L 14 Kr 724/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 Kr 1587/94
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 Kr 724/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 10. Mai 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine autohomologe Immuntherapie nach Dr. K.

Die 1955 geborene Klägerin ist über ihren Ehemann, der bei der Beklagten pflichtversichert ist, familienversichert. Im August 1991 erkrankte sie an einem Mamma-Carzinom. Unter Vorlage zweier Rechnungen des Kassenarztes Dr. K. L., vom 14. Dezember 1992 und des Laboratoriums Dr. B. GmbH, L., vom 21. September 1993 sowie einer ärztlichen Stellungnahme der Ärztin H. und eines Arztbriefes von Dr. Z. G., sowie der J. Universität G. – Frauenklinik – beantragte die Klägerin am 14. Dezember 1993 die Kostenübernahme für die Behandlung mit der autohomologen Immuntherapie nach Dr. K. (AHIT) in Höhe von 5.155,08 DM. Die Beklagte forderte noch einen Befundbericht von der Ärztin H. und ließ alle Unterlagen von dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), und zwar durch Dr. S., auswerten. Mit Bescheid vom 26. Januar 1994 (ohne Rechtsmittelbelehrung) und vom 16. Februar 1994 (mit Rechtsmittelbelehrung) lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab und führte zur Begründung aus, daß es sich bei der AHIT um eine alternative, wissenschaftlich nicht anerkannte Therapie handele. Die Akuterkrankung liege bereits zweieinhalb Jahre zurück und sei schulmedizinisch korrekt austherapiert worden. Kontrolluntersuchungen zuletzt im Oktober 1992 hätten keinen Anhalt für eine Progredienz ergeben. Es bestünde subjektives Wohlbefinden; damit habe keine zwingende Notwendigkeit einer alternativen, wissenschaftlich nicht anerkannten, Therapie vorgelegen. Im übrigen habe die Klägerin nur einen Sachleistungsanspruch.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und übersandte eine Bescheinigung der Ärztin H. vom 5. Mai 1994, worin diese ausführt, daß die Klägerin zur Vermeidung eines Rezidivs sich der Immuntherapie unterzogen habe. Der MDK – Dr. J. – erstellte ein Gutachten am 26. Juli 1994, wonach die streitige Behandlung derzeit medizinisch rational aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht befürwortet werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 1994 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, daß die AHIT keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Nach Meinung des MDK könne diese Behandlungsform auch nicht als eine generell wirksame Methode angesehen werden. Die Akutbehandlung sei bereits mit den Mitteln der Schulmedizin erfolgreich austherapiert worden. Ferner handele es sich um keinen Notfall und auch um keine unaufschiebbare Leistung.

Am 11. Oktober 1994 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, daß die Kosten in Höhe von 5.155,08 DM erstattet werden müßten, da die AHIT vermieden habe, daß bisher ein Rezidiv aufgetreten sei. Schulmedizinische Behandlungsmethoden hätten zur Behandlung nicht mehr zur Verfügung gestanden.

Mit Urteil vom 10. Mai 1995 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß ein Kostenerstattungsanspruch bereits an dem notwendigen vorherigen Antrag scheitere. Ferner sei die autohomologe Immuntherapie nach Dr. K. von der kassenärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Außenseitermethode ergebe sich kein Kostenerstattungsanspruch, da bei der Klägerin bereits die schulmedizinischen Behandlungsmethoden zu einem Behandlungserfolg geführt hätten.

Gegen das am 23. Juni 1995 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. Juli 1995 Berufung eingelegt.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Kostenerstattung einer ärztlichen Behandlung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG reiche es aus, daß die Verordnung zweckmäßig sei, also andere Behandlungsmöglichkeiten aus medizinischen Gründen ausschieden. Der erforderliche Behandlungserfolg liege auch vor. Sie fühle sich seit der Behandlung außerordentlich wohl.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 10. Mai 1995 sowie den Bescheid vom 26. Januar 1994 und 16. Februar 1994, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Behandlung für die autohomologe Immuntherapie nach Dr. K. (AHIT) in Höhe von 5.155,08 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Verfügung vom 12. Februar 1996 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss mit der Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

II.

Der Senat konnte über die Berufung der Klägerin nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich und die Berufung einstimmig für unbegründet gehalten hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§ 151 i.V.m. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Berufung ist sachlich jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Gießen mit Urteil vom 10. Mai 1995 die Klage abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Kostenerstattungsanspruch. Die Pflicht zur Erstattung der verauslagten Kosten für die Behandlung bei Dr. K. für die autohomologe Immuntherapie scheitert hier bereits daran, daß die Versicherte grundsätzlich nur einen Anspruch auf Gewährung von Sachleistungen hat. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehene Leistungen sind als Sach- und Dienstleistung zu erbringen, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht (§ 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V). Anstelle der Sach- oder Dienstleistung darf die Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 1 SGB V Kosten nur erstatten, soweit dies vorgesehen ist. Den Versicherten sind nach § 13 Abs. 3 SGB V nur entstandene Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und die Leistung notwendig war.

Demzufolge mußte die Versicherte zunächst versucht haben, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die die von der Krankenkasse bereitgestellte Versorgung bietet. Aus der in § 13 Abs. 3 SGB V enthaltenen Formulierung "zu Unrecht abgelehnt” ist weiter zu folgern, daß die Versicherte grundsätzlich verpflichtet ist, vor Inanspruchnahme von Leistungen außerhalb des Versicherungssystems sich zunächst an die Kasse zu wenden, um sich über die bestehenden Möglichkeiten der kassenärztlichen Behandlung beraten zu lassen. Auch muß die Krankenkasse die Möglichkeit haben, zu prüfen, ob die geforderte Leistung vom Sachleistungsanspruch des Versicherten umfaßt ist, das heißt, ob sie den Erfordernissen der §§ 12, 27 und 28 SGB V genügt, also ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig ist. Die Versicherte darf der Entscheidung nicht dadurch vorausgreifen, daß sie die Behandlung zunächst durchführen läßt und die Prüfung durch die Kasse so in das Kostenerstattungsverfahren verlagert (so schon die bisherige Rechtsprechung zur Reichsversicherungsordnung, vgl.: BSG, Urteil vom 10. Februar 1993 – 1 RK 31/92 m.w.N.; zuletzt BSG, Urteil vom 10. Oktober 1994 – 1 RK 26/92 –). Allein deshalb besteht vorliegend bereits kein Kostenerstattungsanspruch, denn die Klägerin hat erst nach Abschluß der Behandlung sich mit einem Antrag an die Beklagte gewandt.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Durchführung einer autohomologen Immuntherapie nach Dr. K. scheitert ferner daran, daß die Beklagte keine Leistungsverpflichtung aus Gründen fehlender Zweckmäßigkeit hat. Denn Versicherte haben nur Anspruch auf Krankenbehandlung im Sinne des § 27 SGB V, soweit sie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Sie darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 SGB V). Zweckmäßig sind jedenfalls nur solche Behandlungsmethoden, die nach allgemeiner ärztlicher Erfahrung geeignet sind, eine Krankheit zu heilen, zu bessern, zu lindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (BSG, Urteil vom 9. Februar 1989 in BSGE 64, 256, 257). Ein derartiger Wirkungsnachweis ist für die autohomologe Immuntherapie nach Dr. K. bisher nicht erbracht worden, wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 10. Februar 1994 – L-14/Kr-988/92 und Hess. Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Mai 1995 – L-1/Kr-1132/94).

Auch nach der Rechtsprechung des BSG zur sogenannten Außenseitermethode (BSG, Urteil vom 22. Juli 1981 in BSGE 52, 70, 74; BSG, Urteil vom 22. September 1981 in BSGE 52, 134, 136; BSG, Urteil vom 23. März 1988 in BSGE 63, 102, 105; BSG, Urteil vom 21. November 1991 in BSGE 70, 24, 26 und zuletzt BSG, Urteil vom 7. Juli 1995 – 1 RK 6/95) ergibt sich keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Denn Voraussetzung für eine Leistungspflicht für die sogenannte Außenseitermethode wäre unter anderem, daß die Krankheit schulmedizinisch austherapiert ist und der Nachweis der Wirksamkeit der Behandlungsmethode nicht nur im Einzelfall vorliegt. Im vorliegenden Fall ist die Klägerin schulmedizinisch bereits austherapiert. Die Klägerin ist durch Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie behandelt worden. Bei der Untersuchung im September 1992 in der Frauenklinik der J. Universität in G. wurde kein Anhalt für ein Rezidiv der Erkrankung gefunden. Auch Dr. Z. hat in seinem Befundbericht vom 7. September 1993 von keinem Rezidiv der Erkrankung gesprochen. Somit lag eine behandlungsbedürftige Krankheit nicht mehr vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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