L 13 J 88/86

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 J 297/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13 J 88/86
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Beschränkt sich das Klagebegehren auf die Gewährung von vorzeitigem Altersruhegeld und ist im übrigen der Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres weder dem Grunde noch der Höhe nach umstritten, so handelt es sich hierbei um zwei selbständige prozessuale Ansprüche, für die die Zulässigkeit der Berufung jeweils gesondert zu überprüfen ist. Obgleich es zwischen dem vorzeitigen Altersruhegeld und dem Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 1248 Abs. 5 RVO) keine Stufenfolge von Leistungsberechtigungen und damit keine Umwandlung von Renten gibt (BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 39 m.w.N.), ist bei einer solchen Fallgestaltung die Berufung bezüglich des für einen bereits abgelaufenen Zeitraum begehrten vorzeitigen Altersruhegeldes nach § 146 SGG ausgeschlossen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Dezember 1985 wird als unzulässig verworfen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von vorgezogenem Altersruhegeld wegen fortdauernder Arbeitslosigkeit für die Zeit ab dem 1. November 1982 bis zum 30. November 1985.

Der Kläger ist 1920 geboren. Er war zwischen 1935 und 1937 als Seemann tätig; 1938 begann er ein Beschäftigungsverhältnis bei der Post. Am 1. Februar 1951 wurde der Kläger in das Beamtenverhältnis übernommen. Er stand zuletzt als Postbetriebsassistent in den Diensten der Deutschen Bundespost. Wegen dauernder Dienstunfähigkeit im Sinne von § 42 Abs. 1 Satz 2 Bundesbeamtengesetz wurde der Kläger mit dem Ende des Monats März 1979 in den Ruhestand versetzt. Er bezieht seither ein Ruhegehalt nach einem Ruhegehaltssatz von 75 v.H ... Aufgrund seines Antrags vom 14. Oktober 1985 wird dem Kläger von der beklagten für die Zeit ab dem 1. Dezember 1985 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt. Der darüber ergangene Bescheid vom 10. Juni 1986 enthält den Hinweis, dieses Altersruhegeld wurde zunächst "vorschußweise” gewährt.

Der vom Kläger am 18. Oktober 1978 gestellte Antrag auf Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit wurde von der Seekasse H. durch Bescheid vom 7. Mai 1979 abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts L. vom 14. April 1980 mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig zumindest leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung, bei denen er nicht Nässe und Kälte ausgesetzt ist, vollschichtig auszuüben. Damit sei der Kläger noch nicht berufs- bzw. erwerbsunfähig.

Am 1. Juni 1980 nahm der Kläger ein Arbeitsverhältnis als Lagerist bei Firma E. H. M. mbH in H. auf. Am 10. September 1981 kündigte er dieses Arbeitsverhältnis zum 30. September 1981. Gegenüber dem Arbeitsamt D. bei dem er sich am 1. Oktober 1981 arbeitslos meldete, gab er als Grund für diese Kündigung an, er habe in den Wintermonaten 1980/1981 bei Temperaturen bis zu minus 4° arbeiten müssen; dies sei für ihn untragbar gewesen. Da eine Arbeit in warmen Räumen bei Firma E. in H. nicht in Betracht gekommen sei, sei er gezwungen gewesen, vor Eintritt des Winters das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Nachdem Firma E. mit Schreiben vom 23. Dezember 1981 gegenüber dem Arbeitsamt D. bestätigte, daß in den Wintermonaten im Extremfall in ihrem Lager kurzfristig eine Temperatur von 0°C entstehen könne und nach vorangegangener Feststellung des körperlichen Leistungsvermögens des Klägers durch die Arbeitsamtsärzte Dr. St. und Frau Dr. H. wurde der ursprünglich gegen den Kläger erlassene Sperrzeitbescheid vom Arbeitsamt D. am 25. Januar 1982 wieder aufgehoben. Dr. St. hatte dabei in seinem Gutachten vom 21. Oktober 1981 festgestellt, daß der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig noch für leichte Männerarbeiten mit Heben und Tragen bis zu 25 Kilogramm verwendbar sei; für Schichtarbeiten und Akkordarbeiten sowie für Arbeiten mit ständigem Bücken sei jedoch eine Einsatzmöglichkeit nicht mehr gegeben. Frau Dr. H. schloß sich in ihrem Gutachten vom 18. Januar 1982 dieser Einschätzung des Leistungsvermögens an, führte jedoch zugleich aus, daß die Fortführung der Tätigkeit bei der Firma E. dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar gewesen sei.

Während der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis zur Erschöpfung des Leistungsanspruchs am 31. März 1982 bezog der Kläger vom Arbeitsamt Arbeitslosengeld. Auch in der nachfolgenden Zeit hielt er beim Arbeitsamt D. sein Arbeitsgesuch aufrecht. Auch als der Kläger am 1. Oktober 1984 nach S. umzog, meldete er sich sogleich wieder beim zuständigen Arbeitsamt St. arbeitslos.

Am 7. Oktober 1982 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von vorgezogenem Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und einer Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen. Durch Bescheid vom 1. August 1983 wurde dieser Antrag abgelehnt. Im Bescheid ist ausgeführt, der Kläger habe zwar das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 180 Versicherungsmonaten erfüllt. Innerhalb der letzten eineinhalb Jahre habe er jedoch nicht mindestens 52 Wochen. Arbeitslosigkeit vorzuweisen.

Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Darmstadt die arbeitsamtsärztlichen Unterlagen beigezogen und eine Auskunft des Arbeitsamtes D. – Dienststelle M. eingeholt. In der Auskunft des Arbeitsamtes D. vom 5. September 1984 wird u.a. ausgeführt, daß der Kläger sein Arbeitsgesuch auch noch nach Beendigung des Leistungsbezugs aufrechterhalten habe. Der Anspruch auf Versorgungsbezüge habe der Weiterführung des Bewerberangebots nicht entgegengestanden. Darauf gestützt hat das Sozialgericht durch Urteil vom 16. Dezember 1985 den Bescheid vom 1. August 1983 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. November 1982 vorgezogenes Altersruhegeld gemäß § 1248 RVO in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei auch nach Beendigung des Leistungsbezugs objektiv arbeitslos geblieben. Auch eine ernsthafte Arbeitsbereitschaft sei insoweit gegeben gewesen. Die Meldung beim Arbeitsamt habe nicht nur dem Zwecke der Gewährung von vorgezogenem Altersruhegeld gedient. Keine entscheidungserhebliche Bedeutung hat das Sozialgericht der Äußerung von Dr. St. beigemessen, wonach der Arbeitswille des Klägers erlahmt sei, denn die auch von Dr. St. angegebenen Einschränkungen hätten die Arbeitsaufgabe bei Firma E. als gerechtfertigt erscheinen lassen, Auch der Bezug des Ruhegehalts durch den Kläger stehe der Annahme der subjektiven Arbeitsbereitschaft ebensowenig entgegen wie das Ende, des Bezugs von Arbeitslosengeld. Das Sozialgericht hat im übrigen die Auffassung vertreten, da die Beklagte über den Antrag des Klägers auf Zahlung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres noch nicht entschieden habe, sei die Berufung gegen das von ihm erlassene Urteil nicht gemäß § 146 Sozialgerichtsgesetz ausgeschlossen; im übrigen komme der Entscheidung auch grundsätzliche Bedeutung bei. Im Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung ist kein Ausspruch über die Zulassung der Berufung enthalten.

Gegen das der Beklagten am 8. Januar 1986 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Januar 1986 eingelegte Berufung. Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stehe ein Anspruch auf vorgezogenes Altersruhegeld nicht zu, weil er nach dem 31. März 1982 nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Dies ergebe sich bereits daraus, daß er sich nach dem 8. Februar 1982 nur ein einziges Mal beim Arbeitsamt gemeldet habe und über, etwaige Bemühungen "privat” eine Arbeitsstelle zu erlangen nichts bekannt sei. Das Sozialgericht habe den Kläger wegen solcher privater Bemühungen noch nicht einmal befragt. Ohnehin sei die sozialgerichtliche Entscheidung verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, denn zumindest habe die zuständige Vermittlerin beim Arbeitsamt D. gehört werden müssen und auch eine Anhörung des Klägers sei erforderlich gewesen. Da bei Beziehern von Versorgungsbezügen aus Beamtentätigkeit ein besonders strenger Maßstab bei der Feststellung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit anzulegen sei, hätte sich das Sozialgericht gedrängt fühlen müssen, den Sachverhalt genauestens aufzuklären. Dies um so mehr, als auch dem Sozialgericht bekannt gewesen sei, daß nach Ansicht des Arbeitsamtsarztes der Arbeitswille des Klägers erlahmt gewesen und diesem Umstand insbesondere für die Prüfung der subjektiven Arbeitslosigkeit erhebliche Bedeutung beizumessen sei. Das Sozialgericht hätte daher auch den Arbeitsamtsarzt Dr. S. als Zeugen vernehmen sowie die Anamnese- und Befundbogen zum Gutachten dieses Arztes auswerten Müssen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 16. Dezember 1985 aufzuheben und die Klage abzureisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Er trägt vor, er habe während des streitbefangenen Zeitraums ohne Unterbrechung der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Neben der Inanspruchnahme der Arbeitsvermittlungsdienste des Arbeitsamtes habe er sich sogleich nach seiner Arbeitslosigkeit auch privat darum bemüht, wieder eine Arbeitsstelle zu finden, so habe er sich u.a. bei Firma A. in W., bei den T-Märkten in H. und im R-Zentrum sowie bei Firma D. im R-Zentrum als Lagerarbeiter beworben, weil er eine Beschäftigungsmöglichkeit in den Innenräumen dieser Betriebe gesehen habe. Auch an Tätigkeiten als Warenauszeichner habe er dabei gedacht. Keines der genannten Unternehmen habe ihn jedoch angestellt; er sei stets als zu alt angesehen worden. Schriftliche unterlagen über Bewerbungen könne er allerdings nicht vorlegen. Bei einfachen Tätigkeiten für Arbeiter sei eine schriftliche Bewerbung ohnehin unüblich.

Bezogen auf sein Arbeitsverhältnis bei Firma E. trägt der Kläger ergänzend vor, er habe dieses Arbeitsverhältnis bereits deshalb zum 30. September 1981 gekündigt, weil er Bedenken gehabt habe, wegen seines Gesundheitszustandes im Winter dort weiterzuarbeiten. Zu einem späteren Kündigungszeitpunkt sei es deshalb nicht gekommen, weil ihm der Personalleiter deutlich gemacht habe, daß er dann den ganzen Winter über arbeiten müsse, was er jedoch wegen seines Gesundheitszustandes nicht gekonnt habe. Der Personalleiter habe seinerzeit sicherstellen wollen, daß insbesondere das Lager für das Weihnachtsgeschäft ständig besetzt sein sollte.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Hauptvermittlerin bei der Dienststelle M. des Arbeitsamtes D., Frau C. L ... Auf den Inhalt der darüber im Erörterungstermin vom 30. Juni 1986 gefertigten Sitzungsniederschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des Arbeitsamtes D. (St. Nr. ), der Seekasse H. (IV- ) und die gleichfalls beigezogene Akte des Sozialgerichts Lübeck S-5/J-209/79.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 150 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) ist unzulässig. Sie betraf ausschließlich Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum und war damit nach § 146 SGG ausgeschlossen.

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Berufung eines Beteiligten im Sinne von § 146 SGG lediglich die Rente für einen bereits abgelaufenen Zeitraum betrifft, ist maßgeblich auf das von den Beteiligten zum Ausdruck gebrachte Begehren abzustellen, ohne daß das Gericht dabei an die gestellten Anträge gebunden wäre (§ 123 SGG). Zwar hat das Sozialgericht in seinem Urteil vom 16. Dezember 1985 hinsichtlich des Begehrens des Klägers eine sinngemäße Antragstellung dahingehend angenommen, daß dessen begehren neben der angestrebten Aufhebung des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 1. August 1983 eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von vorgezogenem Altersruhegeld umfassen sollte, ohne daß insoweit eine zeitliche Begrenzung des geltend gemachten Anspruchs unterstellt wurde. Dem entspricht der Tenor der sozialgerichtlichen Entscheidung, der lediglich bezüglich des Beginns der Rentengewährung einen Ausspruch enthält, ein Enddatum jedoch nicht festgesetzt ist. Da es zwischen dem vorzeitigen Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) und dem "normalen” Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 1248 Abs. 5 RVO) auch keine Aufeinander- und Stufenfolge der Leistungsberechtigungen und damit auch keine Umwandlung dieser Renten zueinander gibt (BSG Urteil vom 15. März 1968 – 4 (12) RJ 364/67; BSG Urteil vom 9. November 1982 – 11 RA 48/82 = SozR 2200 § 1248 Nr. 39 n.w.N.), läßt der Ausspruch des Sozialgerichts keinen zuverlässigen Rückschluß darauf zu, ob allein der Zeitraum vor der Entscheidung des Sozialgerichts als streitbefangen angesehen werden muß, oder ob dieser Zeitraum über den 16. Dezember 1985 hinausgeht. Indes läßt sich dieses Ergebnis unschwer aus dem weiteren Verhalten beider Beteiligten im Verlauf des Rechtsstreites ableiten: So hat der Kläger bereits mit seinem Schreiben vom 14. Oktober 1985 unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht, daß er jedenfalls ab dem 65. Lebensjahr einen Anspruch auf das normale Altersruhegeld geltend macht, und zwar unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits über das vorzeitige Altersruhegeld. Dieser Antrag vom 14. Oktober 1985 hat ein erneutes Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, das zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht zwar noch nicht abgeschlossen war, bei dem aber von vornherein unstreitig gewesen ist, daß dem Kläger das Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres tatsächlich zustand und bei dem auch der frühere Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls für das vorgezogene Altersruhegeld – anders als dies etwa bei der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. November 1982 (BSG a.a.O.) der Fall gewesen ist – zu keiner anderweitigen Bewertung der Versicherungs- und Ausfallzeiten des "normalen” Altersruhegeldes führt. In Übereinstimmung damit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat sein Begehren dahingehend erläutert, daß vorgezogenes Altersruhegeld nur bis zum 30. November 1985 begehrt werde und dieses Ziel bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des erstinstanzlichen Verfahrens bestanden habe. Damit liegen für die Zeit bis zum 30. November 1985 sowie für die Zeit danach zwei selbständige prozessuale Ansprüche vor, die eine voneinander gesonderte Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels erfordern (BSG Urteil vom 29. Juni 1977 – 11 RA 70/76; BSG SozR 1500 § 146 Nr. 2, 9, 14 m.w.N.) und bei dem bezüglich des vorliegend umstrittenen Anspruchs allein der vor Erlaß der sozialgerichtlichen Entscheidung abgelaufene Zeitraum betroffen ist. Daß die Beklagte dem begehren des Klägers auf Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres erst durch Bescheid vom 10. Juni 1986 und darin zudem nur "vorschußweise” entsprochen hat, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, denn die Selbständigkeit eines prozessualen Anspruchs kann jedenfalls dann nicht in Frage gestellt werden, wenn – wie hier – das die Zeit ab Dezember 1985 betreffende Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres weder dem Grunde noch der Höhe nach umstritten ist und die "vorschußweise” Bewilligung nicht auf Gründen beruht, die notwendigerweise mit dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens im Zusammenhang stehen.

Die Berufung ist auch nicht ungeachtet der Regelung des § 146 SGG nach § 150 Nr. 1 SGG zulässig. Die Voraussetzungen des § 150 Nr. 1 SGG, nach dem die Berufung gegen ein sozialgerichtliches Urteil dann statthaft ist, wenn sie im Urteil zugelassen ist, liegen nicht vor. Eine Berufungszulassung liegt insbesondere nicht in der formularmäßigen Rechtmittelbelehrung, obgleich diese von der Statthaftigkeit der Berufung ausgeht (BSGE 5, S. 95). Soweit das Sozialgericht in den Urteilsgründen ausführt, der von ihm getroffenen Entscheidung könne im übrigen auch grundsätzliche Bedeutung zu, stellt auch dies keine Berufungszulassung dar. Das Sozialgericht trifft damit lediglich aus seiner Sicht eine Feststellung über die Zulässigkeit der Berufung, ohne jedoch damit zugleich einen Ausspruch über diese Berufungszulassung getroffen zu haben. Aus der Sicht des Sozialgerichts ist dieses Fehlen eines Ausspruchs über die Berufungszulassung in sich durchaus schlüssig, da das Sozialgericht ohnehin von einer Statthaftigkeit der Berufung ausgegangen ist, die dem letzten Absatz des sozialgerichtlichen Urteils entnommen werden kann.

Auch die Voraussetzungen des § 150 Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, dessen Vorliegen die Berufung nach dieser Bestimmung zulässig machen würde, ist von der Beklagten weder gerügt worden, noch liegt ein solcher Mangel im Ergebnis vor. Als Verfahrensmangel im Sinne von § 150 Nr. 2 SGG ist nur ein Verstoß, gegen eine Vorschrift anzusehen, die das gerichtliche Verfahren regelt. Der Mangel bezieht sich demzufolge nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, sondern allein auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg dorthin (vgl. Meyer-Ladewig Anm. 15 zu § 150 SGG). Aus dem Vortrag der Beklagten läßt sich indes ein solcher Verfahrensmangel nicht ableiten:

Das Sozialgericht hat sich zur Begründung seiner Auffassung zur Frage des Vorliegens der Arbeitslosigkeit im Rahmen des § 1248 Abs. 2 RVO vor allem auf das Ergebnis der vom Arbeitsamt D. gegenüber dem Gericht erteilten Auskunft vom 5. September 1984 gestützt und daraus die Arbeitslosigkeit des Klägers für die Zeit nach dem 30. März 1982 bis zum 31. Oktober 1982 abgeleitet, Wenn das Sozialgericht die in dieser Auskunft enthaltene Mitteilung über die Fortdauer der Arbeitslosmeldung und die Aufrechterhaltung des Arbeitsgesuches auch nach Beendigung des Leistungsbezugs von Arbeitslosengeld als andauernde Arbeitslosigkeit im Sinne, von § 1248 Abs. 2 RVO gewertet hat, so hat es damit insbesondere nicht die Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) überschritten und auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Beweisanträge der beklagten, die vom Sozialgericht übergangen worden wären, wurden im erstinstanzlichen Verfahren bezüglich der von der Beklagten im Berufungsrechtszug angesprochenen Fragenbereiche nicht gestellt. Die Notwendigkeit einer auf die Frage der Arbeitslosigkeit bezogenen weiteren Beweisaufnahme mußte sich für das Sozialgericht auch nicht aus anderen Gründen aufdrängen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der von der Beklagten vorgetragenen Rüge der Notwendigkeit einer persönlichen Anhörung des Klägers über dessen private Bemühungen zur Erlangung einer Arbeitsstelle noch hinsichtlich der von der Beklagten für notwendig erachteten Einvernahme der Hauptvermittlerin Ludwig bzw. des Arbeitsamtsarztes Dr. St ... So schließt das Unterbleiben "privater” Bemühungen eine Arbeitsstelle zu erlangen, das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nach § 1248 Abs. 2 RVO nicht zwangsläufig aus. Auch eine Einvernahme der zuständigen Hauptvermittlerin L. mußte sich dem Gericht ohne einen entsprechenden Beweisantrag seitens der Beklagten schon deshalb nicht aufdrängen, weil die Richtigkeit des Inhalts dieser Auskünfte auch von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt worden ist. Eine Einvernahme des Arbeitsamtsarztes Dr. St. konnte schließlich schon deshalb unterbleiben, weil sich das Sozialgericht ausdrücklich mit der von ihm geäußerten Auffassung bezüglich des "erlahmten Arbeitswillens” des Klägers auseinandergesetzt und dieser Auffassung bezüglich der vorliegend zu entscheidenden Frage keine entscheidungserhebliche Bedeutung zugemessen hat. In dieser Vorgehensweise des Gerichts liegt – wenn überhaupt – allenfalls eine unzutreffende Beweiswürdigung, die keinen Verfahrensmangel darstellt (Meyer-Ladewig Anm. 17 zu § 150 SGG), zumal auch insoweit die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nicht als verletzt anzusehen sind.

Der Senat hält im übrigen auch aus materiell-rechtlichen Gründen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt für zutreffend. Denn die vorliegend insoweit allein umstrittene Frage, ob beim Kläger zum Zeitpunkt des 1. November 1982 nach Maßgabe des § 1248 Abs. 2 RVO eine mindestens 52 Wochen andauernde Arbeitslosigkeit innerhalb der letzten eineinhalb Jahre vorgelegen hat – die übrigen Voraussetzungen des § 1248 Abs. 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1981 geltenden Fassung (vgl. insoweit § 7 Abs. 2 Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz – ArVNG –) sind erfüllt – hat das Sozialgericht zu Recht bejaht. Das Ergebnis der weiteren vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme hat diese Annahme des Sozialgerichts bestätigt. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger sei lediglich während der Dauer seines Arbeitslosengeldbezuges vom 1. Oktober 1981 bis zum 31. März 1982 als arbeitslos im Sinne von § 1248 Abs. 2 RVO anzusehen gewesen, läßt sich insbesondere nach der im Erörterungstermin vom 30. Juni 1986 durchgeführten Einvernahme der Hauptvermittlerin der Dienststelle Mörlenbach des Arbeitsamtes D. Frau L., nicht mehr aufrechterhalten. Vielmehr lag beim Kläger auch in der nachfolgenden Zeit bis zum 30. Oktober 1982 auch nach Auffassung des Senats die zur Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen des vorzeitigen Altersruhegelds erforderliche Arbeitslosigkeit vor.

Der in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht näher definierte Begriff der Arbeitslosigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu entnehmen, das zur Zeit der Entstehung des Anspruchs auf Altersruhegeld gilt (BSG Urteil vom 15. Februar 1979 – 5 RJ 12/77 = SozR 2200 § 1248 Nr. 28 m.w.N.). Die Auslegung des Begriffs der Arbeitslosigkeit richtet sich demzufolge nach den §§ 101 bis 103 Arbeitsförderungsgesetz – AFG – (Eicher/Haase/Rauschenbach Anm. 4b zu § 1248 RVO). Arbeitslos im Sinne von § 1248 Abs. 2 RVO ist demzufolge, wer als Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Arbeitsverhältnis steht, bzw. nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt (§ 101 AFG) und der Arbeitsvermittlung objektiv sowie subjektiv zur Verfügung steht (§ 103 AFG). Zur subjektiven Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) gehört insbesondere, daß der Arbeitslose bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung auszuüben, die er ausüben kann und darf (§ 103 Abs. 1 Nr. 2 AFG). Auch ein Beamter im Ruhestand kann in diesem Sinne arbeitslos sein (BSG Urteil vom 15. Februar 1979 – 5 RJ 12/77 = SozR 2200 § 1248 Nr. 28 m.w.N.), auch wenn bei diesem Personenkreis in der Tat – worauf die Beklagte zu Recht hinweist – besonders strenge Anforderungen insbesondere an den Nachweis der Arbeitsbereitschaft zu stellen sind (BSG Urteil vom 29. Juli 1976 – 4 RJ 199/77 = SozR 2200 § 1248 Nr. 15).

Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung des Klägers keinerlei Zweifel mehr an dieser – von der Beklagten insoweit allein noch in Abrede gestellten – Arbeitsbereitschaft. Die bei der Dienststelle M. des Arbeitsamtes D. für die Arbeitsvermittlung des Klägers zuständige Hauptvermittlerin C. L. hat diese Arbeitsbereitschaft bei ihrer Einvernahme im Termin vom 30. Juni 1986 in einer in jeder Hinsicht glaubhaften weise bekundet. So hat die Zeugin insbesondere darauf hingewiesen, daß der Kläger sämtliche Meldetermine stets pünktlich eingehalten hat. Schriftlich festgehalten wurden dabei auf der dem Kläger überlassenen Meldeaufforderung die Meldetermine vom 1. Dezember 1981, vom 8. Februar 1982, 12. April 1982, 10. August 1982, 31. August 1982, 16. Dezember 1982 und vom 31. März 1983. Aufgrund der Vermerke in der Beratungs- und Arbeitnehmerkarte (B/Ank) konnten von der Zeugin noch weitere Termine bestätigt werden, nämlich insbesondere noch die Termine vom 13. April 1982, 11. August 1983, 8. Dezember 1983, 26. März 1984, 10. Juli 1984 und 20. September 1984, also sogar noch eine Vielzahl von Terminen nach der Stellung des Antrags auf das vorgezogene Altersruhegeld, ein Umstand, der die anhaltende Arbeitsbereitschaft des Klägers nach Auffassung des Senats nachdrücklich bestätigt. Die Zeugin hat auch ihren persönlichen Eindruck vom Kläger sehr deutlich dahingehend wiedergegeben, daß der Kläger keinesfalls den Eindruck hinterlassen habe, eine ihm zumutbare Arbeit etwa nicht annehmen zu wollen. Für die Nichtvermittelbarkeit des Klägers sei vielmehr in erster Linie der seinerzeit besonders ungünstige Arbeitsmarkt verantwortlich gewesen und die bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers. Die Zeugin hat dabei betont, sie selbst habe keinerlei Zweifel an der damaligen Arbeitsbereitschaft des Klägers gehabt. Auch die im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 21. Oktober 1981 enthaltene Anmerkung über den vermeintlich "erlahmten Arbeitswillen” des Klägers konnte die Zeugin insoweit nicht teilen. Sie wies gerade in diesem Zusammenhang im übrigen daraufhin, daß die seinerzeitige Begutachtung im Rahmen einer Überprüfung der Berechtigung einer Arbeitsaufgabe geschehen sei, wobei sich später dann herausgestellt habe, daß eben diese Arbeitsaufgabe tatsächlich als berechtigt habe angesehen werden können.

In dieser Einschätzung sieht sich der Senat durch die persönliche Anhörung des Klägers in der mündliche Verhandlung bestätigt. Der Kläger hat bei seiner Anhörung in einer durchaus glaubhaften weise seine Bemühungen geschildert, auch unabhängig vom Arbeitsamt an eine Arbeitsstelle zu gelangen.

Der Senat hielt es unter diesen Umständen auch nicht mehr für erforderlich, dem Antrag der Beklagten zu entsprechen und den Arbeitsamtsarzt Dr. St. zur Frage der Arbeitsbereitschaft des Klägers als Zeugen bzw. sachverständigen Zeugen zu hören. Denn eine "erlahmte” Arbeitsbereitschaft – so die von Dr. St. in seinem arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 20. Oktober 1981 gewählte Formulierung – kann zum Zeitpunkte der seinerzeitigen arbeitsamtsärztlichen Untersuchung durchaus vorgelegen haben, ohne daß dies bereits die subjektive Verfügbarkeit des Klägers ausgeschlossen hätte, zumal durch diese im Oktober 1981 – also zu einer Zeit, zu der Arbeitslosengeld gezahlt worden ist – getroffene Feststellung Rückschlüsse auf die Zeit ab April 1982 nicht gezogen werden können.

Die Berufung der beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG aufgeführten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
Saved