L 15 SO 274/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 20 SO 147/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 274/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 521,00 Euro festgesetzt.

Berichtigungsbeschluss vom 28. April 2010:
Im Tenor lautet die Kostenentscheidung wie folgt:
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Schuster
Vorsitzende Richterin am LSG

Tatbestand:

Streitig sind noch Prozesszinsen für eine Ausgleichsforderung des Klägers betreffend den Zeitraum 26. Januar 2004 bis 18. Februar 2004. Der Kläger war der örtliche Träger der Sozialhilfe, der für den Wohnsitz der 1950 geborenen I G (im Folgenden Hilfeempfängerin) im streitigen Zeitraum zuständig war. Die Hilfeempfängerin, die bei keiner gesetzlichen Krankenkasse oder privaten Krankenversicherung Mitglied war, wurde am 30. September 2003 zur stationären Behandlung in das DRK-Krankenhaus L aufgenommen und von dort am 7. Oktober 2003 zur Weiterbehandlung in die Charité B-Campus R V verlegt, wo am 13. Oktober 2003 eine Tumorteilexstirpation vorgenommen wurde (Diagnose: bifrontales anaplastisches Oligodendrogliom). Auf ihren Antrag vom 27. November 2003 hin wurde ihr, zunächst befristet bis Juli 2006, ein Grad der Behinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch von 100 zuerkannt und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G und H festgestellt (Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung C vom 13. Februar 2004; Funktionsbeeinträchtigungen: Erkrankung des Gehirns, Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, Hirnschädigung mit Gangstörung, Harninkontinenz, Stuhlinkontinenz; Herzleistungsminderung, abgelaufener Herzinfarkt, Bluthochdruck, Coronardilatation/Stent; Diabetes mellitus). Außerdem wurde ab 26. November 2003 das Vorliegen der Voraussetzungen der Pflegestufe II der Sozialen Pflegeversicherung festgestellt. Vom 26. Januar 2004 bis zum 16. Februar 2004 befand sich die Hilfeempfängerin für eine Strahlentherapie stationär in der Charité B. Die dafür vom Krankenhaus in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 9.399,02 EUR beglich der Kläger. Er machte sie gegenüber dem Beklagten als einen von diversen Rechnungsposten für die Anpassung der Kostenerstattungspauschale für das Jahr 2004 nach dem Brandenburger Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz (AG-BSHG) geltend. Der Beklagte lehnte unter anderem die Erstattung der 9.399,02 EUR mit Bescheid vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 ab. Die geleistete Krankenhilfe falle in die Zuständigkeit des Klägers als örtlicher Träger der Sozialhilfe. Gegen den Bescheid hat der Kläger am 7. März 2007 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam erhoben, mit der er unter anderem die Zahlung von 9.399,02 EUR unter Änderung des Bescheides vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 sowie Zinsen auf die geltend gemachte Forderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit begehrt hat. Die Klage (Az. S 20 SO 28/07) ist zunächst mit einer bereits anhängigen verbunden worden, welche die Erstattungsforderung für der Hilfeempfängerin gewährte Krankenhilfe im Jahr 2003 betroffen hatte (S 20 SO 85/05). In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam am 24. Oktober 2007 schlossen die Beteiligten über die Erstattungsforderung für das Jahr 2003 einen Vergleich, worauf das Verfahren betreffend die Erstattungsforderung für das Jahr 2004 wieder getrennt und unter dem Aktenzeichen S 20 SO 147/07 fortgeführt wurde. Insoweit beschränkte der Kläger seine Klage dann auf die Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung vom 26. Januar 2004 bis zum 16. Februar 2004, entsprechend 9.399,02 EUR, zuzüglich Prozesszinsen. Der Beklagte bestritt die Hauptforderung der Höhe nach nicht. Durch Urteil vom 24. Oktober 2007 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 verurteilt, an den Kläger weitere 9.399,02 EUR zu zahlen. Die Hilfeempfängerin habe zu dem nach § 39 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) berechtigten Personenkreis gehört, so dass der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe dem Kläger als örtlichem Träger erstattungspflichtig sei. Betreffend die Zinsforderung wies es die Klage ab. Hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage. Für Zinsansprüche zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts enthalte § 108 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) eine abschließende Regelung. Sie könne vorliegend bereits deshalb nicht angewendet werden, weil es sich bei den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits um Träger der Sozialhilfe handle, für die die Vorschrift nicht gelte. Das Urteil war mit der Rechtsmittelbelehrung versehen, dass die Berufung zulässig sei. Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung hat der Kläger am 15. November 2007 Berufung eingelegt, mit der er noch die Zahlung von Prozesszinsen anstrebt. Den Wert des Beschwerdegegenstandes bezifferte er im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung auf 521,- EUR. Nachdem der Senat darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung unzulässig sein dürfte, hat der Kläger am 10. März 2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Durch Beschluss vom 11. April 2008 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. In der Sache macht der Kläger geltend, dass sich das Sozialgericht zu Unrecht auf die Regelung des § 108 Abs. 2 SGB X gestützt habe. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits mehrfach entschieden, dass auch öffentlich-rechtliche Geldforderungen in entsprechender Anwendung des § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu verzinsen seien. Bezogen auf den vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass die Finanzausstattung des Landkreises wesentlich von den Erstattungszahlungen des Landes abhänge. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für bestimmte Hilfen in besonderen Lebenslagen bei behinderten Menschen erkläre sich daraus, dass die damit verbundenen Ausgaben die Finanzkraft des örtlichen Trägers der Sozialhilfe überstiegen. Wenn der Beklagte es aber auf einen Prozess ankommen lasse, müsse er für das damit verbundene Risiko einstehen. Das Sozialgericht lasse auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) unberücksichtigt, die Sozialhilfeträgern bei Erstattungsansprüchen gegenüber anderen Sozialhilfeträgern Prozesszinsen zugebilligt habe.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 24. Oktober 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ab dem 7. März 2007 auch Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 9.399,02 EUR an ihn zu zahlen.

Der Beklagte beantragt der Sache nach, die Berufung zurückzuweisen.

Er hat sich nicht zur Sache geäußert.

Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten des Klägers und die Schwerbehindertenakte des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie (Außenstelle V/Aller) lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung eine Entscheidung in der Sache treffen (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Berufung ist unbegründet. Für das Begehren des Klägers gibt es keine Rechtsgrundlage. Weil das Urteil des Sozialgerichts insoweit nicht angefochten worden ist, steht für die Beteiligten und den Senat bindend (§ 77 SGG) fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger (weitere) 9.399,02 EUR zu zahlen. Diese "Hauptforderung" ist nicht ab Rechtshängigkeit (§ 94 SGG) der gegen den Bescheid vom 25. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Februar 2007 erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), das heißt ab dem 7. März 2007, zu verzinsen. Als Rechtsgrundlage für den Zinsanspruch kommt nur die entsprechende Anwendung des § 291 Satz 1 BGB in Betracht. Danach hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschrift gilt unmittelbar nur für zivilrechtliche Schuldverhältnisse. Für Forderungen aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen wie der des Klägers gegen den Beklagten, die ihre Rechtsgrundlage in § 4 Abs. 2 AG-BSHG hat, gibt es keine gleichartige Regelung. Die entsprechende Anwendung der Vorschrift setzte voraus, dass das geschriebene Recht eine unbewusste planwidrige Regelungslücke enthält und die zu regelnden Sachverhalte gleichartig sind (statt aller BSG, Urteil vom 27. Juni 2007 – B 6 KA 24/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Es fehlt zur Überzeugung des Senats jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke. Das BVerwG vertritt allerdings in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, es sei ein allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts, dass für öffentlich-rechtliche Geldforderungen Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten sind, wenn das jeweils einschlägige Fachrecht keine gegenteilige Regelung trifft (s. stellvertretend ausführlich BVerwGE 114, 61 mit weiteren Nachweisen; für Erstattungsansprüche zwischen Trägern der Sozialhilfe ausdrücklich BVerwGE 111, 213). In dem Urteil BVerwGE 114, 61 – dort war ein Erstattungsanspruch zwischen einem Träger der Jugendhilfe und einem Träger der Sozialhilfe streitig – wird dazu ausgeführt: "Zu Unrecht geht das Berufungsgericht ... davon aus, dass § 108 Abs. 2 SGB X für den Bereich der Erstattungsansprüche zwischen Jugend- und Sozialhilfeträgern eine diesen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts verdrängende fachrechtliche Regelung getroffen hat. § 108 Abs. 2 SGB X räumt den Trägern der Sozialhilfe, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche gegen andere Leistungsträger ein, weil die drei zinsprivilegierten Trägergruppen "als unterstes Netz der sozialen Sicherung häufig als "Vorschusskasse" eintreten" (Begründung des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BTDrucks 13/3904 S. 48, auf dessen Beschlussempfehlung § 108 Abs. 2 SGB X eingefügt worden ist): es sei deshalb gerechtfertigt, sie hinsichtlich der Verzinsung dem leistungsberechtigten Antragsteller (§ 44 SGB I) gleichzustellen. Anders als § 44 SGB I (und ebenso § 27 Abs. 1 SGB IV), der einen sozialen Ausgleichszweck verfolgt, nämlich den auf Sozialleistungen als Lebensgrundlage angewiesenen Leistungsberechtigten dafür zu entschädigen, dass er wegen der verspäteten Zahlung auf Kreditaufnahme, Auflösung von Ersparnissen oder Einschränkung der Lebensführung angewiesen war (vgl. BSGE 71, 72 (74)), bezweckt § 108 Abs. 2 SGB X den Schutz der finanziellen Leistungsfähigkeit der Leistungsträger auf der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung. Sie sollen daraus, dass sie häufig als "Vorschusskasse" der anderen Sozialleistungsträger in Anspruch genommen werden, keine finanziellen Nachteile haben. § 108 Abs. 2 SGB X hat demzufolge, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte an sich zutreffend ausgeführt hat, nur das Verhältnis der Leistungsträger der untersten Stufe des Systems der sozialen Sicherung zu den anderen Leistungsträgern im Blick und will sie diesen gegenüber aus Gründen des stufenübergreifenden Lastenausgleichs privilegieren. Aus einer solchen Norm lässt sich deshalb, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes im Gesetz gesagt ist, im Gegenschluss lediglich ableiten, dass den privilegierten Leistungsträgern untereinander keine Lastenausgleichszinsen i. S. des § 108 Abs. 2 SGB X zustehen, nicht aber, dass sie auch ansonsten - aus anderen Rechtsgründen - eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche nicht sollten beanspruchen können (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 2. Juli 1999 - 7 S 279/99 - (FEVS 51, 360); wohl auch Mergler/Zink, BSHG, 4. Aufl. (Stand März 2000), § 111 Rn. 32). Dies gilt umso mehr, als die in § 108 Abs. 2 SGB X privilegierten Leistungsträger sämtlich dem Einzugsbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterfallen und dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden kann, ihm sei der dort in Geltung befindliche allgemeine Grundsatz des Verwaltungsrechts über die Verzinsung öffentlich- rechtlicher Geldforderungen während des Prozesses nicht bekannt ..." Die vom Sozialgericht unter Hinweis auf Literatur zum SGG vertretene Auffassung, § 108 Abs. 2 SGB X stelle eine abschließende Regelung für Zinsansprüche von Körperschaften des öffentlichen Rechts dar, hat das BVerwG somit ausdrücklich nicht geteilt. Das BSG hat demgegenüber die entsprechende Anwendung des § 291 BGB zunächst generell nicht, im besonderen auch nicht im Verhältnis zwischen einem Träger der Sozialhilfe und einem Leistungsträger der Sozialversicherung oder sonstiger Bereiche, welche in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallen, für möglich angesehen (dazu BSG SozR Nr. 16 zu § 1531 RVO, daran anschließend BSG FEVS 16, 116; BSG, Urteil vom 11. Dezember 1968 – 10 RV 606/65; s. im übrigen etwa BSG SozR Nr. 1 und 3 zu § 291 BGB, SozR Nr. 3 zu § 1424 RVO, SozR 2100 § 27 Nr. 3, SozR 1300 § 61 Nr. 1, Urteil vom 24. November 1987 – 3 RK 7/87, SozR 3-7610 § 291 Nr. 1, SozR 3-170 § 945 Nr. 1, SozR 3-5595 § 2 Nr. 1, Urteil vom 13. November 1996 – 6 RKa 78/95). Eine generelle Ausnahme hat es nur für die Fälle angenommen, in denen privatrechtliche Streitigkeiten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen worden waren oder Ansprüche ihre Rechtsgrundlage im Zivilrecht hatten (s. etwa BSG SozR 3-2500 § 124 Nr. 3, 4-2500 § 39 Nr. 1, 4-2500 § 132a Nr. 1 und 3-2500 § 257 Nr 1). Aus dem seit 1. Januar 1978 geltenden § 44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I), der die Verzinsung von Geldleistungen regelt, hat es keine Veränderung dergestalt, dass (jedenfalls) im Sozialversicherungsrecht allgemein rückständige Geldforderungen zu verzinsen seien, abgeleitet (BSG SozR 1200 § 44 Nr. 1). In der Entscheidung SozR 7610 § 291 Nr. 2 (fortgeführt durch Urteil vom 27. November 1991 – 9a RV 29/90) hat das BSG dann allerdings einen Anspruch auf Prozesszinsen für den Fall des Ausgleichs nach § 85 Soldatenversorgungsgesetz mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und des BVerwG bejaht und zur Begründung unter anderem ausgeführt: "Die entsprechende Anwendung des § 291 BGB auf den Ausgleich ist auch systemgerecht. Die Verzinsung dieses dienstrechtlichen Anspruchs entsprechend der genannten Vorschrift wäre gar nicht fraglich, wenn über diese Forderung - ebenso wie über die Ansprüche auf Dienstbezüge und Wehrsold - weiterhin die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu entscheiden hätten. Die Prozesszinsen sind als ein Risikozuschlag zu verstehen, den der Schuldner im Fall des Unterliegens deshalb tragen muss, weil er es zum Rechtsstreit hat kommen lassen (BGH, NJW-RR 1987, 386; BVerwGE 7, 95, 97 f; herrschende Meinung im Schrifttum, z. B. Walchshöfer in Münchener Kommentar zum BGB, 1979, § 291, Rz. 1; Soergel/Wiedemann, BGB, 11. Aufl. 1986, § 291, Rz. 2). Dieser tragende Grund trifft auch auf einen Ausgleich zu, den der Bund nach § 85 SVG kraft sozialgerichtlicher Entscheidung gewähren muss, aber abgelehnt hat. Der Anspruch auf Prozesszinsen ist nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass er nach dem Prozessrecht der Sozialgerichtsbarkeit allgemein nicht bestände. Zwar gehört er zum Verfahrensverhältnis der Prozessbeteiligten. Aber er gründet in der jeweiligen sachlich-rechtlichen Rechtsbeziehung, aus der der Hauptanspruch stammt (Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl. 1988, § 291, Anm. 1, a: "materiell-rechtliche Folge der Rechtshängigkeit"; ähnlich: Staudinger/Löwisch, BGB, 12. Aufl. 1979, § 291, Rz. 1). Wenn für diese Beziehung - wie für § 85 SVG - im materiellen Recht die Verzinsung nicht abschließend geregelt ist, steht das Rechtsverhältnis offen für die entsprechende Anwendung des § 291 BGB." Abgesehen davon hat das BSG seine Rechtsprechung, dass es im Bereich des Sozialrechts grundsätzlich keine Ansprüche auf Prozesszinsen gebe, fortgeführt. In dem Urteil in SozR 3-2500 § 75 Nr. 11 heißt es dazu: "Nach der Rechtsprechung des BSG begründen Ersatzansprüche zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern regelmäßig keinen Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen, es sei denn, dieses ist ausdrücklich abweichend gesetzlich geregelt (BSGE 49, 227, 228 f = SozR 1200 § 44 Nr. 2). Eine allgemeine Pflicht zur Verzinsung von (rückständigen) Geldleistungen existiert im Bereich des Sozialrechts nicht. Der Gesetzgeber hat die Verzinsungsregelungen dort vielmehr jeweils auf einzelne Ansprüche beschränkt, so dass - mangels Regelungslücke - auch die entsprechende Heranziehung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften über Verzugs- und Prozesszinsen ausscheidet (BSGE 49, 227, 228 = SozR 1200 § 44 Nr. 2; BSGE 55, 40, 45 = SozR 2100 § 27 Nr. 2; SozR 2100 § 27 Nr. 3; BSGE 56, 116, 118 m. w. N. = SozR 1200 § 44 Nr. 10; BSGE 71, 72, 76 f = SozR 3-7610 § 291 Nr. 1 S 5 f m. w. N.). Soweit in der Rechtsprechung § 291 entsprechend für die Bejahung von Zinsansprüchen herangezogen worden ist, beruhte dieses auf Besonderheiten des Soldatenversorgungsrechts (BSGE 64, 225, 230 ff = SozR 7610 § 291 Nr. 2) und auf der atypischen Konstellation einer sozialgerichtlichen Klage zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber (BSG SozR 3-2500 § 257 Nr. 1 S 5)." Anschließend hat das BSG eine Änderung seiner Rechtsprechung zu den Prozesszinsen für den Fall des Anspruchs auf Gesamtvergütung der kassenärztlichen Vereinigungen gegen gesetzliche Krankenkassen beziehungsweise deren Verbände angekündigt (in BSG SozR 4-2500 § 83 Nr. 2) und schließlich Ansprüche auf Prozesszinsen im Verhältnis zwischen Leistungserbringern und Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn anders lautende Vereinbarungen nicht getroffen seien, generell bejaht (BSG SozR 4-7610 § 291 Nr. 3 und SozR 4-2500 § 129 Nr. 3). Maßgeblich für letzteres sei die Erwägung gewesen, dass die entsprechende Anwendung des § 291 BGB auf die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken und nichtärztlichen Leistungserbringern auch durch die wachsende Bedeutung der Wirtschaftlichkeit in der Leistungserbringung der gesetzlichen Krankenversicherung begründet sei, die nach kaufmännischen Grundsätzen auf liquide Mittel angewiesen sei und wegen des Wettbewerbsdrucks selbst auf Zinsen nicht verzichten könne. Für die Erstattungsansprüche von Trägern der Sozialversicherung untereinander ist das BSG dagegen ausdrücklich (Urteil vom 19. September 2007 – B 1 KR 39/06 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) bei seiner Auffassung geblieben, dass es keine Rechtsgrundlage für Prozesszinsen gebe. Zur Begründung führt es aus: Das Schweigen des Gesetzgebers zur Pflicht, Prozesszinsen zu zahlen, sei in dem Sinne beredt, dass im Bereich der Sozialversicherung keine Prozesszinsen zu entrichten seien. Den Ausschluss von Prozesszinsen für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit habe das BSG teilweise aus einer zu Gewohnheitsrecht verfestigten Übung bei Rechtsüberzeugung der Beteiligten unter Abgrenzung des Bereichs des allgemeinen Verwaltungsrechts abgeleitet (Verweis auf BSG SozR Nr. 3 zu § 291 BGB) An diese Rechtsprechung habe der Gesetzgeber bewusst angeknüpft. So habe er anlässlich der Einführung des Zinsanspruches für Sozialleistungsansprüche nach § 44 SGB I in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 7/868 S. 30 zu § 44) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern - auch soweit sie auf der Überleitung von Ansprüchen des Berechtigten beruhen - keine Sozialleistungsansprüche im Sinne der Regelung seien. Bei Einführung der Erstattungsansprüche nach dem SGB X habe das BSG aus der amtlichen Begründung zu Verwaltungskosten und Verjährung (BT-Drucks. 9/95 S. 26 f) nur den Schluss für zulässig gehalten, dass eine Verzinsung des Erstattungsanspruchs nicht erfolgen solle. Die ständige Rechtsprechung des BSG habe der Gesetzgeber auch in der Folgezeit als maßgeblich zugrunde gelegt. Durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts habe er § 108 Abs. 2 SGB X eingeführt, um die Verzinsung der Erstattungsansprüche zu regeln, die Träger der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe gegen dritte Sozialleistungsträger haben (Verweisung auf BT-Drucks. 13/3904 S. 48 zu Art. 2a re Sp und von Wulffen in: ders, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 108 Randnummer 3 m. w. N.). Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG betone die Gesetzesbegründung, dass die Verzinsungspflicht für Erstattungsansprüche (der Leistungsträger untereinander) nicht gelte, da sie sich nur auf "andere" Sozialleistungsträger beziehe. Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Entwicklung der im Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB X geregelten Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander sprächen zudem dafür, dass es sich um ein geschlossenes Regelungssystem handle, das Ergänzungen unzugänglich sei (Verweisung auf SozR 3-1300 § 111 Nr. 8) Der Senat folgt der zuletzt wiedergegebenen Auffassung des BSG auch für den vorliegenden Fall einer Erstattung zwischen dem örtlichen und dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Eine planwidrige Regelungslücke, welche durch eine Analogie geschlossen werden müsste, ist nicht zu erkennen. Die Vorschrift des § 291 BGB beruht wie die über die Verzugszinsen (§ 288 BGB) auf dem Gedanken, dass dem Gläubiger einer Geldschuld für die Vorenthaltung des Kapitals eine Entschädigung zu gewähren ist (s. Ernst in Münchener Kommentar zum BGB, Band 2a, 4. Auflage 2003, § 291 Rz. 1, 2; anders wohl das BVerwG, s. etwa BVerwGE 116, 312 unter B 2, und 114, 61 ff Abs. 16 das einen "Wesensunterschied" zwischen beiden sieht). Wie oben bereits zitiert, sind die Prozesszinsen dabei als ein Risikozuschlag zu verstehen, den der Schuldner im Fall des Unterliegens deshalb tragen muss, weil er es zum Rechtsstreit hat kommen lassen. Damit zielten die Prozesszinsen aber auf eine typische Interessenlage des Privatrechts ab, in der Kapital zur Deckung des Lebensunterhaltes oder des Geschäftsbetriebes unerlässlich ist oder verwendet wird, um es zu vermehren. Solch eine Interessenlage besteht jedenfalls im Verhältnis zwischen Gebietskörperschaften bzw. Verbänden von Gebietskörperschaften nicht: Sie können durch das Ausbleiben von Geldzahlungen nicht in ihrem Bestand gefährdet sein, weil dieser auf Gesetzen beruht, und ihre Aufgabe besteht nicht darin, ihre Einkünfte gewinnbringend anzulegen. Der Auffassung des BVerwG ist entgegenzuhalten, dass die Grundannahme für den von ihm angenommenen "allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts", der Prozesszinsen vorsehe, nicht trägt. In seinem 2001 ergangenen Urteil in BVerwGE 114, 61 führt das Gericht aus, dass es mit seiner 1958 eingeleiteten Rechtsauffassung an Rechtsüberzeugungen anknüpfe, die in Deutschland schon vor In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs fast allgemein zur Anerkennung gelangt und im Verkehrsleben herrschend waren. Es lässt dabei aber außer acht, dass sich die staatlichen und verfassungsrechtlichen Verhältnisse seither mehrfach und erheblich verändert haben. Unter den republikanischen Verfassungen und jedenfalls seit Inkrafttreten des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland sind die Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Rechtsträger dadurch gekennzeichnet, dass der Umfang ihrer Rechte und Pflichten durch ihre verfassungsrechtliche Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) bestimmt wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich ein "allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts" eher dahingehend aufstellen, dass ein Verwaltungsträger im Regelfall nur dann ein Recht gegen einen Dritten (einschließlich anderer Verwaltungsträger) hat, wenn dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist. Ein Schweigen des Gesetzgebers zu einem von einem öffentlich-rechtlichen Rechtssubjekt aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis begehrten Anspruch ist mit anderen Worten – wie das BSG ausführt – in dem Sinne beredt, dass der Anspruch gerade nicht bestehen soll. Etwas anderes lässt sich nicht daraus ableiten, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers (auch) von den Ausgleichszahlungen des Beklagten abhängen kann. Zum einen ist bereits fraglich, ob der Kläger als Gemeindeverband einen Anspruch auf eine bestimmte Finanzausstattung hat (ausdrücklich offen gelassen noch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember 2007 – 2 BvR 2433/04 und 2434/04, "SGB II-Arbeitsgemeinschaften", unter C II). Zum anderen gilt auch insoweit das bereits Gesagte, wonach das Verhältnis der Beteiligten dadurch gekennzeichnet ist, dass sie von Verfassungs wegen nach Gesetz und Recht zu handeln haben. Das schließt von Rechts wegen ein "Taktieren" bei der Anerkennung und dem Begleichen von Forderungen ebenso aus wie umgekehrt die Spekulation darauf, durch Prozesszinsen möglicherweise außerplanmäßige Einnahmen erlangen zu können. Sofern der Beklagte (rechtswidrig) untätig bleibt, steht dem Kläger zudem der allgemeine Rechtsbehelf der Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) zur Verfügung. Schließlich lässt sich ein Argument für die Gegenauffassung auch nicht daraus gewinnen, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1. Januar 1994 den bis dahin geltenden § 111 Abs. 2 Satz 2 BSHG aufgehoben hat, der vorsah, dass Verzugszinsen nicht zu erstatten seien. Die entsprechende Schlussfolgerung des BVerwG (BVerwG FEVS 47, 9; daran anschließend BVerwGE 111, 213 ff unter 2.) erscheint nicht einmal aus dessen eigener, oben dargestellter Auffassung heraus zwingend, betont es doch – wie ebenfalls bereits dargestellt – zugleich gerade den Wesensunterschied zwischen Verzugs- und Prozesszinsen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved