S 43 (28) AS 98/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
43
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 (28) AS 98/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Rentennachzahlung kann auch dann nicht unter Abweichung vom Zuflussprinzip als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II rückwirkend auf den Nachzahlungszeitraum anstelle eines am Zuflusszeitpunkt orientierten Zeitraums angerechnet werden, wenn der Bezieher von Leistungen nach dem SGB II die Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs der Träger der Leistungen nach dem SGB II gegenüber dem Rentenversicherungsträger dadurch vereitelt hat, dass er gegenüber den Trägern der Leistungen nach dem SGB II nicht angegeben hat, einen Rentenantrag gestellt zu haben.
Der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit L – vom 22.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22.02.2006 wird aufgehoben, soweit durch diesen Bescheid der Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit L – vom 16.02.2005 für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 aufgehoben wurde; im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin 45 % der Kosten des Verfahrens zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Am 18.01.2005 beantragte die Klägerin bei der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit L – (BA) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). In dem schriftlichen Antragsformular hatte die Klägerin die Frage "Haben Sie oder die mit ihnen im Haushalt lebenden Personen (eine) andere Leistung(en) beantragt oder beabsichtigen Sie einen entsprechenden Antrag zu stellen?" mit "ja" beantwortet und sodann angegeben, dass sie selbst Kindergeld und ihr volljähriger Sohn N eine Halbwaisenrente beantragt hat. Über laufendes Einkommen verfügte die Klägerin zu dieser Zeit nicht.

Durch Bescheid vom 16.02.2005 bewilligte die BA der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von 265,98 EUR für den Zeitraum 18.01. – 31.01.2005 sowie monatlich 570,00 EUR für den Zeitraum 01.02. – 31.07.2005. Die Leistung in Höhe von 570,00 EUR monatlich setzte sich zusammen aus 345,00 EUR Regelleistung und 225,00 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung, was der Hälfte der von der Klägerin für die von ihr zusammen mit ihrem volljährigen Sohn bewohnte Wohnung zu zahlende Miete von 450,00 EUR einschließlich Betriebs- und Heizkosten entsprach. Eine Anrechnung von Einkommen erfolgte in diesem Bescheid nicht.

Am 01.04.2005 erhielt die Klägerin einen Rentenbescheid der damaligen Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (LVA). Durch diesen Bescheid wurde der bisherige Bescheid hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab dem 05.09.2003 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) aufgehoben und die bisherige große Witwenrente ab dem 05.09.2003 neu berechnet und auf monatlich 254,40 EUR festgesetzt, woraus sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 4.070,40 EUR für die Zeit vom 05.09.2003 bis zum 30.04.2005 errechnete sowie ab dem 01.05.2005 monatlich laufend auszuzahlende 254,40 EUR.

Die LVA überwies den Nachzahlungsbetrag von 4.070,40 EUR am 20.04.2005 auf das Bankkonto der Klägerin. Die laufenden Rentenzahlungen in Höhe von monatlich 254,40 EUR wurden sodann jeweils am Ende des dem Fälligkeitsmonat vorangehenden Monats auf das Bankkonto der Klägerin überwiesen, erstmals am 29.04.2005.

Nachdem der BA die Rentennachzahlung sowie die laufende Rentenzahlung bekanntgeworden war, hob sie nach Anhörung der Klägerin durch Bescheid vom 22.06.2005 den Bescheid vom 16.02.2005 teilweise auf und nahm die darin enthaltene Bewilligungsentscheidung in Höhe von monatlich 104,72 EUR für den Zeitraum 18.01. – 31.01.2005 sowie monatlich 224,40 EUR für den Zeitraum 01.02. – 31.07.2005 zurück.

Den gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die zwischenzeitlich von der BA und der Stadt L nach § 44b SGB II errichtete und im Wege der Funktionsnachfolge anstelle der BA in das Widerspruchsverfahren eingetretene Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.02.2006 zurück, und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Die Klägerin habe in ihrem Leistungsantrag zumindest grob fahrlässig verschwiegen, dass sie Witwenrente beantragt habe. Hierdurch sei der Bewilligungsbescheid vom 16.02.2005 von Beginn an rechtswidrig gewesen. Hätte die Klägerin die Beantragung der Witwenrente wahrheitsgemäß angegeben, wäre beim Rententräger ein Erstattungsanspruch angemeldet worden, so dass dieser nicht mit befreiender Wirkung ab dem 18.01.2005 an die Klägerin hätte leisten können.

Am 22.03.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bewilligungsbescheides lägen nicht vor. Die Klägerin habe die BA umgehend mündlich und im Mai 2005 zusätzlich schriftlich über den Rentenbescheid vom 01.04.2005 informiert und sei dadurch ihren Mitwirkungspflichten vollumfänglich nachgekommen. Jedenfalls bestehe für die Klägerin Vertrauensschutz. Im Übrigen gehe die Beklagte fälschlich davon aus, die Klägerin habe bereits seit dem 01.01.2005 Witwenrente erhalten. Die erste Zahlung sei ihr jedoch erst im Mai 2005 zugeflossen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit – Agentur für Arbeit L – vom 22.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22.02.2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie nunmehr vor, der Bescheid vom 16.02.2005 sei zunächst rechtmäßig gewesen, jedoch durch die Zuerkennung der Witwenrente teilweise rechtswidrig geworden, weil für die Monate Mai bis einschließlich Juli 2005 die laufende Rente und für die Monate Januar bis einschließlich April 2005 die Rentennachzahlung als Einkommen anzurechnen sei, soweit sie Ansprüche auf Zahlungen für diese Monate enthalte. Insoweit werde zwar die reine Zuflusstheorie umgangen, nur dies führe jedoch zu einem sachgerechten Ergebnis. Unter Anwendung der Zuflusstheorie hätte der gesamte Nachzahlungsbetrag von 4070,40 EUR als einmalige Einnahme auf einen angemessenen Zeitraum verteilt werden und damit vollständig auf den Bedarf der Klägerin angerechnet werden müssen, obwohl in dem Betrag Rentenansprüche enthalten seien, die Zeiträume beträfen, in der die Grundsicherung für Arbeitsuchende noch gar nicht existiert habe. Damit hätte die Klägerin schlechter dagestanden als nach der durch die Beklagte erfolgten Einkommensanrechnung, durch die gewissermaßen die nachträgliche Herstellung eines hier nicht mehr möglichen Erstattungsanspruchs gegenüber der LVA bewirkt worden sei. Auch ein solcher Erstattungsanspruch hätte nur in Höhe von laufend möglichen Einkommensanrechnungen durchgesetzt werden können. Auch könne nicht gewollt sein, dass die Höhe der Anrechnung einer Rentenzahlung davon abhänge, zu welchem Zeitpunkt der Rentenversicherungsträger über bestehende Ansprüche entscheide. § 2 Abs. 4 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II /Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – ALG II-V) enthalte in der neuen Fassung insofern auch eine Art Öffnungsklausel, als es bei einmaligen Einnahmen angezeigt sein könne, eine andere Anrechnung als die Aufteilung auf einen angemessenen Zeitraum vorzunehmen. Eine andere Regelung sei zumindest dann angezeigt, wenn eine einmalige Einnahme aus Ansprüchen auf andere Sozialleistungen resultiere, die für einen bestimmten, rückwirkenden Zeitraum erbracht würden. Zwar sei diese Regelung zum Zeitpunkt der Rentennachzahlung an die Klägerin noch nicht in Kraft gewesen, jedoch habe sie, die Beklagte, keine Bedenken, diesen Rechtsgedanken auch auf frühere Sachverhalte anzuwenden.

Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Einverständnis der Beteiligten hat das Gericht ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

2. Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Bescheid der BA vom 22.06.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 22.02.2006 ist rechtswidrig, soweit durch diesen Bescheid der Bewilligungsbescheid der BA vom 16.02.2005 für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 aufgehoben wurde (3.), so dass die Klägerin durch diesen insoweit beschwert ist; im Übrigen ist der angegriffene Bescheid rechtmäßig (6.), so dass die Klägerin durch diesen nicht beschwert ist (vgl. § 54 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

3. Soweit die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid den Bewilligungsbescheid der BA vom 16.02.2005 für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 aufgehoben hat, lässt sich dieser weder auf § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. §§ 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) stützen (4.), noch auf § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. §§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III (5.); das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen anderer als der genannten Ermächtigungsgrundlagen für die erfolgte gebundene, d.h. ohne Betätigung von Ermessen vorgenommene Entscheidung der Beklagten sind ohnehin nicht ersichtlich.

4. Die Voraussetzungen der §§ 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II, 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III sind insoweit nicht erfüllt.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. §§ 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III ist ein Verwaltungsakt im Regelungsbereich des SGB II, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit dieser rechtswidrig ist auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Auf die genannten Normen lässt sich der angegriffene Bescheid bereits deshalb nicht stützen, weil es dem durch diesen in Bezug genommenen Bewilligungsbescheid vom 16.02.2005 an der gemäß § 45 Abs. 1 SGB X erforderlichen anfänglichen Rechtswidrigkeit fehlt. Zum Zeitpunkt seines Ergehens war der Bescheid vom 16.02.2005 – an dessen formeller Rechtmäßigkeit ohnehin keine Zweifel bestehen – materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1, 19 ff. SGB II für das durch den Bescheid der Klägerin bewilligte Arbeitslosengeld II lagen vor.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der zwischen dem 01.01.2005 und dem 31.03.2006 geltenden Fassung erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die im fraglichen Zeitraum 53jährige erwerbsfähige Klägerin mit gewöhnlichem Aufenthalt in L war ausgehend von den bei Bescheiderlass bekannten Tatsachen hilfebedürftig für den im Bescheid geregelten Zeitraum, weil sie ihren Lebensunterhalt, der sich der Höhe nach durch den Regelbedarf von 345,00 EUR und den Unterkunfts- und Heizbedarf von 225,00 EUR definierte, nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit und aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte.

Insbesondere verfügte die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides nicht über zu berücksichtigendes Einkommen.

Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch sowie weiterer, im einzelnen benannter öffentlicher Leistungen.

Im Hinblick auf die Einkommensanrechnung kommt es nicht darauf an, ob Einkommen der Bedarfsdeckung eines Hilfebedürftigen während eines bestimmten - ggf. abgelaufenen - Zeitraums dienen soll oder sollte (sog. Zeitraumidentität). Voraussetzung für den Einsatz von Einkommen und Vermögen ist vielmehr deren bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit. Damit ist grundsätzlich bei der Prüfung der Bedürftigkeit einer aktuellen Notlage ein aktuelles Einkommen gegenüberzustellen. Angesichts dessen ist maßgeblich, ob der Lebensunterhalt in dem Zeitraum gedeckt ist, für den Leistungen beansprucht werden (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 21.03.2007, Az. L 1 AS 19/06, unter Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 18.02.1999, Az. 5 C 35/97, BVerwGE 108, 296 zu § 76 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) sowie Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09.08.2001, Az. B 11 AL 15/01 R, BSGE 88, 258-262 zu §§ 193, 194 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) - und Urteil vom 18.02.1982, Az. 7 RAr 91/81, BSGE 53, 115-117, zu § 138 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)). Diese zu §§ 76 BSHG, 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG und §§ 193, 194 SGB III entwickelten Grundsätze sind auch im Rahmen des § 11 SGB II bzw. § 2 ALG II-V anwendbar, da der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber mit den genannten Regelungen die sog. Zuflusstheorie des BVerwG und des BSG festgeschrieben hat (LSG NRW a.a.O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben verfügte die Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides am 16.02.2005 nicht über Einkommen, aus welchem sich ihr grundsicherungsrechtlicher Bedarf im Bewilligungszeitraum 18.01. –31.07.2005 decken ließ. Weder flossen der Klägerin im Februar 2005 konkret irgendwelche Einnahmen zu noch war im Zeitpunkt 16.02.2005 konkret absehbar, dass der Klägerin bis zum Ablauf des Bewilligungszeitraums am 31.07.2005 irgendwelche Einnahmen zufließen werden. Insbesondere stand im Februar 2005 noch nicht fest, dass die Klägerin eine Rentennachzahlung erhalten wird. Diese Rechtsposition erlangte die Klägerin erst durch den Rentenbescheid vom 01.04.2005.

Ungeachtet der Frage, für welchen Zeitraum die Rentennachzahlung als Einkommen anzurechnen ist, war der Bewilligungsbescheid vom 16.02.2005 deshalb im Zeitpunkt seines Ergehens, dem 16.02.2005, auf den es im Rahmen des § 45 SGB X ankommt, nicht rechtswidrig. Mangels zu diesem Zeitpunkt konkret verfügbaren oder für die Zukunft absehbaren Einkommens der Klägerin hatte die Agentur für Arbeit L keine andere Wahl, als der Klägerin Arbeitslosengeld II in bedarfsdeckender Höhe für den Bewilligungszeitraum nach näherer Maßgabe der §§ 19 ff. SGB II zu gewähren.

5. Auch sind die Voraussetzungen der §§ 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II, 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht erfüllt, soweit die Beklagte durch den streitgegenständlichen Bescheid den Bewilligungsbescheid der BA vom 16.02.2005 für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 aufgehoben hat.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. §§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung im Regelungsbereich des SGB II vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung nach näherer Maßgabe einer der Nummern 1. bis 4. des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eintritt, dieser Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.

Auf die genannten Normen lässt sich der angegriffene Bescheid in Bezug auf den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 deshalb nicht stützen, weil insoweit nach Erlass des Bescheides vom 16.02.2005 keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen (BSG, Urteil vom 06.11.1985, Az. 10 RKg 3/84, BSGE 59, 111 ff.).

Die Tatsache, dass der Klägerin durch den Rentenbescheid vom 01.04.2005 eine Rentennachzahlung auch für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 zugesprochen wurde, stellt gerade keine wesentliche Änderung in Bezug auf diesen Zeitraum dar. Diese Änderung führt nämlich nicht dazu, dass die BA unter den durch den Rentenbescheid herbeigeführten Verhältnissen den Bescheid vom 16.02.2005 für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 nicht mehr hätte erlassen dürfen. Für diesen Zeitraum hat sich durch den Rentenbescheid nämlich nichts daran geändert, dass der Klägerin keine Einnahmen zur Verfügung standen, mit denen sie ihren Lebensunterhalt hätte sicherstellen können. Eine reale rückwirkende Besserstellung der Klägerin in Bezug auf ihre Möglichkeiten der Sicherstellung ihres Lebensunterhalts im genannten Zeitraum war schlechterdings nicht mehr möglich. Erst die Überweisung der Rentennachzahlung auf das Bankkonto der Klägerin am 20.04.2005 hat eine wesentliche Änderung herbeigeführt: Ab diesem Zeitpunkt standen der Klägerin Einnahmen zur Verfügung, die sie nunmehr – für die Gegenwart und Zukunft, nicht jedoch rückwirkend – in die Lage versetzten, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften sicherzustellen.

Der Einwand der Beklagten, nur die Annahme bereits des 18.01.2005 als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vermöge zu einem sachgerechten Ergebnis zu führen, weil die Klägerin in ihrem Leistungsantrag zumindest grob fahrlässig verschwiegen habe, dass sie Witwenrente beantragt habe und dadurch vereitelt habe, dass die Beklagte bei der LVA einen Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X durchsetzen kann, ist nicht geeignet, eine andere rechtliche Betrachtung herbeizuführen.

Zunächst bedingt die Durchsetzung eines Erstattungsanspruches durch die Beklagte gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger, gegenüber dem der Klägerin Leistungsansprüche zustanden, nicht zwingend die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides durch die Beklagte nach § 48 SGB X. Neben § 103 SGB X, nach dessen Abs. 1 der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig ist, wenn ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, so dass die Aufhebung eines die Sozialleistung bewilligenden Bescheides nach § 48 SGB X zur Durchsetzung eines derartigen Erstattungsanspruchs erforderlich ist, regelt nämlich auch § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nach Abs. 1 Satz 2 ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Im vorliegenden Fall lag in Bezug auf die Rentenansprüche der Klägerin gegen die LVA für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 eine nachrangige Leistungspflicht der BA in Bezug auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in diesem Sinne vor. Denn wenn die LVA ihrer Verpflichtung, der Klägerin die ihr zustehenden Rentenleistungen für Januar, Februar bzw. März 2005 auszuzahlen, rechtzeitig, d. h. bereits im Januar, Februar bzw. März 2005 nachgekommen wäre, wäre die BA insoweit im Januar, Februar bzw. März 2005 selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen, weil es sich bei der Rente – wie bereits ausgeführt – um Einkommen handelt, welches im Falle der Auszahlung in den genannten Monaten nach dem Zuflussprinzip auch bereits in diesen Monaten auf den Grundsicherungsbedarf der Klägerin angerechnet worden wäre.

Ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die LVA nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist insoweit jedoch ausgeschlossen, wenn die LVA keine Kenntnis von den Leistungen der BA an die Klägerin im Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 erlangt hat, bevor sie im April 2005 die Nachzahlungen für diesen Zeitraum auf das Konto der Klägerin überwiesen hat. Ob eine derartige Kenntnis der LVA jedoch tatsächlich nicht vorlag, was diese behauptet, hält das Gericht nicht für erwiesen. Zwar hat die BA, weil die Klägerin ihr nicht mitgeteilt hatte, dass sie einen Rentenantrag gestellt hatte, vor dem Überweisungszeitpunkt im April noch keinen Erstattungsanspruch bei der LVA angemeldet, was eindeutig zu der erforderlichen Kenntnis der LVA i.S.d. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X geführt hätte. Jedoch führte die Beklagte im Falle der Klägerin, die nach § 3 Satz 1 Nr. 3a. Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) aufgrund des Arbeitslosengeld II-Bezuges gesetzlich rentenversichert war, aufgrund ihrer Verpflichtung nach § 173 Satz 2 SGB VI seit Februar 2005 monatlich Rentenversicherungsbeiträge an die LVA ab. Es dürfte zunächst noch einer weiteren Klärung bedürfen, ob nicht der Empfang dieser Rentenversicherungsbeiträge durch die LVA zu einer Kenntnis vom Arbeitslosengeld II-Leistungsbezug der Klägerin geführt hat, welche eine Auszahlung der Rentenleistungen für den Zeitraum 18.01. – 31.03.2005 an die Klägerin selbst mit befreiender Wirkung im Sinne des Ausschlusses eines Erstattungsanspruchs der BA bzw. der Beklagten nach § 104 Abs. 1 Satz 1 ausgeschlossen hätte.

Erst wenn diese Frage geklärt und zu verneinen ist, stellt sich überhaupt die von der Beklagten aufgeworfene Frage, wie es sich auswirken würde, dass in diesem Fall ein Erstattungsanspruch der BA bzw. der Beklagten gegen die LVA nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X deshalb ausgeschlossen wäre, weil die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Angabe ihrer Rentenantragstellung gegenüber der BA bzw. der Beklagten nicht nachgekommen war. Zur Überzeugung des Gerichts kann jedoch die Beantwortung der Frage, für welchen Zeitraum Einkommen auf Leistungsansprüche nach dem SGB II angerechnet wird, nicht von der mehr oder weniger zufälligen Beantwortung der weiteren Frage abhängig gemacht werden, ob insoweit Erstattungsansprüche nach den §§ 102 ff. durchsetzbar sind oder nicht. Insbesondere kann die Nichtdurchsetzbarkeit eines Erstattungsanspruchs in Bezug auf Nachzahlungsbeträge des potentiellen Erstattungsgläubigers aufgrund einer Obliegenheitspflichtverletzung des Leistungsbeziehers nicht dazu führen, dass hinsichtlich der Nachzahlungsbeträge bei der Einkommensanrechnung anstelle des Zuflussprinzips das Identitätsprinzip anzuwenden ist, d.h. eine Anrechnung nicht im Zuflussmonat bzw. in mehreren Monaten ab dem Zuflussmonat nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-V in der zwischen dem 01.01. und 30.09.2005 geltenden Fassung bzw. nunmehr § 2 Abs. 4 ALG II-V in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung, sondern in den Monaten, für die die jeweilige Sozialleistungen bestimmt ist, erfolgt (d.h. im Falle der Klägerin eine Anrechnung der Rentennachzahlung für Januar bis März 2005 auf die entsprechenden Monate). Zwar dient sowohl die Einkommensanrechnung nach den §§ 7 Abs. 1 Satz 1, 9 Abs. 1, 11 Abs. 1, 19 ff. SGB II als auch die Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X der Herstellung des Nachrangs der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. § 3 Abs. 3 SGB II), jedoch können die beiden Arten der Herstellung des Nachrangs nicht vermischt werden. Die Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs schließt nämlich gerade aus, dass insoweit eine Einkommensanrechnung erfolgen kann, weil dem Leistungsempfänger in Höhe der Erstattungssumme gar keine Einnahmen zufließen. Soweit jedoch ein Erstattungsanspruch nicht geltend gemacht oder nicht durchgesetzt wird und dem Leistungsempfänger die entsprechenden Sozialleistungen als Einnahmen zufließen, kann dieser mit diesen Einnahmen nur noch seinen aktuellen Bedarf decken. Das Zuflussprinzip trägt damit konsequent dem der Grundsicherung für Arbeitsuchende zugrundeliegenden Gegenwärtigkeitsprinzip Rechnung, wonach ein Nachrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gegenüber Einkommen und Vermögen nur dann besteht, wenn diese Selbsthilfemöglichkeiten gegenwärtig realisierbar sind (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 ff. = NVwZ 2005, 927 ff.; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, Einl. Randnr. 50). Die Deckung eines in der Vergangenheit liegenden Bedarfs ist, weil bereits erfolgt, hingegen nicht mehr möglich, womit zugleich die Anrechnung von Einkommen auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ausgeschlossen ist. Auch aus § 2 Abs. 4 ALG II-V in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts anderes. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Nach Satz 2 ist abweichend von Satz 1 eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Nach Satz 3 sind einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. Damit erlaubt § 2 Abs. 4 ALG II-V in der seit dem 01.01.2008 geltenden Fassung nicht, wie die Beklagte meint, eine Anwendung des Identitätsprinzips in Abkehr vom Zuflussprinzip, sondern modifiziert lediglich das Zuflussprinzip hinsichtlich des genauen Anrechnungszeitraums. Durch die Sätze 1 und 2 ist nämlich klargestellt, dass eine Einkommensanrechnung jedenfalls nicht vor dem Monat des Zuflusses erfolgen darf. Diese Regelung trägt damit der oben dargelegten Prämisse Rechnung, dass die Deckung eines in der Vergangenheit liegenden Bedarfs nicht mehr möglich ist. Lediglich für den Zeitraum ab dem Zuflussmonat erlaubt § 2 Abs. 4 ALG II-V Modifikationen. Dies widerspricht dem Gegenwärtigkeitsprinzip nicht, weil mit gegenwärtigem Einkommen grundsätzlich auch die Deckung eines zukünftigen Bedarfs möglich ist, sofern zugleich die Deckung des gegenwärtigen Bedarfs sichergestellt ist.

Auch im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist es jedoch durchaus grundsätzlich möglich, den Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Bezug auf Nachzahlungen des potentiellen Erstattungsgläubigers wiederherzustellen, und zwar über eine Einkommensanrechnung ab dem Zuflusszeitpunkt nach Maßgabe des § 2 ALG II-VO in der jeweiligen Fassung. So hätte es § 2 Abs. 3 Satz 1 ALG II-V in der zwischen dem 01.01. und 30.09.2005 geltenden Fassung der BA bzw. der Beklagten erlaubt, die Rentennachzahlung in Höhe von 4.070,40 EUR als einmalige Einnahme im Sinne dieser Vorschrift von dem Monat des Zuflusses an, also ab April 2005, zu berücksichtigen. Neben den ab diesem Monat außerdem zu berücksichtigenden laufenden Rentenzahlungen in Höhe von 254,40 EUR, reduziert um die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 3 Nr. 1 ALG II-V in der zwischen dem 01.01.2005 und dem 30.09.2005 geltenden Fassung in Höhe von 30,00 EUR, hätte die Beklagte also ab April 2005 die einmalige Einnahme in Höhe von 4.070,40 EUR anteilig auf mehrere Monate aufteilen können, wobei dem Gericht grundsätzlich eine Aufteilung auf bis zu zwölf Monate als möglich und angemessen erscheint, was angesichts des Bedarfs in Höhe von monatlich 570,00 EUR zunächst zu einem vollständigem Anspruchsverlust der Klägerin ab April 2005 geführt hätte. Soweit die Beklagte einwendet, diese Art der Anrechnung führe zu keinem sachgerechten Ergebnis, weil hierbei eine Anrechung auch von Rentenleistungen erfolgen würde, denen Ansprüche für Zeiträume vor Inkrafttreten des SGB II zugrundelägen, hält es das Gericht für nicht ausgeschlossen, dass diesem Einwand in rechtmäßiger Weise dadurch Rechnung getragen werden kann, dass eine Aufteilung auf eine Zahl von Monaten begrenzt wird, die zu einer nur teilweisen Anrechnung der Rentennachzahlung in Höhe der Ansprüche für die Monate Januar bis einschließlich März 2005 führt.

Nur wenn die Verletzung der Obliegenheitspflicht eines Leistungsbeziehers, gestellte anderweitige Sozialleistungsanträge gegenüber dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzugeben, dazu führt, dass dieser Träger einen Erstattungsanspruch gegenüber dem jeweiligen anderen Leistungsträger nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht durchsetzen kann und zugleich insoweit der Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch nicht über eine Einkommensanrechnung von Nachzahlungen der jeweiligen anderen Sozialleistung hergestellt werden kann, entsteht eine Situation, in der nach geltender Gesetzeslage die Herstellung des Nachrangs der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen ist. Denn etwaige Kostenersatzansprüche wegen einer durch eine Obliegenheitspflichtverletzung des Leistungsbeziehers vereitelten Durchsetzung eines Erstattungsanspruchs, hinsichtlich derer zugleich an die Befugnis des Leistungsträgers zur Aufrechnung mit aktuellen Leistungsansprüchen nach dem Vorbild des § 43 SGB II zu denken wäre, sieht das Gesetz nicht vor. Diese gesetzliche Regelungslücke ist jedoch auf der Grundlage des geltenden Rechts hinzunehmen (vgl. zur Rechtslage im Rahmen der Sozialhilfe nach dem BSHG bereits Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 03.04.1990, Az. 8 A 231.88, bei juris). Es obliegt allein dem Gesetzgeber, diese Regelungslücke zu schließen, sofern er ein entsprechendes Bedürfnis sieht.

6. Soweit der – formellrechtlich nicht zu beanstandende – angegriffene Bescheid rechtmäßig ist, gründet sich dieser auf § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. §§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Nach diesen Vorschriften ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung im Regelungsbereich des SGB II vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, dieser Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde.

Dabei ist es für die Rechtmäßigkeit des Bescheides unschädlich, dass die BA diesen zunächst auf § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X gestützt hat. Denn ungeachtet dessen, dass die Beklagte den Bescheid nunmehr nachträglich selbst auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stützt, haben die Sozialgerichte die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Das schließt die Berücksichtigung auch solcher Rechtsgründe ein, welche die Verwaltungsbehörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides nicht angeführt hat, es sei denn, durch die neue Begründung würde der Verwaltungsakt nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkung wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert. Eine unzulässige Änderung von Regelungsumfang oder Wesensgehalt tritt jedoch nicht ein, wenn man als Rechtsgrundlage eines Verwaltungsakts § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X anstelle von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X heranzieht (BSG, Urteil vom 25.04.2002, Az. B 11 AL 69/01 R m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen jedenfalls vor, soweit die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid in Höhe von 224,40 EUR für die Monate April, Mai, Juni und Juli 2005 aufgehoben hat.

In den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen der Klägerin, die im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 16.02.2005 vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung in der Form eingetreten, dass die Klägerin in den nach Bescheiderteilung liegenden Monaten April, Mai, Juni und Juli 2005 – anders als noch im Februar 2005 – Einkommen erzielt hat, welches zum Wegfall bzw. zur Minderung deren Anspruches auf Arbeitslosengeld II jedenfalls in Höhe von monatlich 224,40 EUR geführt hat.

In jedem dieser Monate erzielte die Klägerin Einkommen in Höhe von zumindest 254,40 EUR. In dieser Höhe wurde der Klägerin nämlich erstmals im April 2005 und sodann in jedem Folgemonat die ihr zustehende Rente durch die LVA auf ihr Bankkonto überwiesen. Diese Rentenzahlungen waren nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ALG II-V in der zwischen dem 01.01.2005 und dem 30.09.2005 geltenden Fassung für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Zu reduzieren waren sie um die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 3 Nr. 1 ALG II-V in der zwischen dem 01.01.2005 und dem 30.09.2005 geltenden Fassung in Höhe von 30,00 EUR, so dass für jeden Monat ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von jedenfalls 224,40 EUR verblieb. Jedenfalls um diesen Betrag verminderte sich ab April 2005 der monatliche Arbeitslosengeld II-Anspruch der Klägerin gegenüber dem im Bewilligungsbescheid vom 16.02.2005 zugrundegelegten Anspruch.

Weil die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid nur in Höhe von 224,40 EUR für die Monate April, Mai, Juni und Juli 2005 aufgehoben hat, kann dahinstehen, ob und inwieweit eine Anrechnung auch der Rentennachzahlung in Höhe von 4.070,40 EUR, der Klägerin zugeflossen im April 2005, verteilt auf die Monate April bis Juli 2005 zulässig war und rechtlich zu einer weitergehenden Minderung oder zu einem gänzlichen Wegfall ihres Arbeitslosengeld II-Anspruchs geführt hat.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt die Höhe des Teilerfolges der Klage.

8. Die Zulassung der Berufung, über die wegen eines aufgrund des Teilerfolges der Klage unter 750,00 EUR liegenden Wertes des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu entscheiden war, folgt aus den § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Rechtsfrage, ob im Rahmen des SGB II unter bestimmten Umständen, z.B. im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit eines Erstattungsanspruchs nach den §§ 102 ff. SGB X, eine Anrechnung von Einkommen unter Abkehr vom Zuflussprinzip auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume erfolgen kann, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt; deren Klärung liegt jedoch im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern.
Rechtskraft
Aus
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