L 13 An 1133/94

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 An 1015/93
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 An 1133/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 1994 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 25. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1993 verurteilt, der Klägerin die von ihr in der Zeit von März 1966 bis 8. Februar 1993 zur Rentenversicherung getragenen Beiträge zu er statten, und zwar gegen Verrechnung der Kosten des Heilverfahrens ab 9. Februar 1993 einschließlich des Übergangsgelds.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der von ihr getragenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die 1944 in L. P geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Republik B. Sie lebte nach ihren Angaben seit 1964 in der Bundesrepublik Deutschland. Seit 28. März 1966 war sie versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst bis Juni 1970 zur Rentenversicherung der Arbeiter. Ab 1. Juli 1970 wurden Beiträge zur Beklagten entrichtet, da die Klägerin als Versicherungsangestellte bei einem Unternehmen der privaten Lebensversicherung beschäftigt war. 1986 wurde ein Tumorleiden (Blasenkrebs) festgestellt. Es erfolgte eine erste Operation. Arbeitsunfähigkeit über die Zeiten der Entgeltfortzahlung hinaus bestand damals und auch in der Folge zeit nicht. Ein Rezidiv des Leidens bewirkte dann aber durchgängige Arbeitsunfähigkeit ab 16. Juli 1992. Nach einer Zweitoperation am 9. Juli 1992 befand sich die Klägerin vom 11. August bis 8. September 1992 in der Klinik L. - Abteilung Thorax- und Gefäßchirurgie -‚ wo am 24. August 1992 eine Lungenoperation durchgeführt wurde. Die Entgeltfortzahlung und damit die Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung hatten mit dem 16. August 1992 geendet; ab dem folgenden Tag bezog die Klägerin Krankengeld. Praktischer Arzt Dr. Br. befürwortete mit Schreiben vom 30. September 1992, bei der zuständigen Betriebs- Krankenkasse ebenso wie ein Formantrag der Klägerin eingegangen am 7. Oktober 1992, ihr eine den bisher unbefriedigenden Heilungsverlauf fördernde Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren. Die Klägerin verneinte im Formantrag u.a. die Frage, ob Beiträge erstattet worden seien oder dies beantragt worden sei. Dem Wunsch der Klägerin, eine Klinik in Ba. D. beziehen zu können, entsprach die Beklagte nicht, da hierfür keine Indikation bestehe. Stattdessen wurde nach Abschluss der nie medizinischen Ermittlungen (zuletzt Befundbericht des Dr. Br. vom 25. November 1992) durch Bescheid vom 18. Dezember 1992 eine Heilmaßnahme im Park- Sanatorium Ä. - Fachklinik für onkologische Rehabilitation - bewilligt, die für Ende Februar/Anfang März 1993 vorgesehen wurde. Am 22. Dezember 1992 stellte die Klägerin bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in S. Antrag auf Kontenklärung, weil die zur Rentenversicherung der Arbeiter zurückgelegte Beitragszeit im Versicherungsverlauf nicht aufgeführt war.

Ganz am oberen Rand des Antragsformulars wurde handschriftlich eingetragen "Versicherte will nach Südamerika zurückkehren"; sie bitte (so ebenfalls handschriftlich auf Seite 2 des Antrags), ihr die Höhe des zu erwartenden Erstattungsbetrags mitzuteilen. Über die beantragte Heilmaßnahme. wurde bei diesem Anlass nach Angaben der Klägerin und auch ausweislich der Akten nicht gesprochen. Der Antrag ging am 28. Dezember 1992 bei der Hauptverwaltung der Beklagten in B. ein. Nach Erhebung eines Kontospiegels vom 30. Dezember 1992, der u.a. den Eintrag enthielt, "14.10.92 ... beantragt, BKZ 8304 Sonstige Maßnahmen bzw. Leistungen nach § 13 AVG/ 10, 11, 12 SGB VI", trat die Beklagte am 14. Januar 1993 in die Bearbeitung ein. Der Klägerin wurden noch am selben Tag die "BfA-Informationen" Nr. 11 und 26 über Beitragserstattungen übersandt mit dem Hinweis: "Bezüglich Ihrer Anfrage verweisen wir auf die beiliegenden Merkblätter". Diese Merkblätter enthalten (so die Information Nr. 11, Stand 1992, S. 8) den Hinweis, nicht erstattet würden Beiträge, aus denen eine Sach- oder Geldleistung bewilligt worden sei; solche Leistungen seien u.a. medizinische oder berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation (z.B. Heilverfahren). Am 1. Februar 1993 gingen bei der Beklagten die bei der Landesversicherungsanstalt W. angeforderten Versicherungskarten aus der Zeit von 1966 bis 1970 ein. Bereits am 9. Februar 1993 konnte die Klägerin die Heilmaßnahme in A antreten, die bis 9. März 1993 (mit Schonungszeit von weiteren fünf Tagen) dauerte und für die ihr ein Übergangsgeld von kalendertäglich 61,81 DM bewilligt wurde (vgl. Bescheid vom 21. April 1993). Während der Zeit der Heilmaßnahme erteilte die Beklagte der Klägerin den Bescheid vom 25. Februar 1993, dem Antrag auf Beitragserstattung könne nicht entsprochen werden, weil die Klägerin zur freiwilligen Versicherung berechtigt sei. Beigegeben war nochmals die Information Nr. 26 für ausländische Staatsangehörige. Nach ihrer Rückkehr erhob die Klägerin Widerspruch gegen letzteren Bescheid und führte aus, sie und ihr Ehemann würden noch in diesem Jahr für immer nach B. zurückkehren. Auf entsprechende Anfrage bei der für Rehabilitation zuständigen Abteilung 8304 erfuhr das für den Erstattungsantrag zuständige Dezernat der Beklagten am 26. März 1993 von der bereits beendeten Heilmaßnahme. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vorn 7. Juni 1993 zurück, da ein Erstattungsanspruch ungeachtet an derer Voraussetzungen jedenfalls an der Inanspruchnahme des Heilverfahrens scheitere. - Die Klägerin ist im Juli 1993 auf Dauer in ihr Heimatland zurückgekehrt. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) hat die Klägerin vorgebracht, sie hätte die Kur nicht angetreten, wenn sie erfahren hätte, dass sie damit den Erstattungsanspruch verliere. Hierüber hätte die Beklagte sie anlässlich des Antrags auf Kontenklärung belehren müssen. Sie habe hinreichend deutlich auf den beabsichtigten Erstattungsantrag hingewiesen. Die Beklagte hätte die Anträge koordinieren müssen. Im übrigen sei der Schwerpunkt der Kur verfehlt gewesen, da sie vorrangig an der Lunge und nicht am Blasenleiden erkrankt gewesen sei. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 29. April 1994 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klägerin habe mit der Kur- Maßnahme eine Sachleistung der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch genommen und damit den Anspruch auf Beitragserstattung verloren; auch sei die Be klagte nicht verpflichtet gewesen, anlässlich des Leistungsantrags auf diese nachteilige Folge aufmerksam zu machen.

Gegen dieses ihrer Bevollmächtigten gemäß Empfangsbekenntnis am 4. Mai 1994 zu gestellte Urteil richtet sich die am 3. Juni 1994 (Telefax) beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verbleibt dabei, sie habe nicht gewusst, welche Folgen die Inanspruchnahme einer Kur haben könne. Sie sei insoweit nicht hinreichend aufgeklärt worden, obwohl sie noch vor dem Kuraufenthalt den Antrag auf Kontenklärung mit dem Hinweis, sie wolle nach Südamerika zurückkehren, gestellt habe. Eine Hinweispflicht der Beklagten habe sich vom gesamten Ablauf her aufgedrängt. Nie und nimmer hätte sie die Kur angetreten, wenn sie gewusst hätte, welche weitreichenden nachteiligen Folgen dies habe. Auch sei weiterhin zu berücksichtigen, dass sie letztlich eine falsche Kur - erst fünf Monate nach der Operation - bewilligt erhalten habe. E gehe ihr jetzt in B finanziell nicht gut, sie sei oft krank und müsse die Kosten hierfür selbst, bezahlen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. April 1994 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25. Februar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1993 zu verurteilen, ihr die von ihr zur Rentenversicherung getragenen Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die streitgegenständlichen Entscheidungen für zu treffend. Auch eine Verrechnung der Kosten der Heilmaßnahme mit dem Erstattungsanspruch komme nicht in Betracht. Für die Sachbearbeitung habe keine Veranlassung bestanden, auf die nachteilige Rechtsfolge hinzuweisen; dafür seien die Angaben der Klägerin zu vage gewesen. Dem gemäß seien die Voraussetzungen für einen sozial- rechtlichen Herstellungsanspruch nicht erfüllt.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zu gestimmt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakte des Senats, der Klageakte des SG und der Verwaltungsakten der Beklagten ( Rentenakte sowie Rehabilitations-Akte BKZ r) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsbeschränkungen stehen nicht entgegen; der in Betracht kommende Erstattungsbetrag übersteigt offenkundig 1.000,- DM (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in der seit dem 1. März 1993 geltenden Fassung). Die Berufung ist auch insoweit begründet, als die Klägerin die Erstattung der von ihr getragenen Beiträge gegen Verrechnung der Kosten des Heilverfahrens einschließlich des gezahlten Übergangsgelds verlangen kann.

Gesetzliche Grundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Beitragserstattung ist § 210 Abs. 1 Nr. 1 des seit 1. Januar 1992 anzuwendenden Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Ges Rentenversicherung - (SGB VI). Danach werden Beiträge auf Antrag erstattet solchen Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben; die Beiträge werden in der Höhe er stattet, in der die Versicherten sie getragen haben (Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift). Nach § 210 Abs. 2 Satz 1 SGB VI besteht für die Erstattung ferner eine Wartefrist; die Beiträge werden danach nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht sechs Kalendermonate abgelaufen• sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Diese Voraussetzungen für eine Beitragserstattung sind seit 1. Oktober 1993 erfüllt. Daß noch im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 1993 die Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nicht vorlagen, schadet nicht, weil bei der zur Durchsetzung des Anspruchs erhobenen statthaften Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SOG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (vgl. BSGE 70, 285, 289).

Die Klägerin hat - ohne Beschränkung auf einzelne Beitragszeiten - zunächst die Erstattung der von ihr getragenen Beiträge zur Rentenversicherung beantragt. Anlässlich des Kontenklärungsantrags vom 22. Dezember 1992 hat die Klägerin der Beklagten angekündigt, nach Südamerika zurückkehren und die Erstattung von Beiträgen beantragen zu wollen. Die Kontenklärung sollte die Beitragserstattung vorbereiten. Die Be klagte selbst hat in der Erklärung der Klägerin anlässlich des Kontenklärungsantrags sogar schon den Erstattungsantrag erblickt, wie der Ablehnungsbescheid vom 25. Februar 1993 zeigt. Spätestens mit dem Widerspruch gegen diesen Bescheid hat die Klägerin der Beklagten gegenüber ihren unbedingten Willen zum Ausdruck gebracht, dass ihr die Beiträge zur Rentenversicherung erstattet werden sollen. Ob im Hinblick auf die Sichtweise der von einem Erstattungsantrag ausgehenden Beklagten und wegen der in der Widerspruchsschrift enthaltenen Erklärung der Klägerin, sie beantrage noch einmal die Beitragserstattung, sogar angenommen werden kann, die Klägerin habe schon anlässlich der Vorsprache auf der Auskunfts- und Beratungsstelle am 22. Dezember 1992 für die Beklagte erkennbar die Erstattung beantragt, kann offenbleiben, weil es hierauf letztlich nicht ankommt. Die Klägerin ist außerdem nach dem Aus scheiden aus dem inländischen Beschäftigungsverhältnis und der Übersiedlung in ihr Heimatland, zu welchem keine vertraglichen Beziehungen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen, weder versicherungspflichtig noch versicherungsberechtigt (vgl. die das Territorialprinzip zum Ausdruck bringende Bestimmung des § 3 Nr. 1 und 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV)). Zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind bei gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nur deutsche, nicht jedoch ausländische Staats angehörige (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB VI; zu den - hier nicht einschlägigen - Ausnahmen etwa Funk in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 7 SGB VI, Stand Februar 1994, Rdnr. 11 f. mit Nachweisen). Der Sonderfall des § 232 SGB VI, nämlich dass vor dem 1. Januar 1992 vom Recht der Selbstversicherung, der Weiterversicherung oder der freiwilligen Versicherung Gebrauch gemacht worden ist, liegt bei der Klägerin ebenfalls nicht vor. Die Wartefrist von sechs Kalendermonaten seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht ( 210 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) am 14. März 1993 (letzter Pflichtbeitrag wegen Bezug von Übergangsgeld) ist inzwischen abgelaufen.

Dem Erstattungsanspruch der Klägerin steht zwar der Tatbestand der zwingenden gesetzlichen Bestimmung des § 210 Abs. 5 SGB VI entgegen. Danach werden nur die später gezahlten Beiträge erstattet, wenn Versicherte eine Geld- oder Sachleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen haben. Die Klägerin hat mit der vom 9. Februar bis 9. März 1993 durchgeführten Heilmaßnahme eine Sachleistung aus ihrem Versicherungsverhältnis erhalten; außerdem ist für diese Zeit zuzüglich fünf Tagen Schonungszeit ein kalendertägliches Übergangsgeld von 61,81 DM geleistet worden. Da sämtliche Beiträge der Klägerin vor Inanspruchnahme der Leistung gezahlt worden sind, wäre nach dieser Vorschrift der Anspruch auf Erstattung sämtlicher Bei träge "verwirkt" (diesen Begriff verwendend Koch/Hartmann/Kaltenbach/Maier, AVG, Stand November 1983, § 82, V 563 f.) Auf Höhe und Umfang der Leistung kommt es für den Ausschluss einer Erstattung nach allgemeiner Auffassung nicht an; es ist nicht zulässig, bei unverhältnismäßig geringem Wert einer gewährten Leistung den Wert der gezahlten Beiträge aufzurechnen (so schon zum früheren Recht Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, September 1988, S. 744 c 1, d).

Die Klägerin hat mit ihrem Begehren aber im Wege des - mit den von ihr vorgebrachten Gesichtspunkten sinngemäß geltend gemachten - sozialrechtlichen Herstellungsanspruch Erfolg. Dieses Rechtsinstitut ist anwendbar, wenn die Folgen einer im Rahmen des Sozialrechtsverhältnisses eintretenden Pflichtverletzung eines Leistungsträgers im Gesetz weder speziell geregelt noch in anderer Weise, etwa durch Härteklau sein, Wiedereinsetzungen oder Fiktionen erfasst sind. Der auf Herstellung in Anspruch genommene Leistungsträger muss eine Pflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis, die dem Anspruchsteller gegenüber besteht, objektiv rechtswidrig nicht oder schlecht erfüllt haben; diese Pflichtverletzung muss im Sinne einer wesentlichen Bedingung einen sozial- rechtlichen Nachteil in dem Sinne ursächlich bewirkt haben, dass dem Betroffenen ein Recht (z. B. Leistungsrecht), das ihm ohne die Pflichtverletzung zugestanden hätte, nicht mehr zusteht; schließlich ist zu prüfen, ob der geltend gemachte Nachteil nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahr stammt, zu deren Abwendung die verletzte konkrete Pflicht diente; die verletzte Pflicht muss mit anderen Worten darauf gerichtet sein, den Betroffenen im Sinne eines inneren Zusammenhangs vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Betroffene vom Leistungsträger verlangen, so behandelt zu werden, als stehe ihm das beeinträchtigte Recht noch in vollem Umfang zu (vgl. aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - insbesondere BSGE 55, 40, 43 = SozR 2100 § 27 Nr. 2; BSGE 71, 17, 22 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 8; BSGE 59, 60, 67 SozR 5070 § 10 Nr. 31; ausführlich Urteil vom 15. Dezember 1994 - 4 RA 64/93 - SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 mit zahlreichen Nachweisen auch aus der Literatur). Zu den Pflichten, deren Verletzung den Herstellungsanspruch begründen kann, gehören insbesondere die Pflichten zur Auskunft und Beratung nach § 14 und 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1); zu verlangen ist vom Leistungsträger eine dem konkreten Anlass entsprechende "verständnisvolle Förderung" der Interessen des Betroffenen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Herstellungsanspruch liegen nach der Auffassung des Senats hier vor. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall eine der Klägerin gegenüber gemäß § 14 SGB 1 bestehende Pflicht zur Beratung‘ verletzt. Eine solche Pflicht wird zwar regelmäßig erst durch ein entsprechendes Begehren des Berechtigten ausgelöst (vgl. BSGE 52, 145; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr. 12); der Versicherungsträger ist jedoch auch dann, wenn eine Beratung nicht ausdrücklich verlangt wird, gehalten, den Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu tage liegende Gestaltung hinzuweisen, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig ist, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde, um Nachteile zu vermeiden (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 13 RJ 27/94 - m.w.N., nicht zur Veröffentlichung bestimmt). Dabei ist die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zutage liegt, allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG SozR 5070 § 10 Nr. 25); auf eine schuldhafte Verletzung von Sorgfaltsanforderungen seitens der Beklagten kommt es demgemäß nicht an. Die vom Senat bejahte Verletzung einer Beratungspflicht ergibt sich aus Folgendem: Dem am 22. Dezember 1992 gestellten Kontenklärungsantrag war zu entnehmen, dass die Klägerin beabsichtigte, nach Südamerika zurückzukehren und sie sich deshalb mit dem Ge danken trug, ein Erstattungsverfahren einzuleiten. Die Beklagte selbst ist dabei sogar schon von einem Erstattungsantrag ausgegangen. Darüber hinaus konnte die Sachbearbeitung dem am 30. Dezember 1992 erstellten Kontospiegel entnehmen, dass die Klägerin am 14. Oktober 1992 einen Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen gestellt hatte. Diesem Antrag hatte die Beklagte durch Bescheid vom 1. Dezember 1992 bereits entsprochen und eine stationäre Heilbehandlung im Parksanatorium A. bewilligt, die von der Beklagten als "Eilfall" bezeichnet wurde und voraussichtlich Ende Februar/Anfang März 1993 stattfinden sollte. Weil die Inanspruchnahme des Heilverfahrens jegliche von der Klägerin ins Auge gefasste, nach Meinung der Beklagten sogar bereits beantragte Erstattung zu Fall bringen musste, bestand für die Beklagte ein konkreter Anlass, von sich aus an die Klägerin heranzutreten und diese darüber aufzui4 dass bei Inanspruchnahme des bereits bewilligten Heilverfahrens eine Erstattung ausgeschlossen sein würde. Ihrer Pflicht zur Aufklärung und Beratung ist die Beklagte durch die am 14. Januar 1993 erfolgte Übersendung der BfA-Informationen Nr. 11 und 26 nur unvollständig nachgekommen. Die Merk Blätter umfassten 10 bzw. 14 Seiten mit zahlreichen Informationen zur Inlands- und Auslandserstattung. Sie enthielten auf den Seiten 8 bzw. 12 zwar den Hinweis, dass auch Beiträge, aus denen eine Sach- oder Geldleistung bewilligt worden ist, nicht er stattet werden; zusätzlich wird darüber informiert, dass hierzu alle bis zum Ende des Vormonats vor Leistungsbeginn entrichteten Beiträge gehören und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung u. a. Rehabilitationsleistungen wie z.B. Heilverfahren sind. Darin kann keine sachgerechte, den Besonderheiten des vorliegenden Falles Rechnung tragende Beratung gesehen werden. Die gegebenen Hinweise bringen die Verfallswirkung bei Inanspruchnahme einer Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung - insbesondere im Vergleich zu dem wesentlich klarer und eindeutiger gefassten Wortlaut des § 210 Abs. 5 SGB VI - sprachlich nur unzureichend zum Ausdruck; sie sind drucktechnisch ganz unauffällig gefasst und eher versteckt platziert. Die Übersendung der Informationen bot auch keine Gewähr dafür, dass die Klägerin sich mit deren Inhalt noch vor Antritt einer von der Beklagten als "Eilfall" behandelten stationären Heilbehandlung befassen würde. Sachgerecht war hier allein eine individuell abgefasste Aufklärung der Klägerin durch die Beklagte über die nachteiligen Folgen einer Inanspruchnahme des bereits bewilligten Heilverfahrens für eine Beitragserstattung. Eine solche Beratung, die vor dem Antritt der Heilmaßnahme noch möglich war, hat die Beklagte der Klägerin aber nicht zuteil werden lassen. Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass die Klägerin, vor die Alternative einer stationären Heilbehandlung auf Kosten der Beklagten oder der Erstattung gestellt, sich für die Erstattung entschieden und vom Heilverfahren entweder ganz Abstand genommen oder dieses als "Selbstzahler" in Erwartung des sehr hohen Erstattungsbetrags finanziert hätte. Auf den.Gesichtspunkt, es habe sich letztlich um eine ungeeignete oder "falsche‘ Kur gehandelt, kommt es freilich nicht an, da es sich insoweit um eine für die Anwendung der hier einschlägigen Rechtsgrundsätze und Vorschriften unerhebliche Frage des pflichtgemäßen medizinischen Ermessens handelt.

Der Klägerin ist durch die Inanspruchnahme der Kur in A. ein sozialrechtlicher Nachteil insoweit entstanden, als ihr deshalb wegen § 210 Abs. 5 SGB VI der dem Betrag nach die Kosten der Heilmaßnahme offensichtlich übersteigende - Erstattungsanspruch tatbestandlich verlorengegangen ist. Dem kann nicht mit einer von der Beklagten geäußerten Auffassung entgegengehalten werden, ein solcher Nachteil sei wegen der stattdessen fortbestehenden Anwartschaft auf ein Altersruhegeld nicht entstanden. Die Erstattungsregelung des § 210 SGB VI räumt dem Versicherten das freie Wahlrecht ein, auf die zukünftige Rente zu verzichten und stattdessen in den Genuss eines einmaligen Kapitalbetrags zu gelangen. Dieses vom Gesetzgeber eingeräumte Wahlrecht wurde im Fall der Klägerin in einer für diese jedenfalls subjektiv nachteiligen Weise verbraucht. Es steht der Beklagten nicht zu, diesen subjektiv entstandenen Nachteil mit dem erst in Zukunft auflebenden und deshalb in seiner Verwirklichung unsicheren Rentenanspruch zu verrechnen. Der von der Klägerin erlittene Nachteil kann auch - nach den Anforderungen der zitierten Rechtsprechung - mit verwaltungskonformen Mitteln, also durch eine vom Gesetz vorgesehene zulässige und rechtmäßige Amtshandlung, beseitigt werden. Hintergrund dieser notwendigen Differenzierung zwischen "ersetzbaren" und "nicht ersetzbaren" Voraussetzungen eines Anspruchs ist das in Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) niedergelegte Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Dieses lässt es nicht zu, dass die Verwaltung gesetzwidrig handelt, selbst wenn sie zuvor eine falsche Auskunft oder Beratung erteilt hat (vgl. insbesondere BSGE 66, 258, 265 = SozR 3-4100 § 125 Nr. 1 mit Nachweisen; BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 4). Mit Hilfe des Herstellungsanspruchs lässt sich hiernach ein Fehlverhalten des Leistungsträgers insoweit berichtigen, als die Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck im Einklang steht; eine solche Korrektur ist insbesondere dann gefordert, wenn aufgrund unterlassener oder fehlerhafter Beratung etwa eine unterbliebene oder verspätete Antragstellung, Beitragsentrichtung oder Vorlage von Nachweisen verursacht worden ist. Diesen Fällen unterlassener oder verspäteter Handlungen kann der Fall gleichzustellen sein, dass jemand vorzeitig eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl sich bei einer Verschiebung des Leistungsfalls günstigere Folgen ergeben hätten (vgl. BSGE 60, 79, 85 f. = SozR 4100 § 100 Nr. j‘ Demgegenüber wird es in der Rechtsprechung grundsätzlich abgelehnt, außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegende Tatbestände, die nach materiellem Recht für das Entstehen eines Leistungsanspruchs erforderlich sind, als heilbar anzusehen (vgl. zusammenfassend insbesondere BSGE 65, 293, 299 f. = SozR 4100 § 112 Nr. 51 mit Nachweisen). Der Herstellungsanspruch soll nicht fehlende materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen ersetzen, sondern regelmäßig nur die rückwirkende Nachholung und Zuordnung von Voraussetzungen ermöglichen, die vom Verhalten des Versicherten abhängen. Er soll mit anderen Worten dazu verhelfen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen effektiv erfüllt und nicht durch ein Fehlverhalten des Leistungsträgers vereitelt werden; eine Verminderung oder Reduzierung der Tatbestandsvoraussetzungen ist nicht zulässig (so Kreßel, NZS 1994, 395 ff., 399; auch derselbe in: Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, Schriften reihe des Deutschen Sozialrechtsverbands Band 39 - 1994 - S. 44). Zu diesen Tatbestandsvoraussetzungen, die nicht ersetzt werden können, gehören Gegebenheiten tat sächlicher Art, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln zugänglich sind oder nicht im Wege der Fiktion ungeschehen gemacht werden können, etwa die Höhe eines erzielten Arbeitsentgelts, eine fehlende Arbeitslosmeldung, fehlende Anwartschaftszeit oder das Verfehlen einer gesetzlichen Altersgrenze (vgl. die Nachweise in BSG SozR 3-4100 § 249e Nr. 4). Ebenso wenig ist eine Restitution etwa möglich, wenn tatsächlich ein Arbeitsverhältnis aufgenommen worden ist, obwohl der Betroffene bei Verbleiben im Sozialleistungsbezug günstiger gestanden hätte; der bestehende Lebenssachverhalt, der "von außen" zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs herangetragen wird, kann nicht mehr beseitigt werden (vgl. BSGE 65, 293, 300; Kreßel aaO 5. 400). Die hier gegebene Sachlage, nämlich dass durch mangelnde Aufklärung und Beratung eine der Klägerin insgesamt finanziell nachteilige Heilmaßnahme gewährt und deshalb der Erstattungsanspruch tatbestandlich vernichtet worden ist, zählt nach der Auffassung des Senats nicht zu diesen nicht zu ersetzenden oder zu beseitigenden Lebenssachverhalten. Zwar kann der "Wert" einer Heilmaßnahme unabhängig von deren Kosten, also nach ihrem medizinischen Erfolg, schwerlich gemessen werden. Dieser Unbestimmtheit des Werts einer Versicherungsleistung trägt die das Versicherungsprinzip zum Ausdruck bringende Verwirkungsregel des § 210 Abs. 5 SGB VI Rechnung. Bei der Inanspruchnahme eines Heilverfahrens handelt es sich aber nicht um einen "von außen" an die Prüfung eines Erstattungsanspruchs herangetragenen Lebenssachverhalt, sondern um eine von der Beklagten im Rahmen des versicherungsrechtlichen Gegenseitigkeitsverhältnisses (Synallagmas) erbrachte, in ihren finanziellen Kosten genau berechenbare Leistung. Die Bejahung eines Herstellungsanspruchs führt hier nur dazu, dass dieses versicherungsrechtliche Synallagma beseitigt und in Richtung auf eine Verrechnung von Kosten aufgelöst wird. Mit einer solchen Verrechnung der Kosten kann das von der Klägerin tatsächlich in Anspruch genommene Heilverfahren im Wege der Fiktion einer "Rückabwicklung" ungeschehen gemacht werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits mehrmals angedeutet, bei der hier einschlägigen Frage sei ein Herstellungsanspruch nicht auszuschließen (vgl. zuerst BSG SozR 2200 § 1303 Nr. 20, wo ein Anspruch aus tatsächlichen Gründen entfiel; BSGE 52, 145, 148 = SozR 1200 § 14 Nr. 12, wo eine Pflichtverletzung des Leistungsträgers verneint wurde; zuletzt BSGE 65, 293, 300, wo ausgeführt wird, das Heilverfahren könne durch Verrechnung der Kosten mit dem Beitragserstattungsanspruch gleichsam rück gängig gemacht werden). Diese Äußerungen sind zwar in der Literatur auf Kritik gestoßen (vgl. Plagemann, SGb 1984, 208 f. im Hinblick auf das Versicherungsprinzip; Schmidt-De Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, 1992, S. 131). Der Hintergrund dieser Kritik liegt aber letztlich darin, daß befürchtet wird, der sozial- rechtliche Herstellungsanspruch könne zu erheblichen Vorteilen im Vergleich zu dem bei pflichtgemäßem Verhalten des Versicherungsträgers eingetretenen Sachverhalt führen, die nicht rückabgewickelt werden können. Diesem Einwand ist wiederum entgegenzuhalten, dass solche erheblichen Vorteile durch die - von der Klägerin jedenfalls hinzunehmende - Verrechnung der Kosten vermieden werden können. Mit dem Herstellungsanspruch soll nicht das Ergebnis erzielt werden, dass der Versicherte die Vor teile des tatsächlichen Geschehensablaufs behält und zusätzlich die Vorteile erzielt, die ihm der hypothetische Sachverhalt erbracht hätte (so BSGE 65, 293, 300). Im vorliegenden Fall hätte die Klägerin, sofern sie das Heilverfahren hätte in Anspruch nehmen wollen, die Kosten selbst übernehmen und in Erwartung des verhältnismäßig hohen Erstattungsbetrags vorfinanzieren können. Diese Gestaltungsmöglichkeit verbietet es, dem schwer messbaren immateriellen (gesundheitlichen) Wert der Kurmaßnahme eine "Sperrwirkung" gegenüber einer Verrechnung der Kosten beizumessen. Auch bei der als zulässig angesehenen Verrechnung zu früh in Anspruch genommener laufender Geldleistungen sind (durch die zu frühe Bewilligung) finanzielle Vorteile geschaffen worden, deren Wert im Fall der "Rückabwicklung" im Wege des Herstellungsanspruchs vernachlässigt wird. Auch in diesen Fällen handelt es sich um innerhalb des Sozialrechtsverhältnisses erbrachte Leistungen, die zunächst "vollendete Tatsachen" geschaffen haben, ohne dass diese Sachverhalte den einen Herstellungsanspruch aus schließenden "von außen" herangetragenen Tatbestandsmerkmalen zugezahlt würden. Die Vergleichbarkeit dieser Fälle mit dem hier zur Entscheidung anstehenden rechtfertigt es, nicht die unwiederbringlich zugeflossene medizinische Leistung in den Vordergrund zu rücken, sondern in der Rückgängigmachung des Heilverfahrens durch Verrechnung der Kosten einen durch Verwaltungshandeln herstellbaren rechtmäßigen Zustand zu erkennen (so im Ergebnis BSGE 52, 145, 148).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es erscheint gerechtfertigt, eine Kostenerstattung in vollem Umfang aufzuerlegen; die Klägerin hätte bei entsprechendem Hinweis ihren Antrag im Sinne des hier gewonnenen Ergebnisses beschränkt.

Der Senat hat die Revision zugelassen. Er misst der Sache grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), weil die hier entscheidungserhebliche Frage einer Verrechnung aufgrund Herstellungsanspruchs bisher höchstrichterlich nicht ab schließend behandelt worden ist.
Rechtskraft
Aus
Saved