Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 1 J 450/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 13/11 J 318/83
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wenn zwei ehemalige Arbeitskollegen sowie der ehemalige Vorgesetzte über das letzte mehr als 15 Jahre bestandene Beschäftigungsverhältnis des Versicherten als Zeugen gehört worden sind und übereinstimmend ausgesagt haben, daß der Versicherte dort immer als Fliesenleger auf verschiedenen oft sehr großen Baustellen gearbeitet hat, bedarf es jedenfalls dann keiner weiteren Beweiserhebung, etwa durch Anhörung eines berufskundlichen Sachverständigen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die Anlaß zur Vermutung geben, der Versicherte habe als gelernter Fliesenleger innerhalb seines Berufs über längere Zeit hinweg minderqualifizierte Tätigkeiten ausgeübt.
Solche Umstände können auch nicht dadurch geschaffen werden, daß die Beklagte aus berufskundlichen Blättern oder Ausbildungsordnungen unterschiedslos alle Tätigkeiten des Berufs aufzählt und behauptet, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte alle diese Kenntnisse und Fähigkeiten und alle genannten Tätigkeiten ausgeübt habe.
Solche Umstände können auch nicht dadurch geschaffen werden, daß die Beklagte aus berufskundlichen Blättern oder Ausbildungsordnungen unterschiedslos alle Tätigkeiten des Berufs aufzählt und behauptet, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte alle diese Kenntnisse und Fähigkeiten und alle genannten Tätigkeiten ausgeübt habe.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 1983 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit noch um die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 1979 bis Dezember 1983.
Der Versicherte wurde 1934 geboren und ist 1984 im Krankenhaus verstorben nach Operation eines akuten Abdomens bei Pankreasschwanz-Karzinom mit Dünn- und Dickdarmmilieus. Der Rechtsstreit wird fortgesetzt von den Eltern des Versicherten, mit denen er zuletzt zusammen gewohnt hat.
Der Versicherte hat vom 13. September 1950 bis 25. März 1954 das Plattenlegerhandwerk erlernt und am 27. März 1954 die Gesellenprüfung bestanden. Anschließend arbeitete er in seinem erlernten Beruf, und zwar zuletzt von November 1959 bis Februar 1975 bei dem Fa. K. K. in D. bis es arbeitslos wurde. Vom 21. Februar 1977 bis 23. August 1977 nahm er an einer stationären Heilbehandlung in der G. Klinik teil wegen einer offenen rechtsseitigen großkavernösen Lungentuberkulose. Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig. Vom 7. September bis 8. November 1977 wurde er wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in den St. Kliniken D. stationär behandelt. Der Versicherte hatte sich am rechten Bein eine Tibiakopffraktur und eine Unterschenkelfraktur zugezogen.
Am 14. November 1977 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen Berufsunfähigkeit. Im sozialärztlichen Gutachten vom 23. Dezember 1977 kam der Internist Dr. D. zu dem Ergebnis, daß der Versicherte als Fliesenleger und in allen sonstigen Erwerbstätigkeiten zur Zeit keine Arbeiten verrichten könne. Die Lungentuberkulose könne als ausgeheilt angesehen werden. Die diätetisch eingestellte Zuckerstoffwechselstörung und die Fettstoffwechselstörung hätten keine nennenswerte erwerbsmindernde Bedeutung. Es müsse jedoch die endgültige Konsolidierung der Frakturen abgewartet werden, womit in wenigen Monaten gerechnet werden könne. Nach endgültiger Frakturheilung könnten mindestens mittelschwere Arbeiten wieder vollschichtig verrichtet werden. Im Gutachten vom 23. Juni 1978 kam der Orthopäde Dr. M. D. zu dem Ergebnis, daß der Versicherte infolge eines in mäßiger Fehlstellung verheilten kniegelenksnahen Schienbeinbruches mit Wackelkniebildung und erheblicher reduzierter Belastbarkeit des rechten Beines unter zusätzlicher Berücksichtigung mäßigen Aufbrauches der Wirbelsäule am Übergang der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule aus orthopädischer Sicht nur für eine sitzende Tätigkeit bis zu sechs Stünden täglich einsatzfähig sei, vorausgesetzt, daß er den Arbeitsplatz mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln sehr gut erreichen könne. Mit einer Besserung der Unfallrückstände könne kaum gerechnet werden.
Mit Bescheid vom 24. August 1978 bewilligte die Beklagte Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 1977. In einem Zusatz wurde darauf hingewiesen, daß die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht möglich gewesen sei, da der Versicherte als Selbständiger tätig sei. Auf den Widerspruch des Versicherten, mit dem er nachwies, nicht Selbständiger zu sein, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 20. November 1978 Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. Oktober 1977.
Im sozialärztlichen Nachuntersuchungsgutachten vom 20. März 1979 kam der Internist Dr. D. zu dem Ergebnis, daß die Unfallfolgen soweit abgeklungen seien, daß hieraus eine wesentliche Erwerbsminderung nicht mehr resultiere. Das Bein sei voll belastbar. Der Versicherte könne leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit gelegentlichen Sitzens vollschichtig ausführen. Die Folgen des Alkoholmißbrauches schlössen eine berufliche Tätigkeit zur Zeit nicht aus. Reha-Maßnahmen würden nicht für aussichtsreich angesehen. Mit Schreiben vom 4. April 1979 gab die Beklagte dem Versicherten Gelegenheit, zur beabsichtigten Rentenentziehung Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid vom 12. Juni 1979 entzog die Beklagte dem Versicherten die Rente mit Ende Juli 1979 mit der Begründung, die Unfallfolgen von September 1977 seien im Sinne einer knöchernen Verheilung der Bruchstellen am rechten Unterschenkel abgeklungen. Das rechte Bein sei jetzt voll belastbar.
Mit Widerspruch am 10. Juli 1979 bestritt der Kläger, daß seit dem 20. November 1978 eine Besserung eingetreten sei. Auch müsse bei ihm vom Beruf des hochqualifizierten Fliesenlegers ausgegangen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 1979 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Versicherte am 21. Dezember 1979 Klage erhoben und vorgetragen, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Änderung eingetreten sei, müsse vom Zustand am 20. November 1978 ausgegangen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei nach dem Gutachten des Dr. M. vom 23. Juni 1978 bereits eine knöcherne Verheilung der Bruchstellen erfolgt. Die von Dr. M. festgestellten Unfallrückstände, mit deren Besserung nach Dr. M. kaum gerechnet werden konnte, bestünden heute noch. Die internistischen Leiden hätten sich verschlechtert. Er könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht auf kaufmännische oder sonstige Hilfsarbeiten verwiesen werden.
Die Beklagte hat eine erneute sozialärztliche Begutachtung durchführen lassen am 7. Januar 1980 durch Dr. O. der zwar eine Bänderschwäche und eine Fehlstellung des rechten Kniegelenkes feststellte, jedoch leichte bis mittelschwere vollschichtige Arbeiten zum Teil im Sitzen, ohne Schicht und Akkord, möglichst in geschlossenen Räumen als möglich ansah. Die Beklagte ließ ferner ein Gutachten durch den Dipl.-Psych. H. erstellen, der unter dem 27. Januar 1982 zu dem Ergebnis kam, daß der Kläger noch über eine ausreichende Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bzw. Eingliederungsfähigkeit verfüge für berufsnahe, berufsfremde Tätigkeiten, die sich aus dem Kreise allgemeiner ungelernter Tätigkeiten besonders hervorheben, bisher/früher vernichtete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes und bisher nicht vernichtete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes. Auf Grund des niedrigen Ergebnisses im Konzentrations-Verlaufs-Test käme allerdings eine längere (internatsmäßige) Umschulung nicht mehr in Betracht. Die Beklagte hat ferner den Kurbericht aus B. W. vom 24. September 1981 vorgelegt. Die Kur wurde seinerzeit nach vier Tagen wegen stark erhöhter Blutzuckerwerte und Verlegung in das örtliche Krankenhaus abgebrochen.
Die Beklagte hat vorgetragen, es sei bisher nicht nachgewiesen, daß der Versicherte auch immer als Fliesenleger gearbeitet habe. Doch selbst, wenn von dem Beruf des Fliesenlegers ausgegangen werde, müsse sich der Versicherte auf andere Tätigkeiten verweisen lassen. Die notwendige Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei durch das psychologische Gutachten nachgewiesen. Es werde dem orthopädischen Gutachten vom 2. März 1981 zugestimmt. Wenn die Arbeiten nicht überwiegend oder möglichst ausschließlich im Sitzen ausgeführt würden, werde mit Reizerscheinungen und zunehmender Arthrose gerechnet werden müssen, wodurch möglicherweise eine Belastungsfähigkeit auf Dauer ausgeschlossen werde.
Das Gericht hat Befundberichte eingeholt bei dem Allgemeinmediziner Dr. W., D., vom 25. April 1980 und der Lungenärztin Dr. N. vom 28. Juli 1980. Das Gericht hat ferner ein Gutachten eingeholt bei dem Orthopäden Dr. K., der unter dem 2. März 1981 zu dem Ergebnis kommt, daß im rechten Kniegelenk eine X-Fehlstellung bestehe infolge Insuffizienz des medialen Seitenbandes. Unter Belastung nehme diese Fehlstellung noch zu. Die ständige Fehlbelastung habe zu einer stärkeren Arthrose des Gelenkes geführt. Bei starken Belastungen seien Reizzustände im rechten Kniegelenk möglich. Der Versicherte könne ausschließlich sitzende Tätigkeiten bis zu acht Stunden täglich verrichten, gelegentliches Umhergehen sei zumutbar. Öffentliche und private Verkehrsmittel könnten benutzt werden, der Fußweg solle aber einen Kilometer nicht überschreiten.
Das Gericht hat ferner eine Auskunft eingeholt bei dem Landesarbeitsamt Hessen vom April 1982 über die berufliche Einsatzfähigkeit des Versicherten.
Mit Urteil vom 11. Februar 1983 (S-1/J-450/79) hat das Sozialgericht Darmstadt unter Abweisung der Klage im übrigen dem Versicherten Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 1979 zugesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ab 1. August 1979 sei der Versicherte zwar nicht mehr erwerbsunfähig aber berufsunfähig. Der Versicherte könne nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten, ausschließlich im Sitzen, mit gelegentlichem Umhergehen, ganztags vernichten. Der Versicherte genieße Berufsschutz als Fliesenleger. Diesen Beruf könne er nicht mehr ausüben. Zumutbare Verweisungstätigkeiten seien nicht ersichtlich. Die vom Landesarbeitsamt genannten Tätigkeiten als Schalttafel-, Apparate- und Maschinenwärter, Büro- oder Verwaltungshilfskraft, Mitarbeiter einer Poststelle und als Tagespförtner ragten nicht ersichtlich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten heraus, da sie lediglich eine betriebliche Einweisungs- und Einarbeitungszeit von drei Monaten erforderten. Der Versicherte sei jedoch nicht erwerbsunfähig, da er im Rahmen des § 1247 RVO auch auf die vom Landesarbeitsamt Hessen genannten Tätigkeiten verweisbar sei.
Gegen das ihr am 7. März 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. April 1983 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte stets als Fliesenleger gearbeitet habe. Auch nach den Aussagen der Zeugen L. B. und K. sei nicht erwiesen, daß der Versicherte als Facharbeiter zu beurteilen sei. Die Zeugen hätten zwar bestätigt, daß der Versicherte als Platten-/Fliesenleger beschäftigt worden sei, aber keine Aussagen über seine beruflichen Qualifikationen gemacht. Der Fliesenleger müsse neben seiner eigentlichen Arbeit, der Herstellung von Belägen aus Fliesen, Platten oder Mosaik, über weitere Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Er müsse Bescheid wissen über Wärme-, Schall- und Feuchtigkeitsschutz, Kenntnisse über Farblehre und Gestaltung besitzen sowie eine Reihe von Bau- und Hilfsstoffen kennen. Im Zusammenhang mit der Herstellung von Belägen müsse er Estriche und Unterputze herstellen können, Glasbausteine versetzen sowie das Einmauern von Einbauteilen beherrschen. Darüber hinaus müsse er die Baustoffe zur Wärme- und Schalldämmung sowie zum Feuchtigkeitsschutz verarbeiten und auch einfache Arbeits- und Schutzgerüste aufstellen können. Selbstverständlich werde er die Werk- und Detailzeichnungen lesen können und Entwurfsskizzen herstellen. Beim Umgang mit Werkzeugen und Maschinen müsse er die einschlägigen Vorschriften der Unfallverhütung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit kennen und beachten. Dies alles sei für den Versicherten nicht erwiesen. Der Versicherte müsse sich deshalb als allenfalls angelernter Arbeiter auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Daraus, daß der Versicherte im psychologischen Gutachten als Beschäftigung Gartenarbeit angegeben habe, lasse sich schließen, daß er nicht mehr darauf angewiesen sei, so gut wie ausschließlich im Sitzen zu arbeiten. Bezüglich der Zumutbarkeit der vom Landesarbeitsamt genannten Tätigkeiten hätten nähere Einzelheiten der Tätigkeiten und ihre tarifliche Einstufung festgestellt werden müssen. So müsse sich ein gelernter Kfz-Schlosser unter anderem auf eine Betätigung als Pförtner oder Werkstattschreiber verweisen lassen (Urteil des HLSG vom 25. Januar 1983 – L-2/J-722/79). Weiterhin kämen auch Tätigkeiten eines Werkzeug-, Waren- und Materialausgebers in der Metall- und Kunststoffverarbeitung oder eines Montierers in der Metall- und Elektroindustrie in Frage. Der Befundbericht vom 16. April 1984 ergebe, daß der Versicherte am 29. Dezember 1983 wegen eines akuten Befundes stationär aufgenommen worden sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß das zum Tode führende Leiden vorher Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten gehabt habe. Der Berufsschatz als Facharbeiter sei eine die Klage begründende Tatsache und müsse deshalb bewiesen werden. Sofern keine entsprechenden Arbeitsergebnisse vorgelegt werden könnten und die Aussagen der Zeugen keine zweifelsfreie Beurteilung ermöglichten, bliebe letztendlich nur noch die Überprüfung durch einen berufskundlichen Sachverständigen, was hier jedoch nicht mehr möglich sei. Nach der Rechtsprechung sei es entscheidend, daß ein Versicherter nicht nur innerhalb eines Facharbeiterberufs tätig gewesen sei, sondern welchen qualitativen Wert der tatsächlich vernichteten Tätigkeit zukomme. Die Beklagte hat ein von den Klägern angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben dergestalt, daß Erwerbsunfähigkeit ab dem 27. Dezember 1983 vorgelegen habe und demgemäß Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. bis 31. Januar 1984 gewährt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Antrag wird damit begründet, es ergebe sich kein Anhalt dafür, daß der Versicherte nicht der Gruppe der Versicherten mit dem Leitbild des Facharbeiters zuzuordnen wäre. Der Versicherte sei gelernter Fliesenleger und habe als solcher auch stets gearbeitet. Nach Anhörung der Zeugen I., B. und K. dürfte nunmehr auch der letzte Zweifel daran ausgeräumt sein, daß der Versicherte seine Tätigkeit als Fliesenlegen mit all den Kenntnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vernichtet habe, die gemeinhin in der Praxis von einem Fliesenleger erwartet würden. An den Befunden, die der gerichtliche Sachverständige Dr. K. 1981 erhoben habe, hätten sich keine Änderungen ergeben, so daß die festgestellten Leistungseinschränkungen weiterhin bestanden hätten. Der Dipl.-Psych. H. habe in seinem Gutachten vom 27. Januar 1982 bei dem Versicherten ein nur sehr geringes Konzentrationsvermögen bei langer Aufmerksamkeitsanspannung festgestellt. Danach schieden Tätigkeiten im Prüfbereich aus. Tätigkeiten als Pförtner seien einem Facharbeiter nach der Rechtsprechung des BSG und des II. Senats des Hessischen Landessozialgerichts regelmäßig nicht zumutbar. Es müsse bezweifelt werden, daß es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze für Werkstattschreiber in nennenswertem Umfang gebe. Außerdem erfordere diese Tätigkeit betriebsspezifische Kenntnisse, die der Versicherte nicht in einer bis zu drei Monaten dauernden betrieblichen Einarbeitung erwerben könne. Eine längere Umschulung komme nach den Feststellungen des Dipl.-Psych. H. nicht in Frage.
Die Kläger tragen weiter vor, der 1984 verstorbene Versicherte habe bis zu seinem Tode mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Es sei nicht überzeugend, wenn Dr. S. eine Erwerbsunfähigkeit des Versicherten angesichts der Diagnose Pankreasschwanz-Karzinom erst ab dem Tag der stationären Krankenhausaufnahme annehme.
Die Kläger haben eine Erklärung des C. K. über das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft sowie eine Kopie der Einkommenssteuererklärung 1981 vorgelegt. Ferner wurde ein berufskundliches Gutachten vom 27. Juni 1985 aus einem anderen Verfahren vorgelegt.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, und zwar der Lungenärztin Dr. N. vom 28. Dezember 1983, des Chirurgen Dr. K. vom 5. Januar 1984, des Dr. L. vom 16. April 1984 sowie des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 22. Oktober 1985 und vom 19. November 1985.
Der Senat hat über die berufliche Tätigkeit des Versicherten Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch. L. B. und K ... Auf die Protokolle vom 22. Oktober 1985 und vom 22. Januar 1986 wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Rentenakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, § 143 SGG. Die Berufung ist auch nicht ausgeschlossen nach den §§ 144, 146, 149 SGG.
Die Kläger konnten als Eltern des Versicherten das Verfahren als Sonderrechtsnachfolger fortsetzen, da sie zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, § 56 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB 1).
Durch das angenommene Teilanerkenntnis ist der Rechtsstreit bezüglich der Versichertenrente für den Monat Januar 1984 in der Hauptsache erledigt, § 101 Abs. 2 SGG. Da die Kläger keine Anschlußberufung eingelegt haben, ist die Ablehnung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den streitigen Zeitraum rechtskräftig geworden; Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist damit nur noch Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 1979 bis Dezember 1983.
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 1983 (S 1/J 450/79) ist zu Recht ergangen. Die Beklagte hat durch den Bescheid vom 12. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1979 zu Unrecht die dem Versicherten gewährte Rente ab 1. August 1979 in vollem Umfang entzogen. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, lediglich die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umwandeln dürfen.
Auch zur Überzeugung des erkennenden Senats steht fest, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen des Versicherten ab 1. August 1979 eine wesentliche Veränderung jedenfalls nicht in dem Umfang eingetreten ist, daß der Versicherte nicht mehr berufsunfähig gewesen wäre.
Berufsunfähig ist ein Versicherter nach § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Dabei ist Ausgangspunkt der Beurteilung der bisherige Beruf des Versicherten, von dessen qualitativem Wert es abhängt, auf welche anderen Tätigkeiten der Versicherte zumutbar verwiesen werden kann.
Im vorliegenden Fall ist von dem Beruf des Fliesenlegers (Plattenlegers) auszugehen. Der Versicherte hat vom 13. September 1950 bis zum 25. März 1954 den Beruf des Plattenlegers erlernt und am 27. März 1954 erfolgreich die Gesellenprüfung abgelegt. Nach verschiedenen Arbeitsverhältnissen, deren Qualifikationserfordernisse im einzelnen nicht nachzuprüfen waren, war der Versicherte von November 1959 bis Februar 1975 bei der Firma K. K. D. durchgehend als Fliesenleger beschäftigt. Zwar hat die Firma K. keine Unterlagen mehr aufgefunden, jedoch ergibt sich die Tatsache der durchgehenden Beschäftigung bereits aus den von den Klägern in Fotokopie vorgelegten Aufrechnungsbescheinigungen bzw. Entgeltsbescheinigungen, die mit dem Versicherungsverlauf und auch den Aussagen der Zeugen L. B. und K. übereinstimmen. Der Versicherte hat sich auch nicht von seinem erlernten Beruf gelöst, da er nach Ende der Beschäftigung bei der Firma K. kein Arbeitsverhältnis mehr begründet hat, anschließend arbeitslos war und ab 1. Oktober 1977 von der Beklagten Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog.
Entgegen der Auffassung der Beklagten geht der erkennende Senat auch davon aus, daß der Versicherte entsprechend dem von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen ist. Aus den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen L. B. und K. im Termin am 22. Januar 1986 ergibt sich, daß der Versicherte während seiner gesamten Zugehörigkeit zur Firma K. als Fliesenleger gearbeitet hat. Auch der Zeuge Sch. hat unter anderem aus Anlaß seiner Hilfe bei der Antragstellung des Versicherten für den Lohnsteuerjahresausgleich die Lohnabrechnungen des Versicherten gesehen und konnte sich daran erinnern, daß der Versicherte als Fliesenleger meist im Akkord gearbeitet hat. Genauere Kenntnis über die Arbeiten im einzelnen hatten die Zeugen B. und K. als ehemalige Arbeitskollegen und der Zeuge L. als für den Versicherten zuständige Abteilungsleiter bzw. Bauführer, der von 1935 bis 1981 bei der Firma K. beschäftigt war. Insbesondere der Zeuge L. hat bestätigt, daß der Versicherte während seiner Beschäftigung bei der Firma K. immer als Fliesenleger und meistens im Akkord gearbeitet hat. Er hat angegeben, es seien da oft sehr große Baustellen dabei gewesen, wie etwa Schulen, Krankenhäuser und auch die Firma O. in R., es seien Fliesen auf Wand, Boden und Außenfassaden, großen Waschräumen, Toilettenanlagen sowie in Treppenhäusern zu verlegen gewesen. Aber auch die Zeugen B. und K. haben bestätigt, daß der Versicherte bei der Firma K. immer als Fliesenleger und die meiste Zeit mit ihnen in einer Kolonne gearbeitet hat. Damit ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Beweis dafür erbracht, daß der Versicherte als Facharbeiter zu beurteilen ist. Wenn zwei ehemalige Arbeitskollegen sowie der ehemalige Vorgesetzte über das letzte mehr als 15 Jahre bestandene Beschäftigungsverhältnis des Versicherten als Zeugen gehört worden sind und übereinstimmend ausgesagt haben, daß der Versicherte dort immer als Fliesenleger auf verschiedenen, oft sehr großen Baustellen gearbeitet hat, bedarf es jedenfalls dann keiner weiteren Beweiserhebung, etwa durch Anhörung eines berufskundlichen Sachverständigen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die Anlaß zur Vermutung geben, der Versicherte habe als gelernter Fliesenleger innerhalb seines Berufes über längere Zeit hinweg minderqualifizierte Tätigkeiten ausgeübt. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Sie können auch nicht dadurch geschaffen werden, daß die Beklagte aus berufskundlichen Blättern oder Ausbildungsordnungen unterschiedslos alle Tätigkeiten des Berufs aufzählt und behauptet, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte alle diese Kenntnisse und Fähigkeiten besitze und alle genannten Tätigkeiten ausgeübt habe. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 11. Juli 1985 (5 b RJ 88/84) ist bei dem gelernten Facharbeiter von erheblicher Bedeutung, daß er seine Qualifikation in einer entsprechenden Prüfung bereits unter Beweis gestellt hat.
Als Fliesenleger konnte der Versicherte nicht mehr tätig werden. Durch das Gutachten des Dr. K. vom 2. März 1981 ist bewiesen, daß der Versicherte auch seit 1979 nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ausschließlich im Sitzen, mit gelegentlichem Umhergehen, ganztags verrichten konnte. Die Leistungsbeurteilungen des Internisten Dr. D. vom 20. März 1979 und des Dr. O. vom 7. Januar 1980 für die Beklagte konnten nicht bestätigt werden, soweit dort wieder vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten bei gelegentlichem Sitzen für möglich gehalten wurden. Damit hat Dr. K. die Feststellung des Dr. M. im Gutachten vom 23. Juni 1978 insoweit bestätigt, als auch dieser nur eine sitzende Tätigkeit zugemutet hat. Eine Verbesserung hat sich allerdings insofern ergeben, als Dr. M. nur eine täglich sechsstündige Tätigkeit zumutete, während Dr. K. ab 1979 wieder eine vollschichtige Tätigkeit als möglich ansah.
Die Feststellungen des Gutachters Dr. K. konnten auch nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, daß der Versicherte gegenüber dem Psychologen D. H. am 4. November 1981 angab, daß er sich tagsüber mit diesem und jenem beschäftige, manchmal sei es auch langweilig, insgesamt aber erträglich, insbesondere arbeite er gern in seinem Garten. Daraus läßt sich nicht ablesen, daß von Februar 1981 bis November 1981 eine wesentliche Verbesserung im Gesundheitszustand des Versicherten eingetreten und dieser insbesondere nicht mehr auf eine sitzende Tätigkeit angewiesen war. Zum einen läßt sich daraus nicht erkennen, in welchem Umfang, mit welchen Hilfsmitteln und mit welchen Pausen der Versicherte in seinem Garten arbeitete, zum anderen besteht auch die Möglichkeit, daß er auf Kosten seiner Gesundheit diesem Hobby nachging. Dr. W. gibt in seinen Befundberichten vom 22. Oktober 1985 und vom 19. November 1985 jedenfalls an, daß sich an den seit 1980 bestehenden Leiden und Gebrechen nichts geändert habe und der Versicherte bis zu seinem Tode zu keiner Zeit arbeits- bzw. einsatzfähig gewesen sei.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen konnte dem Kläger aber auch außerhalb seines Berufes keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden.
Soweit das Landesarbeitsamt in seiner Stellungnahme vom April 1982 den Versicherten als Schalttafelwärter, Apparatewärter und Maschinenwärter als einsatzfähig ansah, wären diese Tätigkeiten schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil nach dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982 das Konzentrationsvermögen und die Sorgfaltsleistung des Versicherten bei relativ langer Aufmerksamkeitsanspannung als niedrig bezeichnet werden. Diese Einschränkung ist bei der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes offenbar übersehen worden; sie war in der Anfrage des Gerichts allerdings auch nicht aufgeführt.
Die übrigen vom Landesarbeitsamt benannten möglichen Tätigkeiten einer Büro-/Verwaltungshilfskraft, eines Mitarbeiters in der Poststelle oder eines Tagespförtners lassen von der Tätigkeitsbeschreibung her nicht erkennen, daß es sich um qualitativ aus den sonstigen ungelernten Tätigkeiten besonders herausgehobene Tätigkeiten handelt. Soweit auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 1983 (L-2/J-722/79) verwiesen wird, ist dort zwar unter anderem der Pförtner als zumutbarer Verweisungsberuf für einen KFZ-Schlosser (Facharbeiter) aufgeführt, es lassen sich dem Urteil jedoch keine qualitatives Merkmale entnehmen, die diesen aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten herausheben. Solche qualitativen Merkmale ergeben sich auch nicht aus der Beschreibung des Landesarbeitsamtes. Für den Versicherten im vorliegenden Fall ist noch zusätzlich die Einschränkung zu beachten, daß er nur solche Pförtnertätigkeiten hätte ausüben können, die ausschließlich im Sitzen bei nur gelegentlichem Stehen stattfanden. Soweit die Beklagte auf den sog. gehobenen Pförtner abstellt (vgl. Urteil des BSG vom 9. Dezember 1981 – 1 RJ 124/80), kann nicht festgestellt werden, daß der Versicherte die besonderen Voraussetzungen hierfür erfüllt hat. Das besondere Wissen und Können des Versicherten für die sog. gehobene Pförtnertätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982. Im Gegenteil ist daraus abzulesen, daß dem Versicherten bei der visuellen Aufmerksamkeitsanspannung nur ein niedriges Arbeitstempo möglich war, was bereits dagegen gesprochen hätte, ihn bei verkehrsreichen Eingängen einzusetzen. Zusätzlich war der Versicherte insoweit behindert, als er die Tätigkeit nur im Sitzen ausüben konnte. Ob der Versicherte als Pförtner in nicht unerheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten hätte beschäftigt werden können oder eine Fernsprechvermittlung bei mehr als einem Amtsanschluß hätte bedienen können, läßt sich nach dem Tode des Versicherten nachträglich nicht mehr feststellen. Eine Verweisung darauf ist schon deshalb nicht mehr möglich.
Die von der Beklagten weiter genannten Berufstätigkeiten als Werkzeug-, Waren- und Materialausgeber scheitern bereits daran, daß es sich nicht um rein sitzende Tätigkeiten handelt.
Der Montierer in der Metall- und Elektroindustrie hebt sich aus den übrigen ungelernten Tätigkeiten ebenfalls nicht erkennbar durch besondere qualitative Merkmale heraus. Dies wird bestätigt durch das von den Klägern vorgelegte Gutachten des Dipl.-Ing. K.S. vom 27. Juni 1985, der bei dem Montierer von einfachen Anlerntätigkeiten spricht mit Anlernzeiten von wenigen Tagen bis deutlich weniger als drei Monaten. Besondere qualitative Heraushebungen sind nicht genannt worden.
Soweit die Beklagte den Versicherten auf die Berufstätigkeit des Werkstattschreibers verweisen will, ergibt sich aus dem vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. S. vom 27. Juni 1985 die Ungeeignetheit des Versicherten. Bei dem Werkstattschreiber werden eine Anlernzeit von mehr als drei Monaten und eine Einarbeitungszeit von bis zu sechs Monaten bei entsprechender Eignungsvoraussetzung erforderlich. Es kann ferner auch hier bei dem verstorbenen Versicherten nicht mehr nachträglich festgestellt werden, ob er die erforderlichen Rechenkenntnisse, Kenntnisse tariflicher Regelungen und der Betriebsvereinbarungen, der betrieblichen Produktions- und Arbeitsabläufe besessen hat; am geforderten schnellen Auffassungsvermögen mangelte es dem Versicherten lt. dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982 ohnehin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit noch um die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 1979 bis Dezember 1983.
Der Versicherte wurde 1934 geboren und ist 1984 im Krankenhaus verstorben nach Operation eines akuten Abdomens bei Pankreasschwanz-Karzinom mit Dünn- und Dickdarmmilieus. Der Rechtsstreit wird fortgesetzt von den Eltern des Versicherten, mit denen er zuletzt zusammen gewohnt hat.
Der Versicherte hat vom 13. September 1950 bis 25. März 1954 das Plattenlegerhandwerk erlernt und am 27. März 1954 die Gesellenprüfung bestanden. Anschließend arbeitete er in seinem erlernten Beruf, und zwar zuletzt von November 1959 bis Februar 1975 bei dem Fa. K. K. in D. bis es arbeitslos wurde. Vom 21. Februar 1977 bis 23. August 1977 nahm er an einer stationären Heilbehandlung in der G. Klinik teil wegen einer offenen rechtsseitigen großkavernösen Lungentuberkulose. Die Entlassung erfolgte als arbeitsfähig. Vom 7. September bis 8. November 1977 wurde er wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls in den St. Kliniken D. stationär behandelt. Der Versicherte hatte sich am rechten Bein eine Tibiakopffraktur und eine Unterschenkelfraktur zugezogen.
Am 14. November 1977 beantragte der Versicherte bei der Beklagten die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen Berufsunfähigkeit. Im sozialärztlichen Gutachten vom 23. Dezember 1977 kam der Internist Dr. D. zu dem Ergebnis, daß der Versicherte als Fliesenleger und in allen sonstigen Erwerbstätigkeiten zur Zeit keine Arbeiten verrichten könne. Die Lungentuberkulose könne als ausgeheilt angesehen werden. Die diätetisch eingestellte Zuckerstoffwechselstörung und die Fettstoffwechselstörung hätten keine nennenswerte erwerbsmindernde Bedeutung. Es müsse jedoch die endgültige Konsolidierung der Frakturen abgewartet werden, womit in wenigen Monaten gerechnet werden könne. Nach endgültiger Frakturheilung könnten mindestens mittelschwere Arbeiten wieder vollschichtig verrichtet werden. Im Gutachten vom 23. Juni 1978 kam der Orthopäde Dr. M. D. zu dem Ergebnis, daß der Versicherte infolge eines in mäßiger Fehlstellung verheilten kniegelenksnahen Schienbeinbruches mit Wackelkniebildung und erheblicher reduzierter Belastbarkeit des rechten Beines unter zusätzlicher Berücksichtigung mäßigen Aufbrauches der Wirbelsäule am Übergang der Brustwirbelsäule zur Lendenwirbelsäule aus orthopädischer Sicht nur für eine sitzende Tätigkeit bis zu sechs Stünden täglich einsatzfähig sei, vorausgesetzt, daß er den Arbeitsplatz mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln sehr gut erreichen könne. Mit einer Besserung der Unfallrückstände könne kaum gerechnet werden.
Mit Bescheid vom 24. August 1978 bewilligte die Beklagte Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Oktober 1977. In einem Zusatz wurde darauf hingewiesen, daß die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente nicht möglich gewesen sei, da der Versicherte als Selbständiger tätig sei. Auf den Widerspruch des Versicherten, mit dem er nachwies, nicht Selbständiger zu sein, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 20. November 1978 Erwerbsunfähigkeitsrente ab 1. Oktober 1977.
Im sozialärztlichen Nachuntersuchungsgutachten vom 20. März 1979 kam der Internist Dr. D. zu dem Ergebnis, daß die Unfallfolgen soweit abgeklungen seien, daß hieraus eine wesentliche Erwerbsminderung nicht mehr resultiere. Das Bein sei voll belastbar. Der Versicherte könne leichte bis mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit gelegentlichen Sitzens vollschichtig ausführen. Die Folgen des Alkoholmißbrauches schlössen eine berufliche Tätigkeit zur Zeit nicht aus. Reha-Maßnahmen würden nicht für aussichtsreich angesehen. Mit Schreiben vom 4. April 1979 gab die Beklagte dem Versicherten Gelegenheit, zur beabsichtigten Rentenentziehung Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid vom 12. Juni 1979 entzog die Beklagte dem Versicherten die Rente mit Ende Juli 1979 mit der Begründung, die Unfallfolgen von September 1977 seien im Sinne einer knöchernen Verheilung der Bruchstellen am rechten Unterschenkel abgeklungen. Das rechte Bein sei jetzt voll belastbar.
Mit Widerspruch am 10. Juli 1979 bestritt der Kläger, daß seit dem 20. November 1978 eine Besserung eingetreten sei. Auch müsse bei ihm vom Beruf des hochqualifizierten Fliesenlegers ausgegangen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 1979 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Versicherte am 21. Dezember 1979 Klage erhoben und vorgetragen, bei der Beurteilung der Frage, ob eine Änderung eingetreten sei, müsse vom Zustand am 20. November 1978 ausgegangen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei nach dem Gutachten des Dr. M. vom 23. Juni 1978 bereits eine knöcherne Verheilung der Bruchstellen erfolgt. Die von Dr. M. festgestellten Unfallrückstände, mit deren Besserung nach Dr. M. kaum gerechnet werden konnte, bestünden heute noch. Die internistischen Leiden hätten sich verschlechtert. Er könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht auf kaufmännische oder sonstige Hilfsarbeiten verwiesen werden.
Die Beklagte hat eine erneute sozialärztliche Begutachtung durchführen lassen am 7. Januar 1980 durch Dr. O. der zwar eine Bänderschwäche und eine Fehlstellung des rechten Kniegelenkes feststellte, jedoch leichte bis mittelschwere vollschichtige Arbeiten zum Teil im Sitzen, ohne Schicht und Akkord, möglichst in geschlossenen Räumen als möglich ansah. Die Beklagte ließ ferner ein Gutachten durch den Dipl.-Psych. H. erstellen, der unter dem 27. Januar 1982 zu dem Ergebnis kam, daß der Kläger noch über eine ausreichende Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit bzw. Eingliederungsfähigkeit verfüge für berufsnahe, berufsfremde Tätigkeiten, die sich aus dem Kreise allgemeiner ungelernter Tätigkeiten besonders hervorheben, bisher/früher vernichtete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes und bisher nicht vernichtete Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes. Auf Grund des niedrigen Ergebnisses im Konzentrations-Verlaufs-Test käme allerdings eine längere (internatsmäßige) Umschulung nicht mehr in Betracht. Die Beklagte hat ferner den Kurbericht aus B. W. vom 24. September 1981 vorgelegt. Die Kur wurde seinerzeit nach vier Tagen wegen stark erhöhter Blutzuckerwerte und Verlegung in das örtliche Krankenhaus abgebrochen.
Die Beklagte hat vorgetragen, es sei bisher nicht nachgewiesen, daß der Versicherte auch immer als Fliesenleger gearbeitet habe. Doch selbst, wenn von dem Beruf des Fliesenlegers ausgegangen werde, müsse sich der Versicherte auf andere Tätigkeiten verweisen lassen. Die notwendige Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei durch das psychologische Gutachten nachgewiesen. Es werde dem orthopädischen Gutachten vom 2. März 1981 zugestimmt. Wenn die Arbeiten nicht überwiegend oder möglichst ausschließlich im Sitzen ausgeführt würden, werde mit Reizerscheinungen und zunehmender Arthrose gerechnet werden müssen, wodurch möglicherweise eine Belastungsfähigkeit auf Dauer ausgeschlossen werde.
Das Gericht hat Befundberichte eingeholt bei dem Allgemeinmediziner Dr. W., D., vom 25. April 1980 und der Lungenärztin Dr. N. vom 28. Juli 1980. Das Gericht hat ferner ein Gutachten eingeholt bei dem Orthopäden Dr. K., der unter dem 2. März 1981 zu dem Ergebnis kommt, daß im rechten Kniegelenk eine X-Fehlstellung bestehe infolge Insuffizienz des medialen Seitenbandes. Unter Belastung nehme diese Fehlstellung noch zu. Die ständige Fehlbelastung habe zu einer stärkeren Arthrose des Gelenkes geführt. Bei starken Belastungen seien Reizzustände im rechten Kniegelenk möglich. Der Versicherte könne ausschließlich sitzende Tätigkeiten bis zu acht Stunden täglich verrichten, gelegentliches Umhergehen sei zumutbar. Öffentliche und private Verkehrsmittel könnten benutzt werden, der Fußweg solle aber einen Kilometer nicht überschreiten.
Das Gericht hat ferner eine Auskunft eingeholt bei dem Landesarbeitsamt Hessen vom April 1982 über die berufliche Einsatzfähigkeit des Versicherten.
Mit Urteil vom 11. Februar 1983 (S-1/J-450/79) hat das Sozialgericht Darmstadt unter Abweisung der Klage im übrigen dem Versicherten Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit ab 1. August 1979 zugesprochen. Zur Begründung wurde ausgeführt, ab 1. August 1979 sei der Versicherte zwar nicht mehr erwerbsunfähig aber berufsunfähig. Der Versicherte könne nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten, ausschließlich im Sitzen, mit gelegentlichem Umhergehen, ganztags vernichten. Der Versicherte genieße Berufsschutz als Fliesenleger. Diesen Beruf könne er nicht mehr ausüben. Zumutbare Verweisungstätigkeiten seien nicht ersichtlich. Die vom Landesarbeitsamt genannten Tätigkeiten als Schalttafel-, Apparate- und Maschinenwärter, Büro- oder Verwaltungshilfskraft, Mitarbeiter einer Poststelle und als Tagespförtner ragten nicht ersichtlich aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten heraus, da sie lediglich eine betriebliche Einweisungs- und Einarbeitungszeit von drei Monaten erforderten. Der Versicherte sei jedoch nicht erwerbsunfähig, da er im Rahmen des § 1247 RVO auch auf die vom Landesarbeitsamt Hessen genannten Tätigkeiten verweisbar sei.
Gegen das ihr am 7. März 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. April 1983 Berufung eingelegt. Die Beklagte trägt vor, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte stets als Fliesenleger gearbeitet habe. Auch nach den Aussagen der Zeugen L. B. und K. sei nicht erwiesen, daß der Versicherte als Facharbeiter zu beurteilen sei. Die Zeugen hätten zwar bestätigt, daß der Versicherte als Platten-/Fliesenleger beschäftigt worden sei, aber keine Aussagen über seine beruflichen Qualifikationen gemacht. Der Fliesenleger müsse neben seiner eigentlichen Arbeit, der Herstellung von Belägen aus Fliesen, Platten oder Mosaik, über weitere Kenntnisse und Fertigkeiten verfügen. Er müsse Bescheid wissen über Wärme-, Schall- und Feuchtigkeitsschutz, Kenntnisse über Farblehre und Gestaltung besitzen sowie eine Reihe von Bau- und Hilfsstoffen kennen. Im Zusammenhang mit der Herstellung von Belägen müsse er Estriche und Unterputze herstellen können, Glasbausteine versetzen sowie das Einmauern von Einbauteilen beherrschen. Darüber hinaus müsse er die Baustoffe zur Wärme- und Schalldämmung sowie zum Feuchtigkeitsschutz verarbeiten und auch einfache Arbeits- und Schutzgerüste aufstellen können. Selbstverständlich werde er die Werk- und Detailzeichnungen lesen können und Entwurfsskizzen herstellen. Beim Umgang mit Werkzeugen und Maschinen müsse er die einschlägigen Vorschriften der Unfallverhütung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit kennen und beachten. Dies alles sei für den Versicherten nicht erwiesen. Der Versicherte müsse sich deshalb als allenfalls angelernter Arbeiter auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Daraus, daß der Versicherte im psychologischen Gutachten als Beschäftigung Gartenarbeit angegeben habe, lasse sich schließen, daß er nicht mehr darauf angewiesen sei, so gut wie ausschließlich im Sitzen zu arbeiten. Bezüglich der Zumutbarkeit der vom Landesarbeitsamt genannten Tätigkeiten hätten nähere Einzelheiten der Tätigkeiten und ihre tarifliche Einstufung festgestellt werden müssen. So müsse sich ein gelernter Kfz-Schlosser unter anderem auf eine Betätigung als Pförtner oder Werkstattschreiber verweisen lassen (Urteil des HLSG vom 25. Januar 1983 – L-2/J-722/79). Weiterhin kämen auch Tätigkeiten eines Werkzeug-, Waren- und Materialausgebers in der Metall- und Kunststoffverarbeitung oder eines Montierers in der Metall- und Elektroindustrie in Frage. Der Befundbericht vom 16. April 1984 ergebe, daß der Versicherte am 29. Dezember 1983 wegen eines akuten Befundes stationär aufgenommen worden sei. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß das zum Tode führende Leiden vorher Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten gehabt habe. Der Berufsschatz als Facharbeiter sei eine die Klage begründende Tatsache und müsse deshalb bewiesen werden. Sofern keine entsprechenden Arbeitsergebnisse vorgelegt werden könnten und die Aussagen der Zeugen keine zweifelsfreie Beurteilung ermöglichten, bliebe letztendlich nur noch die Überprüfung durch einen berufskundlichen Sachverständigen, was hier jedoch nicht mehr möglich sei. Nach der Rechtsprechung sei es entscheidend, daß ein Versicherter nicht nur innerhalb eines Facharbeiterberufs tätig gewesen sei, sondern welchen qualitativen Wert der tatsächlich vernichteten Tätigkeit zukomme. Die Beklagte hat ein von den Klägern angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben dergestalt, daß Erwerbsunfähigkeit ab dem 27. Dezember 1983 vorgelegen habe und demgemäß Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. bis 31. Januar 1984 gewährt werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 1983 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Antrag wird damit begründet, es ergebe sich kein Anhalt dafür, daß der Versicherte nicht der Gruppe der Versicherten mit dem Leitbild des Facharbeiters zuzuordnen wäre. Der Versicherte sei gelernter Fliesenleger und habe als solcher auch stets gearbeitet. Nach Anhörung der Zeugen I., B. und K. dürfte nunmehr auch der letzte Zweifel daran ausgeräumt sein, daß der Versicherte seine Tätigkeit als Fliesenlegen mit all den Kenntnissen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten vernichtet habe, die gemeinhin in der Praxis von einem Fliesenleger erwartet würden. An den Befunden, die der gerichtliche Sachverständige Dr. K. 1981 erhoben habe, hätten sich keine Änderungen ergeben, so daß die festgestellten Leistungseinschränkungen weiterhin bestanden hätten. Der Dipl.-Psych. H. habe in seinem Gutachten vom 27. Januar 1982 bei dem Versicherten ein nur sehr geringes Konzentrationsvermögen bei langer Aufmerksamkeitsanspannung festgestellt. Danach schieden Tätigkeiten im Prüfbereich aus. Tätigkeiten als Pförtner seien einem Facharbeiter nach der Rechtsprechung des BSG und des II. Senats des Hessischen Landessozialgerichts regelmäßig nicht zumutbar. Es müsse bezweifelt werden, daß es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze für Werkstattschreiber in nennenswertem Umfang gebe. Außerdem erfordere diese Tätigkeit betriebsspezifische Kenntnisse, die der Versicherte nicht in einer bis zu drei Monaten dauernden betrieblichen Einarbeitung erwerben könne. Eine längere Umschulung komme nach den Feststellungen des Dipl.-Psych. H. nicht in Frage.
Die Kläger tragen weiter vor, der 1984 verstorbene Versicherte habe bis zu seinem Tode mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt. Es sei nicht überzeugend, wenn Dr. S. eine Erwerbsunfähigkeit des Versicherten angesichts der Diagnose Pankreasschwanz-Karzinom erst ab dem Tag der stationären Krankenhausaufnahme annehme.
Die Kläger haben eine Erklärung des C. K. über das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft sowie eine Kopie der Einkommenssteuererklärung 1981 vorgelegt. Ferner wurde ein berufskundliches Gutachten vom 27. Juni 1985 aus einem anderen Verfahren vorgelegt.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, und zwar der Lungenärztin Dr. N. vom 28. Dezember 1983, des Chirurgen Dr. K. vom 5. Januar 1984, des Dr. L. vom 16. April 1984 sowie des Allgemeinmediziners Dr. W. vom 22. Oktober 1985 und vom 19. November 1985.
Der Senat hat über die berufliche Tätigkeit des Versicherten Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch. L. B. und K ... Auf die Protokolle vom 22. Oktober 1985 und vom 22. Januar 1986 wird Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Rentenakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig, § 143 SGG. Die Berufung ist auch nicht ausgeschlossen nach den §§ 144, 146, 149 SGG.
Die Kläger konnten als Eltern des Versicherten das Verfahren als Sonderrechtsnachfolger fortsetzen, da sie zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten mit diesem in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, § 56 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch 1. Buch (SGB 1).
Durch das angenommene Teilanerkenntnis ist der Rechtsstreit bezüglich der Versichertenrente für den Monat Januar 1984 in der Hauptsache erledigt, § 101 Abs. 2 SGG. Da die Kläger keine Anschlußberufung eingelegt haben, ist die Ablehnung der Erwerbsunfähigkeitsrente für den streitigen Zeitraum rechtskräftig geworden; Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist damit nur noch Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit von August 1979 bis Dezember 1983.
Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 11. Februar 1983 (S 1/J 450/79) ist zu Recht ergangen. Die Beklagte hat durch den Bescheid vom 12. Juni 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1979 zu Unrecht die dem Versicherten gewährte Rente ab 1. August 1979 in vollem Umfang entzogen. Zu diesem Zeitpunkt hätte sie, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, lediglich die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in eine Rente wegen Berufsunfähigkeit umwandeln dürfen.
Auch zur Überzeugung des erkennenden Senats steht fest, daß in den gesundheitlichen Verhältnissen des Versicherten ab 1. August 1979 eine wesentliche Veränderung jedenfalls nicht in dem Umfang eingetreten ist, daß der Versicherte nicht mehr berufsunfähig gewesen wäre.
Berufsunfähig ist ein Versicherter nach § 1246 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte desjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Dabei ist Ausgangspunkt der Beurteilung der bisherige Beruf des Versicherten, von dessen qualitativem Wert es abhängt, auf welche anderen Tätigkeiten der Versicherte zumutbar verwiesen werden kann.
Im vorliegenden Fall ist von dem Beruf des Fliesenlegers (Plattenlegers) auszugehen. Der Versicherte hat vom 13. September 1950 bis zum 25. März 1954 den Beruf des Plattenlegers erlernt und am 27. März 1954 erfolgreich die Gesellenprüfung abgelegt. Nach verschiedenen Arbeitsverhältnissen, deren Qualifikationserfordernisse im einzelnen nicht nachzuprüfen waren, war der Versicherte von November 1959 bis Februar 1975 bei der Firma K. K. D. durchgehend als Fliesenleger beschäftigt. Zwar hat die Firma K. keine Unterlagen mehr aufgefunden, jedoch ergibt sich die Tatsache der durchgehenden Beschäftigung bereits aus den von den Klägern in Fotokopie vorgelegten Aufrechnungsbescheinigungen bzw. Entgeltsbescheinigungen, die mit dem Versicherungsverlauf und auch den Aussagen der Zeugen L. B. und K. übereinstimmen. Der Versicherte hat sich auch nicht von seinem erlernten Beruf gelöst, da er nach Ende der Beschäftigung bei der Firma K. kein Arbeitsverhältnis mehr begründet hat, anschließend arbeitslos war und ab 1. Oktober 1977 von der Beklagten Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit bezog.
Entgegen der Auffassung der Beklagten geht der erkennende Senat auch davon aus, daß der Versicherte entsprechend dem von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen ist. Aus den insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen L. B. und K. im Termin am 22. Januar 1986 ergibt sich, daß der Versicherte während seiner gesamten Zugehörigkeit zur Firma K. als Fliesenleger gearbeitet hat. Auch der Zeuge Sch. hat unter anderem aus Anlaß seiner Hilfe bei der Antragstellung des Versicherten für den Lohnsteuerjahresausgleich die Lohnabrechnungen des Versicherten gesehen und konnte sich daran erinnern, daß der Versicherte als Fliesenleger meist im Akkord gearbeitet hat. Genauere Kenntnis über die Arbeiten im einzelnen hatten die Zeugen B. und K. als ehemalige Arbeitskollegen und der Zeuge L. als für den Versicherten zuständige Abteilungsleiter bzw. Bauführer, der von 1935 bis 1981 bei der Firma K. beschäftigt war. Insbesondere der Zeuge L. hat bestätigt, daß der Versicherte während seiner Beschäftigung bei der Firma K. immer als Fliesenleger und meistens im Akkord gearbeitet hat. Er hat angegeben, es seien da oft sehr große Baustellen dabei gewesen, wie etwa Schulen, Krankenhäuser und auch die Firma O. in R., es seien Fliesen auf Wand, Boden und Außenfassaden, großen Waschräumen, Toilettenanlagen sowie in Treppenhäusern zu verlegen gewesen. Aber auch die Zeugen B. und K. haben bestätigt, daß der Versicherte bei der Firma K. immer als Fliesenleger und die meiste Zeit mit ihnen in einer Kolonne gearbeitet hat. Damit ist nach Auffassung des erkennenden Senats der Beweis dafür erbracht, daß der Versicherte als Facharbeiter zu beurteilen ist. Wenn zwei ehemalige Arbeitskollegen sowie der ehemalige Vorgesetzte über das letzte mehr als 15 Jahre bestandene Beschäftigungsverhältnis des Versicherten als Zeugen gehört worden sind und übereinstimmend ausgesagt haben, daß der Versicherte dort immer als Fliesenleger auf verschiedenen, oft sehr großen Baustellen gearbeitet hat, bedarf es jedenfalls dann keiner weiteren Beweiserhebung, etwa durch Anhörung eines berufskundlichen Sachverständigen, wenn nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen, die Anlaß zur Vermutung geben, der Versicherte habe als gelernter Fliesenleger innerhalb seines Berufes über längere Zeit hinweg minderqualifizierte Tätigkeiten ausgeübt. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Sie können auch nicht dadurch geschaffen werden, daß die Beklagte aus berufskundlichen Blättern oder Ausbildungsordnungen unterschiedslos alle Tätigkeiten des Berufs aufzählt und behauptet, es sei nicht erwiesen, daß der Versicherte alle diese Kenntnisse und Fähigkeiten besitze und alle genannten Tätigkeiten ausgeübt habe. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BSG vom 11. Juli 1985 (5 b RJ 88/84) ist bei dem gelernten Facharbeiter von erheblicher Bedeutung, daß er seine Qualifikation in einer entsprechenden Prüfung bereits unter Beweis gestellt hat.
Als Fliesenleger konnte der Versicherte nicht mehr tätig werden. Durch das Gutachten des Dr. K. vom 2. März 1981 ist bewiesen, daß der Versicherte auch seit 1979 nur noch leichte bis mittelschwere Arbeiten ausschließlich im Sitzen, mit gelegentlichem Umhergehen, ganztags verrichten konnte. Die Leistungsbeurteilungen des Internisten Dr. D. vom 20. März 1979 und des Dr. O. vom 7. Januar 1980 für die Beklagte konnten nicht bestätigt werden, soweit dort wieder vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten bei gelegentlichem Sitzen für möglich gehalten wurden. Damit hat Dr. K. die Feststellung des Dr. M. im Gutachten vom 23. Juni 1978 insoweit bestätigt, als auch dieser nur eine sitzende Tätigkeit zugemutet hat. Eine Verbesserung hat sich allerdings insofern ergeben, als Dr. M. nur eine täglich sechsstündige Tätigkeit zumutete, während Dr. K. ab 1979 wieder eine vollschichtige Tätigkeit als möglich ansah.
Die Feststellungen des Gutachters Dr. K. konnten auch nicht dadurch in Zweifel gezogen werden, daß der Versicherte gegenüber dem Psychologen D. H. am 4. November 1981 angab, daß er sich tagsüber mit diesem und jenem beschäftige, manchmal sei es auch langweilig, insgesamt aber erträglich, insbesondere arbeite er gern in seinem Garten. Daraus läßt sich nicht ablesen, daß von Februar 1981 bis November 1981 eine wesentliche Verbesserung im Gesundheitszustand des Versicherten eingetreten und dieser insbesondere nicht mehr auf eine sitzende Tätigkeit angewiesen war. Zum einen läßt sich daraus nicht erkennen, in welchem Umfang, mit welchen Hilfsmitteln und mit welchen Pausen der Versicherte in seinem Garten arbeitete, zum anderen besteht auch die Möglichkeit, daß er auf Kosten seiner Gesundheit diesem Hobby nachging. Dr. W. gibt in seinen Befundberichten vom 22. Oktober 1985 und vom 19. November 1985 jedenfalls an, daß sich an den seit 1980 bestehenden Leiden und Gebrechen nichts geändert habe und der Versicherte bis zu seinem Tode zu keiner Zeit arbeits- bzw. einsatzfähig gewesen sei.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen konnte dem Kläger aber auch außerhalb seines Berufes keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden.
Soweit das Landesarbeitsamt in seiner Stellungnahme vom April 1982 den Versicherten als Schalttafelwärter, Apparatewärter und Maschinenwärter als einsatzfähig ansah, wären diese Tätigkeiten schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil nach dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982 das Konzentrationsvermögen und die Sorgfaltsleistung des Versicherten bei relativ langer Aufmerksamkeitsanspannung als niedrig bezeichnet werden. Diese Einschränkung ist bei der Stellungnahme des Landesarbeitsamtes offenbar übersehen worden; sie war in der Anfrage des Gerichts allerdings auch nicht aufgeführt.
Die übrigen vom Landesarbeitsamt benannten möglichen Tätigkeiten einer Büro-/Verwaltungshilfskraft, eines Mitarbeiters in der Poststelle oder eines Tagespförtners lassen von der Tätigkeitsbeschreibung her nicht erkennen, daß es sich um qualitativ aus den sonstigen ungelernten Tätigkeiten besonders herausgehobene Tätigkeiten handelt. Soweit auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. Januar 1983 (L-2/J-722/79) verwiesen wird, ist dort zwar unter anderem der Pförtner als zumutbarer Verweisungsberuf für einen KFZ-Schlosser (Facharbeiter) aufgeführt, es lassen sich dem Urteil jedoch keine qualitatives Merkmale entnehmen, die diesen aus dem Kreis der ungelernten Tätigkeiten herausheben. Solche qualitativen Merkmale ergeben sich auch nicht aus der Beschreibung des Landesarbeitsamtes. Für den Versicherten im vorliegenden Fall ist noch zusätzlich die Einschränkung zu beachten, daß er nur solche Pförtnertätigkeiten hätte ausüben können, die ausschließlich im Sitzen bei nur gelegentlichem Stehen stattfanden. Soweit die Beklagte auf den sog. gehobenen Pförtner abstellt (vgl. Urteil des BSG vom 9. Dezember 1981 – 1 RJ 124/80), kann nicht festgestellt werden, daß der Versicherte die besonderen Voraussetzungen hierfür erfüllt hat. Das besondere Wissen und Können des Versicherten für die sog. gehobene Pförtnertätigkeit ergibt sich auch nicht aus dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982. Im Gegenteil ist daraus abzulesen, daß dem Versicherten bei der visuellen Aufmerksamkeitsanspannung nur ein niedriges Arbeitstempo möglich war, was bereits dagegen gesprochen hätte, ihn bei verkehrsreichen Eingängen einzusetzen. Zusätzlich war der Versicherte insoweit behindert, als er die Tätigkeit nur im Sitzen ausüben konnte. Ob der Versicherte als Pförtner in nicht unerheblichem Umfang mit schriftlichen Arbeiten hätte beschäftigt werden können oder eine Fernsprechvermittlung bei mehr als einem Amtsanschluß hätte bedienen können, läßt sich nach dem Tode des Versicherten nachträglich nicht mehr feststellen. Eine Verweisung darauf ist schon deshalb nicht mehr möglich.
Die von der Beklagten weiter genannten Berufstätigkeiten als Werkzeug-, Waren- und Materialausgeber scheitern bereits daran, daß es sich nicht um rein sitzende Tätigkeiten handelt.
Der Montierer in der Metall- und Elektroindustrie hebt sich aus den übrigen ungelernten Tätigkeiten ebenfalls nicht erkennbar durch besondere qualitative Merkmale heraus. Dies wird bestätigt durch das von den Klägern vorgelegte Gutachten des Dipl.-Ing. K.S. vom 27. Juni 1985, der bei dem Montierer von einfachen Anlerntätigkeiten spricht mit Anlernzeiten von wenigen Tagen bis deutlich weniger als drei Monaten. Besondere qualitative Heraushebungen sind nicht genannt worden.
Soweit die Beklagte den Versicherten auf die Berufstätigkeit des Werkstattschreibers verweisen will, ergibt sich aus dem vorgelegten Gutachten des Dipl.-Ing. S. vom 27. Juni 1985 die Ungeeignetheit des Versicherten. Bei dem Werkstattschreiber werden eine Anlernzeit von mehr als drei Monaten und eine Einarbeitungszeit von bis zu sechs Monaten bei entsprechender Eignungsvoraussetzung erforderlich. Es kann ferner auch hier bei dem verstorbenen Versicherten nicht mehr nachträglich festgestellt werden, ob er die erforderlichen Rechenkenntnisse, Kenntnisse tariflicher Regelungen und der Betriebsvereinbarungen, der betrieblichen Produktions- und Arbeitsabläufe besessen hat; am geforderten schnellen Auffassungsvermögen mangelte es dem Versicherten lt. dem psychologischen Gutachten vom 27. Januar 1982 ohnehin.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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