L 1 KR 107/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 114/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 107/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren von den Beklagten jeweils eine unbegrenzte Kostenübernahme für Behandlungsversuche mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI).

Die Klägerin zu 1) (Klägerin) ist freiwillig Versicherte bei der Beklagten zu 1). Der Kläger zu 2) (Kläger) ist freiwillig bei der Beklagten zu 2) krankenversichert.

Die 1971 geborene Klägerin beantragte im Dezember 2004 die Übernahme der Kosten für eine durchzuführende ICSI. Die Beklagte zu 1) teilte ihr mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 mit, dass sie sich mit 50 % der Kosten der erforderlichen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung beteiligen werde. Die Abrechnung könne direkt über die Versichertenkarte erfolgen. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein und begehrte die Kostenübernahme in Höhe von 100 % für eine unbestimmte Anzahl von Zyklen. Die gesetzliche Regelung des § 27 a Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) sei willkürlich und verletze Grundrechte. Die begehrte Spermainjektion stelle im vorliegenden Fall die einzige Möglichkeit dar, ihren Kinderwunsch zu realisieren. Dies ergebe sich aus mehrfachen Spermienbefunden ihres Ehemannes. Kinderlosigkeit gelte als Krankheit. Mit der In-vitro-Fertilisation sei eine Maßnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden, die derzeit in ca. 20 bis 30 % der Versuche zur Geburt eines Kindes führe. Mit der Änderung des § 27 a SGB V durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) werde eine willkürliche Kürzung und Beschränkung der Leistungen bei der ICSI-Behandlung vorgenommen. Die Wahrscheinlichkeit des Erfolges werde von vornherein beschränkt. In der Regel trete der Erfolg nämlich erst nach den ursprünglich geförderten vier Zyklen ein, nunmehr seien es nur noch drei Zyklen. Die jetzige Regelung des § 27 a SGB V - Beschränkung der Kostenerstattung von 50 % für drei ICSI-Maßnahmen - stelle eine Ungleichbehandlung und damit eine Verletzung des Art. 3 Grundgesetz (GG) dar.

Die Beklagte zu 1) wies den Widerspruch mit Bescheid vom 4. Mai 2005 als unbegründet zurück.

Die Beklagte zu 2) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 4. Januar 2005 ebenfalls die Kosten für eine künstliche Befruchtung für drei Versuche in Höhe von 50 %. Auch er legte Widerspruch ein und beantragte die Kostenübernahme zu 100 % für eine unbestimmte Anzahl von Versuchen. Die Beklagte zu 2) wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2005 zurück.

Mit ihren am 7. Juni 2005 bzw. am 13. Juni 2005 beim Sozialgericht Potsdam (SG) eingegangenen Klagen verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. § 27 a SGB V sei verfassungswidrig. Die neue Regelung sei unter Berücksichtigung des ständigen Geburtenrückgangs in Deutschland nicht nachvollziehbar. Ungewollte Kinderlosigkeit sei eine Krankheit, so dass die Behandlungsmaßnahmen von den Krankenkassen übernommen werden müssten. Es verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, dass die Zeugung eines Kindes mittels künstlicher Befruchtung eine Luxusdienstleistung sei. Ehepaare mit Kinderwunsch würden doppelt abgestraft, nachdem seit 1. Januar 2005 auch höhere Beiträge zur Pflegeversicherung geleistet werden müssten. Sie würden auch gegenüber anderen Patientengruppen diskriminiert, weil die ansonsten geltende Belastungsgrenze von 2 % des Jahreseinkommens unberücksichtigt bleibe. Ihre Beschränkung auf die 50-%ige generelle Zuzahlung führe nicht einmal zu einer Kostenersparnis bei den gesetzlichen Krankenkassen, weil immer mehr Patientinnen angesichts der hohen Kosten darauf beständen, immer gleich die maximale Anzahl an Embryonen transferiert zu erhalten. Die Folge seien höhere Geburtskosten durch Mehrlingsgeburten.

Das SG hat die beiden Klagen mit Beschluss vom 2. November 2005 verbunden. Es hat die Klage mit Urteil vom 19. September 2006 abgewiesen. Den Klägern stehe kein Anspruch auf Übernahme der gesamten Kosten einer künstlichen Befruchtung und kein Anspruch auf eine unbegrenzte Anzahl von Versuchen zu. Zwar lägen bei beiden Klägern die Anspruchsvoraussetzungen für eine künstliche Befruchtung gemäß § 27 a Abs. 1 SGB V vor, wie sich bereits aus den angefochtenen Bewilligungsbescheiden ergebe. Jedoch entspräche die Kostenübernahme in Höhe von 50 % für drei Versuche der zwingenden Regel des § 27 a Abs. 1 Ziffer 2, Abs. 3 Satz 3 SGB V in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung. Diese Begrenzungen seien nicht verfassungswidrig. Insbesondere verstoße die Beschränkung weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Hiergegen richten sich die Berufungen der Kläger. Sie vertiefen zur Begründung ihr Vorbringen, § 27 a SGB V sei verfassungswidrig. Ergänzend tragen sie vor, es dürfe nicht sein, dass sich gemäß § 27 a SGB V eine Kostenübernahme abstrakt auf drei Behandlungsversuche beschränke. Vielmehr müsse Grundlage der Kostenerstattung die individuelle Erfolgswahrscheinlichkeit sein.

Mittlerweile ist der zweite ICSI-Versuch ergebnislos durchgeführt worden. Auch ist die Klägerin wegen einer festgestellten Endometriose stationär behandelt worden.

Die Kläger beantragen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 19. September 2006 aufzuheben, 2. den Bescheid vom 22. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 2005 der Beklagten zu 1) aufzuheben, 3. den Bescheid vom 4. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2005 der Beklagten zu 2) aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen,

1. den Klägern die Leistungen der Krankenbehandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mit einer Kostenübernahme zu 100 % zu gewähren, 2. den Klägern die Leistungen der Krankenbehandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, die bereits als Eigenanteil erbracht worden sind, zu erstatten, 3. den Klägern die Leistungen der Krankenbehandlung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auch dann zu gewähren, wenn nach ärztlicher Feststellung eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch die medizinischen Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt werden kann, wenn die Maßnahmen drei Mal ohne Erfolg durchgeführt worden sind.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind unbegründet. Das SG hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Auf Vermeidung bloßer Wiederholung verweist der Senat zunächst auf die zutreffende Begründung im angefochtenen Urteil, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Wie mittlerweile das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden hat, ist § 27 a SGB V nicht verfassungswidrig, soweit Leistungen nur an Eheleute erbracht werden und nicht an sonstige Paare (U. v. 28.02.2007 -1 BvL 5/03- BVerfGE 117, 316). Diese sachliche Ungleichbehandlung sei möglich, weil es per Gesetz nicht um Maßnahmen der Beseitigung einer Krankheit gehe. Dieses der Regelung des § 27a SGB V zugrunde liegende gesetzgeberische Konzept sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Rn. 34 ff). Art. 6 Abs. 1 GG sei nicht berührt, weil diesem Grundrecht - auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werde könne, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern (a.a.O. Rn. 40).

Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 24.5.2007 (B 1 KR 10/06 R SozR 4 - 2500 § 27a Nr. 4) - die Vorschrift für verfassungsmäßig erachtet, soweit auch bei Eheleuten nur bis zur Vollendung des 50. Lebensjahres des Mannes geleistet werde.

Zu den Argumenten der Kläger - unter anderem, die Beschränkung auf eine 50-prozentige Kostenbeteiligung sei eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Versicherungsfällen - hat das BSG ferner im Urteil vom 19.9.2007 (B 1 KR 6/07 R) folgendes ausgeführt:

" a) Der von den Klägern behauptete Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip liegt nicht vor. 11 Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (ständige Rechtsprechung vgl. z. B. BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 m.w.N.; BVerfG, Urteil vom 28.2.2007 - 1 BvL 5/03 - S 15, NJW 2007, 1343 f). 12 aa) Die Kläger sehen eine Diskriminierung zunächst darin, dass Ehepaare, die ihren Kinderwunsch auf natürlichem Wege nicht erfüllen können, 50 vH der Behandlungskosten selbst zahlen müssen, während Versicherte, die an "anderen Krankheiten leiden", eine 50-prozentige Kostenbeteiligung nicht zu tragen haben ("quantitative Ungleichbehandlung" gegenüber anderen Versicherungsfällen). Sie sind der Meinung, auch bei Ehepaaren, die auf natürlichem Wege keine Kinder zeugen könnten, liege der Versicherungsfall "Krankheit" vor. Die Unfruchtbarkeit des Ehepaares stelle einen "regelwidrigen körperlichen Zustand" dar, der die Notwendigkeit einer Heilbehandlung betroffener Versicherter zur Folge habe. Dem ist nicht zu folgen. 13 Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 28.2.2007 (1 BvL 5/03, Juris RdNr 34, 35, NJW 2007, 1343) übereinstimmend mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (vgl BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24) entschieden, dass durch § 27 a SGB V ein eigenständiger Versicherungsfall geschaffen worden ist. Die in § 27 a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen dienen nicht der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 Abs 1 Nr 4 und § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V. Der Gesetzgeber hat medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KOVAnpG 1990, BT-Drucks 11/6760, S 14 zu Nr 2 (§ 27a SGB V)). 14 Sind zur Herbeiführung einer Schwangerschaft vor der Befruchtung dagegen beispielsweise chirurgische Eingriffe, die Verordnung von Medikamenten oder eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich, können diese als Krankenbehandlung zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit angesehen werden (vgl. BT-Drucks, aaO). Solche Maßnahmen haben Vorrang vor einer medizinischen Maßnahme nach § 27a SGB V (vgl BT-Drucks, aaO, S 14 f). Nur insoweit wäre es zulässig, zur Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG die Gruppe der zur Herbeiführung einer Schwangerschaft behandlungsbedürftigen Versicherten mit sonstigen kranken Versicherten zu vergleichen. Ein solcher Fall liegt bei der hier bestehenden idiopatischen Sterilität der Kläger indessen nicht vor. 15 Der erkennende Senat sieht keine Verletzung des GG darin, dass der Gesetzgeber bei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung seit Inkrafttreten des GMG - anders als bei den "Kern"- Leistungen wegen Krankheit - eine Eigenbeteiligung der Versicherten in Höhe von 50 v.H. vorsieht. Der Schutz des Einzelnen in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des GG eine Grundaufgabe des Staates, welcher der Gesetzgeber durch Einführung der GKV als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt hat (vgl. BVerfGE 68, 193, 209). In diesem durch Zwangsbeiträge finanzierten System der GKV ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die GKV den Versicherten Leistungen nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht (gänzlich) der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Gestaltung dieses Leistungskatalogs liegt im Ermessen des Gesetzgebers, ohne dass aus den Grundrechten regelmäßig ein verfassungsrechtlicher Anspruch Versicherter gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen folgt (vgl. bereits BSGE 94, 302 = SozR 4-2500 § 34 Nr 2 RdNr. 25 m.w.N.). Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der GKV an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Hieraus hat das BVerfG bisher jedoch nur für Fälle regelmäßig tödlich verlaufender Krankheiten den Schluss gezogen, dass die Grundrechte in diesen besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr. 33 f m.w.N.). Jenseits der Regelung der Kernleistungen der GKV überschreitet der Gesetzgeber sein Gestaltungsermessen nicht, wenn er im Hinblick auf die begrenzten finanziellen Mittel und zur Sicherung einer "Vollversicherung" bei Fällen schwerer Krankheiten Leistungsansprüche in weniger dringlichen Fällen beschränkt oder gar nicht erst vorsieht. Sind aber schon Leistungsbegrenzungen in Fällen der Krankenbehandlung möglich, gilt das erst recht bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung generell und speziell bei idiopatischer Sterilität, die nicht einmal der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden, sondern vom Gesetz mit einer Eigenbeteiligung der Versicherten kombiniert sind. 16 bb) Die Kläger sehen eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung weiter sinngemäß darin, dass innerhalb der Gruppe derjenigen Versicherten, die der Maßnahmen nach § 27 a SGB V bedürfen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Versicherten nicht berücksichtigt wird. Die Härtefallregelung des § 62 SGB V komme bei Versicherten mit geringen Einnahmen nicht zum Zuge, obgleich die Eigenbeteiligung bei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung erheblich sei (ca 4.500 Euro). Leistungen zur künstlichen Befruchtung stünden damit (faktisch) nur einkommensstärkeren Versicherten zur Verfügung. 17 Unbeschadet des Umstandes, dass das LSG keine Feststellungen zu den finanziellen Verhältnissen der Kläger getroffen hat, sieht der Senat auch hierin keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Regelung des § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V differenziert nicht zwischen wirtschaftlich starken Versicherten, die sich den Eigenanteil "leisten können", und solchen Versicherten, die sich den Eigenanteil "nicht leisten" können. Beide Versichertengruppen erhalten Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nur mit der Maßgabe einer Eigenbeteiligung von 50 v. H. der Gesamtkosten. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG läge angesichts dieser Gleichbehandlung der genannten Vergleichsgruppen nur vor, wenn der allgemeine Gleichheitssatz zugunsten der Kläger eine Differenzierung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gebieten würde. 18 Eine derartige Differenzierung ist indessen nicht verfassungsrechtlich geboten. Der Leistungskatalog der GKV darf nach der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr. 27 m.w.N.) auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; BVerfGE 70, 1, 26, 30 = SozR 2200 § 376 d Nr 1). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl. BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4). Im Zusammenhang damit hat das BVerfG bereits entschieden, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich erlaubt ist, den Versicherten über den Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in der Form von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen zu beteiligen, jedenfalls, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann (vgl. BVerfGE 70, 1, 30 = SozR 2200 § 376 d Nr. 1; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 7.3.1994, NJW 1994, 3007). Anders als bei den Zuzahlungen, die sich sogar auf Kernleistungen erstrecken können und teilweise akzessorische Nebenleistungen der Krankenbehandlung (§ 60 SGB V: Fahrkosten) betreffen, und anders also bei der Begrenzung der Ansprüche auf Zahnersatz auf Festzuschüsse (§§ 55 ff. SGB V i. d. F. des GMG), geht es bei den Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung - wie oben dargelegt - aber nur um weniger kernbereichsnahe, nur vom Gesetzgeber partiell der Krankenbehandlung gleichgestellte Leistungen. Kann der Gesetzgeber aber solche Leistungen ganz der Eigenvorsorge zuordnen und handelt es sich zugleich um kernbereichsfernere Leistungen als die von Zuzahlungen erfassten, steht das Gebot der Gleichbehandlung einer Leistungsbegrenzung auf 50 v H. der Kosten nicht entgegen. 19 b) Die Kläger sind weiter der Ansicht, § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V verstoße gegen "den dem Sozialstaatsgebot und Rechtsstaatsgebot im Zusammenhang mit Sinn und Zweck des Krankenversicherungssystems verfassungsrechtlich inhärenten Gedanken der Sicherung eines Leistungsniveaus oberhalb des durch staatliches Gnaden- und Armenrecht definierten Existenzminimums einer zeitgerechten Sicherung der Jedermannsrisiken aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG". 20 Der erkennende Senat vermag den genannten Grundrechten ein verfassungsrechtliches Gebot zur Finanzierung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in diesem Sinne nicht zu entnehmen. Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 ff. = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 27 m.w.N.) entschieden hat, sind die Krankenkassen nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt vielmehr regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter Leistungen und insbesondere nicht spezieller Leistungen der künstlichen Befruchtung. Nur in "besonders gelagerten Fällen" kann es die Verfassung gebieten, die Vorschriften des SGB V verfassungskonform auszulegen, so dass die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichtet sind (vgl. oben 1.). 21 Um solche notstandsähnliche Ausnahmesituationen oder sonstige "besonders gelagerten Fälle" geht es vorliegend dagegen nicht. Die Fälle ungewollter Unfruchtbarkeit eines Ehepaares können auch nicht mit jenen menschlichen Grenzsituationen gleichgestellt werden, in denen Versicherte an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit leiden. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Versicherten bei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung eine Eigenbeteiligung abzuverlangen, um die nur in begrenztem Maße zur Verfügung stehenden Mittel in Fällen der Behandlung von Krankheiten im Sine einer "Vollversorgung" einzusetzen, sieht der erkennende Senat als erforderliche, geeignete und auch im engeren Sinne verhältnismäßige Regelung an. Auf welchem Niveau die von den Klägern so bezeichnete Sicherung der "Jedermannsrisiken" erfolgt und was zeitgerecht ist, liegt bei Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers. 22 c) Die Kläger meinen schließlich, § 27 a Abs. 3 Satz 3 SGB V verstoße gegen das Recht auf Nachkommenschaft gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG. 23 Inwieweit das GG das Recht von Ehepaaren auf Fortpflanzung im Einzelnen schützt, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist Art. 2 i.V.m. Art. 6 GG nicht zu entnehmen, dass Versicherten seitens des Gesetzgebers ein subjektiv-öffentliches Recht gegen ihre Krankenkasse auf die umfassende Finanzierung von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung eingeräumt werden muss. Art. 6 Abs. 1 GG ist nicht berührt, weil ihm - auch in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden kann, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der GKV zu fördern. Eine derartige Förderung liegt vielmehr in seinem Ermessen (BVerfG, NJW 2007, 1343, Juris RdNr. 40; BSG, Urteil vom 24.5.2007 - B 1 KR 10/06 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; aA Sodan, Künstliche Befruchtung und gesetzliche Krankenversicherung, 2006, S 66 ff)."

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen von BVerfG und BSG als überzeugend an.

Die Kläger können sich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zuletzt auch nicht auf den Umstand stützen, dass gemäß § 24 b Abs. 1 Satz 2 SGB V ein Leistungsanspruch bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch besteht, wenn dieser in einer Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vorgenommen wird. Es handelt sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte, die der Gesetzgeber nicht gleich regeln muss. Ein rechtmäßiger (nicht rechtswidriger) Schwangerschaftsabbruch liegt nach § 218 a Abs. 2 Strafgesetzbuch nur vor, wenn der Abbruch unter Berücksichtigung der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren nach ärztlicher Erkenntnis angezeigt ist, um einer Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und die Gefahr nicht auf eine andere für sie zumutbare Weise abgewendet werden kann. Eine gleichsetzbare Konfliktlage besteht bei unerfülltem Kinderwunsch nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind - wie dargestellt- bereits geklärt.
Rechtskraft
Aus
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