L 8 AL 404/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 486/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 404/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) samt Rückforderung von bereits gewährten Leistungen streitig.

Der 1968 geborene, aus Ecuador stammende Kläger meldete sich am 19.11.2001 beim Arbeitsamt E. unter der Anschrift "A., W." arbeitslos und beantragte Alg, das ihm mit Bescheid vom 11.03.2002 bzw. 14.03.2002 ab 22.11.2001 bzw. 01.01.2002 bewilligt wurde.

Nachdem die Beklagte von dem am 01.05.2002 in die H.straße , M. , erfolgten Umzug erfahren hatte, stellte sie die Zahlung von Alg zum 31.07.2002 ein, hob mit Bescheid vom 29.08.2002 nach entsprechender Anhörung (Schreiben vom 20.08.2002) die Bewilligung ab 01.05.2002 ganz auf und forderte das bereits geleistete Alg für die Zeit vom 01.05.2002 bis 31.07.2002 zurück. Mit weiterem Bescheid vom 17.10.2002 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg (nochmals) ab 01.05.2002 auf und führte aus, der Kläger sei aufgrund des Umzuges für das Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) nicht erreichbar gewesen und habe daher keinen Leistungsanspruch. Der Bescheid werde gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Bereits mit Schreiben vom 20.09.2002 hatte der Kläger Widerspruch erhoben, der mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003 zurückgewiesen wurde.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht München - SG - nach Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (Beschluss vom 04.07.2005) mit Urteil vom 22. September 2005 abgewiesen und ausgeführt, für die Kammer stehe fest, dass der Kläger ab 01.05.2002 nicht mehr unter seiner Anschrift in W. gewohnt habe. Die vom Kläger vorgetragene Zusicherung eines Bediensteten des Einwohnermeldeamtes, er brauche sich nicht um eine Meldung beim Arbeitsamt zu kümmern, sei lebensfremd und unglaubwürdig. Die Verpflichtung, jeden Wohnortwechsel unverzüglich anzuzeigen, treffe ausschließlich den Kläger persönlich. Der Kläger habe auch grob fahrlässig gehandelt. Das Merkblatt der Beklagten, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger bestätigt habe, enthalte auch den Hinweis, dass jede Veränderung des Wohn- und Aufenthaltsortes unverzüglich dem Arbeitsamt mitzuteilen sei. Dies habe der Kläger nicht rechtzeitig getan. Wenn ein Ausländer mit Sprachschwierigkeiten Hinweise in deutschen Vordrucken oder Behördenschreiben nicht verstehe, müsse er sich Klarheit über deren Inhalt verschaffen. Er sei auch nicht lediglich in eine Nachbargemeinde verzogen. Die Stellung eines Nachsendeauftrags führe damit nicht zur Annahme einer durchgängigen Erreichbarkeit des Klägers, zumal für den neuen Wohnort des Klägers ein anderes Arbeitsamt, hier das Arbeitsamt M. , zuständig sei.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegt. Er habe das Merkblatt, welches in deutscher Sprache abgefasst sei, nicht gekannt. Ihm sei vom Einwohnermeldeamt auf ausdrückliche Nachfrage versichert worden, der Wohnortwechsel werde dem Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit) mitgeteilt. Er sei über einen Postnachsendeauftrag für die Beklagte durchgängig erreichbar gewesen, da er sich in einer Nachbargemeinde zu F. in M. aufgehalten habe. Die Bewilligung eines Deutschkurses durch die Beklagte zeige weiter, dass er die Hinweise des Merkblattes nicht habe lesen können. Die Beklagte könne sich nicht auf die Übergabe eines 60seitigen Merkblattes beschränken.

Der Kläger beantragt, die Bescheide vom 29.08.2002 und vom 17.10.2002 sowie den Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.09.2005 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kläger sei nicht in eine Nachbargemeinde aus dem Bereich des Arbeitsamtes (jetzt: Agentur für Arbeit) E. gezogen. Sie vertritt die Auffassung, der Kläger habe durch seine Abmeldung dokumentiert, dass er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sei und somit unter der Adresse in H. nicht mehr erreichbar gewesen sei. Weiter habe er am 05.11.2002 gegenüber dem Arbeitsamt M. (jetzt: Agentur für Arbeit) unterschriftlich bestätigt, seit Mai 2002 dauernd von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Der Kläger habe selbst erklärt, er habe gute Deutschkenntnisse. Diese Deutschkenntnisse seien auch in seinem Bewerberangebot vermerkt. Dem Kläger sei bei der Aushändigung des Merkblatts auch erklärt worden, dass diesem Merkblatt eine gewisse Wichtigkeit zukomme. Der Kläger sei verpflichtet, sich Klarheit über den Inhalt zu verschaffen, beispielsweise durch die Bitte nach einem Aufklärungsgespräch. Zur Mitteilung des Umzugs sei allein der Kläger verpflichtet gewesen. Im Falle einer entsprechenden Mitteilung hätte er eine entsprechende Aufklärung erhalten, gegebenenfalls mit einem Dolmetscher auch in der Muttersprache. Der Kläger habe in seinem Heimatland Ecuador das Abitur gemacht, er sei somit auch hinreichend gebildet und es sei ihm zu unterstellen, dass er wisse, dass es diese Möglichkeit gebe. Außerdem habe der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits einige Zeit in Deutschland gelebt und bereits am Arbeitsleben teilgenommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und der Akten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG). Die Berufung hat keinen Erfolg, da das SG die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen hat.

Streitgegenstand ist die Aufhebung der Bewilligung von Alg für den Zeitraum vom 01.05.2002 bis 31.07.2002 sowie die Rückforderung bereits gewährter Leistungen (Bescheide vom 29.08.2002 und 17.10.2002; Widerspruchsbescheid vom 31.03.2003). Statthaft ist die Anfechtungsklage. Der Aufhebungsbescheid vom 17.10.2002 ist gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des Widerspruchsverfahrens und damit auch des Klageverfahrens geworden, da der Regelungsgegenstand dieses neuen Verwaltungsakts mit dem des früheren vom 29.08.2002 identisch ist (vgl. zur Einbeziehung in diesen Fällen Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86 Rn 3; 96 Rn 4a).

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alg-Bewilligung ist § 48 SGB X. Danach ist (§ 330 Abs. 3 S. 1 SGB III) ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse an unter anderem aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Die in dieser Vorschrift für die Aufhebung der Alg-Bewilligung normierten Voraussetzungen lagen vor. Auch die Erstattungspflicht des Klägers wurde auf der Grundlage des § 50 Abs. 1 SGB X zu Recht festgestellt.

Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt ab 01.05.2002 vor. Denn der Kläger hatte in seinem Antrag auf Alg seine Anschrift in W. angegeben und war dort ab 01.05.2002 nach einem Umzug nach M. nicht mehr erreichbar und damit nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung (AFRG). Auch eine Mitteilung des Umzugs gegenüber dem Einwohnermeldeamt oder ein - nach den Behauptungen des Klägers gestellter - Postnachsendeauftrag würden daran nichts ändern.

Ein Anspruch auf Alg setzt u.a. Arbeitslosigkeit voraus, § 118 SGB III AFRG. Zu den Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit zählt nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III die Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Nr. 1) und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit, Nr. 2). Merkmale der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende Arbeitsbereitschaft, § 119 Abs. 2 SGB III. Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf, § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III. Hierzu hat der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) aufgrund der Ermächtigung in § 152 Nr. 2 SGB III Näheres in der Erreichbarkeitsanordnung - EAO - vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685) bestimmt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EAO muss der Arbeitslose u.a. in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen und mit einem möglichen Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in Verbindung zu treten; deshalb hat er nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Abzustellen ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO auf die dem Arbeitsamt benannte Anschrift (Urteil des BSG vom 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R juris Rn 19). Die Regelungen des § 1 Abs 1 EAO sind mit der gesetzlichen Ermächtigung vereinbar und halten sich im gesetzlichen Rahmen. Die §§ 152 Nr. 2, 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III entsprechen auch den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von gesetzlichen Ermächtigungen zu untergesetzlicher Rechtsetzung (BSG vom 09.08.2001, a.a.O.).

Der Kläger war vom 01.05.2002 bis 31.07.2002 nicht mehr arbeitsfähig iS des § 119 Abs 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos iS des § 118 SGB III mit der Folge, dass er keinen Anspruch auf Alg mehr hatte.

Der Kläger hat nicht seine tatsächliche Anschrift, d.h. die seiner eigenen Wohnung bzw. der Unterkunft, in der er sich ab 01.05.2002 tatsächlich aufhielt, mitgeteilt. Aufgrund seiner eigenen An- und Abmeldung bei den jeweiligen Einwohnermeldeämtern steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger ab 01.05.2002 nicht mehr unter seiner Anschrift in W. gewohnt hat. Dies wird auch belegt durch die Angaben des Klägers gegenüber dem Arbeitsamt M. , wonach er seit diesem Zeitpunkt getrennt von seiner Ehefrau lebe.

Durch den Umzug ab 01.05.2002 ist gegenüber den Angaben des Klägers im Antragsformular eine Änderung eingetreten. Aus dem Umstand, daß er es unterlassen hat, dem Arbeitsamt seine neue Anschrift in M. mitzuteilen, folgt, dass das Arbeitsamt den Kläger ab dem 01.05.2002 nicht mehr unter der benannten Anschrift durch Briefpost erreichen konnte, und zwar jedenfalls bis einschließlich 31.07.2002 (Ende des Aufhebungszeitraums). Auch wenn der Kläger - wie er behauptet - den Umzug gegenüber dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt hat, ändert dies an der objektiv gegebenen fehlenden Erreichbarkeit durch die Beklagte und damit an der (objektiven) Änderung der Verhältnisse nichts. Denn eine solche Mitteilung ist - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - tatsächlich nicht erfolgt. Daher spielt es für die Beurteilung der objektiven Umstände hinsichtlich einer fehlenden Erreichbakeit keine Rolle, ob dem Kläger tatsächlich versichert worden ist, der Wohnortwechsel werde dem Arbeitsamt von der Meldebehörde mitgeteilt.

An der ab 01.05.2002 eingetretenen Änderung wegen fehlender Erreichbarkeit würde auch ein - nach den Behauptungen des Klägers gestellter - Postnachsendeauftrag nichts ändern. Denn Erreichbarkeit liegt nach §§ 117 Abs. 1 Nr. 1, 118 Abs. 1 Nr. 2, 119 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 3 SGB III in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S 2 EAO nicht vor, wenn ein Kontakt zum Arbeitslosen lediglich über eine Mittelsperson möglich ist. Dies gilt insbesondere bei einem Aufenthalt außerhalb der Wohnanschrift, den der Arbeitslose nicht mitgeteilt hat. Aus § 1 Abs. 1 S. 2 EAO ergibt sich vielmehr die Pflicht, dem zuständigen Arbeitsamt einen Wohnungswechsel auch dann persönlich und unverzüglich mitzuteilen, wenn dem Arbeitslosen infolge eines Postnachsendeantrages Briefpost unter der neuen Adresse ohne Verzögerung zugeht (Urteil des BSG vom 09.02.2006, B 7a AL 58/05 R; Fortführung von BSG vom 20.6.2001, B 11 AL 10/01 R = BSGE 88, 172-180 = SozR 3-4300 § 119 Nr. 3). Insofern schließt sich der Senat der Rechtsprechung des BSG an, wonach sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO die Obliegenheit arbeitsloser Leistungsbezieher ergibt, dem zuständigen Arbeitsamt einen Wohnungswechsel persönlich und unverzüglich anzuzeigen, weshalb ein Postnachsendeantrag nicht genügt (Urteil des BSG vom 20. Juni 2001, B 11 AL 10/01 R). Im Einzelnen ist hierzu im Hinblick auf die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers auszuführen, dass der Kläger in der fraglichen Zeit auch dann nicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO erreichbar war, wenn ein Nachsendeantrag des Klägers keine zeitliche Verzögerung verursacht hätte. Die infolge des Nachsendeantrages möglicherweise gegebene postalische Erreichbarkeit unter der neuen - dem Arbeitsamt noch nicht bekanntgegebenen - Adresse wäre nämlich dann nur durch technische Möglichkeiten der Postabwicklung bedingt, nicht aber durch den gebotenen persönlichen Kontakt zwischen Arbeitslosem und Arbeitsamt, von dem die EAO ausgeht. Es entspricht dem gesetzlichen Konzept der effektiven Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung, wenn der Arbeitslose einen leistungsrechtlich erheblichen Umstand wie einen Wohnsitzwechsel dem Arbeitsamt anzeigen muss und die Unterrichtung des Arbeitsamtes (jetzt: Agentur für Arbeit) nicht der Post als Drittem überlassen darf. Die Voraussetzungen der Leistungen wegen Arbeitslosigkeit sollen gerade nicht von den Zufälligkeiten der Postzustellung abhängig sein. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob sich Postnachsendeaufträge mit den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten ohne Zeitverlust abwickeln lassen. Die Forderung in § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO und § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III, die persönliche Erreichbarkeit zu gewährleisten, dient einer effektiven Arbeitsvermittlung und knüpft die Leistungen bei Arbeitslosigkeit an klare Verhaltensmaßstäbe (BSG aaO juris Rn 18; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 22 zur früheren Rechtslage nach § 1 der Aufenthalts-Anordnung; abweichend nur für Leistungsbezieher nach § 428 SGB III Urteil des BSG vom 30.06.2005, B 7a/7 AL 98/04 R, das ansonsten die o.g. Rspr und die hier vertretene Auffassung bestätigt, vgl. BSG, aaO juris Rn 14).

Der Dienstanweisung - DA - der Beklagten zur Erreichbarkeit bei gestelltem Postnachsendeauftrag kommt daher rechtliche Bedeutung für die Beurteilung der Erreichbarkeit durch den Senat vorliegend nicht zu. Diese DA (Nr. 3.4.1 zu § 119 SGB III) sehen vor, es sei "typisierend grundsätzlich" davon auszugehen, dass bei einem Umzug innerhalb der Wohngemeinde oder "in eine Nachbargemeinde" bei rechtzeitiger Stellung eines Nachsendeantrages die Briefpost den Arbeitslosen ohne Verzögerung erreicht und dass für die Zeit der Wirksamkeit des Nachsendeantrages Erreichbarkeit vorliegt. Diese Anforderungen der DA weichen von denen der EAO ab; nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO genügt ein Postnachsendeantrag - wie ausgeführt - gerade nicht, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine Nachbargemeinde handelt oder nicht. Bindende normative Wirkung kann, soweit kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vorliegt, nur den Regelungen der EAO zukommen (BSGE 35, 164, 166 = SozR Nr. 1 zu § 40 AFG). Aus einer Verwaltungsübung, die nicht dem geltenden Recht entspricht, kann der Kläger keine Rechte herleiten, auch keinen Anspruch auf etwaige Gleichbehandlung mit anderen nach der DA abgewickelten Fällen (vgl. BSG vom 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R juris Rn 19; BSGE 38, 63, 68 = SozR 4100 § 151 Nr. 1; BSGE 65, 198, 200 = SozR 5870 § 2 Nr. 62). Im Hinblick auf den Zweck der gesetzlichen Vorschriften wirft auch die Formulierung der DA Nr. 3.4.1 zu § 119 SGB III Bedenken auf. Denn der dort verwendete Begriff der "Nachbargemeinde" entspricht nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normklarheit. Die Forderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO nach "persönlicher" Erreichbarkeit entspricht dem Zweck des § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III auch deshalb, weil sie Leistungen bei Arbeitslosigkeit an klare Verhaltensmaßstäbe knüpft, was nicht zuletzt im wohlverstandenen Interesse der Arbeitslosen liegt. Einen Nachsendeantrag bei bestimmten örtlichen Verhältnissen noch genügen zu lassen, ihn aber bei möglicherweise nur geringfügig abweichenden Verhältnissen nicht mehr anzuerkennen, kann aber kaum als klare Verhaltensanweisung für Arbeitslose angesehen werden (BSG vom 09.08.2001, B 11 AL 17/01 R juris Rn 20), zumal für den Arbeitslosen eben nur schwer zu erkennen sein dürfte, ob es sich um eine Nachbargemeinde im Sinne der DA handelt oder nicht.

Hilfsweise ist im Hinblick auf das klägerische Vorbringen auszuführen, dass die Stellung eines Nachsendeauftrags vorliegend nicht einmal dann zur Annahme einer durchgängigen Erreichbarkeit des Klägers führt, wenn man die im Verhältnis zu den gesetzlichen Vorschriften für den Kläger günstigeren Maßgaben der - wie ausgeführt für das Gericht nicht bindenden - Verwaltungsvorschriften (DA) der Beklagten zur Ereichbarkeit bei einem Umzug in eine Nachbargemeinde und gestelltem Postnachsendeauftrag zugrundelegt. Denn der Kläger ist nicht lediglich in eine Nachbargemeinde verzogen; W. in der Gemeinde H. ist keine Nachbargemeinde von M ... Auch aus diesem Grund kann sich der Kläger also nicht mit Erfolg auf die Praxis der BA entsprechend der DA Nr 3.4.1 zu § 119 SGB III berufen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass für den neuen, ab 01.05.2002 gegebenen Wohnort des Klägers ein anderes Arbeitsamt (jetzt: Agentur für Arbeit), nämlich das Arbeitsamt M. (jetzt: Agentur für Arbeit), zuständig war.

Zusammenfassend ist nach alledem zum Tatbestandsmerkmal "Änderung der Verhältnisse" festzustellen, dass der Kläger während des Aufhebungszeitraums nicht mehr arbeitsfähig im Sinne des § 119 Abs. 3 SGB III und damit auch nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III war mit der Folge, dass er ab 01.05.2002 keinen Anspruch auf Alg hatte.

Auch die Rücknahmevoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sind erfüllt. Danach ist die Aufhebung veranlasst, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Der Kläger hat der Beklagten die Änderung seine Postanschrift entgegen der in § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I festgelegten Pflicht nicht mitgeteilt. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Das Fehlen der Mitteilung der ab 01.05.2002 eingetretenen Anschriftenänderung ergibt sich zur vollen Überzeugung des Senats aus den eigenen Angaben des Klägers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus seinen Angaben am 06.08.2002 bei einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitsamt E ... Die fehlende Mitteilung wird auch nicht ersetzt durch den Postnachsendeantrag - sein Vorliegen unterstellt - oder eine Kundgabe des Umzugs bei der Gemeindeverwaltung (siehe dazu auch oben zur fehlenden Erreichbarkeit).

Der Kläger hat die Mitteilung auch in grob fahrlässiger Weise unterlassen. Entscheidend für die Beurteilung der groben Fahrlässigkeit sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteils- und Kritikfähigkeit, sein Einsichtsvermögen und im Übrigen auch sein Verhalten. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35); dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273, Urteil vom 05.02.2006, Az.: B 70 AL 58/05 R). Ein Kennenmüssen ist erst dann zu bejahen, wenn der Versicherte die Rechtswidrigkeit ohne Mühe erkennen konnte (BVerwGE 40, 212). Ob grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen eine Frage der Würdigung des Einzelfalles, die dem Tatsachengericht obliegt (BSGE SozR 2200 § 1301 Nr. 7). Dabei ist im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X das grob fahrlässige Unterlassen einer für die Leistung maßgeblichen Mitteilung von Umständen dem aktiven Tun gleichzustellen (Wiesner in: von Wulffen, SGB X, 5. Auflage 2005, § 45 Rn 22 m.w.N.).

Ein grob fahrlässiges Unterlassen der für die Leistung maßgeblichen Mitteilung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts im dargestellten Sinne ist unter Berücksichtigung der intellektuellen Fähigkeiten des Klägers, von denen sich der Senat in der mündlichen Verhandlung ein Bild machen konnte, und des tatsächlichen Geschehensabblaufs, wie er sich nach dem Akteninhalt und den Einlassungen des Klägers selbst darstellt, gegeben. Der Kläger hätte seine Verpflichtung zur Mitteilung der richtigen Anschrift ohne weiteres erkennen können. Insofern ist ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Beurteilung der groben Fahrlässigkeit (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 8. Februar 2001, Az: B 11 AL 21/00 R = SozR 3-1300 § 45 Nr. 45) zunächst festzustellen, dass der Kläger bezüglich seiner Pflichten und Obliegenheiten als Arbeitsloser von der Beklagten ordnungsgemäß belehrt worden ist und dass er in seinem Antrag vom 19.11.2001 den Erhalt und die Kenntnisnahme des Merkblattes 1 für Arbeitslose unterschriftlich bestätigt hat. Ferner ist festzustellen, dass sich der Kläger - wie sich schon aus dem behaupteten Postnachsendeauftrag ergibt - auch bewusst war, dass er für die Beklagte erreichbar sein muss. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2007 zu Protokoll erklärt hat, hat er das Merkblatt der Beklagten aber "bestimmt nicht gelesen". Schon darin ist zur Überzeugung des Senats ein grob fahrlässiges Unterlassen im Sinne der oben dargestellten Grundsätze zu sehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger sich zum hier fraglichen Zeitpunkt schon mehrere Jahre in Deutschland aufhielt, und zwar nach seinen Angaben seit 1997, seine Deutschkenntnisse schätzte er selbst mit "gut" ein. Er sprach und verstand nach seinen eigenen Angaben auch mehrere andere Fremdsprachen "sehr gut", in seinem Heimatland hat er eine höhere Schulbildung absolviert. Von den intellektuellen Fähigkeiten des Klägers konnte sich der Senat - wie bereits erwähnt - auch in der mündlichen Verhandlung ein Bild machen. Insbesondere auch unter Berücksichtigung dieser Umstände stellt das Unterlassen der Lektüre des Merkblatts einen besonders schweren Sorgfaltsverstoß dar. Der Kläger hätte mit seinen Fähigkeiten ohne weiteres erkennen können, dass das Zurkenntnisnehmen der Hinweise des Merkblatts für seine Rechte und Pflichten im Sozialrechtsverhältnis mit der Beklagten von Relevanz ist. Die grundsätzliche intellektuelle Fähigkeit zum Erkennen von Meldepflichten wird auch durch die vom Kläger abgegebene Veränderungsmitteilung vom 01.03.2001 im Zusammenhang mit der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit belegt. Die vom Kläger geäußerte Auffassung, die Kenntnis über seine Mitteilungspflicht setze eine entsprechende konkrete Aufklärung des Arbeitslosen voraus, ist nicht nachvollziehbar. Denn eine Aufklärung des Klägers ist durch das Merkblatt erfolgt. Hätte er dies - wozu er verpflichtet war - zur Kenntnis genommen und dann noch Fragen gehabt, hätte er ohne weiteres Erkundigungen bei der Beklagten einholen können. Dazu ist es jedoch schon deshalb nicht kommen, weil der Kläger das Merkblatt gar nicht gelesen hat. Insofern sind auch die Ausführungen des Klägers zu einem angeblichen besonderen Aufklärungsbedarfs wegen Sprachschwierigkeiten und der Bewilligung eines Deutschkurses ab 07.10.2002 in sich widersprüchlich.

Im Übrigen würde es auch nichts an dem Vorliegen grober Fahrlässigkeit ändern, wenn der Kläger - wie er behauptet - nicht in der Lage war, die leicht verständlichen Hinweise des Merkblatts zu verstehen. Denn der Kläger hätte mit seinen intellektuellen Fähigkeiten bei Verständnisschwierigkeiten ohne weiteres erkennen können, dass er bei der Beklagten oder bei Dritten, etwa bei einem Übersetzer, weitere Erkundigungen bezüglich seiner Mitwirkungspflichten hätte einholen müssen. Hierzu wäre er auch verpflichtet gewesen (Urteil des BSG vom 24.04.1997, Az.: 11 Rar 89/96). Dies hätte aber - wie ausgeführt - vorausgesetzt, dass der Kläger das Merkblatt zunächst überhaupt zur Kenntnis nahm, was er aber nach seiner eindeutigen Aussage vor dem Senat eben in grob fahrlässiger Weise nicht getan hat.

Auch der zur Überzeugung des Senats aufgrund des Akteninhalts und der Erklärungen des Klägers selbst feststehende Geschehensablauf bei der Kenntniserlangung der Beklagten von den Umzügen des Klägers spricht für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit. Insofern steht aufgrund des Akteninhalts zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger am 06.08.2002 bei einer persönlichen Vorsprache beim Arbeitsamt E. einen Antrag mit einer M. Adresse abgeben wollte. Erst dadurch - und nicht durch eine gezielte Mitteilung der Anschriftenänderung - erlangte die Beklagte Kenntnis von dem Umzug.

Über das am 16.11.2007 Protokollierte hinaus gab der Kläger zwar im späteren Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2007 an, das Merkblatt deshalb nicht gelesen zu haben, weil er es ohnehin nicht verstanden hätte. Dieses Motiv des Klägers für die unterlassene Lektüre des Merkblatts vermag jedoch an der Würdigung des Verhaltens als grobe Fahrlässigkeit nichts zu ändern. Zum einen waren die dort zu den Mitteilungspflichten und zur Verfügbarkeit und Erreichbarkeit gegebenen Hinweise eindeutig formuliert und leicht verständlich, so dass der Kläger unter Berücksichtigung des oben zu seinen Sprachkenntnissen und seinem Intellekt Gesagten zur Überzeugung des Senats diese Hinweise verstanden hätte. Das Merkblatt der Beklagten (Stand 4/2001) führt insofern in leicht verständlicher Weise auf Seite 5 aus: "Umzug/Ortsabwesenheit - Sie müssen für Ihr Arbeitsamt erreichbar sein, insbesondere von Briefsendungen des Arbeitsamtes an jedem Werktag einmal in ihrer Wohnung persönlich und ohne von Ihnen zu vertretende Verzögerungen Kenntnis nehmen können. Daher müssen Sie es Ihrem Arbeitsamt rechtzeitig mitteilen, wenn Sie (auch innerhalb derselben Gemeinde) umziehen oder an einem Werktag ganztags nicht zu Hause sind. Wenn Sie keine finanziellen Nachteile erleiden wollen, müssen Sie Ihrem Arbeitsamt jeden Umzug rechtzeitig (spätestens eine Woche vor dem Umzugstermin) mitteilen. Sind Sie an einem oder mehreren Werktagen ganztags unter der Ihrem Arbeitsamt bekannten Anschrift nicht zu erreichen (sonstige Ortsabwesenheit), ist dies ohne leistungsrechtliche Nachteile nur möglich, wenn Ihr Arbeitsvermittler vorher zugestimmt hat."

Der Kläger, der - wie ausgeführt und durch sein Verhalten (Postnachsendeauftrag) bewiesen - das Erfordernis der postalischen Erreichbarkeit kannte, hätte selbst bei gewissen sprachlichen Defiziten daraus insbesondere seine Pflicht insbesondere zur Mitteilung eines Umzugs ohne weiteres ableiten können. Das Außerachtlassen von Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, ist aber schon im Allgemeinen grob fahrlässig (dazu BSGE 44, 264, 273). Erst recht grob fahrlässig war unter Berücksichtigung der geschilderten Umstände des vorliegenden Falles das Nichtlesen des Merkblatts.

Der Behauptung des Klägers, ihm sei auf ausdrückliche Nachfrage versichert worden, der Wohnortwechsel werde dem Arbeitsamt von der Meldebehörde mitgeteilt, kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn die Pflicht zur Mitteilung des Umzugs trifft den Kläger persönlich, § 1 Abs. 1 S. 2 EAO. Dies hätte er dem Merkblatt ohne weiteres entnehmen können, welches er aber nicht zur Kenntnis genommen hat. Insofern ist grobe Fahrlässigkeit auch dann zu bejahen, wenn man von der behaupteten Mitteilung des Klägers gegenüber dem Meldeamt und der angeblichen Auskunft, dieses werde alles Nötige veranlassen, ausgeht. Denn dem Kläger hätte bei einer Lektüre des Merkblatts mit seinen intellektuellen Fähigkeiten ohne weiteres auffallen müssen, dass er - ungeachtet des Verhaltens von Dritten - in jedem Falle (auch) selbst zu einer Mitteilung des Umzugs verpflichtet war. Dass der Kläger die Fähigkeit zu dieser Erkenntnis hatte, belegt wiederum die in anderem Zusammenhang erfolgte Veränderungsmitteilung vom 01.03.2001, mit welcher der Kläger der Beklagten in ordnungsgemäßer Weise die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit mitteilte. Aus den genannten Gründen kam es auf die mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag angesprochene Frage nicht in entscheidungserheblicher Weise an.

Der Senat war daher auch unter Berücksichtigung seiner Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) nicht gehalten, dem Antrag auf Einvernahme "der Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamts H. zu deren Auskunft, dass der Kläger sich nicht weiter um die Angelegenheit hinsichtlich des Arbeitslosengeldes mehr kümmern müsse, zu folgen. Dabei legt der Senat das Merkmal "ohne hinreichende Begründung" in § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht formell, sondern materiell iS von "ohne hinreichenden Grund" aus (vgl. BSG vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 = SozR 1500 § 160 Nr. 5). Es kommt darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt weiter aufzuklären und den beantragten Beweis zu erheben. Die Amtsermittlungspflicht ist nur verletzt, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen offen geblieben sind. Deshalb kann es dahinstehen, ob der Antrag auf Einvernahme "der Mitarbeiterin des Einwohnermeldeamts H." zu der genannten Auskunft den Anforderungen an einen substantiierten, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag entsprochen hat (vgl. dazu Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 209 ff), da keine ladungsfähige Benennung der Zeugin (zur Anschrift BSG, Beschluss vom 10. Mai 2000 - B 6 KA 49/99 B) erfolgt ist. Denn selbst wenn das Beweismittel durch Amtsermittlung erreichbar gewesen wäre (vgl. dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, § 103 RdNr 8 mwN; s auch 16.05.2007, B 11b AS 37/06 B; BFH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - VI B 118/04 = NJW 2007, 1615), etwa weil es sich um die in den Akten erwähnte Frau H. handelte (Blatt 39 der Verwaltungsakten), kommt es darauf nicht an, weil das Gericht selbst bei ordnungsgemäßer Benennung der Zeugin auf deren Vernehmung verzichten konnte. Denn die unter Beweis gestellte Tatsache konnte zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden.

Auch wenn der Kläger - wie er behauptet - den Umzug gegenüber dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt und dort die behauptete Auskunft erhalten hat, hätte es ihm unter Berücksichtigung der bereits dargestellten intellektuellen Fähigkeiten ohne weiteres einleuchten müssen, dass ihn eine solche Auskunft nicht von seinen gegenüber der Beklagten als zuständigen Leistungsträger bestehenden Pflichten enthob und er den Umzug - wie auch andere Veränderungen - persönlich melden musste. Dies hätte dem Kläger bei einer Lektüre des Merkblattes im Hinblick auf die diesbezüglichen eindeutigen und leicht verständlichen Hinweise auch ins Auge springen müssen. Den Kläger deshalb bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit besser zu stellen, weil er das Merkblatt in grob fahrlässiger Weise (dazu oben) überhaupt nicht gelesen hat, würde eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zugunsten des Klägers im Vergleich zu den Betroffenen bedeuten, die das Merkblatt lesen, sich nicht an die dort beschriebenen Verhaltensanforderungen halten und aus diesem Grund die subjektiven Voraussetzungen für eine Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit erfüllen. Daher spielt es vorliegend für die Beurteilung der subjektiven Umstände keine Rolle, ob dem Kläger tatsächlich versichert worden ist, der Wohnortwechsel werde dem Arbeitsamt von der Meldebehörde mitgeteilt und der Kläger müsse sich nicht mehr weiter um die Angelegenheit hinsichtlich des Arbeitslosengeldes kümmern.

Auch ein behaupteter Postnachsendeauftrag würde - sein Vorliegen unterstellt - die Schwere des Sorgfaltsverstoßes nicht derart abmildern, dass keine grobe Fahrlässigkeit mehr gegeben wäre. Denn auch insofern hätte dem Kläger ohne weiteres einleuchten müssen, dass ihn die Pflicht zur Mitteilung des Umzugs persönlich trifft und an dieser Pflicht sich auch durch einen Nachsendeauftrag nichts ändert. Denn ein solcher Auftrag kann - was der Kläger mit seinen Fähigkeiten ohne weiteres erkennen konnte - allenfalls zu einem Zugang der Briefpost an eine andere Adresse führen, aber keinesfalls von den Mitteilungspflichten, um deren Verletzung es bezüglich der groben Fahrlässigkeit geht, entheben. Jedenfalls hätte dem Kläger auch bei gestelltem Postnachsendeauftrag ohne weiteres einleuchten müssen, dass er die Anschriftenänderung mitteilen muss.

Der Kläger ist nach alledem der gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung des Umzugs in grob fahrlässiger Weise nicht nachgekommen. Er erfüllt mit seinem Verhalten angesichts der vorliegenden subjektiven Umstände bezüglich der ihm zumutbaren Mitteilungs- bzw. Sorgfalts- und Überprüfungspflichten den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X.

Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 48 SGB X iVm § 330 Abs. 3 SGB III erfüllt, insbesondere die in § 48 Abs. 4, 45 SGB X vorgeschriebenen Fristen für die Rücknahme eingehalten sind, erweist sich die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den hier fraglichen Zeitraum als rechtmäßig.

Da die entsprechende Bewilligung rechtmäßig aufgehoben worden ist, sind die bereits erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Die Höhe der Rückforderungsbetrag setzt sich zusammen aus der Arbeitslosengeldleistung in Höhe von 2596,94 Euro und den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 715,39 Euro. Die Berechnung ist - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - von der Beklagten fehlerfrei durchgeführt worden.

Aufgrund des Unterliegens des Klägers in beiden Rechtszügen war die Beklagte nicht zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu verpflichten, § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 160 Abs 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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