L 2 P 1/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 P 280/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 1/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.09.2006 Leistungen wegen häuslicher Pflege mindestens nach Pflegestufe I zustehen.

Der 1945 geborene Kläger war bis zum 30.09.2006 Mitglied bei der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt kündigte er das Versicherungsverhältnis und ist seither bei der AOK Bayern versichert.

Seinen Antrag vom 31.01.2005 auf Zahlung von Pflegegeld wegen häuslicher Pflege lehnte die Beklagte, nachdem sie ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt hatte, mit Bescheid vom 29.06.2005 ab. Der MDK war im Gutachten vom 19.04.2005 zum Ergebnis gekommen, beim Kläger seien nur Hilfe beim Waschen und Duschen, beim Wasserlassen, beim An- und Entkleiden und beim Stehen erforderlich. Im Tagesdurchschnitt betrage der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege 17 Minuten, im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung über 45 Minuten. Damit seien die Voraussetzungen für Leistungen nach der Pflegestufe I nicht erfüllt.

Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger mit einem höheren Hilfebedarf, wie er sich aus dem von ihm geführten Pflegetagebuch für die Zeit vom 10.05.2005 bis 16.05.2005 ergebe. Danach erreiche der Hilfebedarf pro Tag 120 bis 165 Minuten im Bereich der Grundpflege; für die hauswirtschaftliche Versorgung seien zwischen 45 und 240 Minuten zu veranschlagen. Der MDK nahm hierzu am 07.09.2005 Stellung und erklärte, es könne lediglich noch ein weiterer Hilfebedarf von zusätzlich 12 Minuten täglich (29 Minuten) anerkannt werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2005 zurück. Die Voraussetzungen für Pflegegeld seien nicht erfüllt. Die hierfür geforderte Hilfe von mehr als 45 Minuten bei der Grundpflege werde nicht erreicht. Pudern und Eincremen wegen einer Pilzerkrankung seien der Behandlungspflege zuzurechnen.

Dagegen erhob der Kläger beim Sozialgericht München (SG) Klage. Das SG ernannte Dr. W. , Facharzt für Innere Medizin und Arbeitsmedizin, zum Sachverständigen und beauftragte ihn mit der Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers im Rahmen eines Hausbesuchs zum Umfang des notwendigen Bedarfs bei der Pflege. Im Gutachten vom 18.09.2006, dem eine Untersuchung des Klägers am selben Tag im häuslichen Bereich voranging, schilderte der Sachverständige die verschiedenen Verrichtungen des täglichen Lebens, für die der Kläger fremder Hilfe bedarf. Als pflegebegründende Diagnosen nannte er eine somatoforme Störung mit schwerer neurotischer Konfliktverarbeitung, Verdacht auf Fibromyalgie-Syndrom, Adipositas per magna, beginnende Gonarthrose und Sprunggelenksarthrose beidseits sowie Dranginkontinenz. Daneben bestünden ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus und andere Gesundheitsstörungen auf internem Gebiet. Diese Erkrankungen seien für die Pflegesituation nicht maßgeblich. Der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege berechne sich auf 24 Minuten täglich. Hilfe sei beim Duschen, beim Stuhlgang, beim An- und Entkleiden und beim Stehen erforderlich. Für hauswirtschaftliche Versorgung sei der Kläger auf Unterstützung von mehr als 45 Minuten pro Tag angewiesen. Blutzuckermessungen und Insulininjektionen gehörten zur Behandlungspflege und seien für die Beurteilung der Pflegebedürftigkeit nicht heranzuziehen.

Nach Anhörung wies das SG mit Gerichtsbescheid vom 15. Januar 2007 die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach den vorhandenen medizinischen Gutachten seien die Voraussetzungen für die Pflegestufe I, für die ein Zeitaufwand an Pflege von mehr als 45 Minuten notwendig sei, nicht erfüllt. Allgemeine Aufsicht, Betreuung und Zuwendung seien nicht berücksichtigungsfähig.

Dagegen legte der Kläger Berufung ein. Er wandte ein, das vom Sachverständigen Dr. W. beschriebene Krankheitsbild einer Konfliktverarbeitungsstörung mit neurotischer Komponente treffe auf ihn nicht zu. Vielmehr leide er an Angina pectoris Anfällen, Herzkammerflimmern, Schweißausbrüchen, Inkontinenz, Diabetes mit Schwankungen der Blutzuckerwerte, Lumboischialgien mit neurologischen Ausfällen an den oberen und unteren Extremitäten und Lähmungsanfällen. Dieses Krankheitsbild bestehe schon seit elf Jahren. Keineswegs stehe sein Übergewicht im Vordergrund. Im Schreiben vom 01.05.2007 wies der Kläger daraufhin, inzwischen habe sich das Krankheitsbild derart dramatisch verschlechtert, dass er ständiger Hilfe bedürfe. Er bezog sich auf einen Arztbrief des Neurologen Dr. R. vom 05.07.2007. Darin wird eine Behandlung am 03.07.2007 wegen Sulcusulnaris-Syndrom links, Diabetes mellitus mit Polyneuropathie, chronisch somatoformer Schmerzstörung, Adipositas per Magna und Persönlichkeitsstörung beschrieben. Zum 30.09.2006 kündigte der Kläger die Mitgliedschaft bei der Beklagten. Die Beklagte bestätigte dies. Der Kläger teilte mit, er stehe seit dem 20.09.2007 unter Betreuung, die vom Amtsgericht R. angeordnet worden sei. Einen Betreuerausweis legte er vor.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 15.01.2007 sowie des Bescheids vom 29.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.11.2005 zu verurteilen, ihm auf seinen Antrag vom Januar 2005 Pflegegeld für häusliche Pflege mindestens nach der Stufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Akten des SG zu früheren Verfahren sowie zum streitgegenständlichen Klageverfahren und der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Zutreffend entschied das SG, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen aus der Pflegeversicherung nicht erfüllt sind, weil der Bedarf an fremder Hilfe für die täglichen Verrichtungen im Grundpflegebereich nicht mehr als 45 Minuten täglich im Wochendurchschnitt beträgt.

Streitgegenstand ist dabei lediglich die Zeit vom 01.01.2005, also vom Eingang des Antrags, gem. § 33 SGB XI bis zum Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten am 30.09.2006 gem. § 35 SGB XI. Nach der zuletzt genannten Bestimmung erlischt ein Anspruch mit dem Ende der Mitgliedschaft. Eine danach zuständig gewordene Pflegekasse ist nicht an die Entscheidung der vorherigen Pflegekasse gebunden. Aus diesem Grunde war eine Beiladung der Nachfolgekasse gem. § 75 Abs. 1 SGG nicht geboten.

Der Senat stützt seine Entscheidung, wie zuvor das SG, auf das Gutachten des Dr. W. vom 18.09.2006. Da nur über den Zeitraum bis zum 30.09.2006 zu entscheiden war, beleuchtet dieses Gutachten den Hilfebedarf zeitnah und umfassend. Eine Verschlechterung nach dem 30.09.2006, die der Kläger während des Berufungsverfahrens mehrfach geltend machte, ist für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung. Diesbezüglich muss sich der Kläger mit der Nachfolgekasse auseinandersetzen.

Der Arztbrief des Dr. R. vom 05.07.2007, auf den sich der Kläger bezieht, bestätigt die Diagnosen, die Dr. W. seiner Beurteilung zu Grunde legte. Der Senat hat daher keine Bedenken, seine Entscheidung auf dessen Gutachten zu stützen. Darüber hinaus stehen die Feststellungen zum Hilfebedarf im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Einschätzung des MDK im Gutachten vom 19.04.2005 bzw. der ergänzenden Stellungnahme vom 07.09.2005. Während der MDK in der korrigierten Fassung 29 Minuten für Grundpflegeverrichtungen notwendig erachtete, berechnete Dr. W. lediglich 24 Minuten. Da die Beurteilung von Pflegegeld im Wesentlichen auf Schätzung beruht, war der geringen Abweichung keine Bedeutung beizumessen. Der Senat kommt damit in Übereinstimmung mit dem SG zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für Leistungen wegen häuslicher Pflege gem. § 37 SGB XI nicht erfüllt sind, weil die zeitlichen Vorgaben in § 15 Abs 2 Ziff. 1 SGB XI, wonach auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen, nicht erfüllt sind.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.01.2007 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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