L 13 An 27/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 2c An 124/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 An 27/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die ihr zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewertung einer Kindererziehungszeit für den am 17. Mai 1958 geborenen Sohn der Klägerin. Umstritten ist dabei insbesondere, welche Auswirkungen für die Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) sich aus der Überschneidung der Kindererziehungszeit in den Monaten Juli bis September 1958 mit einer vom 1. Juli 1958 bis zum 7. September 1958 zurückgelegten Beitragszeit ergeben.

Die 1927 in L./Sudetenland geborene Klägerin lebte von 1946 an in der sowjetrussisch besetzten Zone bzw. in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) und übersiedelte am 18. Dezember 1980 in die Bundesrepublik Deutschland. Sie ist im Besitz des Ausweises für Vertriebene und Flüchtlinge "A”. Die im Herkunftsgebiet von der Klägerin zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten wurden nach Maßgabe des Fremdrentengesetzes (FRG) in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen.

Unter anderem war die Klägerin in der Zeit vom 1. September 1956 bis zum 31. August 1962 als Lehrerin an der R.-H.-Schule in S. tätig. Der am 2. Oktober 1951 ausgestellte DDR-Versicherungsausweis verzeichnet für das Jahr 1958 eine Beschäftigungszeit vom 1. Januar 1958 bis zum 31. Dezember 1958 und einen beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst in Höhe von 4.448,– Mark. Außerdem sind die Geburt des Sohnes H.-P. am 17. Mai 1958 und eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 8. September 1958 bis zum 3. Oktober 1958 vermerkt. Für das Jahr 1959 ergeben sich aus dem DDR-Versicherungsausweis eine Beschäftigungszeit vom 1. Januar 1959 bis zum 31. Dezember 1959 und ein beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst in Höhe von 6.900,– Mark. Außerdem sind Arbeitsunfähigkeitszeiten vom 8. September 1959 bis zum 10. September 1959, vom 21. Oktober 1959 bis zum 1. November 1959 sowie vom 28. November 1959 bis zum 12. Dezember 1959 vermerkt.

In der bundesdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung wurden insoweit unter anderem zunächst die folgenden rentenrechtlichen Zeiten in den Versicherungsverlauf der Klägerin eingestellt:

01.01.1958–10.04.1958 4 Monate Pflichtbeiträge
11.04.1958–28.06.1958 1 Monat Schwangerschaft
29.06.1958–07.09.1958 4 Monate Pflichtbeiträge
08.09.1958–03.10.1958 Arbeitsunfähigkeit
04.10.1958–31.12.1958 3 Monate Pflichtbeiträge
01.01.1959–31.05.1959 5 Monate Pflichtbeiträge

Entsprechend den Anlagen zum FRG wurden die jeweiligen Pflichtbeitragszeiten mit dem der Leistungsgruppe B 3 entsprechenden Bruttoarbeitsentgelten in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung übernommen.

Neben den genannten Zeiten wurde gemäß § 56 Abs. 1 in Verbindung mit § 249 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI) eine Kindererziehungszeit vom 1. Juni 1958 bis zum 31. Mai 1959 berücksichtigt.

Auf entsprechenden Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 30. Oktober 1992 für die Zeit ab 1. März 1992 die gesetzliche Regelaltersrente. Dabei wurden im Rahmen der Rentenberechnung für die Kindererziehungszeit vom 1. Juni 1958 bis zum 31. Mai 1959 der erst ab 29. Juni 1958 mit Pflichtbeiträgen belegte Monat Juni 1958 mit dem für die Kindererziehungszeit zu berücksichtigenden (vergleichsweise höheren) Mindestwert von 0,0625 EP und die mit Pflichtbeiträgen belegten Monate Oktober 1958 bis Mai 1959 jeweils mit den sich auf der Grundlage der einzelnen Bruttoarbeitsentgelte ermittelten (vergleichsweise höheren) EP bewertet. Für die Monate Juli 1958 bis September 1958 stellte die Beklagte den für drei Monate zu jeweils 0,0625 EP Kindererziehungszeit errechneten Mindestwert von 0,1875 EP dem Wert der für die Beitragszeit vom 1. Juli 1958 bis zum 7. September 1958 ermittelten 0,2103 EP gegenüber und legte der Rentenberechnung den höheren Wert von 0,2103 EP zugrunde.

Die Klägerin erhob am 17. November 1992 Widerspruch und beanstandete die Ermittlung der EP für den Monat September 1958. Bei Gegenüberstellung der für die Beitragszeit vom 1. September 1958 bis zum 7. September 1958 effektiv zu ermittelnden 0,0220 EP mit dem für die Kindererziehungszeit zu berücksichtigenden Mindestwert von 0,0625 EP pro Monat werde deutlich, daß die einen Zeitraum von drei Monaten zusammenfassende Vergleichsberechnung der Beklagten nur hinsichtlich der vollständig mit Beiträgen belegten Monate Juli und August 1958 korrekt sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß bei einem Zusammentreffen von Beitragszeiten mit Kindererziehungszeiten die für die Vergleichsberechnung maßgebliche Aufteilung in einzelne Kalendermonate bzw. in zusammenhängende Zeiträume von mehreren Monaten jeweils maschinell vorgenommen werde und rechtlich nicht zu beanstanden sei.

Die Klägerin erhob daraufhin am 2. März 1993 Klage vor dem Sozialgericht Fulda. Sie vertrat die Auffassung, daß bei Kindererziehungszeiten wegen der in § 70 Abs. 2 SGB VI "für jeden Kalendermonat” gewährleisteten 0,0625 EP nur ein teilmonatsbezogener Vergleich mit zeitgleich vorhandenen Beitragszeiten vorgenommen werden dürfe. Die dem Programmierkreis des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger (VOR) angeschlossenen Rentenversicherungsträger würden die Bewertung auch genau in dieser Weise vornehmen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 8. Oktober 1993 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, bei der Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin für den Monat September 1958 0,0625 EP zu berücksichtigen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, daß nach dem unmißverständlichen Wortlaut des § 70 Abs. 2 SGB VI bzw. des § 28 b Abs. 2 FRG für jeden Kalendermonat der gesetzliche Wert der Kindererziehungszeit (0,0625 EP) mit dem Wert der Beitragszeit im gleichen Zeitabschnitt zu vergleichen sei.

Gegen das ihr am 13. Dezember 1993 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Januar 1994 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, daß gemäß § 70 Abs. 1 SGB VI, § 28 b Abs. 1 FRG die Ermittlung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten grundsätzlich jahresbezogen aufgrund des Verhältnisses der Beitragsbemessungsgrundlage zum Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr zu erfolgen habe. Wenn die Beitragsbemessungsgrundlage bei einem Zeitraum von mehreren Monaten zusammenhängend in den Versicherungsunterlagen nachgewiesen bzw. mittels Datenerfassungsverordnung (DEVO) und Datenübermittlungsverordnung (DÜVO) zu übermitteln sei, dann bestehe keine Veranlassung, diesen Zeitraum mit seiner insgesamt nachgewiesenen Beitragsbemessungsgrundlage kalendermonatlich aufzuteilen. Anderenfalls könne sich das Erfordernis ergeben, auf Verlangen des Berechtigten abweichend von § 123 Abs. 3 SGB VI in jedem Einzelfall das tatsächlich im jeweiligen Kalendermonat erzielte Entgelt ermitteln zu müssen, wodurch jedes Versicherungskonto, in dem Kindererziehungszeiten gespeichert sind, zu einem ungeklärten Versicherungskonto werden könne. Die Problematik sei in der Projektgruppe Rentenberechnung des VDR erörtert worden, woraufhin der von der Klägerin erwähnte VDR-Programmierkreis zugesagt habe, ebenso wie zuvor schon der südwestdeutsche Programmierkreis und die Beklagte keinen kalendermonatlichen Vergleich mehr vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Oktober 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der die Klägerin betreffenden Rentenakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 8. Oktober 1993 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 1993 ist rechtswidrig, soweit die Beklagte bei der Berechnung der Regelaltersrente der Klägerin hinsichtlich des Monats September 1958 weniger als 0,0625 Entgeltpunkte (EP) berücksichtigt hat.

Die am 1. März 1927 geborene Klägerin hat für die Zeit ab 1. März 1992 einen Anspruch auf die Regelaltersrente gemäß § 35 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI). Bei der Rentenberechnung ist als rentenrechtliche Zeit unstreitig gemäß § 28 b Abs. 1 Satz 1 Fremdrentengesetz (FRG) in Verbindung mit §§ 56, 249 SGB VI eine Kindererziehungszeit vom 1. Juni 1958 bis zum 31. Mai 1959 für den am 17. Mai 1958 geborenen Sohn Hans-Peter anzurechnen. Die Rentenhöhe ergibt sich nach Maßgabe der §§ 63 ff. SGB VI unter anderem aus den für die einzelnen rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin zu berücksichtigenden EP.

Für Beitragszeiten werden der Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zufolge die EP ermittelt, in dem die Beitragsbemessungsgrundlage durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Kindererziehungszeiten erhalten gemäß § 70 Abs. 2 SGB VI für jeden Kalendermonat 0,0625 EP, mindestens jedoch die nach § 70 Abs. 1 SGB VI ermittelten EP. Trifft eine Kindererziehungszeit nach § 28 b Abs. 1 FRG mit einer anderen anzurechnenden Zeit zusammen, so erhält diese Zeit der Vorschrift des § 28 b Abs. 2 FRG zufolge für jeden Kalendermonat 0,0625 EP.

Für den – hier streitigen – Fall des Zusammentreffens einer Kindererziehungszeit mit Beitragszeiten hat der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes 1992 damit im Ergebnis die bereits bis zum 31. Dezember 1991 bestehende Regelung aus § 32 a Abs. 5 Satz 2 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) bzw. § 1255 a Abs. 5 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) übernommen, wonach die Kindererziehungszeit nicht zusätzlich (additiv) zum Wert der Beitragszeiten, sondern lediglich "lückenschließend” berücksichtigt werden soll. Daß nach altem Recht die nachgewiesenen Beitragszeiten im Vordergrund standen und beim Zusammentreffen mit Kindererziehungszeiten auf 6,25 Werteinheiten pro Monat zu erhöhen waren, während nach neuem Recht die Kindererziehungszeit (als Zeit, für die Pflichtbeiträge als gezahlt gelten) mit 0,0625 EP pro Monat im Vordergrund steht und beim Zusammentreffen mit höher bewerteten Beitragszeiten mindestens die für die Beitragszeiten ermittelten EP erhalten bleiben sollen, stellt für die Rentenberechnung im Ergebnis keinen bedeutsamen Unterschied dar. Die zum alten Recht vorliegende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 1. September 1988 – 4/11 a RA 59/87 = SozR 2200 § 1255 a Nr. 20 und BSG vom 22. Juni 1989 – 4 RA 86/88), wonach gegen die gesetzliche Regelung keine entscheidenden verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben werden können, hat damit in ihren wesentlichen Aussagen auch für das neue Recht unverändert Bedeutung.

In Anwendung der gesetzlichen Regelung hat die Beklagte im Bescheid vom 30. Oktober 1992 für den Monat Juni 1958 zunächst als Wert für die Kindererziehung 0,0625 EP berücksichtigt, sodann die EP für die zeitgleiche Beitragszeit vom 29. Juni 1958 bis zum 30. Juni 1958 (6.024,– DM Tabellenwert nach dem FRG für weibliche Arbeitnehmer der Leistungsgruppe 3 im Jahre 1958 geteilt durch 360 Tage multipliziert mit 2 Tagen = 33,47 DM 5.330,– DM Durchschnittsentgelt für 1958 = 0,0063 EP) ermittelt und schließlich den Mindestwert von 0,0625 EP der Rentenberechnung zu Grunde gelegt. Die Beklagte hat damit selbst eindrucksvoll vorgeführt, daß beim Zusammentreffen einer Kindererziehungszeit mit einer Teil-Beitragszeit ein monatsbezogener Vergleich der jeweiligen EP vorgenommen werden kann und auf welche Weise in Anwendung des § 123 Abs. 3 SGB VI ausgehend von dem gemeldeten bzw. dem als Tabellenwert anzunehmenden Bruttojahresarbeitsentgelt die EP für die Teilmonate zu ermitteln sind.

Sofern man die Regelung des § 70 Abs. 2 SGB VI buchstabengetreu anwendet, sind für den umstrittenen Monat September 1958 im vorliegenden Fall zunächst als Wert für die Kindererziehung wiederum 0,0625 EP zu berücksichtigen, sodann die EP für die zeitgleiche Beitragszeit vom 1. September 1958 bis zum 7. September 1958 (6.024,– DM geteilt durch 360 Tage multipliziert mit 7 Tagen = 117,13 DM geteilt durch 5.330,– DM = 0,0220 EP) zu ermitteln und schließlich der Mindestwert von 0,0625 EP der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Für die vollständig mit Beiträgen belegten Monate Juli und August 1958 ergeben sich demgegenüber als Wert für die Beitragsleistung jeweils (6.024,– DM geteilt durch 12 Monate = 502,– DM geteilt durch 5.330,– DM =) 0,0942 EP, so daß auf die Monate Juli bis September 1958 insgesamt 0,2509 EP und nicht lediglich die von der Beklagten ermittelten 0,2103 EP entfallen.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, daß hinsichtlich der Monate Juli, August und September 1958 die Vergleichsbetrachtung zwischen dem Mindestwert der Kindererziehung und den auf die zeitgleichen Beitragszeiten entfallenden EP nicht teilmonatsbezogen, sondern vielmehr anhand von größeren Zeitabschnitten ("Beitragsketten”) zu erfolgen habe, fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, daß das SGB VI den Begriff der "Beitragskette” nicht kennt und daß § 70 Abs. 2 SGB VI seinem unmißverständlichen Wortlaut nach ausdrücklich eine teilmonatsbezogene Bewertung fordert.

Es sind auch keine stichhaltigen oder zwingenden Gründe erkennbar, die es rechtfertigen könnten, dem vom Wortsinn ("für jeden Kalendermonat”) her eindeutigen Gesetzeswortlaut etwa im Wege einer teleologischen Auslegung (vergleiche dazu BSG vom 13. November 1990 – 1 RA 55/88) entsprechend der Verwaltungsübung der Beklagten "umzudeuten”.

Der noch im Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 1993 in Anlehnung an die behördeninterne Arbeitsweisung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu § 70 Abs. 2 SGB VI enthaltene Hinweis, daß die zum Vergleich mit zeitgleichen Beitragszeiten vorgenommene abschnittsweise Aufteilung der Kindererziehungszeit in einzelne Monate bzw. Beitragsketten ohne besondere Vorgabe des Sachbearbeiters "maschinell vorgenommen” werde, geht an der Sache vorbei, denn eine im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut stehende Verwaltungsübung wird nicht dadurch rechtmäßig, daß der Fehler in der Rechtsanwendung infolge eines unzutreffenden EDV-Programms massenhaft bei einer Vielzahl von Fällen in gleicher Weise wiederholt wird. Es kann angesichts dessen auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob andere Rentenversicherungsträger aufgrund von bestimmten Absprachen, die auf der Ebene ihrer "Programmierkreise” getroffen worden sind, bei der Bewertung von Kindererziehungszeiten ähnlich wie die Beklagte verfahren. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist allein das Gesetz als Richtschnur heranzuziehen, nicht hingegen ein ohne Legislativkompetenz auf Verwaltungsebene geschaffenes EDV-Rechenprogramm.

Von der Beklagten sind auch keine überzeugenden Gründe dargelegt worden, aus denen eine teilmonatsbezogene Bewertung der Kindererziehungszeiten aus rein praktischen Gründen als undurchführbar angesehen werden müßte.

Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, daß die von den Versicherten zurückgelegten Beitragszeiten ihr in der Regel nicht nach Monaten aufgeschlüsselt, sondern nach Maßgabe der Datenerfassungsverordnung (DEVO) und der Datenübermittlungsverordnung (DÜVO) für längere Zeitabschnitte zusammengefaßt (Jahresmeldung) übermittelt werden. Dies kann für den vorliegenden Fall freilich schon deshalb keine Bedeutung haben, weil es sich bei den mit den EP für die Kindererziehungszeit zu vergleichenden Beitragszeiten der Klägerin gerade nicht um nach Maßgabe von DEVO/DÜVO gemeldete Zeiten handelt, sondern um Fremdrentenzeiten, deren Bruttoarbeitsentgelte die Beklagte aus den einschlägigen Entgelttabellen entnommen hat. Ganz abgesehen davon muß es auch als bedenklich erscheinen, eine vom Gesetzgeber in Kenntnis des rechtlichen Umfelds getroffene Regelung (§ 70 Abs. 2 SGB VI) nach Maßgabe einer in früherer Zeit und zudem lediglich per Rechtsverordnung getroffenen Durchführungsvorschrift (DEVO/DÜVO) interpretieren zu wollen.

Ebenso, wie es möglich und von der Beklagten hinsichtlich des Monats Juni 1958 auch durchgeführt worden ist, aus dem in der FRG-Leistungstabelle enthaltenen Bruttojahresarbeitsentgelt in Anwendung des § 123 Abs. 3 SGB VI monats- und tagebezogene Beitragswerte zu ermitteln, kann freilich auch bei einer das gesamte Kalenderjahr umfassenden Entgeltbescheinigung in Anwendung des § 123 Abs. 3 SGB VI sowie unter hilfsweisem Rückgriff auf die in § 286 a SGB VI enthaltenen Prinzipien ein Beitragswert für kürzere Zeitabschnitte ermittelt werden. Das ist nicht nur hinsichtlich des Abgleichs von bescheinigten Arbeitsentgelten für Zeiträume, die keinen vollen Kalendermonat andauern, mit der entsprechenden (täglichen) Beitragsbemessungsgrenze erforderlich (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 1255 Nr. 1), sondern – wie die Beklagte selbst vorträgt – wegen des im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung gemäß § 71 Abs. 2 SGB VI zu berücksichtigenden Zuschlags auch bei beitragsgeminderten Zeiten im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI, die sich über keinen vollen Kalendermonat erstrecken.

Wenn aber die Beklagte bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin den Monat Juni 1958 als beitragsgeminderte Zeit abgespalten und dessen Beitragswert teilmonatsbezogen mit den für die Kindererziehungszeit zu berücksichtigenden EP verglichen hat, dann ergibt sich hieraus entgegen der Auffassung der Beklagten noch lange nicht zwingend die Schlußfolgerung, daß bei nicht beitragsgeminderten Zeiten ein teilmonatsbezogener Vergleich unzulässig oder gar unmöglich wäre. Bezogen auf den vorliegenden Fall ist im übrigen darauf hinzuweisen, daß auch der umstrittene Monat September 1958 mit Beiträgen (1. September 1958 bis 7. September 1958) sowie mit einer Anrechnungszeit (Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vom 8. September 1958 bis zum 30. September 1958) belegt ist und deshalb ebenso wie der Monat Juni 1958 eine beitragsgeminderte Zeit im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB VI darstellt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich schließlich auch aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung über die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten nicht mit zwingender Logik herleiten, daß die Gegenüberstellung der Kindererziehungszeit mit zeitgleichen Beitragszeiten entgegen dem Wortlaut des § 70 Abs. 2 SGB VI nicht teilmonatsbezogen vorgenommen werden dürfe. Die Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, daß der in § 70 Abs. 2 SGB VI genannte Mindestwert von 0,0625 EP pro Kalendermonat einem Beitragswert von 0,75 EP pro Kalenderjahr und damit 75 v.H. des durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelts aller rentenversicherten Arbeitnehmer entspricht. In der Tat hat der Gesetzgeber diesen Wert als hinreichend angesehen, um die für den Fall eines vollständigen Beitragsausfalls zu verzeichnenden erziehungsbedingten Nachteile im Rentenversicherungsschutz auszugleichen. Diese Ziersetzung muß indes nicht zwingend zur Folge haben, daß im Falle der Konkurrenz von Kindererziehungszeit und zeitgleichen Beitragszeiten nur eine jahresbezogene Vergleichsbetrachtung erfolgen dürfe. Der Gesetzgeber hat nämlich für den Konkurrenzfall eben gerade nicht angeordnet, daß jedes Jahr Kindererziehungszeit 0,75 EP, mindestens jedoch die sich aus den Beitragszeiten des Jahres ergebenden EP zu erhalten habe, sondern er hat in § 70 Abs. 2 SGB VI einer monatsbezogenen Betrachtungsweise den Vorzug gegeben. Diese gesetzgeberische Entscheidung würde – wie der vorliegende Fall eindrucksvoll zeigt – in unzulässiger Weise "verbogen” werden, wenn an die Stelle des einzelnen Kalendermonats als Bezugspunkt eine von Fall zu Fall unterschiedlich lange "Beitragskette” treten dürfte.

Die Berufung der Beklagten konnte damit insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved