L 5 R 1379/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4513/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1379/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1956 geborene Klägerin hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Zunächst war sie von 1971 bis 1977 als Arbeiterin im Versand tätig. Diese Tätigkeit gab sie im Hinblick auf die Geburt ihres Kindes damals auf. Von 1987 bis 1989 war sie als Arbeiterin in der Verpackung tätig und seit 1989 als Altenpflegehelferin. Seit 18. Mai 2004 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank. Bei der Klägerin ist ferner durch das Versorgungsamt Rottweil ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt.

In der Zeit vom 27. Juli 2004 bis 31. August 2004 befand sich die Klägerin in den B.-Kliniken, Fachklinik für Orthopädie, in der medizinischen Rehabilitation. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wird ihr Leistungsvermögen hinsichtlich ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Altenpflegehelferin mit unter drei Stunden, im Übrigen wird die Klägerin für leichte körperliche Tätigkeiten unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen (kein Heben und Tragen bzw. Bewegen von Lasten über 10 bis 15 kg, kein Arbeiten in Hock- oder Bückstellung bzw. in kniender Körperhaltung, keine schweren sowie ausschließlich mittelschweren körperlichen Tätigkeiten, keine Tätigkeiten in Vorbeugehaltung des Oberkörpers, keine Arbeiten auf unebenem Gelände, kein Besteigen von Leitern und Gerüsten, kein häufiges Treppensteigen, keine ausschließliche Geh- und Stehbelastung, keine Exposition in Kälte, Zugluft oder Durchnässung) noch für fähig gehalten.

Am 1. Dezember 2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Orthopäde Dr. B. gelangte in dem daraufhin von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 13. Januar 2005 (Bl. 58 f. Verwaltungsakte - VA -) zu folgenden Diagnosen:

1. Hüftdysplasie beidseits 2. Dysplasie Coxarthrose links 3. degeneratives LWS-Syndrom ohne radikuläre Symptomatik

Nach Einschätzung von Dr. B. war die Klägerin nicht mehr in der Lage, ihre bisherige Tätigkeit als Altenpflegehelferin auszuüben. Leichte Tätigkeiten im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen, ohne Zwangshaltungen wie Überkopfarbeit oder gebückt oder kniend oder häufig Treppen steigend, seien ihr noch zumutbar.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2005 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer 5-Tage-Woche regelmäßig ausüben, weshalb sie nicht erwerbsgemindert sei. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor, da sie im Rahmen der Zumutbarkeit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Im Rahmen dessen holte die Beklagte noch bei dem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. M. das nervenärztliche Gutachten vom 4. Oktober 2005 (Bl. 121 ff. VA) ein. Dr. M. stellte folgende Diagnosen:

1. mittelgradige depressive Episode 2. Coxarthrose links bei Hüftdysplasie beidseitig 3. chronische Lumbago bei degenerativem LWS-Syndrom, HWS-Syndrom 4. metabolisches Syndrom 5. bekanntes Vorhofflimmern

Dr. M. teilte die Schlussfolgerungen von Dr. B. und vertrat ebenfalls die Auffassung, dass die bisherige Tätigkeit als Altenpflegehelferin von der Klägerin aufgrund der orthopädischen Beschwerden nicht mehr ausgeübt werden könne, leichtere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aber weiterhin möglich seien. Die von der Klägerin vorgebrachten erheblichen Schmerzen, vor allem im Rücken sowie im Bereich des linken Hüftgelenks, seien glaubhaft und bedürften einer ständigen Analgesie sowie einer physiotherapeutischen Behandlung. Zusätzlich bestehe eine als mittelgradig einzustufende depressive Symptomatik, die derzeit jedoch nicht ausreichend behandelt werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Begutachtungen könne die Klägerin mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine Tätigkeit verrichten. Sie sei daher nicht erwerbsgemindert. Es liege auch keine Berufsunfähigkeit vor. Ihr Leistungsvermögen reiche noch aus, die während des Erwerbslebens erlangten Kenntnisse und Fähigkeiten in einer Beschäftigung als Verwaltungsangestellte (Bürohilfskraft) zu verwerten und diese Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Diese Tätigkeit sei ihr auch sozial zumutbar.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Dezember 2005 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der behandelnde Hausarzt Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 23. Juni 2006 die Auffassung vertreten, die Klägerin könne in der jetzigen körperlichen und psychischen Verfassung keine sechsstündige Tätigkeit mehr ausüben. Von Bedeutung sei hier insbesondere die Zyklothomie im Sinne einer immer wiederkehrenden bipolaren Depression mit Aggravierung der körperlichen Symptomatik (siehe Bl. 26 ff. SG-Akte). Der Orthopäde Dr. E. hat in seiner Auskunft vom 11. Juli 2006 (Bl. 45/46/ 47/48 SG-Akte) die Auffassung vertreten, die Klägerin sei aufgrund der erheblichen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, der linken Hüfte und beider Fersen nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Arzt für Homöopathie-Naturheilverfahren Dr. Gö. hat in seiner Auskunft vom 15. Mai 2006 (Bl. 25 SG-Akte) mitgeteilt, die Klägerin leide seit vielen Jahren an chronischen Hüftgelenksschmerzen mit Bewegungsstörungen, Adipositas, Diabetes mellitus und Depression. Er habe jedoch keine Bedenken, dass die Klägerin weiterhin leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne.

Das SG hat im Weiteren bei der Orthopädin Dr. K. das Gutachten vom 25. Oktober 2006 (Bl. 70 f. SG-Akte) eingeholt. Nach Einschätzung der Sachverständigen ist die Klägerin aus orthopädischer Sicht aufgrund der beidseitigen Hüftgelenksdysplasie, aufgrund der mäßigen Verschleißerscheinungen im Hals- und Lendenwirbelsäulenbereich sowie aufgrund der beginnenden Kniegelenksarthrose rechts nur noch in der Lage, leichte Frauenarbeiten sowohl im Sitzen, Gehen sowie im Stehen, ohne Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 10 kg und ohne Zwangshaltung des Rumpfes sechs Stunden und mehr am Tag zu verrichten. Eine regelmäßige Bewegung und körperlich leichte Betätigung seien eher wünschenswert. Eine messbare Verschlechterung der Befunde an Hüftgelenken sowie an Hals- und Lendenwirbelsäule sei nicht festzustellen, insbesondere im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. B. vom Januar 2005. Der von Dr. B. noch nicht beschriebene Kniegelenksbefund führe jedoch nicht zu einer über das von Dr. B. geforderte Maß der Leistungseinschränkung hinaus. Von Seiten des Kniegelenks sei lediglich dringend erforderlich, dass keine kniende Tätigkeit ausgeübt werde. Eine regelmäßige Bewegung sei für das rechte Kniegelenk eher günstig.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Februar 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass insbesondere auch unter Berücksichtigung des zuletzt noch im Gerichtsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachtens von Dr. K. die Klägerin noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen mehr als sechs Stunden täglich zu verrichten. Die Klägerin sei zwar aufgrund ihrer Gesundheitseinschränkungen nicht mehr in der Lage als Altenpflegehelferin zu arbeiten, jedoch lasse eben ihr Restleistungsvermögen noch leichte Frauenarbeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 10 kg und ohne Zwangshaltung des Rumpfes zu. Im Hinblick darauf könne das SG auch der abweichenden Einschätzung von Dr. E. nicht folgen. Auch ergebe sich keine weitergehende Leistungseinschränkung unter Berücksichtigung der vom Hausarzt Dr. K. erwähnten Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet. Wenig überzeugend sei in dieser Hinsicht, dass sich die Klägerin bislang keiner fachärztlichen Behandlung unterziehe. Jedenfalls sei dies der Kammer bislang nicht mitgeteilt worden. Insoweit könnten Zweifel an der Erheblichkeit des Leidensdrucks der Klägerin aufkommen. Jedenfalls würden weder Dr. K. noch Dr. Gö. konkrete Funktionseinschränkungen beschreiben, die sich hieraus ergäben. Eine rentenrechtlich erhebliche Leistungsreduzierung mit Dauercharakter habe jedenfalls nicht zur Überzeugung des SG festgestellt werden können. Nichts anderes ergebe sich auch im Hinblick auf den festgestellten GdB von 50, da dies für die rentenrechtliche Beurteilung der hier konkret noch vorhandenen Leistungsfähigkeit nicht geeignet sei (Hinweis auf Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. Februar 2002 - L 11 RJ 3713/01 -). Im Übrigen habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da ihr kein Berufsschutz zustehe. Sie müsse sich auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen.

Die Klägerin hat gegen den ihren Bevollmächtigten am 16. Februar 2007 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid am 15. März 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, die von Dr. K. im Gerichtsgutachten vorgenommene Leistungseinschätzung werde einer angemessenen arbeitsmedizinischen Gesamtschau der verbliebenen bzw. gerade nicht mehr genügend verbliebenen Leistungsfähigkeit sowohl in physischer als auch im psychischer Hinsicht nicht gerecht. Ihre Bevollmächtigte hat erneut auf die Stellungnahme und Atteste der behandelnden Ärzte aus dem Verwaltungs- bzw. Gerichtsverfahren hingewiesen. Es möge zwar sein, dass die genannten Ärzte bislang noch nicht durchgehend hinreichend fassbare Funktionsbeeinträchtigungen mitgeteilt hätten und insofern dem orthopädischen Gutachten zu folgen sein möge, als aufgrund der apparativen Befunde "an sich" eine Erwerbstätigkeit von hinreichendem wirtschaftlichen Wert noch möglich sein müsste. Dies ändere aber nichts daran, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin zwischenzeitlich insgesamt und eben auch in psychischer Hinsicht in einem Ausmaß reduziert sei, dass sie den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr gewachsen sei. Soweit das SG auch der Auffassung sei, die Klägerin habe sich bislang keiner nervenärztlichen Behandlung unterzogen, könne dem nicht gefolgt werden. Sie sei sehr wohl in nervenärztlicher Behandlung, und zwar bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Kl., wie auch der von ihm ausgestellten Bescheinigung vom 6. April 2005 im Verwaltungsverfahren zu entnehmen sei. Danach seien entsprechende Medikationen abgesetzt worden wegen zu starker Nebenwirkungen bzw. weil sie keine Besserung erbracht hätten. Wenn orthopädischerseits wiederholt angemerkt werde, eine Reduzierung des Übergewichtes würde zu einer Linderung der Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates, zu einer besseren Beweglichkeit führen, so sei darauf zu verweisen, dass eine solche der Klägerin trotz des Leidensdruckes und ihres Willens dazu psychisch nicht gelinge. Auch deshalb sei sie nicht mehr in der Lage, genügend lange zu arbeiten, selbst für alltägliche Verrichtungen im Haushalt benötige sie nahezu den gesamten Tag. Sie hat sich durch die von Dr. Me. im Berufungsverfahren mitgeteilten Befunde in ihrer Auffassung bestätigt gesehen, dass sie den Anforderungen selbst leichter Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr gewachsen ist. In einem von ihr zuletzt vorgelegten Attest hat ihr der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. K. unter dem 29.1.2008 bescheinigt unter chronischen Schmerzen auf unbestimmte Zeit zu leiden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 12. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und weist u. a. darauf hin, dass in Kenntnis des Befundberichtes des Neurologen und Psychiaters Dr. Kl. bereits im Widerspruchsverfahren eine fachspezifische nervenärztliche Begutachtung durchgeführt worden sei. Die Beklagte hat auch durch die vom Senat eingeholte Auskunft von Dr. Me. keinen Anlass gesehen, ihren Standpunkt zu ändern.

Die Nervenärztin Dr. Me., Praxisnachfolgerin von Dr. Kl., hat dem Senat mit Auskunft vom 29. August 2007 mitgeteilt, sie habe die Klägerin erst einmal am 9.3.2007 behandelt und dabei eine rezidivierende depressive Episode diagnostiziert. Die Klägerin werde medikamentös behandelt, eine Psychotherapie sei ihr dringend angeraten worden, habe bisher aber wegen der langen Wartezeiten der Psychotherapeuten in unmittelbarer Wohnortnähe noch nicht begonnen werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Im Streit steht die Gewährung einer Leistung für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr.

II.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen (voller bzw. teilweiser) Erwerbsminderung nicht vorliegen.

1.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI (in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I, 1827) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1).

Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen der Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist jedoch nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen liegen nach den Feststellungen der Beklagten bei der Klägerin vor, insbesondere hinsichtlich der notwendigen Pflichtbeiträge und der Wartezeit. Die Klägerin ist jedoch nicht im Sinne der obigen gesetzlichen Regelung erwerbsgemindert.

Der wesentliche Schwerpunkt der Gesundheitsstörungen der Klägerin liegt auf orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet.

Auf der Grundlage der im Urkundenbeweis zu verwertenden Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren des Orthopäden Dr. B. sowie des Psychiaters und Neurologen Dr. M. wie auch des im Gerichtsverfahren noch eingeholten weiteren orthopädischen Gutachtens von Dr. K. ist bei der Klägerin von einer Hüftdysplasie beidseits mit beginnender Dysplasie Coxarthrose links, einem Cervikal-Lumbalsyndrom bei mäßigen Verschleißerscheinungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, einem Knorpelschaden und einer beginnenden Kniegelenksarthrose rechts sowie Fersensporn beidseits (so zuletzt im Gutachten Dr. K.) auszugehen. Auf der Grundlage dieser Gesundheitsstörungen gelangen die Gutachter Dr. B. und Dr. K. zu der Einschätzung, dass die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen, ohne Heben, Tragen und Schieben von Lasten über 10 kg, ohne Zwangshaltung des Rumpfes, ohne wiederholtes Bücken und Aufrichten und ohne Knien, ohne häufiges Treppensteigen noch verrichten kann. Dr. K. hat in dem Zusammenhang auch verwiesen, dass eine messbare Verschlechterung der Befunde an den Hüftgelenken, an Hals- und Lendenwirbelsäule, insbesondere im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. B. vom Januar 2005 nicht festzustellen war. Nicht beschrieben hat Dr. B. in seinem Gutachten den Kniegelenksbefund rechts, diesbezüglich ist nach Einschätzung von Dr. K. eine Verschlechterung zu verzeichnen oder der Kniegelenksbefund war damals noch nicht so deutlich. Jedenfalls führt nach Einschätzung von Dr. K. dieser Kniegelenksbefund rechts aber nicht über das bereits von Dr. B. beschriebene Maß der Leistungseinschränkungen hinaus. Soweit der behandelnde Orthopäde Dr. E. insbesondere im Hinblick auf die orthopädischen Leiden der Klägerin in Abweichung dazu der Auffassung war, die Klägerin könne auch leichtere Tätigkeiten von mindestens sechs Stunden täglich nicht mehr ausüben, kann der Senat dem nicht folgen. Insbesondere kann auch der Arztauskunft von Dr. E. nicht etwa entnommen werden, dass dieser gravierend schlechtere Funktionsmaße im Vergleich zu dem zuletzt eingeholten Gutachten bei Dr. K. erhoben hat. Dort ist im Gegenteil sogar die Beweglichkeit des rechten Hüftgelenks (was Strecken und Beugen anbelangt) besser gewesen im Verhältnis zum linken (0/0/140° gegenüber jetzt 0/0/90°). Insgesamt hat Dr. K. auch darauf verwiesen, dass sich die Hüftdysplasie und die mit der Hüftdysplasie verbundene linksseitige initiale Hüftgelenksarthrose nicht verschlechtert hat. Allerdings hat Dr. K. hinsichtlich der rechten Hüfte eine Beugefähigkeit von 140° nicht diagnostizieren können, wie sie noch von Dr. E. beschrieben worden ist. Nicht beschrieben wurde von Dr. E. im Übrigen die Beuge- und Aduktionsfehlstellung beider Hüftgelenke, die aber nach Einschätzung von Dr. K. sehr wahrscheinlich auch schon im Juli 2006 bestand. Im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. B. vom Januar 2005 ist auch keine wesentliche Verschlechterung der Beweglichkeit der linken Hüfte, allerdings eine Verschlechterung der Beweglichkeit der rechten Hüfte festzustellen. Nach Einschätzung von Dr. K. ist die unzureichende Beugefähigkeit der rechten Hüfte zum Teil aber auch auf die Adipositas bei der Klägerin zurückzuführen. Die übrigen Werte wie Drehbewegung und Abspreizbewegung haben sich nicht verschlechtert. Auch der radiologische Befund zeigt im Vergleich zum Befund von Dr. B. keine Verschlechterung.

Zu keiner anderen Einschätzung des Leistungsvermögens führen im Übrigen auch die daneben noch bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Gebiet. Nach dem Ergebnis im Gutachten von Dr. M. besteht bei der Klägerin eine als mittelgradig einzustufende depressive Symptomatik, die zum damaligen Zeitpunkt der Begutachtung am 26. September 2005 seit einem halben Jahr bekannt war, allerdings nicht ausreichend behandelt wurde. Soweit nun in dem Zusammenhang die Klägerin einwendet, entgegen der Auffassung des SG sei sie sehr wohl in einer psychiatrischen Behandlung, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich der Auskunft von Dr. Me. vom 29. August 2007 (Praxisnachfolgerin von Dr. Kl.) die Klägerin in der Vergangenheit am 15. Dezember 2003, am 23. Dezember 2007 (hier müsste wohl ein Schreibfehler vorliegen und dies entweder 2004 oder 2003 lauten), ferner am 29. April 2005, 14. Mai und 9. Juni 2005 sowie am 13. November 2006 in Behandlung bei Dr. Kl. gewesen ist und erstmals am 9. März 2007 bei Dr. Me ... Als Diagnose teilt Dr. Me. rezidivierende depressive Episoden mit. Laut Dr. Me. wurde der Klägerin eine Psychotherapie (Verhaltenstherapie) dringend angeraten, konnte eine solche aber aufgrund der langen Wartezeiten bei den Psychotherapeuten in unmittelbarer Wohnortnähe noch nicht begonnen werden, in der Zwischenzeit seien ihr ausweichend Psychotherapieadressen aus der näheren Umgebung der Region V.-S. vermittelt worden. Damit bleibt festzuhalten, dass die Klägerin in der Zeit vom 29. April 2005 bis 9. Juni 2005 dreimal und sodann erst wieder anderthalb Jahre später im November 2006 und sodann erst wieder im März 2007 in nervenärztlicher Behandlung war. Von einer kontinuierlichen nervenärztlichen Behandlung kann hier keinesfalls gesprochen werden. Vielmehr legt die relative Häufigkeit der Behandlungstermine im April bis Juni 2005 nahe, dass seinerzeit wohl eine depressive Episode vorgelegen hatte, im Übrigen aber offensichtlich in der Folgezeit kein akuter Behandlungsbedarf bestanden hatte. Vor diesem Hintergrund ist für den Senat auch nicht erkennbar, weshalb die Klägerin entsprechend der Leistungseinschätzung von Dr. M. nicht in der Lage sein sollte auch unter Berücksichtigung der bei ihr vorliegenden mittelgradigen depressiven Symptomatik leichte körperliche Arbeiten unter Berücksichtigung der bereits durch die orthopädischen Leiden begründeten qualitativen Leistungseinschränkungen noch sechs Stunden und mehr täglich ausüben könnte. Aus diesen Gründen sah auch der Senat keine Veranlassung hier für die Einholung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens.

Insgesamt kann sich der Senat damit nicht davon überzeugen, dass bei der Klägerin neben den insoweit unstreitigen qualitativen Einschränkungen auch quantitativ eine Beschränkung des Leistungsvermögens dahingehend besteht, dass sie nicht mehr in der Lage ist, sechs Stunden und mehr täglich leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausführen zu können. Damit besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Es war im Übrigen im Hinblick auf dieses Leistungsvermögen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI). Auch Anhaltspunkte dafür, dass hier in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen nicht und schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSGE 56, 64 = SozR 2200 § 1246 Nr. 110; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19. Dezember 1996 in BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8; siehe auch zuletzt BSG im Urteil vom 5. Oktober 2005 - B 5 RJ 6/05 R - in SozR 4-2600 § 43 Nr.5).

2. Die Klägerin ist auch nicht berufsunfähig.

Gem. § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und 2. berufsunfähig sind.

Berufsunfähig sind gem. § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat keine Berufsausbildung, es bestand nach ihrem eigenen Angaben in der Anlage zum Rentenantrag auch kein Anlernverhältnis. Die Klägerin ist daher auf alle leichten körperlichen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Aus diesen Gründen besteht bei der Klägerin auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Aus all diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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