Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 V 2/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 V 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 7/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2006 insoweit abgeändert, als die Folgen einer Schädigung im Sinne des BVG wie folgt festzustellen sind: 1. Leichte Innenohrschwerhörigkeit rechts; 2. Belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand, Muskelbeschwerden im Schulter-Nacken-Bereich rechts; 3. Deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beuge defizit bei Zustand nach Interpositions plastik nach Gelenkzerstörung unter kom pletter Aufhebug der Unterarmumwendefähig keit in Neutralstellung und Behinderung der Handfunktion mit hochgradiger Vermin derung der groben Kraft und Einschränkung des Präzisionsgriffs bei Lähmung des Ober flächenastes des Speichennerven, Funkti onseinbuße des rechten Handgelenks; 4. Narbenbildung am rechten Bein mit geringer Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk, Peronäuslähmung rechts, Läsion des Nervus saphenus und seines Ramus in frapatellaris rechts mit entsprechenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Schmerzen, Irritatation des Nervus ulnaris rechts im Ellenbogenbereich, Irritation der Nervenwurzel C7 rechts; 5. Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern; zu Nr.1 bis 5 hervorgerufen.
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1924 geborene Kläger ist Schwerbeschädigter im Sinne von § 31 Abs.3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Er begehrt unter präzisierender und erweiterter Feststellung von Schädigungsfolgen die Bewilligung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H. mit Wirkung ab 01.01.1994 und von 90 v.H. ab März 2007.
In Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.04.1985 hat der Beklagte mit Bescheid des Versorgungsamtes L. vom 18.06.1985 unter Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen Rente nach einer MdE um 70 v.H. gemäß § 30 Abs.1 BVG gewährt. Als Folge einer Schädigung i.S.d. BVG wurden anerkannt:
1. Leichte Innenohrschwerhörigkeit rechts.
2. Belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand.
3. Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk bei Wackelgelenk und nachfolgender verbildender Entzündung.
4. Narbenbildung am rechten Bein mit geringer Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk; Peronäuslähmung rechts, Funktionseinbuße des rechten Handgelenks, Gefühlsstörung im Ausbreitungsgebiet des rechten Mittelhandnervens und Muskel beschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts.
Der Kläger ist mittlerweile Verwaltungsdirektor a.D ... Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG hat nicht vorgelegen.
Der Kläger hat mit Neufeststellungsantrag vom 19.11.1994 beantragt, das Vorliegen von drei Granat-Stecksplittern in der rechten Kniekehle als weitere Schädigungsfolge aufzunehmen. Dem ist der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 nachgekommen und hat in Ziffer 5 als weitere Schädigungsfolge "Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern" festgestellt. Die MdE ist unverändert mit 70 v.H. bewertet worden.
Im Widerspruchsverfahren hat Medizinaloberrat K. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 21.12.1998 ausgeführt, dass die Stecksplitter reizlos eingeheilt seien und zum jetzigen Zeitpunkt keine Funktionseinbuße bedingen würden. Eine Erhöhung der Gesamt-MdE resultiere hieraus nicht. Dementsprechend ist der Widerspruch vom 25.11.1998 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 27.01.1999 zurückgewiesen worden. Auch in Berücksichtigung des vorgetragenen Dauerschmerzes in der rechten Kniegegend sei es nicht gerechtfertigt, die MdE von 70 v.H. auf 80 v.H. anzuheben.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Landshut nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Nachricht vom 09.03.2005 darauf aufmerksam gemacht, dass das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht zu prüfen sei, da die anhängige Streitsache nur das Versorgungsrecht und nicht auch das Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) betreffe. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.K. (Chefarzt der Orthopädischen Fachklinik S.) hat mit orthopädischem Fachgutachten vom 19.04.2005 darauf hingewiesen, dass die Verletzungsfolgen im Bereich des rechten Ellenbogens wie folgt umformuliert werden sollten: "Deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit bei Zustand nach Interpositionsplastik nach Gelenkzerstörung unter kompletter Aufhebung der Unterarmumwendefähigkeit in Neutralstellung und Behinderung der Handfunktion mit hochgradiger Verminderung der groben Kraft und Einschränkung des Präzisionsgriffs bei Lähmung des Oberflächenastes des Speichennerven." Die schädigungsbedingte Gesamt-MdE unter Einbeziehung der bereits anerkannten MdE sei ab 01.01.1994 jedoch unverändert mit 70 v.H. einzustufen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 03.06.2005 darauf hingewiesen, dass seine Schmerzen am Schienbein und der Kniesscheibe von Woche zu Woche stärker würden. Die Nervenschmerzen seien zeitweise kaum noch zu ertragen. Er stelle daher den Antrag, einen Nervenfacharzt mit der Begutachtung dieses Zustandes zu beauftragen. Dementsprechend hat das Sozialgericht Landshut mit Beweisanordnung vom 27.07.2005 gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Dr.H. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese hat mit neurologischem Gutachten vom 23.01.2006 in Berücksichtigung der erheblichen Schmerzsymptomatik eine Anhebung der MdE auf 80 v.H. ab 01.01.1994 befürwortet. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18.02.2006 beantragt, unter ergänzender bzw. präzisierender Feststellung von Schädigungsfolgen (Läsion und Irritation mehrerer Nerven) die MdE mit Wirkung ab 01.01.1994 auf 80 v.H. festzusetzen.
Dem ist der Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2006 entgegengetreten und hat sich hierbei auf die nervenärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 05.05.2006 bzw. auf die chirurgische Stellungnahme von Dr.H. vom 10.05.2006 berufen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom habe in der Regel Auswirkungen auf die Aktivitäten. Da sich Schmerzen nicht messen lassen würden, würden zur Beurteilung Informationen über Aktivitäten und Medikamente herangezogen. Der Kläger beschäftige sich hobbymäßig gerne mit Kochen und besuche Kurse an der Volkshochschule. Außerdem sei zu eruieren, in welchem Umfang der Kläger noch selbständig Auto fahre oder ob es durch die Schmerzsymptomatik zu Einschränkungen gekommen sei.
Chefarzt Dr.F. und Oberarzt Dr.S. haben mit Badekur-Abschlussbericht vom 05.09.2005 darauf aufmerksam gemacht, dass sich gegen Ende der Behandlung eine deutliche Linderug der diffusen Schmerzsymptomatik samt Entspannung der Rückenmuskulatur und Besserung der HWS-/LWS-Beweglichkeit eingestellt habe, des Weiteren auch eine deutliche Besserung der Beschwerden im rechten Hüftgelenk und im rechten Bein sowie im rechten Arm, somit auch eine Besserung der allgemeinen Mobilität.
Dementsprechend hat das Sozialgericht Landshut den Beklagten mit Urteil vom 08.08.2006 - S 9 V 2/99 - verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 die Schädigungsfolgen wie auf S.13 des Gutachtens von Dr.K. vom 19.04.2005 und auf S.29 des Gutachtens von Dr.H. vom 23.01.2006 zu bezeichnen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Mit Ausführungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 hat der Beklagte bei gleichbleibender MdE von 70 v.H. die Schädigungsfolgen im Sinne des BVG wie folgt anerkannt:
1. Leichte Innenohrschwerhörigkeit rechts;
2. Belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand;
3. Deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit bei Zustand nach Interpositionspla stik nach Gelenkzerstörung unter kompletter Aufhebung der Unterarmumwendefähigkeit in Neutralstellung und Behinderung der Handfunktion mit hochgradiger Verminderung der groben Kraft und Einschränkung des Präzisionsgriffs bei Lähmung des Oberflächenastes des Speichennerven;
4. Narbenbildung am rechten Bein mit geringer Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk, Peronäuslähmung rechts, Funktionseinbuße des rechten Handgelenks, Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entspre chenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Schmer zen, Irritation des Nervus ulnaris rechts im Ellenbogenbe reich, Irritation der Nervenwurzel C7 rechts.
5. Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern; zu Nr.1 bis 5 hervorgehoben.
Mit hiergegen gerichtetem Widerspruch vom 27.10.2006 rügte der Kläger, dass die bei ihm bestehenden Folgeschäden "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" nicht mehr aufgeführt worden seien. Zwischenzeitlich ging die Berufung vom 20.09.2006 am 22.09.2006 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein. Hinsichtlich der festzustellenden Schädigungsfolgen werden insgesamt vier Problemkreise vorgetragen und eingehend herausgearbeitet:
- "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich" seien nicht mehr aufgeführt.
- Die "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" gehöre syste matisch zu Ziffer 3 der festzustellenden Schädigungsfolgen.
- Eine "Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte bei vorliegen der Iliosakralgelenke-Symptomatik" sei als weitere Schädi gungsfolge anzuerkennen.
- "Die "Läsion des Servus saphenus" samt "Irritationen der Nervenwurzel C7 rechts" seien ebenfalls festzustellen.
Insgesamt betrage die Gesamt-MdE ab 01.01.1994 nicht 70 v.H., sondern 80 v.H. Entsprechendes ist von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 28.10.2006 nochmals präzisiert worden.
Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Gerichtsakten beigezogen, zudem Röntgenaufnahmen der Orthopädischen Fachklinik S ...
Der Kläger machte darauf aufmerksam, dass für den 08.03.2007 eine zementfreie Hüft-TEP rechts im Klinikum D. vorgesehen sei, die in Zusammenhang mit seinen multiplen Granatsplitterverletzungen stehe. Dementsprechend stellte der nach § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestellte Sachverständige Dr.P. die vorgesehene Untersuchung des Klägers bis zum 16.05.2007 zurück. Dr.P. hat mit orthopädischem Fachgutachten vom 12.08.2007 das Vorliegen einer MdE von unverändert 70 v.H. seit 01.01.1994 bestätigt.
Mit zwei Schriftsätzen vom 17.10.2007 regte der Kläger an, Dr.H. und Dr.W. nochmals zu hören bzw. zu befragen. Die "Muskelschmerzen im Nackenbereich rechts" seien zu Unrecht aus dem Katalog der Schädigungsfolgen entfernt worden. Die Funktionseinbuße des rechten Handgelenkes sei unterbewertet worden. Die TEP-Implantation rechts sowie die Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Iliosakralgelenkes seien schädigungsbedingt. Die MdE betrage nunmehr 90 v.H.
Ergänzend wies der Kläger mit Schreiben vom 25.10.2007 darauf hin, dass er infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sei. Dies sei bereits von dem Bürgermeisteramt der Stadt C. anerkannt worden. Auf die Stellungnahme von Dr.W. (Medizinisches Versorgungszentrum D.) vom 18.10.2007 werde ausdrücklich hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2008 stellt der Kläger die Anträge aus dem Berufungsschriftsatz vom 20.09.2006 und beantragt zusätzlich, die Schädigungsfolge "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" sowie die schädigungsbedingte "TEP-rechts" als Schädigungsfolge aufzunehmen und die MdE auf nunmehr 90 v.H. mit Wirkung ab März 2007 anzuheben.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2006 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Das Sozialgericht Landshut hat mit Urteil vom 08.08.2006 grundsätzlich zutreffend den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 die Schädigungsfolgen wie auf Seite 13 des Gutachtens von Dr.K. vom 19.04.2005 und auf Seite 29 des Gutachtens von Dr.H. vom 23.01.2006 zu bezeichnen. Allerdings sollte ein Tenor aus Gründen der Klarheit und Nachvollziehbarkeit aus sich heraus verständlich sein; deshalb sollte auf Verweisungen im Rahmen eines Tenors verzichtet werden. Der Senat hat daher das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Landshut insoweit abgeändert, als die anzuerkennenden Schädigungsfolgen ausdrücklich in den Tenor aufgenommen wurden.
Die vom Sozialgericht vorgenommene Verweisungstechnik hat insoweit zu Missverständnissen geführt, als die zuletzt mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 nochmals festgestellte Schädigungsfolge "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" nicht mehr aufgeführt worden ist. Systematisch bietet es sich an, diese Schädigungsfolge in Ziffer 2 nach "belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand" aufzunehmen, da es sich um Schädigungsfolgen im Bereich des Oberkörpers handelt.
Andererseits hat der Kläger übersehen, dass mit dem Ausführungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 in Ziffer 4 auch die "Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entsprechenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Schmerzen, Irritation des Nervus ulnaris rechts im Ellenbogenbereich, Irritation der Nervenwurzel C7 rechts" aufgeführt worden ist. Insoweit fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Weiterhin hat der Beklagte die bestehende "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" unglücklich in Ziffer 4 des Ausführungs-Bescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 aufgenommen. Der Kläger hat mit Berufungsbegründung vom 20.09.2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Schädigungsfolge "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" systematisch in Ziffer 3 der Schädigungsfolgen zu berücksichtigen ist.
Im Bereich der rechten oberen Extremität besteht schädigungsbedingt eine deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit. Die grobe Kraft des rechten Armes ist behindert. Die Funktionseinbuße des rechten Handgelenks wird durch eine leichte Irritation des Nervus ulnaris im rechten Ellenbogen und eine Irritation der Nervenwurzel C7 rechts überlagert. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 insoweit eine Einzel-MdE von 40 v.H. bestätigt hat, ist dies auch für den erkennenden Senat schlüssig und überzeugend. Denn eine Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk stärkeren Grades wird entsprechend Rdz.26.18 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996, 2004 und 2005" mit einer Einzel-MdE um 20 bis 30 v.H. bewertet. Gleiches gilt für eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks stärkeren Grades. Die zusammenfassende Bewertung mit einer Einzel-MdE um 40 v.H. für die im Bereich der rechten oberen Extremität bestehenden Schädigungsfolgen ist daher nicht zu beanstanden.
Weiterhin hat Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 bestätigt, dass die im Bereich des rechten Beines bestehenden Schädigungsfolgen "Narbenbildung am rechten Bein, geringe Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk, Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern, Peronäuslähmung rechts, Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entsprechenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Beschwerden" eine Einzel-MdE um 30 v.H. bedingt. Auch dies ist schlüssig und überzeugend. Denn nach Rdz.26.18 der "Anhaltspunkte" wird der vollständige Ausfall des Nervus peronäus communis oder profundus ebenfalls mit einer Einzel-MdE um 30 v.H. berücksichtigt. Die endgradige, nicht belangvolle funktionsbehindernde Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenkes mit Zeichen einer Reizung des innenseitigen Gelenkspaltes und des pes anserinus wirkt sich nicht MdE-erhöhend aus.
In den angefertigten Aufnahmen der beiden Kniegelenke hat sich rechts und links eine seitengleiche Abnützung der innenseitigen und retropatellaren Gelenkfläche gezeigt. Eine relevante radiologische Änderung im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung des Abnützungsgrades ist im Vergleich am rechten Knie nicht eingetreten. Somit sind die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen und -störungen im Bereich beider Kniegelenke schädigungsunabhängig bzw. degenerativ schicksalshaft.
Entgegen den Ausführungen des Orthopäden Dr.W. ist die Implantation einer zementfreien Hüft-TEP rechts vom 08.03.2007 nicht schädigungsbedingt. Insoweit hat Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 bestätigt, dass in Berücksichtigung der bekannten Literatur über die Ursachen einer Hüftarthrose sich bis jetzt keine validierten Untersuchungen zwischen gestörtem Fußabrollen durch eine Peronäusparese und vermehrte Coxarthrosenbildung finden. Vielmehr ist die Ursache der Coxarthrosen multifaktoriell (genetisch, altersbedingt, präarthrotische Deformitäten). Dies ist aus der Sicht des erkennenden Senats zu bestätigen. Denn in Rdz.136 der "Anhaltspunkte" ist zur Problematik von Schädigungsfolgen im Bereich eines Hüftgelenkes ausgeführt, dass häufige Ursache von Hüftbeschwerden und Arthrosen, Dysplasien, Hüftkopflösungen, usw. (sogenannte Präarthrosen) seien, die sich unabhängig von äußeren Einflüssen entwickelten. In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei dem Kläger aktenkundig eine Coxarthrose bds. besteht. Auch dies belegt das schicksalshafte Entstehen der Coxarthrose rechts. Die Implantation einer zementfreien Hüft-TEP rechts ist somit den erlittenen Schädigungsfolgen nicht ursächlich anzulasten. Die diesbezüglichen Ausführungen von Dr.P. auf Seite 24 mögen zwar stilistisch unglücklich sein. Er hat jedoch ausdrücklich die Wendung "unabhängig" gebraucht. Somit ist auch aus gutachterlicher Sicht keine Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang gegeben. Unter Berücksichtigung der Begründung des Gutachters Dr.P. (Seite 22-24 des Gutachtens) besteht für den Senat nicht der geringste Zweifel daran, dass nach Auffassung des Gutachters die zementfreie Hüft-TEP rechts wegen Coxarthrose nicht als Kriegsbeschädigung anzuerkennen ist.
Im Rahmen der Untersuchung bei Dr.P. haben sich am Untersuchungstag keine seitendifferenten Funktionsstörungen des Iliosakralgelenkes gefunden. Die vom Kläger beschriebene "Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte bei vorliegender Iliosakralgelenk-Symtomatik" kann aus orthopädischer Sicht nicht nachvollzogen werden, da das Iliosakralgelenk schon aus anatomischer Sicht keine Verbindung zum Hüftgelenk besitzt und die Bewegungseinschränkung der Hüfte unzweifelhaft in den letzten Jahren durch die dokumentierten Abnützungserscheinungen beider Hüftgelenke auf schädigungsfremde Ursachen zurückzuführen ist. Wenn Dr. W. zuletzt mit Stellungnahme vom 18.10.2007 die Anatomie des menschlichen Körpers mit den Konstruktionsmerkmalen von Kraftfahrzeugen vergleicht, findet der dort beschriebene Ursachenzusammenhang keine Stütze in der herrschenden medizinischen Lehrmeinung, wie diese zu Fragen von Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule in Rdz.128 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996, 2004 und 2005" zusammengefasst ist.
In Berücksichtigung der schädigungsbedingten "leichten Innenohrschwerhörigkeit rechts" haben alle am Verfahren beteiligten Ärzte und Gutachter bis auf Dr.H. das Vorliegen einer die Gesamt-MdE von 70 v.H. bestätigt. In Beachtung von Rdz.19 der "Anhaltspunkte" war vorliegend die bereits festgestellte Gesamt-MdE von 70 v.H. bislang nur grenzwertig wohlwollend vertretbar. Denn bei der Beurteilung des Gesmt-MdE-Grades ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-MdE-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten MdE-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtig werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem MdE-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Hier kommt die Bildung einer Gesamt-MdE um 70 v.H. bei Einzel-MdE-Werten von 40, 30, und 10 v.H. einer unzulässigen Addition nahe. Berücksichtigt man die von Dr.H. mit Gutachten vom 23.10.2006 beschriebene "erhebliche Schmerzsymptomatik" als außergewöhnlich im Sinne von Rdz.18 der "Anhaltspunkte", ergibt sich hieraus keine Erhöhung der Gesamt-MdE von 70 v.H., sondern eine nunmehr korrekte Bewertung der bei dem Kläger bestehenden Schädigungsfolgen. Die ergänzende Einholung eines weiteren Gutachtens auf nervenfachärztlichem Gebiet wie von Dr.P. diskutiert, ist daher entsprechend § 103 SGG nicht erforderlich.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2006 als im Wesentlichen unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1924 geborene Kläger ist Schwerbeschädigter im Sinne von § 31 Abs.3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Er begehrt unter präzisierender und erweiterter Feststellung von Schädigungsfolgen die Bewilligung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H. mit Wirkung ab 01.01.1994 und von 90 v.H. ab März 2007.
In Ausführung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29.04.1985 hat der Beklagte mit Bescheid des Versorgungsamtes L. vom 18.06.1985 unter Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen Rente nach einer MdE um 70 v.H. gemäß § 30 Abs.1 BVG gewährt. Als Folge einer Schädigung i.S.d. BVG wurden anerkannt:
1. Leichte Innenohrschwerhörigkeit rechts.
2. Belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand.
3. Bewegungseinschränkung am rechten Ellenbogengelenk bei Wackelgelenk und nachfolgender verbildender Entzündung.
4. Narbenbildung am rechten Bein mit geringer Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk; Peronäuslähmung rechts, Funktionseinbuße des rechten Handgelenks, Gefühlsstörung im Ausbreitungsgebiet des rechten Mittelhandnervens und Muskel beschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts.
Der Kläger ist mittlerweile Verwaltungsdirektor a.D ... Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG hat nicht vorgelegen.
Der Kläger hat mit Neufeststellungsantrag vom 19.11.1994 beantragt, das Vorliegen von drei Granat-Stecksplittern in der rechten Kniekehle als weitere Schädigungsfolge aufzunehmen. Dem ist der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 nachgekommen und hat in Ziffer 5 als weitere Schädigungsfolge "Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern" festgestellt. Die MdE ist unverändert mit 70 v.H. bewertet worden.
Im Widerspruchsverfahren hat Medizinaloberrat K. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 21.12.1998 ausgeführt, dass die Stecksplitter reizlos eingeheilt seien und zum jetzigen Zeitpunkt keine Funktionseinbuße bedingen würden. Eine Erhöhung der Gesamt-MdE resultiere hieraus nicht. Dementsprechend ist der Widerspruch vom 25.11.1998 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 27.01.1999 zurückgewiesen worden. Auch in Berücksichtigung des vorgetragenen Dauerschmerzes in der rechten Kniegegend sei es nicht gerechtfertigt, die MdE von 70 v.H. auf 80 v.H. anzuheben.
Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens hat das Sozialgericht Landshut nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen mit Nachricht vom 09.03.2005 darauf aufmerksam gemacht, dass das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nicht zu prüfen sei, da die anhängige Streitsache nur das Versorgungsrecht und nicht auch das Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) betreffe. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.K. (Chefarzt der Orthopädischen Fachklinik S.) hat mit orthopädischem Fachgutachten vom 19.04.2005 darauf hingewiesen, dass die Verletzungsfolgen im Bereich des rechten Ellenbogens wie folgt umformuliert werden sollten: "Deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit bei Zustand nach Interpositionsplastik nach Gelenkzerstörung unter kompletter Aufhebung der Unterarmumwendefähigkeit in Neutralstellung und Behinderung der Handfunktion mit hochgradiger Verminderung der groben Kraft und Einschränkung des Präzisionsgriffs bei Lähmung des Oberflächenastes des Speichennerven." Die schädigungsbedingte Gesamt-MdE unter Einbeziehung der bereits anerkannten MdE sei ab 01.01.1994 jedoch unverändert mit 70 v.H. einzustufen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 03.06.2005 darauf hingewiesen, dass seine Schmerzen am Schienbein und der Kniesscheibe von Woche zu Woche stärker würden. Die Nervenschmerzen seien zeitweise kaum noch zu ertragen. Er stelle daher den Antrag, einen Nervenfacharzt mit der Begutachtung dieses Zustandes zu beauftragen. Dementsprechend hat das Sozialgericht Landshut mit Beweisanordnung vom 27.07.2005 gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Dr.H. zur ärztlichen Sachverständigen bestellt. Diese hat mit neurologischem Gutachten vom 23.01.2006 in Berücksichtigung der erheblichen Schmerzsymptomatik eine Anhebung der MdE auf 80 v.H. ab 01.01.1994 befürwortet. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 18.02.2006 beantragt, unter ergänzender bzw. präzisierender Feststellung von Schädigungsfolgen (Läsion und Irritation mehrerer Nerven) die MdE mit Wirkung ab 01.01.1994 auf 80 v.H. festzusetzen.
Dem ist der Beklagte mit Schreiben vom 15.05.2006 entgegengetreten und hat sich hierbei auf die nervenärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 05.05.2006 bzw. auf die chirurgische Stellungnahme von Dr.H. vom 10.05.2006 berufen. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom habe in der Regel Auswirkungen auf die Aktivitäten. Da sich Schmerzen nicht messen lassen würden, würden zur Beurteilung Informationen über Aktivitäten und Medikamente herangezogen. Der Kläger beschäftige sich hobbymäßig gerne mit Kochen und besuche Kurse an der Volkshochschule. Außerdem sei zu eruieren, in welchem Umfang der Kläger noch selbständig Auto fahre oder ob es durch die Schmerzsymptomatik zu Einschränkungen gekommen sei.
Chefarzt Dr.F. und Oberarzt Dr.S. haben mit Badekur-Abschlussbericht vom 05.09.2005 darauf aufmerksam gemacht, dass sich gegen Ende der Behandlung eine deutliche Linderug der diffusen Schmerzsymptomatik samt Entspannung der Rückenmuskulatur und Besserung der HWS-/LWS-Beweglichkeit eingestellt habe, des Weiteren auch eine deutliche Besserung der Beschwerden im rechten Hüftgelenk und im rechten Bein sowie im rechten Arm, somit auch eine Besserung der allgemeinen Mobilität.
Dementsprechend hat das Sozialgericht Landshut den Beklagten mit Urteil vom 08.08.2006 - S 9 V 2/99 - verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 die Schädigungsfolgen wie auf S.13 des Gutachtens von Dr.K. vom 19.04.2005 und auf S.29 des Gutachtens von Dr.H. vom 23.01.2006 zu bezeichnen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Mit Ausführungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 hat der Beklagte bei gleichbleibender MdE von 70 v.H. die Schädigungsfolgen im Sinne des BVG wie folgt anerkannt:
1. Leichte Innenohrschwerhörigkeit rechts;
2. Belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand;
3. Deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit bei Zustand nach Interpositionspla stik nach Gelenkzerstörung unter kompletter Aufhebung der Unterarmumwendefähigkeit in Neutralstellung und Behinderung der Handfunktion mit hochgradiger Verminderung der groben Kraft und Einschränkung des Präzisionsgriffs bei Lähmung des Oberflächenastes des Speichennerven;
4. Narbenbildung am rechten Bein mit geringer Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk, Peronäuslähmung rechts, Funktionseinbuße des rechten Handgelenks, Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entspre chenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Schmer zen, Irritation des Nervus ulnaris rechts im Ellenbogenbe reich, Irritation der Nervenwurzel C7 rechts.
5. Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern; zu Nr.1 bis 5 hervorgehoben.
Mit hiergegen gerichtetem Widerspruch vom 27.10.2006 rügte der Kläger, dass die bei ihm bestehenden Folgeschäden "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" nicht mehr aufgeführt worden seien. Zwischenzeitlich ging die Berufung vom 20.09.2006 am 22.09.2006 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) ein. Hinsichtlich der festzustellenden Schädigungsfolgen werden insgesamt vier Problemkreise vorgetragen und eingehend herausgearbeitet:
- "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich" seien nicht mehr aufgeführt.
- Die "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" gehöre syste matisch zu Ziffer 3 der festzustellenden Schädigungsfolgen.
- Eine "Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte bei vorliegen der Iliosakralgelenke-Symptomatik" sei als weitere Schädi gungsfolge anzuerkennen.
- "Die "Läsion des Servus saphenus" samt "Irritationen der Nervenwurzel C7 rechts" seien ebenfalls festzustellen.
Insgesamt betrage die Gesamt-MdE ab 01.01.1994 nicht 70 v.H., sondern 80 v.H. Entsprechendes ist von Seiten des Klägers mit Schriftsatz vom 28.10.2006 nochmals präzisiert worden.
Von Seiten des BayLSG wurden die Versorgungs- und Schwerbehindertenakten des Beklagten sowie die erstinstanzlichen Gerichtsakten beigezogen, zudem Röntgenaufnahmen der Orthopädischen Fachklinik S ...
Der Kläger machte darauf aufmerksam, dass für den 08.03.2007 eine zementfreie Hüft-TEP rechts im Klinikum D. vorgesehen sei, die in Zusammenhang mit seinen multiplen Granatsplitterverletzungen stehe. Dementsprechend stellte der nach § 106 Abs.3 Nr.5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestellte Sachverständige Dr.P. die vorgesehene Untersuchung des Klägers bis zum 16.05.2007 zurück. Dr.P. hat mit orthopädischem Fachgutachten vom 12.08.2007 das Vorliegen einer MdE von unverändert 70 v.H. seit 01.01.1994 bestätigt.
Mit zwei Schriftsätzen vom 17.10.2007 regte der Kläger an, Dr.H. und Dr.W. nochmals zu hören bzw. zu befragen. Die "Muskelschmerzen im Nackenbereich rechts" seien zu Unrecht aus dem Katalog der Schädigungsfolgen entfernt worden. Die Funktionseinbuße des rechten Handgelenkes sei unterbewertet worden. Die TEP-Implantation rechts sowie die Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Iliosakralgelenkes seien schädigungsbedingt. Die MdE betrage nunmehr 90 v.H.
Ergänzend wies der Kläger mit Schreiben vom 25.10.2007 darauf hin, dass er infolge der Schädigung erheblich gehbehindert sei. Dies sei bereits von dem Bürgermeisteramt der Stadt C. anerkannt worden. Auf die Stellungnahme von Dr.W. (Medizinisches Versorgungszentrum D.) vom 18.10.2007 werde ausdrücklich hingewiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2008 stellt der Kläger die Anträge aus dem Berufungsschriftsatz vom 20.09.2006 und beantragt zusätzlich, die Schädigungsfolge "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" sowie die schädigungsbedingte "TEP-rechts" als Schädigungsfolge aufzunehmen und die MdE auf nunmehr 90 v.H. mit Wirkung ab März 2007 anzuheben.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2006 als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch nur teilweise begründet.
Das Sozialgericht Landshut hat mit Urteil vom 08.08.2006 grundsätzlich zutreffend den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1999 die Schädigungsfolgen wie auf Seite 13 des Gutachtens von Dr.K. vom 19.04.2005 und auf Seite 29 des Gutachtens von Dr.H. vom 23.01.2006 zu bezeichnen. Allerdings sollte ein Tenor aus Gründen der Klarheit und Nachvollziehbarkeit aus sich heraus verständlich sein; deshalb sollte auf Verweisungen im Rahmen eines Tenors verzichtet werden. Der Senat hat daher das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Landshut insoweit abgeändert, als die anzuerkennenden Schädigungsfolgen ausdrücklich in den Tenor aufgenommen wurden.
Die vom Sozialgericht vorgenommene Verweisungstechnik hat insoweit zu Missverständnissen geführt, als die zuletzt mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung L. vom 27.10.1998 nochmals festgestellte Schädigungsfolge "Muskelbeschwerden im Schulter-Nackenbereich rechts" nicht mehr aufgeführt worden ist. Systematisch bietet es sich an, diese Schädigungsfolge in Ziffer 2 nach "belanglose Narbenbildung an der rechten Brustkorbseitenwand" aufzunehmen, da es sich um Schädigungsfolgen im Bereich des Oberkörpers handelt.
Andererseits hat der Kläger übersehen, dass mit dem Ausführungs-Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 in Ziffer 4 auch die "Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entsprechenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Schmerzen, Irritation des Nervus ulnaris rechts im Ellenbogenbereich, Irritation der Nervenwurzel C7 rechts" aufgeführt worden ist. Insoweit fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Weiterhin hat der Beklagte die bestehende "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" unglücklich in Ziffer 4 des Ausführungs-Bescheides des Zentrums Bayern Familie und Soziales, Region Niederbayern vom 28.09.2006 aufgenommen. Der Kläger hat mit Berufungsbegründung vom 20.09.2006 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Schädigungsfolge "Funktionseinbuße des rechten Handgelenks" systematisch in Ziffer 3 der Schädigungsfolgen zu berücksichtigen ist.
Im Bereich der rechten oberen Extremität besteht schädigungsbedingt eine deutliche Funktionsbehinderung des rechten Ellenbogens mit Streck- und Beugedefizit. Die grobe Kraft des rechten Armes ist behindert. Die Funktionseinbuße des rechten Handgelenks wird durch eine leichte Irritation des Nervus ulnaris im rechten Ellenbogen und eine Irritation der Nervenwurzel C7 rechts überlagert. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 insoweit eine Einzel-MdE von 40 v.H. bestätigt hat, ist dies auch für den erkennenden Senat schlüssig und überzeugend. Denn eine Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk stärkeren Grades wird entsprechend Rdz.26.18 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996, 2004 und 2005" mit einer Einzel-MdE um 20 bis 30 v.H. bewertet. Gleiches gilt für eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks stärkeren Grades. Die zusammenfassende Bewertung mit einer Einzel-MdE um 40 v.H. für die im Bereich der rechten oberen Extremität bestehenden Schädigungsfolgen ist daher nicht zu beanstanden.
Weiterhin hat Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 bestätigt, dass die im Bereich des rechten Beines bestehenden Schädigungsfolgen "Narbenbildung am rechten Bein, geringe Gefäßerweiterung am rechten Fußrücken und Fußgelenk, Granatsplitterverletzung am rechten Knie mit mehreren in den Weichteilen liegenden Granatsplittern, Peronäuslähmung rechts, Läsion des Nervus saphenus und seines R. infrapatellaris rechts mit entsprechenden Sensibilitätsstörungen und neuralgieformen Beschwerden" eine Einzel-MdE um 30 v.H. bedingt. Auch dies ist schlüssig und überzeugend. Denn nach Rdz.26.18 der "Anhaltspunkte" wird der vollständige Ausfall des Nervus peronäus communis oder profundus ebenfalls mit einer Einzel-MdE um 30 v.H. berücksichtigt. Die endgradige, nicht belangvolle funktionsbehindernde Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenkes mit Zeichen einer Reizung des innenseitigen Gelenkspaltes und des pes anserinus wirkt sich nicht MdE-erhöhend aus.
In den angefertigten Aufnahmen der beiden Kniegelenke hat sich rechts und links eine seitengleiche Abnützung der innenseitigen und retropatellaren Gelenkfläche gezeigt. Eine relevante radiologische Änderung im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung des Abnützungsgrades ist im Vergleich am rechten Knie nicht eingetreten. Somit sind die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen und -störungen im Bereich beider Kniegelenke schädigungsunabhängig bzw. degenerativ schicksalshaft.
Entgegen den Ausführungen des Orthopäden Dr.W. ist die Implantation einer zementfreien Hüft-TEP rechts vom 08.03.2007 nicht schädigungsbedingt. Insoweit hat Dr.P. mit Gutachten vom 12.08.2007 bestätigt, dass in Berücksichtigung der bekannten Literatur über die Ursachen einer Hüftarthrose sich bis jetzt keine validierten Untersuchungen zwischen gestörtem Fußabrollen durch eine Peronäusparese und vermehrte Coxarthrosenbildung finden. Vielmehr ist die Ursache der Coxarthrosen multifaktoriell (genetisch, altersbedingt, präarthrotische Deformitäten). Dies ist aus der Sicht des erkennenden Senats zu bestätigen. Denn in Rdz.136 der "Anhaltspunkte" ist zur Problematik von Schädigungsfolgen im Bereich eines Hüftgelenkes ausgeführt, dass häufige Ursache von Hüftbeschwerden und Arthrosen, Dysplasien, Hüftkopflösungen, usw. (sogenannte Präarthrosen) seien, die sich unabhängig von äußeren Einflüssen entwickelten. In diesem Zusammenhang darf nicht außer Acht gelassen werden, dass bei dem Kläger aktenkundig eine Coxarthrose bds. besteht. Auch dies belegt das schicksalshafte Entstehen der Coxarthrose rechts. Die Implantation einer zementfreien Hüft-TEP rechts ist somit den erlittenen Schädigungsfolgen nicht ursächlich anzulasten. Die diesbezüglichen Ausführungen von Dr.P. auf Seite 24 mögen zwar stilistisch unglücklich sein. Er hat jedoch ausdrücklich die Wendung "unabhängig" gebraucht. Somit ist auch aus gutachterlicher Sicht keine Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen Zusammenhang gegeben. Unter Berücksichtigung der Begründung des Gutachters Dr.P. (Seite 22-24 des Gutachtens) besteht für den Senat nicht der geringste Zweifel daran, dass nach Auffassung des Gutachters die zementfreie Hüft-TEP rechts wegen Coxarthrose nicht als Kriegsbeschädigung anzuerkennen ist.
Im Rahmen der Untersuchung bei Dr.P. haben sich am Untersuchungstag keine seitendifferenten Funktionsstörungen des Iliosakralgelenkes gefunden. Die vom Kläger beschriebene "Bewegungseinschränkung der rechten Hüfte bei vorliegender Iliosakralgelenk-Symtomatik" kann aus orthopädischer Sicht nicht nachvollzogen werden, da das Iliosakralgelenk schon aus anatomischer Sicht keine Verbindung zum Hüftgelenk besitzt und die Bewegungseinschränkung der Hüfte unzweifelhaft in den letzten Jahren durch die dokumentierten Abnützungserscheinungen beider Hüftgelenke auf schädigungsfremde Ursachen zurückzuführen ist. Wenn Dr. W. zuletzt mit Stellungnahme vom 18.10.2007 die Anatomie des menschlichen Körpers mit den Konstruktionsmerkmalen von Kraftfahrzeugen vergleicht, findet der dort beschriebene Ursachenzusammenhang keine Stütze in der herrschenden medizinischen Lehrmeinung, wie diese zu Fragen von Schädigungsfolgen im Bereich der Wirbelsäule in Rdz.128 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 1996, 2004 und 2005" zusammengefasst ist.
In Berücksichtigung der schädigungsbedingten "leichten Innenohrschwerhörigkeit rechts" haben alle am Verfahren beteiligten Ärzte und Gutachter bis auf Dr.H. das Vorliegen einer die Gesamt-MdE von 70 v.H. bestätigt. In Beachtung von Rdz.19 der "Anhaltspunkte" war vorliegend die bereits festgestellte Gesamt-MdE von 70 v.H. bislang nur grenzwertig wohlwollend vertretbar. Denn bei der Beurteilung des Gesmt-MdE-Grades ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-MdE-Grad bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten MdE-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen MdE-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtig werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem MdE-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Hier kommt die Bildung einer Gesamt-MdE um 70 v.H. bei Einzel-MdE-Werten von 40, 30, und 10 v.H. einer unzulässigen Addition nahe. Berücksichtigt man die von Dr.H. mit Gutachten vom 23.10.2006 beschriebene "erhebliche Schmerzsymptomatik" als außergewöhnlich im Sinne von Rdz.18 der "Anhaltspunkte", ergibt sich hieraus keine Erhöhung der Gesamt-MdE von 70 v.H., sondern eine nunmehr korrekte Bewertung der bei dem Kläger bestehenden Schädigungsfolgen. Die ergänzende Einholung eines weiteren Gutachtens auf nervenfachärztlichem Gebiet wie von Dr.P. diskutiert, ist daher entsprechend § 103 SGG nicht erforderlich.
Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2006 als im Wesentlichen unbegründet zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
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