L 16 LW 4/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 25/04 FdV
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 4/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000 wird aufgehoben
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 31. Oktober 1998 durch den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2000.

Der 1945 geborene Kläger hat zusammen mit seiner Ehefrau am 30. September 1996 einen Anteil von rund 214 ha des Waldbesitzes M. erworben. Der Kläger erzielte bereits im Jahre 1995 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, selbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung, die Ehefrau erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zur Rentenversicherung der Angestellten zahlte der Kläger nach Beendigung der Beitragspflicht freiwillige Beiträge. Für den Kläger stellte die Beklagte mit Bescheid vom 3. November 1997 ab 1. Oktober 1996 als Landwirt Versicherungspflicht zur landwirtschaftlichen Alterskasse fest, befreite den Kläger aber auf seinen Widerspruch hin mit Bescheid vom 17. Februar 1998, nachdem er den Einkommensteuerbescheid vom 6. November 1996 für das Jahr 1995 vorgelegt hatte, der Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 180.771,00 DM für ihm selbst ausgewiesen hat. Mit Schreiben vom 16. Juni 1998 überprüfte die Beklagte die Befreiungsvoraussetzungen und forderte den Kläger auf, den Einkommensfragebogen für die Kalenderjahre 1996 und 1997 auszufüllen sowie Steuerbescheide vorzulegen. Dem ausgefüllten Fragebogen fügte der Kläger den Steuerbescheid für 1996, datiert vom 26. Mai 1998 bei. Da der Kläger nach diesem Steuerbescheid zwar positive Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft jedoch negative Einkünfte aus selbstständiger Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung erzielt hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 26. Oktober 1998 die Befreiung von der Versicherungspflicht auf und stellte fest, dass ab 1. November 1998 erneut Versicherungs- und Beitragspflicht eintrete. Den Bescheid vom 17. Februar 1998 über die Befreiung von der Versicherungspflicht hob sie mit Wirkung ab 1. November 1998 auf und legte den monatlichen Beitrag in Höhe von 335,00 DM fest. Gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1998 und die Beendigung der Befreiung der Versicherungspflicht legte der Kläger mit Schreiben vom 6. November 1998 Widerspruch ein.

Die Beklagte hörte ihn mit Schreiben vom 31. März 2000 zur beabsichtigten Rücknahme des Bescheides vom 17. Februar 1998 auch für die Vergangenheit ab 1. Oktober 1996 an. Sie führte zur Begründung aus, er habe bereits bei Antragstellung auf Befreiung im November 1997 gewusst, dass sein Einkommen ein Siebtel der Bezugsgröße nicht erreichen werde. Er habe vielmehr mit negativen Einkünften aus der selbstständigen Tätigkeit rechnen müssen, was sich in den berichtigten Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1996 und 1997 bestätigt habe. Dem Kläger wurde gemäß § 24 SGB X Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Mai 2000 hob die Beklagte den Bescheid vom 17. Februar 1998 über die Befreiung von der Versicherungspflicht mit Wirkung vom 1. Oktober 1996 gemäß § 45 SGB X auf und forderte für die Zeit ab 1. Oktober 1996 Beiträge in Höhe von 15.075,00 DM. Sie begründete dies damit, dass aus den Steuerbescheiden der Jahre 1996 und 1997 negative Einkünfte aus außerlandwirtschaftlichen Arbeitseinkommen erkennbar seien und der Kläger daher bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Befreiung wusste, dass sein Einkommen nicht die erforderliche Höhe von einem Siebtel der Bezugsgrenze erreichen würde. Er habe daher damals grob fahrlässig über das gegenwärtige und zukünftige Einkommen falsche Angaben gemacht, deshalb werde der Bescheid vom 17. Februar 1998 von Anfang an zurückgenommen.

Im dagegen gerichteten Widerspruch vom 26. Mai 2000 trug der Kläger vor, dass ihn das Anhörungsschreiben nicht erreicht habe. Im Übrigen bedeuteten steuerlich negative Einkünfte nicht, dass real keine Einkünfte vorhanden seien. Die Unterstellung grob fahrlässig falsche Angaben gemacht zu haben weise er mit Nachdruck zurück, es handle sich hier vielmehr um abweichende Interpretationen. Er weise außerdem darauf hin, dass sich das Forstgut M. im Aufbau befinde und daher die nächsten 10 bis 15 Jahre noch Verluste zu erwarten seien, zumal der Sturm Lothar massive Schäden verursacht habe. Er erziele außer den Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte als beratender Ingenieur, sowie Einnahmen aus der Sandgrube und aus Liegenschaften in den neuen Bundesländern. Aufgrund der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten seien daher die realen Einkommen dem steuerlichen Einkommen nicht gleichzusetzen.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2000 den Widerspruch zurück mit der Begründung der Kläger sei nach Beantragung der Befreiung über die Voraussetzungen des § 3 ALG aufgeklärt und dabei besonders darauf hingewiesen worden, dass der regelmäßige Bezug von Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder vergleichbaren Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen von mehr als einem Siebtel der Bezugsgröße für die Befreiung von der Versicherungspflicht erforderlich sei. Durch den Steuerbescheid für 1996 sei nachgewiesen, dass er entsprechende Einkünfte im Jahre 1996 nicht erzielt habe. Denn bei der Prüfung der Voraussetzungen sei nicht das real erzielte Einkommen zu berücksichtigen, sondern das Arbeitseinkommen, das nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelt wird, also der Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts. Dieses Einkommen müsse auch vom Landwirt selbst in der erforderlichen Höhe erzielt werden, unerheblich sei daher, dass die Ehefrau des Klägers regelmäßig positive Einkünfte in der für die Befreiung erforderlichen Höhe erzielt habe. Aufgrund dieses Sachverhalts sei der Bescheid über die Befreiung von der Versicherungspflicht sowohl mit Wirkung für die Zukunft, als auch für die Vergangenheit ab 1. Oktober 1996 aufzuheben gewesen, da der Kläger es entgegen seiner Verpflichtung und trotz der Belehrung unterlassen habe, der Beklagten über die negativen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit für das Jahr 1996 Mitteilung zu machen, und dies obwohl ihm der erste Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1996 am 31. Juli 1997 zugegangen sei. Die dort festgestellten negativen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit hätten sich im berichtigten Einkommensteuerbescheid bestätigt.

Mit der im Schriftsatz vom 18. Dezember 2000 erhobenen Klage zum Sozialgericht Landshut begehrt der Kläger die Aufhebung der Bescheide der Beklagten in der Form des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000. Unter Vorlage von Steuerbescheiden für das Jahr 1999 wurde zunächst vorgetragen, dass die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen. Im Übrigen habe er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht, so dass die Aufhebung der Befreiung für die Vergangenheit unzulässig sei. Er habe jeweils die ihm vorliegenden endgültigen Steuerbescheide vorgelegt. Daher habe er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt. Im Übrigen sei ihm nicht bekannt gewesen, dass das real bezogene Einkommen mit dem sozialversicherungsrechtlich relevanten Einkommen nicht gleichzusetzen sei. Ebensowenig sei ihm bekannt gewesen, dass steuerrechtliches Einkommen mit dem sozialversicherungsrechtlichen Einkommen gleichgesetzt werde. Diese Unwissenheit des juristischen Laien sei aber weder grob fahrlässig noch gar vorsätzlich. Da er bis 1996 immer positive Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit sowie Vermietung und Verpachtung und Kapital erzielt habe, sei ihm auch nicht bekannt gewesen, aufgrund welcher Einkünfte er von der Beklagten befreit worden sei. Insbesondere seien ihm die Begriffe Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen oder vergleichbares Einkommen im sozialversicherungsrechtlichen Sinne nicht erläutert worden. Er habe außerdem in den Jahren 1997 und 1998 als beratender Ingenieur an einem Projekt im Ausland mitgearbeitet und hieraus hohe Einnahmen erwartet. Aus, von ihm nicht zu vertretenden Gründen, sei dieses Projekt jedoch gescheitert, so dass die Einnahmen ausgeblieben seien. Dies sei jedoch nicht vorhersehbar gewesen. Er habe daher auf den in § 45 SGB X normierten Vertrauenschutz und damit den Bestand des Verwaltungsaktes vertrauen dürfen.

Im Laufe des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht sind auf den Antrag des Klägers weitere Bescheide ergangen, so wurde er mit Wirkung vom 1. Januar 1999 erneut von der Versicherungspflicht befreit, sowie im weiteren Verlauf die Befreiung erneut aufgehoben. In der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2002 bzw. 1. April 2005 haben die Beteiligten festgestellt, dass weder die Höhe der Beitragsschuld noch die folgenden Bescheide Gegenstand des Verfahrens sind. In der mündlichen Verhandlung einigten sich die Beteiligten darauf, dass Streitgegenstand der Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 1998 sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 1. April 2005 die Bescheide der Beklagten vom 26. Oktober 1998 und 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2000 aufgehoben und die Beklagte zur Erstattung von zwei Dritteln der außergerichtlichen Kosten verpflichtet. Das Urteil wurde den Beteiligten am 27. Dezember 2005 bzw. 28. Dezember 2005 zugestellt. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, dass die Bescheide der Beklagten rechtswidrig und daher aufzuheben seien, da zwar aufgrund des negativen Arbeitseinkommens die Befreiungsvoraussetzungen nicht erfüllt waren, die Beklagte aber nicht berechtigt war, den Befreiungsbescheid nach § 45 SGB X aufzuheben, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Es könne wegen der Kompliziertheit der sozialrechtlichen Regelungen und der Tatsache, dass nicht erkennbar war, durch welche steuerliche Einkunftsart der Kläger die Befreiungsvoraussetzungen erfüllt hat, nicht von einer groben Fahrlässigkeit des Klägers ausgegangen werden. Ihn treffe vielmehr nur der Vorwurf der einfachen Fahrlässigkeit. Doch selbst wenn man grobe Fahrlässigkeit unterstelle, seien die Voraussetzungen des § 45 SGB X nicht gegeben, da die Beklagte den Rücknahmebescheid nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der, die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen erlassen habe. Da der Beklagten bereits am 15. Oktober 1998 der Einkommenssteuerbescheid für 1996 vorgelegen habe, habe sie die Jahresfrist versäumt, als sie den Rücknahmebescheid erst am 11. Mai 2000 erlassen habe.

Mit der Berufung, eingelegt mit Schriftsatz vom 19. Januar 2006 begehrt die Beklagte die Aufhebung des am 27. Dezember 2005 zugestellten Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 1. April 2005 sowie die Abweisung der Klage. Die Beklagte und Berufungsklägerin rügt, das Sozialgericht habe das Urteil zu Unrecht darauf gestützt, dass der Kläger in seinem Vertrauen auf den Bestand des Befreiungsbescheides vom 17. Februar 1998 schutzwürdig sei. Dagegen sei einzuwenden, dass er, wie die Ermittlungen der Beklagten ergeben haben, von den negativen Einkünften für das Steuerjahr 1996 bereits mit dem ersten Steuerbescheid vom 31. Juli 1997 Kenntnis bekommen hatte und in Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit und die sich daraus ergebenden Kenntnisse und kaufmännischen Erfahrungen, nicht angenommen werden könne, dass er von einem ungültigen Steuerbescheid ausgegangen sei. Er habe im Übrigen auch aufgrund der ihm obliegenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zum Zeitpunkt der Antragstellung wissen müssen, dass er keine positiven Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Jahre 1996 erzielt habe. Die Beklagte habe erst nachdem sie durch Auskunft des Finanzamts im März 2000 von den bereits im ersten Steuerbescheid festgestellten negativen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit erfahren habe, tätigwerden müssen, denn erst ab diesem Zeitpunkt bestand Gewissheit, dass die Befreiung bereits bei Antragstellung aufgrund wesentlich unrichtiger und unvollständiger Angaben ausgesprochen worden war. Die Jahresfrist beginne nach der Rechtsprechung nicht schon mit bloßer Kenntnis der Tatsachen, vielmehr müssten auch die Umstände bekannt sein, die die wesentliche Änderung betreffen. Deshalb habe die Beklagte nicht gegen die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X verstoßen.

In der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2007 erklärten die Beteiligten übereinstimmend, dass nicht mehr nachvollzogen werden könne, aus welchen Gründen die Monate Dezember und November 1998 in das Verfahren einbezogen wurden. Sie seien sich aber darüber im klaren, dass nur mehr streitig sei, der aufgrund des Bescheides vom 11. Mai 2000 geregelte Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis 31. Oktober 1998. Mit einer Entscheidung der Streitsache durch den Berichterstatter als Einzelrichter im Sinne von § 155 SGG erklärten sich die Beteiligten einverstanden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen und die Revision nicht zuzulassen.

Er ist weiterhin der Auffassung, er habe, da er hohe positive Realeinkünfte gehabt habe, nicht einschätzen können, aufgrund welcher Einnahmen er von der Versicherungspflicht befreit wurde. Es sei ihm auch nicht vorwerfbarer, dass er keine Kenntnis von der Einordnung seiner Einnahmen unter die verschiedenen steuerlichen Einkunftsarten hatte. Deshalb sei für ihm gerade nicht aufgrund einfachster Überlegungen erkennbar gewesen, dass wegen der Parallelität zwischen Einkommensteuerrecht und sozialversicherungsrechtlicher Behandlung von Einkommen der Befreiungstatbestand nicht gegeben war. Grobe Fahrlässigkeit könne ihm daher nicht vorgehalten werden. Im übrigen habe das Sozialgericht zurecht einen Verstoß gegen die Einhaltung der Jahresfrist angenommen, da der Einkommensteuerbescheid für 1996 vom Kläger der Beklagten übersandt wurde und dort am 15.10.1998 eingegangen sei. Die Beklagte hätte ab diesem Zeitpunkt der Kenntnis tätigwerden müssen, es liefe der Schutzfunktion des Abs. 4 S. 2 für den Bürger zuwider, wenn eine über jeden Zweifel erhabene Sicherheit bei der Beklagten eingetreten sein müsste.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, der Akte der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sie ist dahingehend begründet, dass der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000 aufzuheben ist, da die Beklagte nicht berechtigt war, den Befreiungsbescheid vom 17. Februar 1998 mit Wirkung für die Vergangenheit d.h. für den Zeitraum 1. Oktober 1996 bis 31. Oktober 1998 aufzuheben.

Gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG konnte die Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter ergehen, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2007 übereinstimmend zugestimmt haben. Das Urteil des Sozialgerichts ist entgegen den Bestimmungen der §§ 134 Abs. 1, 136 SGG nicht vom Vorsitzenden unterschrieben und daher nicht mit Gründen versehen (vgl. dazu Jens-Meyer-Ladewig, § 134 SGG Anm. 4, 7, § 136 Anm. 7g). Dieser Mangel des SG-Urteils kann durch das Urteil des Senats geheilt werden. Es war daher nicht das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. April 1005 aufzuheben, sondern vielmehr im Berufungsverfahren über die Klage zu entscheiden. In der Sache selbst war aufgrund der übereinstimmenden Einschränkungen des Streitgegenstandes durch die Beteiligten nur noch der Bescheid vom 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000 streitig, soweit dadurch die im Bescheid vom 17. Februar 1998 ausgesprochene Befreiung für die Vergangenheit von der Beklagten aufgehoben wurde. Entgegen der Auffassung der Beklagten und Berufungsklägerin kann dem Kläger und Berufungsbeklagten kein grob fahrlässiges Handeln mit ausreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die Aufhebung des Befreiungsbescheides vom 17. Februar 1998 kann nur auf § 45 Abs. 2 SGB X gestützt werden, denn die Aufhebung für die Zukunft hat die Beklagte in dem hier nicht streitigen Bescheid vom 26. Oktober 1998 bereits zeitnah an die Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides des Jahres 1996 durchgeführt. Die Rücknahme eines bestandskräftigen Bescheides hat der Gesetzgeber nach § 45 Abs. 2 SGB X in Hinblick auf den Vertrauensschutz des Begünstigten und unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme ausdrücklich geregelt. Das Vertrauen des Begünstigten ist in der Regel schutzwürdig, wenn er erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Der Begünstigte kann sich allerdings auf Vertrauen dann nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 1 SGB X), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X) oder wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Dabei wird grobe Fahrlässigkeit dann angenommen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Ziff. 3 SGB X). Darüber hinaus muss die Verwaltung bei der Rücknahme des Verwaltungsakts mit Dauerwirkung die in § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X normierte Jahresfrist einhalten. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts kann sowohl die grobe Fahrlässigkeit des Klägers und somit erst recht nicht der Vorsatz begründet werden, darüber hinaus ist aber von der Beklagten die Rücknahme des streitgegenständliche Bescheides nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgt, der die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigt. Die vorgetragenen Umstände und deren Würdigung rechtfertigen es nicht dem Kläger grobe Fahrlässigkeit zu unterstellen, denn trotzdem ihm kaufmännische Kenntnisse sicherlich zuzurechnen sind, war es weder anhand der Fragebögen der Beklagten noch aufgrund des übersandten Merkblattes ohne größere Recherche und somit nicht ohne Schwierigkeit erkennbar, inwieweit ein zur Befreiung ausreichendes Einkommen vorgelegen hat. Der Vortrag des Klägers ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die sozialversicherungsrechtliche Bewertung von Einkommen parallel zur steuerrechtlichen Beurteilung vollziehe ist glaubhaft, zumal die vollständige Gleichstellung auch erst mit Wirkung ab 1. Januar 1995 durch Änderung des § 15 SGB IV erfolgt ist. Seither wird Arbeitseinkommen als sozialrechtlicher Begriff inhaltlich durch die Bezugnahme auf das Einkommensteuergesetz definiert. Im Hinblick darauf, dass der Kläger tatsächlich hohe Realeinnahmen zum Beispiel aus der Kiesgrube zum Teil aber auch aus seiner beratenden Ingenieurtätigkeit sowohl vor 1996 als auch später erneut aufzuweisen hat, kann ihm nicht unterstellt werden, er habe für das Jahr 1996 bereits zum Zeitpunkt des Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht bei der Beklagten wissen müssen, dass er abweichend vom Jahr 1995 negative Einkünfte aus selbstständiger Arbeit steuerrechtlich erzielen wird. Er hat in seinem Schreiben dabei ausdrücklich auf den letzten gültigen Steuerbescheid Bezug genommen. In nachträglicher Würdigung kam man daraus erkennen, dass er den Steuerbescheid für das Jahr 1996, der im Juli 1997 erstellt worden war, für nicht endgültig angesehen hat, da dieser von ihm angefochten wurde. Allein dieser Sachverhalt reicht nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht aus, grobe Fahrlässigkeit beim Kläger zu bejahen, da die Beklagte in den weiteren Schreiben zwar die zur Befreiung führenden Einkünfte erwähnt, aber keinerlei Hinweise zur Feststellung der Einkünfte gegeben hat. Es wurde vielmehr im Bescheid vom 7. Dezember 1998 nicht deutlich gemacht, welche Einkünfte den Befreiungstatbestand erfüllen.

Doch selbst wenn man eine grobe Fahrlässigkeit beim Kläger bejahen würde, konnte die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 11. Mai 2000 den Befreiungsbescheid vom 17. Februar 1998 nicht aufheben, da sie nicht in der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X tätig geworden ist. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte in den Fällen des Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 S. 2 den Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, sie muss dies allerdings innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts für die Vergangenheit rechtfertigen. Dies ist jedoch nicht geschehen, denn die Beklagte hat nicht wie sie selbst vorträgt erst im März 2000 Kenntnis von den Umständen erhalten, sie hat vielmehr bereits im Oktober 1998 Kenntnis von den negativen Einkünften des Klägers aus selbstständiger Arbeit erlangt. Deshalb hat die Beklagte auch völlig zu Recht mit dem hier nicht streitigen Bescheid vom 26. Oktober 1998 die Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. November 1998 also für die Zukunft aufgehoben. Die folgenden Ermittlungen der Beklagten bezogen sich wie sich aus den Unterlagen und den Schriftwechseln bzw. den Telefonaten mit dem Kläger ergibt auf den Steuerbescheid des Jahres 1997, wo der Kläger wahrheitsgemäß mitteilte, diesen vom Finanzamt noch nicht erhalten zu haben. Nichts deutet in den gesamten Ermittlungen der Beklagten daraufhin, dass sie sich in der Zeit bis März 2000 mit dem Steuerbescheid für 1996 und dessen Zu-Stande-Kommen beschäftigt hat. Sie hat weder den Kläger aufgefordert mitzuteilen warum er gegen diesen Bescheid Rechtsmittel eingelegt hatte, noch hat sie eine entsprechende Anfrage an das Finanzamt gerichtet. Dass bei erneuter Prüfung im März 2000 dem Sachbearbeiter auffiel, dass bisher verabsäumt wurde die Befreiung auch für die Vergangenheit aufzuheben, zeigt sich an der dann unverzüglich erfolgten Rücksprache mit dem Finanzamt. Dabei ist in der Zwischenzeit jedoch der Beklagten kein Umstand bekannt geworden der sie zu dieser Ermittlungen erst veranlasst hätte, vielmehr wäre diese Nachfrage bereits bei erstmaliger Kenntnis des Steuerbescheids 1996 ebenso möglich und erforderlich gewesen, um die letzten Zweifel an dem Fehlen der Voraussetzungen für die Befreiung auszuräumen. Es ist also festzustellen, dass mit Kenntnisnahme des Steuerbescheides von 1996 im Oktober 1998 für die Beklagte der erforderliche Grad an Sicherheit erreicht war um handlen zu können. Denn für die Aufhebung des Befreiungstatbestandes war nicht erforderlich, dass die Beklagte Kenntnis davon hatte warum der Kläger statt der früheren hohen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit jetzt negative Einkünfte zu verzeichnen hatte. Damit hat die Beklagte die erforderliche Kenntnis der Tatsachen, die die Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit rechtfertigen, gehabt. Auch wenn das BSG im Urteil vom 25. Januar 1994 (Az.: 7 RAr 14/93 ausführt, dass die Jahresfrist nicht nur eine sogenannte Handlungsfrist sondern eine Entscheidungsfrist darstelle kann im hier zu entscheidenden Fall nicht erkannt werden, welche Überlegungen die Beklagte für die Entscheidung abzuwägen gehabt hätte, die sie nicht erst durch Anhörung des Betroffenen von der beabsichtigten Aufhebung hätte erfahren können. Anders als im genannten Fall, wo die Beklagte Kenntnis des entscheidenden Vorganges durch Hinweise eines Dritten erlangt hat, war hier durch den Steuerbescheid der rechtliche Sachverhalt zweifelsfrei erkennbar, so dass die Beklagte um ihre Ermessensentscheidung durchführen zu können nur gehalten war, den Kläger zum beabsichtigten Verfahren gemäß § 24 SGB X anzuhören, um so Überlegungen zum Vertrauensschutz anstellen zu können. Dies ist aber gerade innerhalb der Jahresfrist nicht erfolgt, denn die Anhörung vom 30. März 2000 fand erst mehr als ein Jahr nach Kenntnisnahme der Einkünfte des Jahres 1996 statt. Es ist daher festzustellen, dass auch aus diesem Grunde eine Rücknahme des Befreiungsbescheides für die Vergangenheit also für den streitigen Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis 31. Oktober 1998 nicht mehr möglich war. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2000 erweist sich somit als rechtswidrig und war auf die Klage des Klägers aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass der Kläger überwiegend obsiegt hat (§§ 183, 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Verfassungsgerichtes ab. Der Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Urteils konnte durch das Urteil des erkennenden Gerichts behoben werden.
Rechtskraft
Aus
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