürzungen einbezogen.

Auch das Vorbringen des Klägers gegen die einzelnen Kürzungsmaßnahmen sei unerheblich. Die Behauptung, der Umfang der auf die Nr. 49 entfallenden Leistungen sei auf sein Behandlungskonzept und den darauf beruhenden regelmäßigen Einsatz einer Elektrotomnadel zur Entfernung störenden Zahnfleischs im Rahmen von Zahnpräparationen für Kronen und Brücken zurückzuführen, sei irrelevant. Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass die routinemäßige Anwendung dieser Maßnahme unwirtschaftlich sei, da eine auf den Behandlungsbedarf ausgerichtete Leistungserbringung hierdurch nicht gewährleistet werde. Die Bestimmung der Toleranz auf 200 % über den Durchschnitt sei nicht ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe dabei die überdurchschnittlichen PAR- und ZE-Behandlungen sowie den Mehraufwand bei der Nr. 12 berücksichtigt. Zutreffend sei, dass die ZE-Maßnahmen die Überschreitung der Durchschnittswerte bei der Nr. 49 um bis zu 1072 % nicht in vollem Umfang rechtfertigen können.

Der Beklagte habe bei der Kürzung der Leistungen nach den Nrn. 25 und 26 zunächst zu Recht die Anwendung einer Färbelösung, mit der kariöses Dentin eingefärbt werde, nicht als Praxisbesonderheit anerkannt. Der Kläger mache insoweit wieder geltend, aufgrund des von ihm gewählten Konzepts gründlicher und sorgfältiger als der Fachgruppendurchschnitt zu behandeln. Die Behandlung von Kindern sei nicht als Praxisbesonderheit zu werten, da es an substantiierten Angaben des Klägers fehle. Die für das Jahr 1999 benannten fünf Behandlungsfälle seien nicht geeignet, einen berücksichtigungsfähigen erhöhten Behandlungsbedarf von Kindern darzulegen. Zutreffend werde auch auf das Verhältnis zu den Füllungen abgestellt. Eine schlüssige Begründung für das im Vergleich zum Durchschnitt insoweit auffällige Verhältnis habe der Kläger nicht geben können.

Hier wie auch bei der Nr. 38 habe der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis mit einer Toleranz von 110 % ermessensfehlerfrei festgelegt. Auch zur Nr. 38 sei das Vorbringen des Klägers unerheblich. Die genaue Zahl der Nachbehandlungen nach chirurgischen Eingriffen durch einen Kieferchirurgen habe er nicht genannt; er habe chirurgische Leistungen auch selber erbracht. Der Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass auch in anderen Praxen Nachbehandlungen nach chirurgischen Eingriffen durch einen Kieferchirurgen durchgeführt würden und diese Leistungen ebenfalls in die statistischen Daten einflössen. Ein relevanter Minderbedarf bei den Extraktionen sei nicht gegeben. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung könne nicht nur auf die Abrechnungswerte bei den Nrn. 43 und 44 abgestellt werden. Da die Leistungen der Nr. 38 auch bei anderen chirurgischen Maßnahmen abrechnungsfähig seien, sei auf die gesamten vom Kläger erbrachten chirurgischen Leistungen abzustellen. Ebenso wie bei den Nrn. 25 und 26 habe der Kläger den Umfang der Kinderbehandlungen und die daraus resultierende Notwendigkeit der Erbringung von Leistungen nach Nr. 38 nicht näher spezifiziert.

Die Kürzungen der Leistungen nach Nr. 34 seien nicht zu beanstanden. Den Mehraufwand im Bereich der Endodontie habe der Beklagte in seine Überlegungen einbezogen. Zu Recht sei er aufgrund der vorhandenen statistischen Daten von einer höchstens durchschnittlichen Abschlussquote in der Praxis des Klägers ausgegangen.Auch bei anderen Praxen werde die abschließende Füllung eines Wurzelkanals nach einer Wurzelspitzenresektion durch den Kieferchirurgen durchgeführt. Damit würden auch in anderen Praxen die statistischen Daten, aus denen sich die Abschlussquote ermitteln lasse, beeinflusst. Gleiches gelte für die im Rahmen des Notfalldienstes behandelten Schmerzpatienten, die durch den Hauszahnarzt weiterbehandelt würden. Ferner sei das Verhältnis zu den Leistungen nach den Nrn. 29 und 31 zu Recht berücksichtigt und seien ebenfalls statistische Auffälligkeiten festgestellt worden, die die Annahme der Unwirtschaftlichkeit der Leistungserbringung rechtfertigten. Bei der Bestimmung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis mit 120 % habe der Beklagte sämtliche relevanten Umstände, insbesondere den Mehraufwand im Bereich der Endodontie, berücksichtigt.

Die auf die Nrn. 12 und 33 entfallenden Kürzungen seien rechtmäßig. Bei der Kürzung nach der Nr. 12 sei der Beklagte davon ausgegangen, dass der Mehraufwand bei den ZE-Maßnahmen die aus dem Abrechnungsverhalten des Klägers sich ergebende Vermutung der Unwirtschaftlichkeit überwiegend entkräfte. Er habe sich dementsprechend auf die Quartale beschränkt, in denen die Abrechnungswerte die Durchschnittswerte um mehr als 100 % überschritten. Nicht zu beanstanden sei, dass der Beklagte daneben die auffällige Abweichung im Verhältnis zu den Füllungen und den Mehraufwand bei den Leistungen nach Nr. 49 berücksichtigt habe. Allenfalls zweifelhaft sei, ob überhaupt eine Toleranz oder zumindest eine geringere Toleranz als 100 % über dem Durchschnitt zu gewähren sei.

Bei der Kürzung der Leistungen nach der Nr. 33 seien die Nichtabrechner ausgeklammert worden. Positive Auswirkungen durch die Anwendung anerkannter physikalisch-chemischer Methoden seien nicht festzustellen, da eine allenfalls durchschnittliche Abschlussquote bei den Endodontiemaßnahmen bestehe. Den erhöhten Leistungsumfang in anderen Bereichen habe der Beklagte im Rahmen der dem Kläger gewährten Toleranz mir der Folge berücksichtigt, dass nur rund 34 Leistungen nach der Nr. 33 gekürzt worden seien.

Gegen das am 09.10.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.10.2006 Berufung eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt, nämlich u.a.: Als elementare Praxisbesonderheit sei sein zeitgemäßes modernes Praxiskonzept zu berücksichtigen. Es könnten nur weniger Patienten mit vergleichsweiser hoher Morbiditätsrate durchsaniert werden als bei der herkömmlichen Zahnheilkunde. Folge sei eine niedrige Fallzahl bei hohen Fallwerten. Eine entsprechende Homogenität innerhalb der Zahnärztegruppe bestehe nicht. Zu beachten seien zudem die besondere ländliche Patientenklientel, deren vergleichsweise hohe Morbiditätsrate sowie die stark erhöhte Zahl der Neupatienten mit oftmals hohem Sanierungsbedarf. Letzteres belege die hohe Endodontierate, das hohe Aufkommen von tiefen kariösen Läsionen, insbesondere der hohe ZE- und PA-Sanierungsbedarf. Auch das Aufkommen von neuen Patienten aufgrund von Praxisschließungen und der Einstellung einer Ausbildungsassistentin bzw. Aufnahme einer Sozia in Gemeinschaftspraxis sei ebenso in die Beurteilung einzubeziehen wie die Kinderbehandlung in insbesondere fünf schweren Fällen, die überdurchschnittliche Notdienstrate mit vornehmlicher Schmerzbehandlung und der Umfang der kompensatorischen Einsparungen insbesondere auf dem Gebiet der Extraktionen ein- und mehrwurzeliger Zähne. Zu der zugrundeliegenden Problematik sei ein objektiv-unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen. Zudem sei seine Praxis analog einer Anfängerpraxis zu behandeln. Es habe auch keine wirksame Prüfvereinbarung bestanden. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung, insbesondere in der in Westfalen-Lippe praktizierten Form verstoße gegen Art. 3 und 12 GG. Im Übrigen sei das Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens nach Durchschnittswerten zum 01.01.2004 abgeschafft und durch das sog. "Zufälligkeitsverfahren" ersetzt worden. Damit hätte ein Wirtschaftlichkeitsprüfverfahrens nach Durchschnittswerten nicht durchgeführt werden dürfen. Ferner sei keine rechtlich getrennte Wertung zwischen Honorarkürzungen infolge einer Wirtschaftlichkeitsprüfung und aufgrund des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) möglich. Wegen ihrer doppelt benachteiligenden Wirkung müssten die Kürzungen gemeinsam bewertet werden. Deshalb sei der beim Senat geführte Rechtsstreit L 11 KA 105/06 einzubeziehen. Es seien parallel und zeitgleich Kürzungen aufgrund Wirtschaftlichkeitsverfahren sowie nach HVM erfolgt. Hinsichtlich der Einzelpositionen sei zusammenfassend festzuhalten, das nur individuelle, erfahrungsgemäß erfolgreiche Behandlungsmethoden zur Anwendung gelangt seien, die trotz teilweise verhältnismäßig hoher Überschreitungen der sog. Durchschnittswerte begründet und zu tolerieren seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Münster abzuändern, den Beschluss des Beklagten vom 11.05.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm das gesamte unrechtmäßig gekürzte Honorar einschließlich Zinsen zu erstatten hilfsweise Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens einzuholen zu dem Beweisthema "Die benachteiligenden Folgen von HVM nach § 85 SGB V und gleichzeitig-parallel - in ihrer Summation sowie für sich allein -Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren nach §§ 12, 106 SGB V, beide mit dem Hauptkürzungskriterium Durchschnittswerte für zeitgemäß nach Zahnheilkundegesetz zeitgemäßer (zahn-)medizinischer Wissenschaft sowie aktueller Lehre und §§ 2 Abs. 1 Satz 3 sowie 76 Abs. 4 SGV praktizierende Vertragspraxen hier auf gültiger Bema-Basis."

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die allgemeinen Ausführungen des Klägers stünden nicht im Einklang mit der Rechtsprechung; dies gelte u.a. für das Verhältnis zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung und Honorarbegrenzungsregeln, die angebliche Untauglichkeit des Prüfungsverfahrens nach Durchschnittswerten und die angeblich fehlende Homogenität innerhalb der Gruppe der konservierend/chirurgischen behandelnden Vertragszahnärzte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Akten des SG Münster - S 2 KA 146/01 und S 2 KA 38/05 ER - Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht.

Da der Kläger im Berufungsverfahren im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und insoweit keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen hat, nimmt der Senat zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in seinem Beschluss vom 11.05.2005 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil des SG und die Gründe in seinem Beschluss vom 29.03.2006 - L 11 B 11/06 KA - Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist - insbesondere im Hinblick auf die weiteren noch anhängigen Prüfverfahren und das von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Vorbringen - auszuführen:

Rechtsgrundlage der durchgeführten Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 SGB, der bis zum 31.12.2003 die Prüfung nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode vorsah. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 wurden erhebliche Veränderungen bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorgenommen und die Zufälligkeitsprüfung (Stichprobenprüfung, § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V) und die Richtgrößenprüfung (§ 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V) in den Vordergrund gestellt. Dies bedeutet allerdings entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass das Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren nach Durchschnittswerten zum 01.01.2004 abgeschafft worden ist. Vielmehr können die Vertragpartner auf Landesebene - wie auch vorliegend in § 8 der Prüfvereinbarung für Wirtschaftlichkeits- und Richtgrößenprüfung nach § 106 SGB V (Westfälisches Ärzteblatt 9/2004, S. 55 ff) wirksam geschehen - die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten vereinbaren.

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken dagegen bestehen nicht (vgl. dazu BSG, Urteil vom 16.07.2003 - B 6 KA 45/02 R - in SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 mit Hinweis auf die std. Rspr. z.B. BSGE 84, 85, 86 = SozR 3-2500 § 106 Nr. 47 S. 250; SozR a.a.O. Nr. 51 S. 272; SozR a.a.O. Nr. 55 S 306). Diese rechtliche Beurteilung ist, soweit der Beweisantrag des Klägers darauf abzielt, einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten nicht zugänglich. Beweis kann nur über Tatsachen, aber nicht zu Rechtsfragen (mit Ausnahme der Regelungen über das in einem anderen Staate geltende Recht - § 202 SGG i.V.m. § 293 Zivilprozessordnung) erhoben werden.

Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (s.o.) werden die Abrechnungswerte des (Zahn-)Arztes mit denjenigen der Fachgruppe verglichen. Ergibt die Prüfung, dass die Abrechnungswerte in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den durchschnittlichen Werten seiner Fachkollegen stehen, sie nämlich in einem Ausmaß überschreiten, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, so hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (st. Rspr. a.a.O.). Dieser wird nur dann entkräftet, wenn der betroffene Arzt darlegt - und sich dies als zutreffend erweist -, dass bei seiner Arztpraxis besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende Umstände vorliegen, die für die zum Vergleich herangezogenen Ärzte untypisch sind.

Der Kläger hat indes nicht hinreichend schlüssig dargelegt, dass die maßgebenden Leistungsbedingungen so verschieden sind, dass von einem statistischen Vergleich keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit einer Leistung oder eines Leistungskomplexes zu erwarten sind (BSG, a.a.O.).

Davon ausgehend begegnet es keinen Bedenken, dass der Beklagte als Vergleichsgruppe die Vertragszahnärzte im Bereich der Beigeladenen zu 1) herangezogen hat. Der Hinweis des Klägers auf die hohe Morbidität einerseits aufgrund der ländlichen Lage seiner Praxis und anderseits aufgrund der Übernahme von Patienten wegen Praxisschließungen führt nicht weiter. Der Kläger hat dem Beklagten bereits keine konkreten Umstände substantiiert dargetan, aufgrund derer davon auszugehen sein könnte, dass bei seinen Patienten ein höher Krankenstand besteht. Zu Recht hat der Beklagte dazu ausgeführt, dass eine Darlegung, welcher Behandlungsaufwand im Einzelfall tatsächlich erforderlich war, nicht erfolgt ist. Darüber hinaus besteht auch kein dahingehender Erfahrungssatz, dass Patienten in der Stadt gesünder sind und weniger zahnärztlicher Behandlung bedürfen als die auf dem Land (s. auch Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.11.2001 - L 5 KA 2438/99 -). Dies gilt umso mehr, als im Bereich der Beigeladenen zu 1) schon aufgrund der geographischen Lage eine Vielzahl von Zahnarztpraxen mit ländlich strukturiertem Einzugsbereich existieren, deren Abrechnungswerte in die zugrunde gelegte Statistik eingeflossen sind. Ebenso kann nicht als Erfahrungssatz zugrunde gelegt werden, dass Patienten sich in der Regel nicht in (zahn-)ärztliche Behandlung begeben, weil ihr sie bisher behandelnder (Zahn-)Arzt seine Praxis aufgegeben hat, sie deshalb eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in Kauf nehmen und dass infolge dessen bei Aufnahme der Behandlung durch einen anderen (Zahn-)Arzt ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht.

Die Bezugnahme des Klägers auf den Rechtsstreit L 11 KA 105/06 LSG NRW, der durch Urteil vom 03.09.2007 abgeschlossen wurde, geht fehl. In diesem Rechtstreit war die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen bzw. -rückforderungen im Jahr 2003 auf Grund des HVM der Beigeladen zu 1) streitig; es besteht somit bereits keine zeitliche Verknüpfung. Soweit der Kläger darauf hinweist, dass auch in dem hier anstehenden Prüfungszeitraum Kürzungen aufgrund Honorarbegrenzungsregeln erfolgt sind, ist dies grundsätzlich unschädlich. Während die Budgetierung durch HVM das Ziel hat, den Anreiz zu einer vermehrten Erbringung von Leistungen zu verringern und angesichts der "gedeckelten" Gesamtvergütung einem Punktwertverfall entgegenzuwirken, soll die Wirtschaftlichkeitsprüfung den Arzt zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) anhalten. Beide Maßnahmen stehen daher nebeneinander (vgl. auch BSG, SozR 4-2500 § 106 Nr. 4).

Auch diese Frage ist einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich. Im Übrigen stand die Ermittlung des Erstattungsbetrages durch den Beklagten unter dem Vorbehalt der Anwendung der jeweils geltenden Anlage zum HVM und der Anwendung der Degression gem. § 85 Abs. 4b SGB V. Die Umsetzung - nämlich die Vermeidung einer von dem Kläger geltend gemachten "doppelten" Belastung (vgl. dazu BSG vom 15.05.2002 - B 6 KA 30/00 R -) - ist in zwischenzeitlich bindenden Honorabescheiden erfolgt und nicht Streitgegenstand.

Wie das SG hat auch der Senat hat keinen Anlass gesehen, entsprechend dem Antrag des Klägers ein Sachverständigengutachten zu dem von ihm benannten Beweisthema einzuholen. Der Kläger hat keine durch ein Sachverständigengutachten zu klärende Fragestellung aufgeworfen, die entscheidungserheblich sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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