Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 VG 1020/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4812/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten - noch - darüber, ob der Klägerin aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zusteht.
Die im Jahr 1956 geborene Klägerin erkrankte als Kleinkind an einer Kinderlähmung, unter deren Folgen sie bis heute leidet. Die Klägerin hat einen jüngeren Bruder. Die Ehe ihrer Eltern war von Streitereien geprägt. Der Vater verstarb im Jahr 1976. Nach Abschluss der Hauptschule nahm die Klägerin eine Ausbildung zur Kinderpflegerin auf, die sie abbrach. Danach war sie bis zum Eintritt einer Schwangerschaft im Jahr 1976 als Arbeiterin in einer Uhrenfabrik tätig. In diesem Jahr lernte sie auch M. G. (nachfolgend M.) näher kennen, der jedoch nicht der Vater des erwarteten Kindes war. M. war damals mit der Tochter M. eines Mannes, mit dem die Mutter der Klägerin ein außereheliches Verhältnis hatte, befreundet. Im Jahr 1977 wurde die Tochter der Klägerin geboren. Sie lebten nachfolgend in einer Wohngemeinschaft mit ihrem Bruder und einer Freundin. Zum Teil lebte auch M. in dieser Wohngemeinschaft. Im Jahr 1978 wandte sich M. wiederum ganz M. zu, die schwanger wurde. Im Jahr 1979 schlossen M. und M. die Ehe. Bereits Ende 1979 / Anfang 1980 kehrte M. jedoch zur Klägerin zurück. Im Jahr 1981 wurde die gemeinsame Tochter der Klägerin und M. geboren. Die Beziehung zwischen der Klägerin und M. war von Alkoholproblemen des M. und finanziellen Schwierigkeiten geprägt. M. wurde in erheblicher Weise gegenüber der Klägerin gewalttätig.
Am 5. Februar 1984 wurde M. von seinem Vater, der deswegen wegen Totschlags zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, erschossen. Dieser Gewalttat, die vor dem Haus des Vaters ohne weitere Beteiligte und Zuschauer geschah, war nach den Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts K. vom 8. November 1984 eine Auseinandersetzung zwischen dem Vater und M. während eines Kappenabends vorausgegangen. Die Klägerin hatte sich zuvor mit dem Vater über Probleme im Zusammenleben mit M. unterhalten.
Im Jahr 1991 heiratete die Klägerin den Cousin des M. Sie nahm im gleichen Jahr die Tochter und den Sohn des Bruders dieses Cousins als Pflegekinder auf, da deren zwischenzeitlich verstorbene Mutter drogensüchtig und der Vater in Haft war. Die Klägerin kümmert sich bis heute um diese Kinder. Im Jahr 2002 wurde die ebenfalls von Gewalttätigkeiten des Ehemanns geprägte Ehe der Klägerin geschieden.
Beim Versorgungsamt R. (VA) hatte die Klägerin erstmals im November 1984 einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Folgen der Kinderlähmung gestellt. Das VA stellte im Jahr 1985 wegen dieser Funktionsbeeinträchtigungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Im März 1986 begründete die Klägerin einen Erhöhungsantrag unter anderem mit Schlaflosigkeit, Angstzuständen und einer Depression. Im Befundbericht vom April 1986 beschrieb Dr. K. (Nervenarzt/Psychotherapie) eine neurotische Depression bei einer phobischen Entwicklung und eine Karzinophobie. Das VA erhöhte den GdB auf 60 und berücksichtige dabei unter anderem eine depressive Verstimmung mit einem Teil-GdB von 20. Im September 1986 erkundigte sich die Klägerin beim VA nach OEG-Leistungen und erhielt den Hinweis auf die hierfür zuständige Behörde. Im Jahr 1988 stellte die Klägerin einen weiteren Erhöhungsantrag beim VA, den sie im Wesentlichen auf weitere körperliche Beschwerden stützte. Dr. K. schrieb im Befundbericht vom November 1988, die Klägerin sei immer ausgeglichen und zufrieden. Für eine depressive Verstimmung oder soziale Anpassungsschwierigkeiten habe es keinen Anhalt gegeben. Nach Ablehnung des Erhöhungsantrags stellte die Klägerin im September 1994 erneut einen solchen. Im Befundbericht vom 10. April 1995 wies die behandelnde Ärztin Rist unter anderem auf das Vorliegen einer depressiven Verstimmung hin. Dr. K. führte im Befundbericht vom 21. Juli 1995 aus, die Klägerin sei ihm seit 1983 wegen einer reaktiven Depression und wegen einer Angstneurose bekannt. Zwischenzeitlich sei es auch zu einem lumbalen Wurzelreizsyndrom gekommen. Wesentlich sei die Klägerin durch die Folgen der Kinderlähmung behindert. Derzeit sei sie erneut psychisch dekompensiert, nachdem sie zwei adoptierte Kinder versorgen müsse. Auch diesen Erhöhungsantrag lehnte das VA ab. Im April 2001 stellte die Klägerin einen weiteren Erhöhungsantrag unter Hinweis auf eine seelische Belastung wegen des Todes des M. Auch dieser Antrag wurde vom VA abgelehnt, worauf die Klägerin am 4. Oktober 2001 wegen verschlimmerter psychischer Beschwerden einen weiteren Erhöhungsantrag stellte. Im Befundbericht vom 26. Februar 2002 stellte die Ärztin/Psychotherapeutin F. unter anderem die Diagnosen einer mittelgradigen, rezidivierend schweren depressiven Episode. In der Vorgeschichte seien schwerste Belastungen durch den gewalttätigen Ehemann, von dem die Klägerin im laufenden Scheidungsverfahren getrennt lebe, die Annahme von Pflegekindern im Zusammenhang mit dem Tod der Ehefrau des Schwagers wegen Drogenkonsums und das Im-Stich-Lassen in materieller und jetzt räumlicher Hinsicht durch den Ehemann eingetreten. Zwar bewertete der versorgungsärztliche Dienst des VA die Depression sodann mit einem Teil-GdB von 30 (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 6. April 2002); wegen einer fehlenden Auswirkung auf den Gesamt-GdB lehnte das VA den Erhöhungsantrag gleichwohl ab.
Am 20. April 2001 stellte die Klägerin beim VA wegen einer Depression mit psychotischen Symptomen und einer psychisch bedingten Migräne einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Ihr sei erst im Laufe einer Gesprächstherapie der Zusammenhang ihrer Gesundheitsstörungen mit dem Tod des M. klar geworden.
Mit Bescheid vom 19. September 2001 lehnte das VA den Antrag ab. Die Klägerin erfülle als mittelbar Geschädigte des tätlichen Angriffs auf M. nicht alle für die Anerkennung eines Schockschadens notwendigen Zuordnungskriterien. Es fehle an einer "gewissen Nähe" zwischen dem Schädigungstatbestand und dem Schaden beim Dritten. Diese setze einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang voraus. Das Überbringen der Todesnachricht reiche dazu nicht. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2002 zurück. Es reiche auch nicht aus, dass sich die Klägerin heute die moralische Mitschuld für den Tod des M. gebe.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer am 15. April 2002 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage. Zur Begründung führte sie aus, sie gebe sich die Schuld an der tätlichen Auseinandersetzung zwischen M. und seinem Vater. Seither leide sie unter erheblichen psychosomatischen und psychischen Störungen. Sie sehe in ständigen Albträumen M. tot im Sarg liegen. Das SG holte die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. T. (Dipl.-Psychologe) vom 17. April 2003, Dr. K. vom 24. April 2003, Prof. Dr. R. (ärztlicher Direktor der W.-Klinik für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin) vom 28. April 2003, des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 9. Mai 2003 und der Psychotherapeutin F. vom 6. Juli 2003 ein. Letztere fügte ihrer Aussage den Arztbrief von Prof. Dr. R. betreffend die stationäre Behandlung im Mai 2002 vom 7. Juni 2002 bei. Ergänzend reichte die Klägerin noch die "Krankengeschichte und Befundbericht" der Psychotherapeutin F. vom 2. August 2000 ein. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte die Fachärztin für Nerven- und Gemütskrankheiten Dr. M. das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 15. März 2004, in dem sie eine chronifizierte erhebliche neurotische Depression, rezidivierende Synkopen, Anfälle mit Bewusstseins- und Muskeltonusverlust, eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und ein Migräneleiden diagnostizierte. Es bestehe die begründete Furcht der Klägerin, selbst eine Gewalttat zu erleiden. Die Depression bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 von Hundert (v. H.), die schizophrene Psychose eine Minderung um 30 v. H., das Anfallsleiden und das Migräneleiden jeweils um 10 v. H. Auf Veranlassung des SG nahm die Psychotherapeutin F. am 22. Januar 2005 kurz gutachterlich Stellung. Die Synkopen stellten eine weitere Belastung dar. Diese seien eindeutig in Zusammenhang mit starken psychischen Belastungen aufgetreten, so zum Beispiel nach Drohungen des damaligen Ehemanns mit der Scheidung. Ebenso seien die psychotischen Symptome in Form von olfaktorischen, später optischen Halluzinationen bei extremer seelischer Belastung aufgetreten, zumeist im Zusammenhang mit körperlicher Gewalt, Androhung derselben bzw. Angst davor. Die Klägerin habe um ihr eigenes Leben und, als der kriminelle Pflegesohn nicht mehr kontrollierbar gewesen sei, auch um das Leben der ganzen Familie gefürchtet. Eine Vergewaltigung durch den Bruder ihres Ehemanns habe sie als Rehabilitierung wegen ihrer schweren Schuldgefühle erlebt. Zwar habe sie eine schwere Kindheit gehabt, eine schwerwiegende, behandlungswürdige psychische Erkrankung sei aber erst nach der Tötung des M. aufgetreten. Das Ausmaß der Angst, die somatovegetativen Störungen und tiefen Depressionen seien ohne die spezifische Traumatisierung nicht erklärbar. Die nachfolgenden Traumatisierungen seien aus der Vorgeschichte ableitbar. Das SG zog den Psychotherapieantrag des Dipl.-Psychologen Dr. T. aus dem Jahr 1985 bei, in dem er ausgeführt hatte, eine bislang ungelöste ambivalente Beziehungsproblematik zum Vater sei bestimmend. Auf dieser Linie sei auch die unbewusste Tendenz der Klägerin zu verstehen, sich nicht an "gute" Bezugspersonen zu binden, sondern gerade an solche, die mit dem Vater identifizierbar seien und Züge von Unzuverlässigkeit und Brutalität tragen würden. Anamnestisch wurde in dem Antrag ein Zusammenhang zwischen dem Tod des M. und den nachfolgenden psychischen Störungen beschrieben. Auf nochmalige Nachfrage nahm Dr. K. mit Schreiben vom 4. April 2006 ergänzend gutachterlich Stellung. Der Beklagte reichte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S. vom 2. September 2003, 13. April 2004 und 1. April 2005 ein: Es bestehe eine vielfältige Problematik. Das Ereignis im Jahr 1984 stelle keine wesentliche Teilursache dar. Ein Kausalzusammenhang sei nicht nachvollziehbar. Die letzten Ausführungen von Fachärztin F. seien nicht überzeugend. Sie weiche von eigenen, früheren Darstellungen ab. Von Amts wegen holte das SG das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. E. (Universitätsklinikum F., Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 22. Juni 2006 ein. Er diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen depressiven Episoden, differentialdiagnostisch eine schizo-depressive Psychose. Es spreche mehr dagegen als dafür, dass diesbezüglich ein ursächlicher Zusammenhang mit der Gewalttat bestehe. Es seien nach der Gewalttat wahrscheinlich für fünf Jahre Albträume und vegetative Symptome aufgetreten, die als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung gewertet werden könnten und wahrscheinlich indirekte Folge der Gewalt seien. Die schädigungsbedingte MdE schätzte er ab dem 1. April 2001 auf unter 10 v. H. Es seien nur noch vereinzelte Albträume zu nennen. Die ansonsten seitdem bestehenden Störungen in Form einer rezidivierenden depressiven Störung oder einer schizo-depressiven Störung seien nicht schädigungsbedingt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2006 verpflichtete das SG den Beklagten, bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die durch die posttraumatische Belastungsstörung bedingte MdE liege unter 10 v. H. Der Klägerin stehe daher keine Beschädigtenrente zu. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei die Klägerin als Sekundäropfer in den Schutzbereich des OEG einbezogen. Es habe ein enger Zusammenhang bestanden, da M. der damalige Lebensgefährte der Klägerin und Vater der gemeinsamen Tochter gewesen sei. Das SG stützte seine Entscheidung auf das Gutachten von Prof. Dr. E ... Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, weder eine rezidivierende Depression mit psychotischer Depression noch eine schizo-affektive Psychose werde durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht. Zudem lägen noch andere Faktoren vor, die einen ursächlichen Zusammenhang mit der Gewalttat unwahrscheinlich machten. Schon im Jahr 1983 sei eine, wenn auch reaktive, Depression diagnostiziert worden. Die erste ausgeprägte depressive und psychotische Symptomatik sei nicht als zeitlich unmittelbare Reaktion auf das Ereignis vom 5. Februar 1984 aufgetreten. Selbst bei Annahme einer neurotischen Depression, wie von Dr. M. vertreten, sei die Symptomatik nicht durch das Tötungsdelikt und das Verlusterlebnis erklärbar. Ähnlich zu gewichtende Belastungsmomente seien vorher und nachher aufgetreten und hätten ihren Niederschlag in verschiedenen Befundberichten gefunden. Dagegen ließen sich die glaubhaft geschilderten Albträume und ein Angstgefühl oder ein schwer zu beschreibendes abnormes Gefühl in der Magenregion, das zeitnah zum 5. Februar 1984 begonnen habe, als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auffassen. Da es sich dabei nur um eine leichtere psychovegetative Störung handle, lasse sich eine höhere MdE als 10 v. H., ab dem 1. April 2002 unter 10 v. H. nicht begründen.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 14. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. September 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Der Sachverständige Prof. Dr. E. habe die Frage der Ursächlichkeit nicht hinreichend geprüft. Es sei ein psychotraumatologisches Gutachten einzuholen. Die Personen, die sich zeitlich am intensivsten mit der Klägerin beschäftigt hätten - deren Psychotherapeutin sowie der im Berufungsverfahren bestellte Gutachter Prof. Dr. F. - seien ausdrücklich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tötung des M. für den Lebensweg der Klägerin von entscheidender Bedeutung gewesen und das Krankheitsbild auf dieses Ereignis maßgeblich zurückzuführen sei.
Die Klägerin beantragt sachgerecht gefasst,
den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. September 2006 und unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2002 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden (psychotische Symptome) eine Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt zur Erwiderung vor, das SG habe den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses zutreffend gewürdigt. Auch der Beklagte folge der Auffassung, wonach bei der Klägerin heute noch eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des schädigenden Ereignisses vom 5. Februar 1984 bestehe. Allerdings sei hiervon eine schädigungsunabhängige rezidivierende depressive Störung mit psychotischen depressiven Episoden und eine schizo-depressive Psychose abzugrenzen. Im Hinblick auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. F. hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 4. Oktober 2007 vorgelegt: Dem Gutachten von Prof. Dr. F. könne nicht gefolgt werden. Bei der Prüfung der Kausalität werde den aktenkundigen, nicht schädigungsbedingten multiplen psychosozialen Belastungen für die Verursachung der gesamten bestehenden psychischen Beeinträchtigung eine nicht nachvollziehbar geringe bis keine Bedeutung beigemessen. Das bei der Klägerin vorliegende psychiatrische Krankheitsbild könne nicht durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma verursacht sein. Zu beachten seien multi- faktorielle Modellvorstellungen zur Ätiopathogenese von depressiven Störungen, die eine genetische Prädisposition, endogene Faktoren, Persönlichkeitsfaktoren, somatische Faktoren, Entwicklungsfaktoren und reaktive Faktoren beinhalteten. Sicher abgrenzbare Folgen des schädigenden Ereignisses (vereinzelte Albträume mit Bezug zur Gewalttat, Schreckgefühl im Oberbauchbereich) bedingten eine MdE von unter 10 v. H.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat das psychologisch-psychotraumatolo¬gische Fachgutachten von Prof. Dr. F. (Trauma Transform Consult - Gutachtensstelle) vom 24. August 2007 eingeholt. Bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen Symptomen und chronischem Verlauf vor. Diese sei Ausdruck der bislang nicht angemessen verarbeiteten traumatischen Erfahrung der Tötung ihres damaligen Lebensgefährten. Die Gesundheitsstörung sei mit Wahrscheinlichkeit in wesentlicher Weise durch das Ereignis vom 5. Februar 1984 verursacht worden. Als ein Hinweis auf die Kausalität seien insbesondere die olfaktorischen Intrusionen in Form des Leichengeruchs zu sehen, die auch glaubhaft während der Untersuchung zu eruieren gewesen seien. Andere Ursachen hätten ausgeschlossen werden können. Auch eine psychotische Erkrankung hätte ausgeschlossen werden können. Die MdE sei für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. März 2002 mit 40 v. H. und seither mit 30 v. H. zu beziffern.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (OEG- und SchwbG-Akten) und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Der Antrag der Klägerin war dabei sachgerecht auszulegen. Soweit die Klägerin schriftsätzlich beantragte, den Beklagten zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung zu verurteilen, hat sie nicht beachtet, dass das SG den Beklagten bereits verurteilt hat, eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Der Beklagte ist dem im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 24. November 2006 ausdrücklich gefolgt. Der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Klägerin wird daher dahingehend sachgerecht ausgelegt, dass das gesamte bei ihr vorliegende psychiatrische Krankheitsbild - wie es von den Gutachtern im Wesentlichen übereinstimmend mit der im Antrag genannten Diagnose beschrieben wird - als Schädigungsfolge anerkannt werden soll. Ferner geht der Senat davon aus, dass die Klägerin die Gewährung einer Beschädigtenrente begehrt. Der nicht näher konkretisierte Antrag auf Gewährung von "Beschädigtenversorgung" konnte, nachdem das SG ausdrücklich auf die Frage der Höhe der MdE eingegangen ist und sich die Klägerin gegen diese Entscheidung wandte, ebenfalls entsprechend ausgelegt werden.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat unter Darstellung der rechtlichen Grundlage (§ 1 OEG) zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin als sogenanntes Sekundäropfer in den Schutzbereich des OEG einbezogen ist. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Entscheidungsgründe (Seite 5 letzter Absatz und Seite 6). Zu ergänzen ist, dass die Gewährung einer Beschädigtenrente gemäß § 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 und 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine schädigungsbedingte MdE um wenigstens 25 v. H. (seit 21. Dezember 2007 nach den genannten Bestimmungen i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909 ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von wenigstens 25) voraussetzt.
Vorsätzlicher tätlicher Angriff im Sinne des OEG ist hier die Tötung des M. durch seinen Vater.
Soweit das SG, gestützt auf die Einschätzung von Prof. Dr. E., zu der Auffassung gelangte, dass sich Albträume der Klägerin, ein Angstgefühl oder ein schwer zu beschreibendes abnormes Gefühl in der Magenregion als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auffassen lassen, wird die Klägerin dadurch nicht belastet. Der Senat kann daher dahingestellt lassen, ob es sich dabei - wie auch von Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 vertreten - um tatsächlich von der im Übrigen bestehenden Erkrankung der Klägerin abgrenzbare Folgen des schädigenden Ereignisses handelt.
Im Wesentlichen leidet die Klägerin jedoch an einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden. Diese Diagnose wurde übereinstimmend von Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. gestellt. Soweit Prof. Dr. E. differenzialdiagnostisch eine schizo-depressive Psychose erwähnte, sah er zum einem diese Diagnose als die weniger wahrscheinliche an und zum anderen maß er - was zutreffend ist - dieser diagnostischen Alternative für die hier maßgebliche Zusammenhangsfrage keine Relevanz bei. Im nachfolgenden wird daher nur auf die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden (psychotischen Symptomen) eingegangen.
Diese Erkrankung lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis vom 5. Februar 1984 zurückführen. Auch der Senat ist - wie das SG - der Überzeugung, dass eine solche Erkrankung weder durch ein einzelnes Lebensereignis oder durch ein einzelnes psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht wird. Ferner wurde bei der Klägerin schon vor dem schädigenden Ereignis im Jahr 1983 eine, wenn auch reaktive, Depression diagnostiziert. Zudem liegen bei der Klägerin neben dem tätlichen Angriff sowohl zuvor als auch danach weitere ähnlich zu gewichtende Belastungsmomente vor. Auch der Senat stützt sich auf hierfür auf die überzeugende Beurteilung durch Prof. Dr. E. und verweist auf die weitere Darstellung des SG in den Entscheidungsgründen Seite 7 bis Seite 8 erster Absatz. Zu Recht ließ sich das SG nicht von der gegenteiligen Auffassung von Dr. M. im Gutachten vom 15. März 2004 überzeugen, die die Ursächlichkeit des schädigenden Ereignisses für die gesamten danach aufgetretenen Gesundheitsstörungen allein auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Gewalttat stützte.
Soweit die Klägerin zuletzt im Berufungsverfahren ihr Begehren auf die Einschätzungen der langjährig behandelnden Psychotherapeutin F. sowie des gehörten Sachverständigen Prof. Dr. F. gestützt hat, überzeugen deren Auffassungen den Senat nicht.
Hinsichtlich der Bewertungen durch die Psychotherapeutin F. fällt auf, dass sie die Zuordnung und Gewichtung von Fakten und Gesundheitsstörungen anfänglich anders vornahm als zuletzt. Darauf hat bereits Dr. S. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. April 2005 hingewiesen. Im Arztbrief vom 13. Januar 1998 führte die Psychotherapeutin F. aus, die ihr geschilderten außergewöhnlich dramatischen Lebensumstände hätten zu einer depressiven Symptomatik geführt. Aus der Verwendung des Plurals ist zu schließen, dass sie dabei nicht auf ein einzelnes Ereignis abgestellt hat. Zudem erwähnte sie eine spezifische, deutlich masochistisch akzentuierte Persönlichkeitsstruktur, die als disponierender Faktor zu werten sei. In der "Krankengeschichte und Befundbericht" vom 2. August 2000 wies die Psychotherapeutin F. auf eine fortgesetzte Reihe von schweren Belastungen in der Lebensgeschichte der Klägerin hin. Sie nannte die Belastung in der Kindheit durch den alkoholkranken Vater und schwere Körperverletzungen durch den ersten Ehemann und den gewaltsamen Tod des Ehemanns (hier muss M. gemeint sein, obwohl die Klägerin nicht mit ihm verheiratet war). Dies habe zu einer "ersten" tiefen Krise mit einer schweren Depression geführt. Nachfolgend nannte sie als weitere Belastungen aber noch den Tod der drogensüchtigen Schwägerin, die Erziehung der "verwahrlosten und schon im Säuglingsalter süchtigen Kinder", die Trennung vom zweiten Ehemann, die Drogenabhängigkeit der ältesten Tochter und eine seit Kindheit bestehende Behinderung durch die Kinderlähmung. Im Befundbericht vom 26. Februar 2002, den die Psychotherapeutin F. in der Schwerbehindertenangelegenheit für das VA erstellte, taucht die Tötung des M. nicht auf. Sie erwähnte in der Vorgeschichte schwerste Belastungen durch den gewalttätigen Ehemann (hier muss jetzt der tatsächliche Ehemann gemeint sein), von dem sie in Trennung lebe, und durch die Aufnahme der Pflegekinder. Soweit sie in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2005 das Ausmaß der Angst der Klägerin, deren somatoforme vegetative Störungen und die Depression nur durch die Traumatisierung anlässlich des schädigenden Ereignisses vom Februar 1984 als erklärbar ansah und die nachfolgenden Traumatisierungen sogar aus diesem Ereignis ableitete, kann dem der Senat nicht folgen. Die Psychotherapeutin F. misst dem schädigenden Ereignis vom Februar 1984 nunmehr eine Bedeutung bei, die so aus früheren Äußerungen nicht hervorgeht. Soweit sie sogar so weit geht, die nachfolgend von der Klägerin mitgeteilte Vergewaltigung als einen Akt der Rehabilitierung der schweren Schuldgefühle, die sie aufgrund der Tötung des M. habe, darzustellen, ist jedenfalls der Bereich dessen, was dem schädigenden Ereignis noch als Folge zugerechnet werden kann, überschritten. Maßgeblich für die weitere Krankheitsentwicklung wäre dann nicht das tätliche Ereignis an sich, sondern die spezifische Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, die die Psychotherapeutin F. im Arztbrief vom 13. Januar 1998 als deutlich masochistisch akzentuiert beschrieben hatte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Psychotherapieantrag von Dr. T. aus dem Jahr 1985. Zwar ergibt sich aus den dort enthaltenen anamnestischen Angaben durchaus der - im Übrigen nicht umstrittene - zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Depression, von der Klägerin wiederum im Zusammenhang mit Schuldgefühlen vorgetragen, und dem schädigenden Ereignis. Dr. T. sah jedoch eine bislang ungelöste ambivalente Beziehungsproblematik zum Vater als bestimmend an. Er sah eine unbewusste Tendenz der Klägerin, sich nicht an "gute" Bezugspersonen zu binden, sondern gerade an solche, die mit dem Vater identifizierbar seien und Züge von Unzuverlässigkeit und Brutalität trügen. In der angestrebten Therapie sollte es aus seiner Sicht letztlich darum gehen, die selbstdestruktiven Tendenzen der Klägerin bewusst zu machen und aufzulösen. Es ging mithin nicht, was bei Zugrundelegung der (aktuellen) Auffassung der Psychotherapeutin F. und von Prof. Dr. F. nahegelegen hätte, um eine Traumaverarbeitung.
Ebenso wenig überzeugen die Ausführungen von Prof. Dr. F. zur Zusammenhangsfrage im Gutachten vom 24. August 2007. Zu Recht wendet Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 ein, in diesem - äußerst umfangreichen - Gutachten werde den aktenkundigen nicht schädigungsbedingten multiplen psychosozialen Belastungen für die Verursachung der gesamten bestehenden psychischen Beeinträchtigung eine nicht mehr nachvollziehbare geringe bis keine Bedeutung beigemessen. Diese Einschätzung wird in der Tat der schwierigen Biographie der Klägerin mit vielschichtigen psychosozialen Belastungsfaktoren nicht gerecht.
Soweit Prof. Dr. F. insbesondere die olfaktorischen Intrusionen als Hinweis auf die Kausalität des schädigenden Ereignisses für die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Überzeugend hat Prof. Dr. E. die rezidivierend auftretenden Geruchshalluzinationen (Körpergeruch des Lebensgefährten und Modergeruch) dem bei der Klägerin bestehenden wahnhaft-schizophrenen Syndrom zugeordnet. Zu diesem Syndrom gehören auch einzelne optische Halluzinationen (Sehen von Köpfen) und die ebenfalls dokumentierten Wahneinfälle im Hinblick auf die Überzeugung erkrankt zu sein, die als Karzinophobie bereits im Befundbericht von Dr. K. vom April 1986 dokumentiert ist. Auch der Senat geht davon aus, dass ein solches Krankheitsbild nicht durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht werden kann. Vielmehr handelt es sich um Erkrankungen, bei denen abnorme Gehirnvorgänge postuliert werden. Hätten die von Prof. Dr. F. beschriebenen olfaktorischen Intrusionen und auch die Erinnerungen der Klägerin an den Leichnam des M., den sie im Übrigen auf eigene Initiative hin sehen wollte, die von Prof. Dr. F. zugemessene Bedeutung, wäre nicht verständlich, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber Prof. Dr. F. sich nachfolgend bereit gezeigt hatte, die verstorbene Mutter eines Freundes in der Leichenhalle zu waschen. Bemerkenswert ist auch, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. ausführte, die Sache mit dem Geruch sei bisher nicht von ihr thematisiert worden. Dies steht im Widerspruch dazu, dass sie bereits gegenüber Dr. M. und Prof. Dr. E. den Geruch erwähnte.
Wesentliche Teile des von Prof. Dr. F. dargestellten Befunds des diagnostischen Gesprächs (Seite 55 ff.) können nicht schlüssig aus dem Gutachten hergeleitet werden.
Ein für eine posttraumatische Belastungsstörung typisches Vermeidungsverhalten wird aufgrund eines eingeschränkten Freizeitverhaltens angenommen. Dabei wird zunächst behauptet, die Klägerin beschränke ihre Freizeitaktivitäten zumeist auf Tätigkeiten, die sie alleine ausübe. Im nachfolgenden Absatz wird jedoch eingeräumt, dass sie einen Lebensgefährten hat und einer älteren Dame pflegerisch zur Seite steht. Aus den anamnestischen Angaben ergibt sich, dass die Klägerin seit drei Jahren mit diesem Lebensgefährten zusammen ist. Aus der Schilderung des Tagesablaufs geht hervor, dass die Klägerin als Nebenverdienst die bettlägerige Frau "verwöhnt". Bis zu dreimal am Tag besucht sie diese Frau, zudem hat sie angegeben, auch anderen zu helfen, z. B. ihre Nachbarin irgendwo hinzufahren. Als mögliche Betätigung hat sie sogar die Durchführung einer Sterbegleitung in Betracht gezogen. Ein Vermeidungsverhalten im Hinblick auf die Tagesgestaltung ist damit nicht schlüssig dargelegt.
Aufgrund des dargestellten Tagesablaufs konnte sich der Senat auch keine Überzeugung davon verschaffen, dass bei der Klägerin wie von Prof. Dr. F. auf Seite 63 beschrieben, ein dauerhafter ausgeprägter Erschöpfungszustand besteht.
Der Einschätzung von Prof. Dr. F., die Klägerin habe eine problematische Kindheits- und Erwachsenenentwicklung durch eine Beziehung zu ihren Großeltern kompensieren und sich nachfolgend den Auseinandersetzungen der Eltern entziehen können (Seite 67), steht entgegen, dass die Psychotherapeutin F. in der "Krankengeschichte und Befundbericht" vom 2. August 2000 die Kindheit mit dem alkoholkranken Vater als erste schwere Belastung in der Lebensgeschichte der Klägerin einordnete. Insoweit ist ergänzend auch auf den bereits erwähnten Therapieantrag von Dr. T. aus dem Jahr 1985 hinzuweisen.
Nicht nachvollziehbar ist die Darstellung der Beziehung der Klägerin zu M. Zwar wird eingeräumt, dass die Beziehung problematisch war. Jedoch wird, obwohl sogar ausgeschlagene Zähne und Hämatome, die sie aufgrund tätlicher Angriffe des M. erlitten hatte, beschrieben werden, eine "Vorschädigung" der Klägerin ausgeschlossen, da sich diese schon damals als "anpackende Persönlichkeit" dargestellt habe. Die Klägerin habe die Zeit kurz vor dem Tod des M. sogar als "eine gute Zeit" beschrieben. Dies kann nicht damit in Einklang gebracht werden, dass sich die Klägerin, weswegen sie sich letztlich sogar die Mitschuld am Tod des M. gibt, im unmittelbaren Vorfeld des Todes mit dem Vater des M. über ihre Probleme unterhalten hatte. In der bereits mehrfach genannten schriftlichen Äußerung der Psychotherapeutin F. vom 2. August 2000 werden schwere Körperverletzungen durch M. als weitere schwere Belastung dargestellt. Schließlich hatte die problematische Beziehung zu M. auch dazu geführt, dass sich die Klägerin bereits 1983 in psychiatrische Behandlung begeben hatte. Das Festhalten an der Beziehung wird daher zur Überzeugung des Senats viel treffender durch die Bewertungen der Psychotherapeutin F. in dem Arztbrief vom 13. Januar 1998 und den Ausführungen von Dr. T. im Psychotherapieantrag (siehe oben) erklärt. Überzeugend ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, den Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 gibt. Danach sind für die Entstehung von Depressionen nicht nur reaktive Faktoren, sondern u.a. auch Persönlichkeitsfaktoren von Bedeutung.
In ebenfalls nicht verständlicher Weise lehnt Prof. Dr. F. eine Bedeutung der nachfolgenden Ehe der Klägerin samt ihrer problematischen Aspekte mit der Begründung, die Klägerin freue sich glaubhaft über das jetzige Familienglück ihres geschiedenen Ehemannes und habe die Trennung mittlerweile konstruktiv verarbeitet, ab. Dem steht entgegen, dass die Psychotherapeutin F. im Befundbericht vom 26. Februar 2002 eine "schwerste" Belastung durch den gewalttätigen Ehemann beschrieb. Diese hatte schließlich auch zur Aufnahme der therapeutischen Beziehung zu ihr geführt. Auch der stationäre Aufenthalt in der Werner-Schwidder-Klinik im Mai 2002 stand im Zusammenhang mit der Trennung von ihrem Ehemann. Im Entlassungsbrief vom 7. Juni 2002 wird der Tod des M. neben zahlreichen anderen Belastungen nicht an hervorgehobener Stelle erwähnt. Erwähnt werden allerdings auch große Schuldgefühle, die sich die Klägerin machte, da sie auch eine außereheliche Beziehung begonnen hatte.
Nicht überzeugend ist ferner, dass Prof. Dr. F. der von der Klägerin beschriebenen Vergewaltigung und der Drogenabhängigkeit ihrer ältesten Tochter für die weitere gesundheitliche Entwicklung der Klägerin keine Bedeutung beimisst. Prof. Dr. F. bleibt eine Erklärung schuldig, weswegen die Klägerin mit Ausnahme des schädigenden Ereignisses vom 5. Februar 1984 alle anderen belastenden Faktoren in ihrem Leben aktiv angegangen und verarbeitet haben soll. Dies ist genauso wenig schlüssig wie die Einschätzung der Psychotherapeutin F., alle weiteren Belastungsfaktoren seien auf die Schädigung zurückzuführen.
Soweit Prof. Dr. F. auf Seite 70 des Gutachtens ausführte, der berufliche Bereich zeige bei der Klägerin keine relevanten Auffälligkeiten, sie weise vielmehr mehrere Ausbildungsabschlüsse auf, ist dies nicht zutreffend. Die Klägerin weist lediglich einen Hauptschulabschluss auf. Die einzige berufliche Ausbildung zur Kinderpflegerin hat sie abgebrochen.
Gegen die Annahme eines sich aus dem schädigenden Ereignis von 1984 herleitbaren Beschwerdebilds sprechen auch die medizinischen Unterlagen, die in den beigezogenen Schwerbehindertenakten enthalten sind. Im Erstantrag vom November 1984 werden gar keine psychiatrischen Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Diese tauchen erst im Erhöhungsantrag vom März 1996 mit Hinweis auf die Behandlung durch Dr. T. auf. Den im September 1986 aufgetretenen Gedanken der Klägerin, Leistungen nach dem OEG zu beantragen, hat sie damals nicht weiter verfolgt. Den Erhöhungsantrag im August 1988 hat sie hauptsächlich wegen somatischer Beschwerden - zu erwähnen ist hier insbesondere der Zustand nach Kinderlähmung - gestellt. Dr. K. hatte im November 1988 mitgeteilt, für eine depressive Verstimmung oder soziale Anpassungsschwierigkeiten habe es keinen Anhalt gegeben. Im Arztbrief vom 26. April 1994 erwähnte Dr. K. lediglich die Behandlung wegen eines lumbalen Wurzelreizsyndroms. Erst im Befundbericht vom 21. Juli 1995 verwies er auf eine "erneute" psychische Dekompensation, nachdem die Klägerin zwei adoptierte Kinder versorgen müsse, unter Schlafstörung, einer erhöhten Reizbarkeit und unter Erschöpfungszuständen leide. Auch diese Angaben bestätigen in der Gesamtschau die Einschätzung durch Prof. Dr. E ...
Das jetzt bestehende Krankheitsbild kann mithin nicht auf das schädigende Ereignis vom 5. Februar 1984 zurückgeführt werden. Soweit das SG und im Anschluss daran zwischenzeitlich auch der Beklagte davon ausgeht, dass einzelne Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung abgegrenzt werden können, ergibt sich daraus lediglich ein GdS (bislang: MdE) um weniger als 10 v. H. Es handelt sich hierbei um gegenüber der eben beschriebenen psychiatrischen Gesundheitsstörung, die von Prof. Dr. F. in Übereinstimmung mit der Einschätzung des VA in der Schwerbehindertensache für die Zeit ab 1. April 2002 mit einer MdE (GdB) 30 v. H. bewertet wurde, untergeordnete Aspekte. Damit liegt keine Schädigung in einem rentenberechtigenden Ausmaß vor.
Die Berufung war mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten - noch - darüber, ob der Klägerin aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zusteht.
Die im Jahr 1956 geborene Klägerin erkrankte als Kleinkind an einer Kinderlähmung, unter deren Folgen sie bis heute leidet. Die Klägerin hat einen jüngeren Bruder. Die Ehe ihrer Eltern war von Streitereien geprägt. Der Vater verstarb im Jahr 1976. Nach Abschluss der Hauptschule nahm die Klägerin eine Ausbildung zur Kinderpflegerin auf, die sie abbrach. Danach war sie bis zum Eintritt einer Schwangerschaft im Jahr 1976 als Arbeiterin in einer Uhrenfabrik tätig. In diesem Jahr lernte sie auch M. G. (nachfolgend M.) näher kennen, der jedoch nicht der Vater des erwarteten Kindes war. M. war damals mit der Tochter M. eines Mannes, mit dem die Mutter der Klägerin ein außereheliches Verhältnis hatte, befreundet. Im Jahr 1977 wurde die Tochter der Klägerin geboren. Sie lebten nachfolgend in einer Wohngemeinschaft mit ihrem Bruder und einer Freundin. Zum Teil lebte auch M. in dieser Wohngemeinschaft. Im Jahr 1978 wandte sich M. wiederum ganz M. zu, die schwanger wurde. Im Jahr 1979 schlossen M. und M. die Ehe. Bereits Ende 1979 / Anfang 1980 kehrte M. jedoch zur Klägerin zurück. Im Jahr 1981 wurde die gemeinsame Tochter der Klägerin und M. geboren. Die Beziehung zwischen der Klägerin und M. war von Alkoholproblemen des M. und finanziellen Schwierigkeiten geprägt. M. wurde in erheblicher Weise gegenüber der Klägerin gewalttätig.
Am 5. Februar 1984 wurde M. von seinem Vater, der deswegen wegen Totschlags zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, erschossen. Dieser Gewalttat, die vor dem Haus des Vaters ohne weitere Beteiligte und Zuschauer geschah, war nach den Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts K. vom 8. November 1984 eine Auseinandersetzung zwischen dem Vater und M. während eines Kappenabends vorausgegangen. Die Klägerin hatte sich zuvor mit dem Vater über Probleme im Zusammenleben mit M. unterhalten.
Im Jahr 1991 heiratete die Klägerin den Cousin des M. Sie nahm im gleichen Jahr die Tochter und den Sohn des Bruders dieses Cousins als Pflegekinder auf, da deren zwischenzeitlich verstorbene Mutter drogensüchtig und der Vater in Haft war. Die Klägerin kümmert sich bis heute um diese Kinder. Im Jahr 2002 wurde die ebenfalls von Gewalttätigkeiten des Ehemanns geprägte Ehe der Klägerin geschieden.
Beim Versorgungsamt R. (VA) hatte die Klägerin erstmals im November 1984 einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung wegen der Folgen der Kinderlähmung gestellt. Das VA stellte im Jahr 1985 wegen dieser Funktionsbeeinträchtigungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Im März 1986 begründete die Klägerin einen Erhöhungsantrag unter anderem mit Schlaflosigkeit, Angstzuständen und einer Depression. Im Befundbericht vom April 1986 beschrieb Dr. K. (Nervenarzt/Psychotherapie) eine neurotische Depression bei einer phobischen Entwicklung und eine Karzinophobie. Das VA erhöhte den GdB auf 60 und berücksichtige dabei unter anderem eine depressive Verstimmung mit einem Teil-GdB von 20. Im September 1986 erkundigte sich die Klägerin beim VA nach OEG-Leistungen und erhielt den Hinweis auf die hierfür zuständige Behörde. Im Jahr 1988 stellte die Klägerin einen weiteren Erhöhungsantrag beim VA, den sie im Wesentlichen auf weitere körperliche Beschwerden stützte. Dr. K. schrieb im Befundbericht vom November 1988, die Klägerin sei immer ausgeglichen und zufrieden. Für eine depressive Verstimmung oder soziale Anpassungsschwierigkeiten habe es keinen Anhalt gegeben. Nach Ablehnung des Erhöhungsantrags stellte die Klägerin im September 1994 erneut einen solchen. Im Befundbericht vom 10. April 1995 wies die behandelnde Ärztin Rist unter anderem auf das Vorliegen einer depressiven Verstimmung hin. Dr. K. führte im Befundbericht vom 21. Juli 1995 aus, die Klägerin sei ihm seit 1983 wegen einer reaktiven Depression und wegen einer Angstneurose bekannt. Zwischenzeitlich sei es auch zu einem lumbalen Wurzelreizsyndrom gekommen. Wesentlich sei die Klägerin durch die Folgen der Kinderlähmung behindert. Derzeit sei sie erneut psychisch dekompensiert, nachdem sie zwei adoptierte Kinder versorgen müsse. Auch diesen Erhöhungsantrag lehnte das VA ab. Im April 2001 stellte die Klägerin einen weiteren Erhöhungsantrag unter Hinweis auf eine seelische Belastung wegen des Todes des M. Auch dieser Antrag wurde vom VA abgelehnt, worauf die Klägerin am 4. Oktober 2001 wegen verschlimmerter psychischer Beschwerden einen weiteren Erhöhungsantrag stellte. Im Befundbericht vom 26. Februar 2002 stellte die Ärztin/Psychotherapeutin F. unter anderem die Diagnosen einer mittelgradigen, rezidivierend schweren depressiven Episode. In der Vorgeschichte seien schwerste Belastungen durch den gewalttätigen Ehemann, von dem die Klägerin im laufenden Scheidungsverfahren getrennt lebe, die Annahme von Pflegekindern im Zusammenhang mit dem Tod der Ehefrau des Schwagers wegen Drogenkonsums und das Im-Stich-Lassen in materieller und jetzt räumlicher Hinsicht durch den Ehemann eingetreten. Zwar bewertete der versorgungsärztliche Dienst des VA die Depression sodann mit einem Teil-GdB von 30 (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 6. April 2002); wegen einer fehlenden Auswirkung auf den Gesamt-GdB lehnte das VA den Erhöhungsantrag gleichwohl ab.
Am 20. April 2001 stellte die Klägerin beim VA wegen einer Depression mit psychotischen Symptomen und einer psychisch bedingten Migräne einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Ihr sei erst im Laufe einer Gesprächstherapie der Zusammenhang ihrer Gesundheitsstörungen mit dem Tod des M. klar geworden.
Mit Bescheid vom 19. September 2001 lehnte das VA den Antrag ab. Die Klägerin erfülle als mittelbar Geschädigte des tätlichen Angriffs auf M. nicht alle für die Anerkennung eines Schockschadens notwendigen Zuordnungskriterien. Es fehle an einer "gewissen Nähe" zwischen dem Schädigungstatbestand und dem Schaden beim Dritten. Diese setze einen unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang voraus. Das Überbringen der Todesnachricht reiche dazu nicht. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2002 zurück. Es reiche auch nicht aus, dass sich die Klägerin heute die moralische Mitschuld für den Tod des M. gebe.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer am 15. April 2002 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage. Zur Begründung führte sie aus, sie gebe sich die Schuld an der tätlichen Auseinandersetzung zwischen M. und seinem Vater. Seither leide sie unter erheblichen psychosomatischen und psychischen Störungen. Sie sehe in ständigen Albträumen M. tot im Sarg liegen. Das SG holte die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. T. (Dipl.-Psychologe) vom 17. April 2003, Dr. K. vom 24. April 2003, Prof. Dr. R. (ärztlicher Direktor der W.-Klinik für Psychosomatische und Psychotherapeutische Medizin) vom 28. April 2003, des Facharztes für Allgemeinmedizin S. vom 9. Mai 2003 und der Psychotherapeutin F. vom 6. Juli 2003 ein. Letztere fügte ihrer Aussage den Arztbrief von Prof. Dr. R. betreffend die stationäre Behandlung im Mai 2002 vom 7. Juni 2002 bei. Ergänzend reichte die Klägerin noch die "Krankengeschichte und Befundbericht" der Psychotherapeutin F. vom 2. August 2000 ein. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellte die Fachärztin für Nerven- und Gemütskrankheiten Dr. M. das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 15. März 2004, in dem sie eine chronifizierte erhebliche neurotische Depression, rezidivierende Synkopen, Anfälle mit Bewusstseins- und Muskeltonusverlust, eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis und ein Migräneleiden diagnostizierte. Es bestehe die begründete Furcht der Klägerin, selbst eine Gewalttat zu erleiden. Die Depression bedinge eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 von Hundert (v. H.), die schizophrene Psychose eine Minderung um 30 v. H., das Anfallsleiden und das Migräneleiden jeweils um 10 v. H. Auf Veranlassung des SG nahm die Psychotherapeutin F. am 22. Januar 2005 kurz gutachterlich Stellung. Die Synkopen stellten eine weitere Belastung dar. Diese seien eindeutig in Zusammenhang mit starken psychischen Belastungen aufgetreten, so zum Beispiel nach Drohungen des damaligen Ehemanns mit der Scheidung. Ebenso seien die psychotischen Symptome in Form von olfaktorischen, später optischen Halluzinationen bei extremer seelischer Belastung aufgetreten, zumeist im Zusammenhang mit körperlicher Gewalt, Androhung derselben bzw. Angst davor. Die Klägerin habe um ihr eigenes Leben und, als der kriminelle Pflegesohn nicht mehr kontrollierbar gewesen sei, auch um das Leben der ganzen Familie gefürchtet. Eine Vergewaltigung durch den Bruder ihres Ehemanns habe sie als Rehabilitierung wegen ihrer schweren Schuldgefühle erlebt. Zwar habe sie eine schwere Kindheit gehabt, eine schwerwiegende, behandlungswürdige psychische Erkrankung sei aber erst nach der Tötung des M. aufgetreten. Das Ausmaß der Angst, die somatovegetativen Störungen und tiefen Depressionen seien ohne die spezifische Traumatisierung nicht erklärbar. Die nachfolgenden Traumatisierungen seien aus der Vorgeschichte ableitbar. Das SG zog den Psychotherapieantrag des Dipl.-Psychologen Dr. T. aus dem Jahr 1985 bei, in dem er ausgeführt hatte, eine bislang ungelöste ambivalente Beziehungsproblematik zum Vater sei bestimmend. Auf dieser Linie sei auch die unbewusste Tendenz der Klägerin zu verstehen, sich nicht an "gute" Bezugspersonen zu binden, sondern gerade an solche, die mit dem Vater identifizierbar seien und Züge von Unzuverlässigkeit und Brutalität tragen würden. Anamnestisch wurde in dem Antrag ein Zusammenhang zwischen dem Tod des M. und den nachfolgenden psychischen Störungen beschrieben. Auf nochmalige Nachfrage nahm Dr. K. mit Schreiben vom 4. April 2006 ergänzend gutachterlich Stellung. Der Beklagte reichte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. S. vom 2. September 2003, 13. April 2004 und 1. April 2005 ein: Es bestehe eine vielfältige Problematik. Das Ereignis im Jahr 1984 stelle keine wesentliche Teilursache dar. Ein Kausalzusammenhang sei nicht nachvollziehbar. Die letzten Ausführungen von Fachärztin F. seien nicht überzeugend. Sie weiche von eigenen, früheren Darstellungen ab. Von Amts wegen holte das SG das psychiatrische Gutachten des Prof. Dr. E. (Universitätsklinikum F., Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 22. Juni 2006 ein. Er diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen depressiven Episoden, differentialdiagnostisch eine schizo-depressive Psychose. Es spreche mehr dagegen als dafür, dass diesbezüglich ein ursächlicher Zusammenhang mit der Gewalttat bestehe. Es seien nach der Gewalttat wahrscheinlich für fünf Jahre Albträume und vegetative Symptome aufgetreten, die als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung gewertet werden könnten und wahrscheinlich indirekte Folge der Gewalt seien. Die schädigungsbedingte MdE schätzte er ab dem 1. April 2001 auf unter 10 v. H. Es seien nur noch vereinzelte Albträume zu nennen. Die ansonsten seitdem bestehenden Störungen in Form einer rezidivierenden depressiven Störung oder einer schizo-depressiven Störung seien nicht schädigungsbedingt.
Mit Gerichtsbescheid vom 7. September 2006 verpflichtete das SG den Beklagten, bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die durch die posttraumatische Belastungsstörung bedingte MdE liege unter 10 v. H. Der Klägerin stehe daher keine Beschädigtenrente zu. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei die Klägerin als Sekundäropfer in den Schutzbereich des OEG einbezogen. Es habe ein enger Zusammenhang bestanden, da M. der damalige Lebensgefährte der Klägerin und Vater der gemeinsamen Tochter gewesen sei. Das SG stützte seine Entscheidung auf das Gutachten von Prof. Dr. E ... Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, weder eine rezidivierende Depression mit psychotischer Depression noch eine schizo-affektive Psychose werde durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht. Zudem lägen noch andere Faktoren vor, die einen ursächlichen Zusammenhang mit der Gewalttat unwahrscheinlich machten. Schon im Jahr 1983 sei eine, wenn auch reaktive, Depression diagnostiziert worden. Die erste ausgeprägte depressive und psychotische Symptomatik sei nicht als zeitlich unmittelbare Reaktion auf das Ereignis vom 5. Februar 1984 aufgetreten. Selbst bei Annahme einer neurotischen Depression, wie von Dr. M. vertreten, sei die Symptomatik nicht durch das Tötungsdelikt und das Verlusterlebnis erklärbar. Ähnlich zu gewichtende Belastungsmomente seien vorher und nachher aufgetreten und hätten ihren Niederschlag in verschiedenen Befundberichten gefunden. Dagegen ließen sich die glaubhaft geschilderten Albträume und ein Angstgefühl oder ein schwer zu beschreibendes abnormes Gefühl in der Magenregion, das zeitnah zum 5. Februar 1984 begonnen habe, als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auffassen. Da es sich dabei nur um eine leichtere psychovegetative Störung handle, lasse sich eine höhere MdE als 10 v. H., ab dem 1. April 2002 unter 10 v. H. nicht begründen.
Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 14. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 21. September 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Der Sachverständige Prof. Dr. E. habe die Frage der Ursächlichkeit nicht hinreichend geprüft. Es sei ein psychotraumatologisches Gutachten einzuholen. Die Personen, die sich zeitlich am intensivsten mit der Klägerin beschäftigt hätten - deren Psychotherapeutin sowie der im Berufungsverfahren bestellte Gutachter Prof. Dr. F. - seien ausdrücklich zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tötung des M. für den Lebensweg der Klägerin von entscheidender Bedeutung gewesen und das Krankheitsbild auf dieses Ereignis maßgeblich zurückzuführen sei.
Die Klägerin beantragt sachgerecht gefasst,
den Beklagten unter Abänderung des Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 7. September 2006 und unter Aufhebung des Bescheids vom 19. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2002 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden (psychotische Symptome) eine Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte trägt zur Erwiderung vor, das SG habe den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses zutreffend gewürdigt. Auch der Beklagte folge der Auffassung, wonach bei der Klägerin heute noch eine posttraumatische Belastungsstörung als Folge des schädigenden Ereignisses vom 5. Februar 1984 bestehe. Allerdings sei hiervon eine schädigungsunabhängige rezidivierende depressive Störung mit psychotischen depressiven Episoden und eine schizo-depressive Psychose abzugrenzen. Im Hinblick auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. F. hat der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 4. Oktober 2007 vorgelegt: Dem Gutachten von Prof. Dr. F. könne nicht gefolgt werden. Bei der Prüfung der Kausalität werde den aktenkundigen, nicht schädigungsbedingten multiplen psychosozialen Belastungen für die Verursachung der gesamten bestehenden psychischen Beeinträchtigung eine nicht nachvollziehbar geringe bis keine Bedeutung beigemessen. Das bei der Klägerin vorliegende psychiatrische Krankheitsbild könne nicht durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma verursacht sein. Zu beachten seien multi- faktorielle Modellvorstellungen zur Ätiopathogenese von depressiven Störungen, die eine genetische Prädisposition, endogene Faktoren, Persönlichkeitsfaktoren, somatische Faktoren, Entwicklungsfaktoren und reaktive Faktoren beinhalteten. Sicher abgrenzbare Folgen des schädigenden Ereignisses (vereinzelte Albträume mit Bezug zur Gewalttat, Schreckgefühl im Oberbauchbereich) bedingten eine MdE von unter 10 v. H.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat der Senat das psychologisch-psychotraumatolo¬gische Fachgutachten von Prof. Dr. F. (Trauma Transform Consult - Gutachtensstelle) vom 24. August 2007 eingeholt. Bei der Klägerin liege eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen Symptomen und chronischem Verlauf vor. Diese sei Ausdruck der bislang nicht angemessen verarbeiteten traumatischen Erfahrung der Tötung ihres damaligen Lebensgefährten. Die Gesundheitsstörung sei mit Wahrscheinlichkeit in wesentlicher Weise durch das Ereignis vom 5. Februar 1984 verursacht worden. Als ein Hinweis auf die Kausalität seien insbesondere die olfaktorischen Intrusionen in Form des Leichengeruchs zu sehen, die auch glaubhaft während der Untersuchung zu eruieren gewesen seien. Andere Ursachen hätten ausgeschlossen werden können. Auch eine psychotische Erkrankung hätte ausgeschlossen werden können. Die MdE sei für die Zeit vom 1. April 2001 bis zum 31. März 2002 mit 40 v. H. und seither mit 30 v. H. zu beziffern.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (OEG- und SchwbG-Akten) und die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Der Antrag der Klägerin war dabei sachgerecht auszulegen. Soweit die Klägerin schriftsätzlich beantragte, den Beklagten zur Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung zu verurteilen, hat sie nicht beachtet, dass das SG den Beklagten bereits verurteilt hat, eine posttraumatische Belastungsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen. Der Beklagte ist dem im Berufungsverfahren mit Schreiben vom 24. November 2006 ausdrücklich gefolgt. Der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Klägerin wird daher dahingehend sachgerecht ausgelegt, dass das gesamte bei ihr vorliegende psychiatrische Krankheitsbild - wie es von den Gutachtern im Wesentlichen übereinstimmend mit der im Antrag genannten Diagnose beschrieben wird - als Schädigungsfolge anerkannt werden soll. Ferner geht der Senat davon aus, dass die Klägerin die Gewährung einer Beschädigtenrente begehrt. Der nicht näher konkretisierte Antrag auf Gewährung von "Beschädigtenversorgung" konnte, nachdem das SG ausdrücklich auf die Frage der Höhe der MdE eingegangen ist und sich die Klägerin gegen diese Entscheidung wandte, ebenfalls entsprechend ausgelegt werden.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat unter Darstellung der rechtlichen Grundlage (§ 1 OEG) zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin als sogenanntes Sekundäropfer in den Schutzbereich des OEG einbezogen ist. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Entscheidungsgründe (Seite 5 letzter Absatz und Seite 6). Zu ergänzen ist, dass die Gewährung einer Beschädigtenrente gemäß § 30 Abs. 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 und 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine schädigungsbedingte MdE um wenigstens 25 v. H. (seit 21. Dezember 2007 nach den genannten Bestimmungen i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007, BGBl. I, S. 2904, 2909 ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von wenigstens 25) voraussetzt.
Vorsätzlicher tätlicher Angriff im Sinne des OEG ist hier die Tötung des M. durch seinen Vater.
Soweit das SG, gestützt auf die Einschätzung von Prof. Dr. E., zu der Auffassung gelangte, dass sich Albträume der Klägerin, ein Angstgefühl oder ein schwer zu beschreibendes abnormes Gefühl in der Magenregion als Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung auffassen lassen, wird die Klägerin dadurch nicht belastet. Der Senat kann daher dahingestellt lassen, ob es sich dabei - wie auch von Dr. G. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 vertreten - um tatsächlich von der im Übrigen bestehenden Erkrankung der Klägerin abgrenzbare Folgen des schädigenden Ereignisses handelt.
Im Wesentlichen leidet die Klägerin jedoch an einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden. Diese Diagnose wurde übereinstimmend von Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. gestellt. Soweit Prof. Dr. E. differenzialdiagnostisch eine schizo-depressive Psychose erwähnte, sah er zum einem diese Diagnose als die weniger wahrscheinliche an und zum anderen maß er - was zutreffend ist - dieser diagnostischen Alternative für die hier maßgebliche Zusammenhangsfrage keine Relevanz bei. Im nachfolgenden wird daher nur auf die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit psychotischen depressiven Episoden (psychotischen Symptomen) eingegangen.
Diese Erkrankung lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis vom 5. Februar 1984 zurückführen. Auch der Senat ist - wie das SG - der Überzeugung, dass eine solche Erkrankung weder durch ein einzelnes Lebensereignis oder durch ein einzelnes psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht wird. Ferner wurde bei der Klägerin schon vor dem schädigenden Ereignis im Jahr 1983 eine, wenn auch reaktive, Depression diagnostiziert. Zudem liegen bei der Klägerin neben dem tätlichen Angriff sowohl zuvor als auch danach weitere ähnlich zu gewichtende Belastungsmomente vor. Auch der Senat stützt sich auf hierfür auf die überzeugende Beurteilung durch Prof. Dr. E. und verweist auf die weitere Darstellung des SG in den Entscheidungsgründen Seite 7 bis Seite 8 erster Absatz. Zu Recht ließ sich das SG nicht von der gegenteiligen Auffassung von Dr. M. im Gutachten vom 15. März 2004 überzeugen, die die Ursächlichkeit des schädigenden Ereignisses für die gesamten danach aufgetretenen Gesundheitsstörungen allein auf den zeitlichen Zusammenhang mit der Gewalttat stützte.
Soweit die Klägerin zuletzt im Berufungsverfahren ihr Begehren auf die Einschätzungen der langjährig behandelnden Psychotherapeutin F. sowie des gehörten Sachverständigen Prof. Dr. F. gestützt hat, überzeugen deren Auffassungen den Senat nicht.
Hinsichtlich der Bewertungen durch die Psychotherapeutin F. fällt auf, dass sie die Zuordnung und Gewichtung von Fakten und Gesundheitsstörungen anfänglich anders vornahm als zuletzt. Darauf hat bereits Dr. S. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 1. April 2005 hingewiesen. Im Arztbrief vom 13. Januar 1998 führte die Psychotherapeutin F. aus, die ihr geschilderten außergewöhnlich dramatischen Lebensumstände hätten zu einer depressiven Symptomatik geführt. Aus der Verwendung des Plurals ist zu schließen, dass sie dabei nicht auf ein einzelnes Ereignis abgestellt hat. Zudem erwähnte sie eine spezifische, deutlich masochistisch akzentuierte Persönlichkeitsstruktur, die als disponierender Faktor zu werten sei. In der "Krankengeschichte und Befundbericht" vom 2. August 2000 wies die Psychotherapeutin F. auf eine fortgesetzte Reihe von schweren Belastungen in der Lebensgeschichte der Klägerin hin. Sie nannte die Belastung in der Kindheit durch den alkoholkranken Vater und schwere Körperverletzungen durch den ersten Ehemann und den gewaltsamen Tod des Ehemanns (hier muss M. gemeint sein, obwohl die Klägerin nicht mit ihm verheiratet war). Dies habe zu einer "ersten" tiefen Krise mit einer schweren Depression geführt. Nachfolgend nannte sie als weitere Belastungen aber noch den Tod der drogensüchtigen Schwägerin, die Erziehung der "verwahrlosten und schon im Säuglingsalter süchtigen Kinder", die Trennung vom zweiten Ehemann, die Drogenabhängigkeit der ältesten Tochter und eine seit Kindheit bestehende Behinderung durch die Kinderlähmung. Im Befundbericht vom 26. Februar 2002, den die Psychotherapeutin F. in der Schwerbehindertenangelegenheit für das VA erstellte, taucht die Tötung des M. nicht auf. Sie erwähnte in der Vorgeschichte schwerste Belastungen durch den gewalttätigen Ehemann (hier muss jetzt der tatsächliche Ehemann gemeint sein), von dem sie in Trennung lebe, und durch die Aufnahme der Pflegekinder. Soweit sie in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Januar 2005 das Ausmaß der Angst der Klägerin, deren somatoforme vegetative Störungen und die Depression nur durch die Traumatisierung anlässlich des schädigenden Ereignisses vom Februar 1984 als erklärbar ansah und die nachfolgenden Traumatisierungen sogar aus diesem Ereignis ableitete, kann dem der Senat nicht folgen. Die Psychotherapeutin F. misst dem schädigenden Ereignis vom Februar 1984 nunmehr eine Bedeutung bei, die so aus früheren Äußerungen nicht hervorgeht. Soweit sie sogar so weit geht, die nachfolgend von der Klägerin mitgeteilte Vergewaltigung als einen Akt der Rehabilitierung der schweren Schuldgefühle, die sie aufgrund der Tötung des M. habe, darzustellen, ist jedenfalls der Bereich dessen, was dem schädigenden Ereignis noch als Folge zugerechnet werden kann, überschritten. Maßgeblich für die weitere Krankheitsentwicklung wäre dann nicht das tätliche Ereignis an sich, sondern die spezifische Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, die die Psychotherapeutin F. im Arztbrief vom 13. Januar 1998 als deutlich masochistisch akzentuiert beschrieben hatte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Psychotherapieantrag von Dr. T. aus dem Jahr 1985. Zwar ergibt sich aus den dort enthaltenen anamnestischen Angaben durchaus der - im Übrigen nicht umstrittene - zeitliche Zusammenhang zwischen dem Auftreten einer Depression, von der Klägerin wiederum im Zusammenhang mit Schuldgefühlen vorgetragen, und dem schädigenden Ereignis. Dr. T. sah jedoch eine bislang ungelöste ambivalente Beziehungsproblematik zum Vater als bestimmend an. Er sah eine unbewusste Tendenz der Klägerin, sich nicht an "gute" Bezugspersonen zu binden, sondern gerade an solche, die mit dem Vater identifizierbar seien und Züge von Unzuverlässigkeit und Brutalität trügen. In der angestrebten Therapie sollte es aus seiner Sicht letztlich darum gehen, die selbstdestruktiven Tendenzen der Klägerin bewusst zu machen und aufzulösen. Es ging mithin nicht, was bei Zugrundelegung der (aktuellen) Auffassung der Psychotherapeutin F. und von Prof. Dr. F. nahegelegen hätte, um eine Traumaverarbeitung.
Ebenso wenig überzeugen die Ausführungen von Prof. Dr. F. zur Zusammenhangsfrage im Gutachten vom 24. August 2007. Zu Recht wendet Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 ein, in diesem - äußerst umfangreichen - Gutachten werde den aktenkundigen nicht schädigungsbedingten multiplen psychosozialen Belastungen für die Verursachung der gesamten bestehenden psychischen Beeinträchtigung eine nicht mehr nachvollziehbare geringe bis keine Bedeutung beigemessen. Diese Einschätzung wird in der Tat der schwierigen Biographie der Klägerin mit vielschichtigen psychosozialen Belastungsfaktoren nicht gerecht.
Soweit Prof. Dr. F. insbesondere die olfaktorischen Intrusionen als Hinweis auf die Kausalität des schädigenden Ereignisses für die jetzt bestehenden Gesundheitsstörungen sieht, kann dem nicht gefolgt werden. Überzeugend hat Prof. Dr. E. die rezidivierend auftretenden Geruchshalluzinationen (Körpergeruch des Lebensgefährten und Modergeruch) dem bei der Klägerin bestehenden wahnhaft-schizophrenen Syndrom zugeordnet. Zu diesem Syndrom gehören auch einzelne optische Halluzinationen (Sehen von Köpfen) und die ebenfalls dokumentierten Wahneinfälle im Hinblick auf die Überzeugung erkrankt zu sein, die als Karzinophobie bereits im Befundbericht von Dr. K. vom April 1986 dokumentiert ist. Auch der Senat geht davon aus, dass ein solches Krankheitsbild nicht durch ein einzelnes Lebensereignis oder ein psychisches Trauma irgendeiner Art verursacht werden kann. Vielmehr handelt es sich um Erkrankungen, bei denen abnorme Gehirnvorgänge postuliert werden. Hätten die von Prof. Dr. F. beschriebenen olfaktorischen Intrusionen und auch die Erinnerungen der Klägerin an den Leichnam des M., den sie im Übrigen auf eigene Initiative hin sehen wollte, die von Prof. Dr. F. zugemessene Bedeutung, wäre nicht verständlich, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber Prof. Dr. F. sich nachfolgend bereit gezeigt hatte, die verstorbene Mutter eines Freundes in der Leichenhalle zu waschen. Bemerkenswert ist auch, dass die Klägerin gegenüber Prof. Dr. F. ausführte, die Sache mit dem Geruch sei bisher nicht von ihr thematisiert worden. Dies steht im Widerspruch dazu, dass sie bereits gegenüber Dr. M. und Prof. Dr. E. den Geruch erwähnte.
Wesentliche Teile des von Prof. Dr. F. dargestellten Befunds des diagnostischen Gesprächs (Seite 55 ff.) können nicht schlüssig aus dem Gutachten hergeleitet werden.
Ein für eine posttraumatische Belastungsstörung typisches Vermeidungsverhalten wird aufgrund eines eingeschränkten Freizeitverhaltens angenommen. Dabei wird zunächst behauptet, die Klägerin beschränke ihre Freizeitaktivitäten zumeist auf Tätigkeiten, die sie alleine ausübe. Im nachfolgenden Absatz wird jedoch eingeräumt, dass sie einen Lebensgefährten hat und einer älteren Dame pflegerisch zur Seite steht. Aus den anamnestischen Angaben ergibt sich, dass die Klägerin seit drei Jahren mit diesem Lebensgefährten zusammen ist. Aus der Schilderung des Tagesablaufs geht hervor, dass die Klägerin als Nebenverdienst die bettlägerige Frau "verwöhnt". Bis zu dreimal am Tag besucht sie diese Frau, zudem hat sie angegeben, auch anderen zu helfen, z. B. ihre Nachbarin irgendwo hinzufahren. Als mögliche Betätigung hat sie sogar die Durchführung einer Sterbegleitung in Betracht gezogen. Ein Vermeidungsverhalten im Hinblick auf die Tagesgestaltung ist damit nicht schlüssig dargelegt.
Aufgrund des dargestellten Tagesablaufs konnte sich der Senat auch keine Überzeugung davon verschaffen, dass bei der Klägerin wie von Prof. Dr. F. auf Seite 63 beschrieben, ein dauerhafter ausgeprägter Erschöpfungszustand besteht.
Der Einschätzung von Prof. Dr. F., die Klägerin habe eine problematische Kindheits- und Erwachsenenentwicklung durch eine Beziehung zu ihren Großeltern kompensieren und sich nachfolgend den Auseinandersetzungen der Eltern entziehen können (Seite 67), steht entgegen, dass die Psychotherapeutin F. in der "Krankengeschichte und Befundbericht" vom 2. August 2000 die Kindheit mit dem alkoholkranken Vater als erste schwere Belastung in der Lebensgeschichte der Klägerin einordnete. Insoweit ist ergänzend auch auf den bereits erwähnten Therapieantrag von Dr. T. aus dem Jahr 1985 hinzuweisen.
Nicht nachvollziehbar ist die Darstellung der Beziehung der Klägerin zu M. Zwar wird eingeräumt, dass die Beziehung problematisch war. Jedoch wird, obwohl sogar ausgeschlagene Zähne und Hämatome, die sie aufgrund tätlicher Angriffe des M. erlitten hatte, beschrieben werden, eine "Vorschädigung" der Klägerin ausgeschlossen, da sich diese schon damals als "anpackende Persönlichkeit" dargestellt habe. Die Klägerin habe die Zeit kurz vor dem Tod des M. sogar als "eine gute Zeit" beschrieben. Dies kann nicht damit in Einklang gebracht werden, dass sich die Klägerin, weswegen sie sich letztlich sogar die Mitschuld am Tod des M. gibt, im unmittelbaren Vorfeld des Todes mit dem Vater des M. über ihre Probleme unterhalten hatte. In der bereits mehrfach genannten schriftlichen Äußerung der Psychotherapeutin F. vom 2. August 2000 werden schwere Körperverletzungen durch M. als weitere schwere Belastung dargestellt. Schließlich hatte die problematische Beziehung zu M. auch dazu geführt, dass sich die Klägerin bereits 1983 in psychiatrische Behandlung begeben hatte. Das Festhalten an der Beziehung wird daher zur Überzeugung des Senats viel treffender durch die Bewertungen der Psychotherapeutin F. in dem Arztbrief vom 13. Januar 1998 und den Ausführungen von Dr. T. im Psychotherapieantrag (siehe oben) erklärt. Überzeugend ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, den Dr. G. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 4. Oktober 2007 gibt. Danach sind für die Entstehung von Depressionen nicht nur reaktive Faktoren, sondern u.a. auch Persönlichkeitsfaktoren von Bedeutung.
In ebenfalls nicht verständlicher Weise lehnt Prof. Dr. F. eine Bedeutung der nachfolgenden Ehe der Klägerin samt ihrer problematischen Aspekte mit der Begründung, die Klägerin freue sich glaubhaft über das jetzige Familienglück ihres geschiedenen Ehemannes und habe die Trennung mittlerweile konstruktiv verarbeitet, ab. Dem steht entgegen, dass die Psychotherapeutin F. im Befundbericht vom 26. Februar 2002 eine "schwerste" Belastung durch den gewalttätigen Ehemann beschrieb. Diese hatte schließlich auch zur Aufnahme der therapeutischen Beziehung zu ihr geführt. Auch der stationäre Aufenthalt in der Werner-Schwidder-Klinik im Mai 2002 stand im Zusammenhang mit der Trennung von ihrem Ehemann. Im Entlassungsbrief vom 7. Juni 2002 wird der Tod des M. neben zahlreichen anderen Belastungen nicht an hervorgehobener Stelle erwähnt. Erwähnt werden allerdings auch große Schuldgefühle, die sich die Klägerin machte, da sie auch eine außereheliche Beziehung begonnen hatte.
Nicht überzeugend ist ferner, dass Prof. Dr. F. der von der Klägerin beschriebenen Vergewaltigung und der Drogenabhängigkeit ihrer ältesten Tochter für die weitere gesundheitliche Entwicklung der Klägerin keine Bedeutung beimisst. Prof. Dr. F. bleibt eine Erklärung schuldig, weswegen die Klägerin mit Ausnahme des schädigenden Ereignisses vom 5. Februar 1984 alle anderen belastenden Faktoren in ihrem Leben aktiv angegangen und verarbeitet haben soll. Dies ist genauso wenig schlüssig wie die Einschätzung der Psychotherapeutin F., alle weiteren Belastungsfaktoren seien auf die Schädigung zurückzuführen.
Soweit Prof. Dr. F. auf Seite 70 des Gutachtens ausführte, der berufliche Bereich zeige bei der Klägerin keine relevanten Auffälligkeiten, sie weise vielmehr mehrere Ausbildungsabschlüsse auf, ist dies nicht zutreffend. Die Klägerin weist lediglich einen Hauptschulabschluss auf. Die einzige berufliche Ausbildung zur Kinderpflegerin hat sie abgebrochen.
Gegen die Annahme eines sich aus dem schädigenden Ereignis von 1984 herleitbaren Beschwerdebilds sprechen auch die medizinischen Unterlagen, die in den beigezogenen Schwerbehindertenakten enthalten sind. Im Erstantrag vom November 1984 werden gar keine psychiatrischen Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Diese tauchen erst im Erhöhungsantrag vom März 1996 mit Hinweis auf die Behandlung durch Dr. T. auf. Den im September 1986 aufgetretenen Gedanken der Klägerin, Leistungen nach dem OEG zu beantragen, hat sie damals nicht weiter verfolgt. Den Erhöhungsantrag im August 1988 hat sie hauptsächlich wegen somatischer Beschwerden - zu erwähnen ist hier insbesondere der Zustand nach Kinderlähmung - gestellt. Dr. K. hatte im November 1988 mitgeteilt, für eine depressive Verstimmung oder soziale Anpassungsschwierigkeiten habe es keinen Anhalt gegeben. Im Arztbrief vom 26. April 1994 erwähnte Dr. K. lediglich die Behandlung wegen eines lumbalen Wurzelreizsyndroms. Erst im Befundbericht vom 21. Juli 1995 verwies er auf eine "erneute" psychische Dekompensation, nachdem die Klägerin zwei adoptierte Kinder versorgen müsse, unter Schlafstörung, einer erhöhten Reizbarkeit und unter Erschöpfungszuständen leide. Auch diese Angaben bestätigen in der Gesamtschau die Einschätzung durch Prof. Dr. E ...
Das jetzt bestehende Krankheitsbild kann mithin nicht auf das schädigende Ereignis vom 5. Februar 1984 zurückgeführt werden. Soweit das SG und im Anschluss daran zwischenzeitlich auch der Beklagte davon ausgeht, dass einzelne Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung abgegrenzt werden können, ergibt sich daraus lediglich ein GdS (bislang: MdE) um weniger als 10 v. H. Es handelt sich hierbei um gegenüber der eben beschriebenen psychiatrischen Gesundheitsstörung, die von Prof. Dr. F. in Übereinstimmung mit der Einschätzung des VA in der Schwerbehindertensache für die Zeit ab 1. April 2002 mit einer MdE (GdB) 30 v. H. bewertet wurde, untergeordnete Aspekte. Damit liegt keine Schädigung in einem rentenberechtigenden Ausmaß vor.
Die Berufung war mithin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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