L 9 R 1413/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 8583/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1413/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1944 geborene griechische Kläger arbeitete von Oktober 1968 bis Dezember 1982 versicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland. Nach seiner Rückkehr nach Griechenland war er von September 1987 bis März 2004 als Kraftfahrer tätig. Am 24. Februar 2004 erlitt der Kläger einen Schlaganfall, weswegen er bis zum 4. März 2004 in der Neurologischen Klinik des Allgemeinen Krankenhauses N.stationär behandelt wurde.

Am 19. März 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Erwerbsminderungsrente. Die griechische Gesundheitskommission stellte fest, dass der Kläger nach der Angioenzephalos-Episode im Februar 2004 an einer ständigen Hemi-Anopsie (Halbseitenblindheit mit Ausfall einer Hälfte des Gesichtsfelds) rechts leide und daher unfähig sei, den Beruf eines Kraftfahrers auszuüben. Es bestehe ein Grad der Invalidität von 67 %. Vom griechischen Versicherungsträger für Kraftfahrer erhält der Kläger eine Invaliditätsrente.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 ab, nachdem der beratende Arzt Dr. G. nach Auswertung der griechischen ärztlichen Unterlagen in der Stellungnahme vom 3. Dezember 2004 die Diagnosen einer Bluthochdruckkrankheit, einer Blutzuckerkrankheit und eines Zustandes nach ischämischem cerebralem Infarkt mit Hemianopsie rechts gestellt hatte und zum Ergebnis gelangt war, der Kläger könne zwar als Fahrer nur noch unter 6 Stunden tätig sein, sonstige leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besonderen Zeitdruck, ohne besondere Beanspruchung des Sehvermögens, ohne häufiges Bücken, Knien/Hocken, Klettern und Steigen sowie ohne Belastung durch Kälte, Hitze, Zugluft und Nässe seien ihm aber noch 6 Stunden täglich zumutbar.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2005 zurückwies.

Der Widerspruchsbescheid wurde Gegenstand der bereits am 28. Dezember 2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) anhängig gemachten Klage, die das SG durch Beschluss vom 31. März 2005 bis zum Abschluss der Widerspruchsverfahrens ausgesetzt hatte.

Mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 wies das SG die Klage ab. Mit einem Leistungsvermögen von 6 Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten sei der Kläger nicht erwerbsunfähig. Da der Kläger keinen Beruf erlernt habe und zuletzt als Kraftfahrer tätig gewesen sei, könne er auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Daher bestehe auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 8. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, die am 21. März 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Er macht unter Vorlage seines Gesundheitsbuches geltend, er leide seit seinem Schlaganfall an nachhaltigen Störungen seiner Merk- und Konzentrationsfähigkeit, an Schwindel und an verminderter Sehfähigkeit. Für den Beruf des Kraftfahrers habe er in Griechenland eine 6-monatige Ausbildung zurückgelegt und sei danach als selbstständiger Taxifahrer tätig gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. März 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat das Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 8. März 2006 und Stellungnahmen von Dr. G. vom 20. Dezember 2006 und vom 19. März 2007 vorgelegt, wonach weder das Gutachten noch die Eintragungen im Gesundheitsbuch eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Klägers belegten.

Nachdem der Kläger eine Bescheinigung des Internisten P. vom 14. Januar 2008 vorgelegt hatte, wonach u.a. eine starke Instabilität beim Gehen und Funktionsstörungen der oberen und unteren Extremitäten bestünden und der Kläger häufige Ausfallerscheinungen mit Gedächtnisverlust, Schwindel und Kopfschmerzen habe, hat der Senat das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 1. April 2008 eingeholt.

Der Sachverständige hat nach allgemeiner und neurologischer Untersuchung, nach Erhebung des psychischen Befundes und nach Durchführung von neuropsychologischen Tests beim Kläger folgende Diagnosen gestellt:

Neurologisch: Zustand nach Hirninfarkt, Pyramidenbahnzeichen und Hemihypästhesie links,

Psychiatrisch: Psychosomatische Beschwerden, angegebene Gedächtnisstörungen.

Er hat ausgeführt, wegen der Pyramidenbahnzeichen, der Hemihypästhesie links und der vom Kläger angegebenen Skotome bzw. Gesichtsfeldstörungen rechts könne der Kläger nicht mehr als Taxifahrer tätig sei. Für sonstige Arbeiten bedingten sie qualitative Einschränkungen, aber keine Minderung des zeitlichen Leistungsvermögens des Klägers. Gangstörungen lägen nicht vor. Bei der Erhebung der Anamnese und bei der Testung der kognitiven Fähigkeiten des Klägers hätten sich keine Gedächtnisstörungen und auch keine nennenswerten Störungen der Aufmerksamkeit feststellen lassen. Insoweit sei auch erwähnenswert, dass der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen aus der stationären Behandlung des Schlaganfalls mit wesentlicher Besserung entlassen worden sei. Leichte körperliche Arbeiten könne der Kläger noch 6 Stunden und mehr täglich verrichten. Nicht mehr zumutbar seien Arbeiten überwiegend im Stehen oder Gehen, mit Heben und Tragen von Lasten, mit häufigem Bücken, auf Leitern und Gerüsten sowie im Akkord, am Fließband und in Nachtschicht oder Wechselschicht.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte des SG und die Senatsakte.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig, sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Auch nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme im Berufungsverfahren hat der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2005 und der Gerichtsbescheid des SG vom 1. März 2006 sind daher nicht zu beanstanden.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die gesetzlichen Grundlagen (§§ 43, 240 SGB VI) und die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Grundsätze für die vom Kläger geltend gemachten Rentenansprüche umfassend und zutreffend dargestellt und hat unter Würdigung der in den Akten enthaltenen ärztlichen Feststellungen und Äußerungen überzeugend begründet, weshalb der Kläger nicht erwerbsgemindert im Sinne dieser gesetzlichen Vorschriften ist. Der Senat macht sich die Gründe des Gerichtsbescheids nach eigener Prüfung zu eigen und sieht daher weitgehend von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab ( § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch das vom Senat eingeholte Gutachten von Prof. Dr. K. vom 1. April 2008 das Klagebegehren nicht stützt.

Der Sachverständige konnte weder die vom Kläger angegebenen Gehstörungen noch die angegebenen Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen objektivieren. Zwar bestehen als Folgen des Hirnschlags noch nachweisbare neurologische Störungen, nämlich eine Verminderung der Sensibilität an den oberen und unteren Extremitäten links und an der unteren Extremität links positive Pyramidenbahnzeichen (Babinski und Barre). Auch sind der Zeh- und Fersengang links vom Kläger schwierig durchführbar. Diese neurologischen Störungen führen aber nach den Feststellungen von Prof. Dr. K. weder zu Störungen des normalen Gehens noch zu Stehstörungen. Die vom Kläger angegebenen Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen ließen sich insbesondere in den neuropsychologischen Tests nicht nachweisen. So erreichte der Kläger beim Mini Mental State Examination Test 28 von 30 möglichen Punkten, wobei sich keine Hinweise auf Rechen-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen ergaben. Das Gleiche gilt für den Cambridge Cognitive Examination Test. Es fanden sich keine Gedächtnisstörungen und keine nennenswerten Störungen bei intellektuellen Arbeiten und Rechenaufgaben.

Unter diesen Umständen überzeugt die Leistungsbeurteilung, die Prof. Dr. K. abgegeben hat. Der Kläger kann zwar vorrangig wegen der Gesichtsfeldstörungen nicht mehr als selbstständiger Taxifahrer tätig sein, leichte körperliche Arbeiten, die überwiegend im Sitzen und in geschlossenen und temperierten Räumen durchgeführt werden, sind dem Kläger aber noch sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hat, dass er vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit als Taxifahrer eine halbjährige Ausbildung zum Kraftfahrer in Griechenland durchlaufen hat, ändert sich auch an der Verweisbarkeit des Klägers auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nichts. Nach dem vom SG auf Seite 6/7 des angefochtenen Gerichtsbescheids dargestellten, vom BSG entwickelten Mehrstufenschema zählt eine Tätigkeit mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von 6 Monaten zu den Tätigkeiten, die von Angelernten des unteren Bereichs (regelmäßige Ausbildungs- oder Anlernzeit von mehr als 3 Monaten bis zu 12 Monaten) verrichtet werden. Die Angelernten des unteren Bereichs können aber auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Nach alledem musste die Berufung des Klägers zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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