L 6 R 527/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 R 132/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 527/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 85/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin ist 1954 geboren und hat im Rahmen der Erwachsenenqualifikation in der DDR im Juni 1989 die Facharbeiterprüfung in Krankenpflege abgelegt. Mit Ausnahme von kurzen Tätigkeiten als Krankenschwester zu Beginn der 90er Jahre war die Klägerin später und zuletzt in den alten Bundesländern bis 01.04.2005 als Krankenpflegehelferin tätig. Der letzte Arbeitgeber bezahlte sie nicht nach Tarifvertrag, sondern nach Einzelvereinbarung und erachtete die in der DDR erworbene Qualifikation als der einer Pflegehelferin mit einjähriger Ausbildung entsprechend. Auch die Klägerin hatte angegeben, ihre Ausbildung sei ihr in den alten Bundesländern nicht als höherwertig anerkannt worden.

Nach einem erfolglosen Rentenantragsverfahren im Jahre 2002 stellte die Klägerin am 11.04.2004 einen erneuten Rentenantrag. Die Beklagte lehnte ihn mit Bescheid vom 19.07.2004 ab, weil der von ihr als Sachverständiger gehörte Neurologe und Psychiater Dr. R. zu dem Ergebnis gekommen war, die Klägerin könne weiterhin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf sechs Stunden täglich tätig sein. Auf den von der Klägerin eingelegten Widerspruch hin erfolgte eine Begutachtung durch den Chirurgen Dr. S. , der zu der gleichen Einschätzung wie der Vorgutachter kam. Die Beklagte wies deshalb den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht München Gutachten des Orthopäden Dr. K. vom 14.10.2005 und des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 07.12.2005 eingeholt und den Rechtsstreit anschließend mit Beschluss vom 17.01.2006 an das Sozialgericht Landshut verwiesen.

Der Sachverständige Dr. K. ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin in ihrem letzten Beruf nur noch teilweise einsetzbar sei, ansonsten aber für leichte bis kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden täglich. Der Sachverständige Dr. B. ist zu den gleichen Einschränkungen gekommen, hält darüberhinaus eine Tätigkeit als Pflegehelferin nicht mehr für möglich.

Das Sozialgericht Landshut hat die Klage mit Urteil vom 29.05.2006 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin müsse sich mit ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen und sei dort noch sechs Stunden einsatzfähig.

Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt in der Sache, den Bescheid der Beklagten vom 19.07.2004 und ihren Widerspruchsbescheid vom 04.03.2005 sowie das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.05.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin angegeben, sie habe einen Schlaganfall erlitten. Der Senat hat daraufhin Arztberichte eingeholt und die Neurologin und Psychiaterin Dr. S. als Sachverständige gehört. Diese hat in ihrem Gutachten vom 25.07.2007 zunächst festgestellt, dass es bei dem von der Klägerin als Schlaganfall angegebenen Geschehen nach dem Bericht der Klinik, in der die Klägerin stationär aufgenommen worden war, zur spontanen Rückbildung gekommen sei. Bei der Klägerin liege ein Verstimmungszustand mit einer aggressiven und fordernden Haltung mit sehr geringen depressiven Anteilen vor. Als Krankenpflegehelferin könne die Klägerin nicht mehr arbeiten, im übrigen ergäben sich auch sonst keine wesentlichen Unterschiede zu der Einschätzung des Leistungsvermögens durch die Vorgutachter. Gutachten auf weiteren Fachgebieten seien nicht erforderlich.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten aus dem vorhergehenden Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Rentenanspruch.

Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ist nach § 43 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung zu beurteilen.

Zugunsten der vor dem 02.01.1961 geborenen Klägerin ist auch § 240 SGB VI anzuwenden. Nach dessen Abs. 1 haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch Versicherte, die u.a. berufsunfähig sind. Nach Abs. 2 sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Das ist die zuletzt und auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung.

Bei diesem maßgeblichen, zuletzt ausgeübten Beruf handelt es sich bei der Klägerin um den einer Krankenpflegehelferin. Diesen Beruf kann sie nach dem Ergebnis der eingeholten Sachverständigengutachten nicht mehr ausüben.

Sie ist jedoch damit nicht berufsunfähig. Im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf darf ein Versicherter grundsätzlich auf einen Beruf in der nach seiner Wertigkeit nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden. Hierbei werden die Berufe der Versicherten nach ihrer Wertigkeit in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die jeweilige Einstufung in dieses Prüfungsmuster bestimmt die Berufstätigkeit, auf die ein Versicherter verwiesen werden kann. Die Zuweisung zu einer Berufsgruppe bestimmt sich nach der Bedeutung, die die Ausbildung für die Qualität eines Berufes hatte, sowie dessen tariflicher Eingruppierung und der konkreten Eingruppierung durch den Arbeitgeber (vgl. BSG Urteil vom 20.07.2005 Az.: B 13 RJ 19/04 R). Die beiden untersten Gruppen werden hierbei von der des ungelernten Arbeiters bzw. Angestellten und der des angelernten Arbeiters bzw. Angestellten (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) gebildet. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit in der nächstniedrigeren Berufsgruppe. Bei einer Verweisung auf die unterste Berufsgruppe bedarf es nicht der Benennung einer konkreten beruflichen Tätigkeit, die ein Versicherter mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch konkret ausüben kann. Es genügt, wenn die zeitliche Einsatzfähigkeit die gesetzliche Vorgabe nicht unterschreitet, es sei denn, es läge eine ungewöhnliche Summierung von Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor. Letzteres trifft bei der Klägerin nicht zu.

Die Klägerin muss sich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, weil sie zuletzt versicherungspflichtig in einem Ausbildungsberuf tätig war, dessen Qualität einer geregelten Ausbildungszeit von einem Jahr entspricht. Dies ergibt sich aus der Auskunft des letzten Arbeitgebers, der die Qualifikation der Klägerin so bewertet und die Klägerin in der entsprechenden Tätigkeit beschäftigt hat. Eine Entlohnung entsprechend einer Tätigkeit in einem Ausbildungsberuf mit einer geregelten Ausbildung von mehr als zwei Jahren hat nicht stattgefunden. Die Klägerin muss sich damit mit ihrem verbliebenen Leistungsvermögen auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, ohne dass eine bestimmte, ihr konkret zumutbare Tätigkeit zu benennen wäre. Die Klägerin hat damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Sie hat damit erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, denn nach dessen Abs. 2 ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass die Klägerin in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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